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Europa: Eine neue Version ist verfügbar


Bild: OneEuropeGrafik: OneEurope

Eine einheitliche europäische Regierung, transnationale Wahlen und ein transnationales Sozialhilfesystem - das fordern die IntiatorInnen und UnterstützerInnen von European Republic. Auf Publixphere stellen sie ihren Aufruf zur Diskussion.

Ein Aufruf von European Republic (english version)

Wir sind wütend. Europa bricht vor unseren Augen auseinander. Ewig gestrige PolitikerInnen opfern Grundsätze wie Gleichheit und Würde auf dem Altar des einfachen Populismus. Dabei benötigt Europa dringend radikale Veränderungen in vielen Bereichen, wie in der Sozial-, Finanz- und Klimapolitik. Aber anstatt Mut zu zeigen, werden anerkannte Lösungen durch Angst und Misstrauen ersetzt. Vorangegangene Generationen haben ein kriegszerstörtes Europa geerbt. Sie haben uns Institutionen zur Einigung und Friedenssicherung hinterlassen. Aber wie können sie uns weissmachen, dass Europa für Frieden steht, wenn in der Ukraine Krieg tobt und Tausende im Mittelmeer sterben; dass Europa für Wohlstand sorgt angesichts Millionen Arbeitsloser; dass Europa für Einheit steht, wenn Südeuropa zum Sündenbock von Problemen gemacht wird, die grundsätzlich systemischer Natur sind?

Wir wollen das europäische Projekt auf die nächste Ebene bringen: eine neue Version ist verfügbar.

Nicht in unserem Namen

Deutschlands anhaltendes Beharren auf Austeritätspolitik als einziger Weg aus Europas Krise, zerstört was uns zusammenhält. Diese Politik spielt europäische Staaten gegeneinander aus, befördert Rivalitäten, wo Solidarität gebraucht wird und etabliert Hierarchien zwischen den Nationen. Das große europäische Projekt, einmal ein positives Beispiel für freiwillige und sinnvolle Kooperation, entwickelt sich zu einer Schuldner- Gläubiger Beziehung. Wir stellen uns gegen diese herablassende und destruktive Politik, sie wird nicht in unserem Namen gemacht.

Wenn Zehntausende in ganz Europa auf die Straße gehen und gegen Institutionen, die als „Troika“ bekannt wurden, demonstrieren, dann macht das deutlich, dass etwas in Europa fundametal schief läuft. Der Zuwachs zu populistischen Parteien, von Frankreich über die Niederlande, von Deutschland bis nach Ungarn, sind Beweis für bereits entstandenen Schaden. Angst und Entfremdung treiben Menschen in die Hände von Front National, Pegida und ähnlichen Bewegungen. Aber anstatt ihre Verantwortung für politische Willensbildung und das europäische Projekt wahrzunehmen, laufen viele Politiker Stimmen am rechten Rand nach.

Wer wir sind

Wir sind deine FreundInnen, NachbarInnen, Geschwister, die PassantInnen auf der Straße. Wir sind Tausende, die hoffen Millionen von Europäern zu werden, die überzeugt sind, dass Erfolg Mut verlangt.

Einige unter uns haben in anderen Ländern gelebt, sprechen verschiedene Sprachen, wir haben uns in Menschen aus anderen Ländern verliebt und viele wissen kaum noch, wie sich inneuropäische Grenzkontrollen anfühlen. Europa ist unser Zuhause. Vielleicht haben wir es bisher als Selbstverständlichkeit betrachtet. Doch das ist vorbei. Für uns ist es klar, dass es an der Zeit ist, Souveränität und Demokratie jenseits des Nationalstaats zu denken.

In dieser globalisierten Welt sind wir Teil etwas Größerem als unserer eigenen, miteinander verbundenen Staaten. Eine Rückkehr zu Nationalismus wiederspricht dieser Tatsache. Ohne unsere regionalen oder nationalen Identitäten aufgeben zu müssen, sind wir Teil eines Europas.

Was wir wollen

Unser Plan für die Zukunft Europas ist republikanisch. Um politische Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und die Achtung von Menschenrechten zu erreichen, sind wesentliche Veränderungen hin zu einem demokratischen System, das diesen Namen verdient, notwendig. Unter anderem fordern wir:

  • Eine einheitliche europäische Regierung, die dem Prinzip der Gewaltenteilung unterworfen und durch transnationale Wahlen gewählt ist.

  • Ein transnationales Sozialhilfesystem, das eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung einschließt. Dies sollte unabhänig davon sein, ob wir heute in Frankreich oder Polen arbeiten und morgen in Spanien und unser Ehepartner einer anderen Nationalität hat.

Es ist an der Zeit, mutig zu sein und neue Wege für ein anderes Europa einzuschlagen.

Unterzeichnung

Dieser Aufruf kann hier unterzeichnet werden. Auch die englische Version ist unter www.european-republic.eu verfügbar.

InitiatorInnen

Benjamin Zeeb, Project for Democratic Union, Daphne Büllesbach, European Alternatives, Victoria Kupsch, European Democracy Lab, Nora Rathje, European Alternatives, Jonathan Buhl, European School of Governance

Frühe Unterzeichnende

Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin; Robert Menasse, Schriftsteller; Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin; Vincent Immanuel Herr, Publizist; Brendan Simms, Historiker; Andre Wilkens, Buchautor; Linn Selle, Trägerin des Preises "Frau Europas" (2014); Cherian Grundmann, Co-Founder 'OneEurope'; Michael Thoss, Geschäftsführer Allianz Stiftung; Sigrid Gareis, Generalsekretärin der Akademie der Künste der Welt

Webseite: European Republic Rede um Thema (Video): re:publica 2015 - Ulrike Guérot: The European Republic is under construction, 7. Mai 2015



Kommentare

  • Ich habe mir Frau Guérots faszinierenden Vortrag: "The European Republic is under construction", der in diesen Aufruf (s.o.) mündet, auf Youtube angehört.

    Die Vision einer europäischen Republik, die sie entwirft, ist keine reine Utopie. So könnte Europa eines Tages aussehen.

    Aber ich denke, man kommt nur in kleinen Schritten dahin. Da gebe ich Emil (s.u.) recht, man kann ihre Politikergebnisse nicht heute schon vorwegnehmen. Was Griechenland betrifft, nicht heute schon so handeln, als hätten wir schon eine europäische Republik mit Länderfinanzausgleich usw. Wir haben noch kein einheitliches Steuersystem, keine einheitliche Sozialversicherung etc. Europa muss erst darauf hinarbeiten, und jedes europäische Land, auch Griechenland, muss seine Anstrengungen darauf ausrichten, wenn es nicht nur der Empfänger von Transferleistungen bleiben und ansonsten alles beim Alten lassen will.

    Was mir bei Frau Guérots Vortrag auffällt: Möchte sie eine European Republic nach dem Vorbild der Bundesrepublik? Also was das Wahlrecht angeht, die Gewaltenteilung, die zwei Kammern (analog zum Bundestag und Bundesrat?), das Steuersystem, die Sozialversicherungen etc ? Also, ich hätte nichts dagegen, frage mich aber, ob nicht die andern europäischen Länder sich dann nicht schon wieder von deutschen Leitlinien und deutscher Praxis, die ihnen übergestülpt würde, dominiert fühlten.

    • Hallo Doro,

      zu Ihrer Frage nach der institutionellen Struktur (Kammer, Wahlsystem):

      Ich finde gerade das angenehme an dem Vortrag, dass er Ziele formuliert ohne gleich einen konkreten „Fahrplan“ mitzuliefern. Das bietet meines Erachtens genau die Möglichkeit, dann darüber zu reden, wie die Ziele erreicht werden können, so dass z.B. eine solche Diskussion geführt werden kann. Ich schätze einfach, es gibt nicht das eine Rad, an dem gedreht werden muss und zumindest ich könnte jetzt nicht sagen, an welchen Rädchen wie viel gedreht werden muss, um die genannten Veränderungen zu erreichen.

      Beispiel: Um bei einem besseren institutionellen Struktur zu bleiben: Es geht darum, wie das Europaparlament auf der einen Seite besser legitimiert wird und auf der anderen Seite dann auch mehr Kompetenzen erhält. Nun gibt es viele Ideen, was verändert werden könnte und einzelne Vorschläge wie „Transnationale Listen“ werden im Aufruf benannt. Aber ich denke es wäre geradezu vermessen, wenn jemand behaupten würde, er oder sie wüsste genau, das, das und das muss gemacht werden und dann wird alles gut. Viel wichtiger ist da aus meiner Sicht, dass eben erst mal formuliert wird, wohin es denn überhaupt gehen soll.

      Anders ausgedrückt: Ich finde es wohltuend, dass Guérot gut durchdachte Ziele formuliert und damit eine Vision baut und sich eben nicht im Klein-Klein verliert.

      Kurz zur institutionellen Struktur Ich sehe das genauso wie Sie Doro: Wir müssen uns bewusst sein, dass wir es in der EU mit unterschiedlichen Staatsaufbauten zu tun haben, die ja von den jeweiligen Bevölkerungen meistens als „Normalzustand“ empfunden werden. Nachdem es diese Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern aber auch bisher schon gab und dennoch gemeinsame Institutionen entstanden sind, glaube ich jedoch, dass durch Dialog und Abwägung dieses Hindernis überwunden werden kann.

    • Benjamin Project for Democratic Union European Republic
      +1

      Die Strategie der kleinen Schritte ist gescheitert. Sie hat dazu geführt, dass die vielen individuellen Stärken, die die Mitglieder der Eu rozone haben, nicht gebündelt werden, sondern sich im Dickicht der europäischen Institutionen verlieren und frag- mentiert werden.

      Wir beobachten gegenwärtig in der gesamten Eurozone, dass Bürger in der Krise von wirtschaftspolitischen Entscheidungen ausgeschlossen weden. Es ist ein kleiner Kreis von nationalen Entscheidungsträgern, die unter sich Hilfskredite und deren Bedingungen aushandeln. Das demokratische Mitspracherecht der Bürger auf europäischer Ebene, wo die meisten der uns alle betreffenden Entscheidungen gefällt werden, ist nahezu ausgehebelt. Das ist auch trotz der ausgebauten Rechte des Europäischen Parlamentes der Fall.

      Bei der Schaffung des europäischen Bun- desstaates geht es um die Wiedererlangung demokratischer Mitsprache aller Bürger der Eurozone.

      Das Problem mit den 'kleinen Schritten' ist, dass sie keine lang- oder auch nur mittelfristige Planungssicherheit gibt. Wir können es uns weder sicherheits- noch wirtschaftspolitisch leisten, darauf zu vertrauen, dass wir schon irgendwie zu einem zufriedenstellenden Ergebnis kommen. Das sehen wir ja gerade.

      Die Krise der Eurozone lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass Anfang der 90er-Jahre zu viel Vertrauen darauf gelegt wurde, dass nach Schaffung der monetären Union automatisch politische wie fiskalische Integration folgen würde. Zwar haben wir kleine Schritte gesehen, aber die Vielzahl kleiner Schritte hat zu einem überaus komplizierten und fragmentierten System aus Institutionen, Regeln, Verträgen und überlappenden Verantwortungsbereichen geführt. Dieses System ist aber nicht in der Lage, die notwendigen großen Reformen anzustoßen und hat dazu auch nicht die Legitimität.

      Das Ergebnis ist eine wirtschaftliche Krise, die auch nach sieben Jahren nicht gelöst ist und ein politisch geschwächtes Europa, das wirtschaftlich und auch sicherheitspolitisch nicht auf eigenen Beinen steht und Bedrohungen von Außen und weitere Finanzkrisen geradezu einlädt.

      Es gibt keine europäische Teleologie, die unumwunden auf die politische Union hinführt. Eine Taktik der kleine Schritte, die erst dann tätig wird, wenn Probleme auftauchen, riskiert, die gesamte europäische Integration so weit zu fragmentieren, dass sie sich am Ende auch wieder versehentlich auflösen könnte. Sie ist also eine Gefahr.

  • Wo ihr Recht habt

    Also: Europa als Republik denken, da bin ich natürlich dabei. Wie Baboo finde ich den Digitalen Wandel und die Region (als Gegenüber der supranationalen Ebene, die auch Europa sein kann und nicht Deutschland usw. sein muss) entscheidend (könntet ihr vielleichet noch in eure Kampagne aufnehmen). Auch die Gläubiger-Schuldner-Beziehung ist die mieseste aller Beziehungen, da gebe ich euch Recht, zerstört auch privat manche Freundschaft.

    Und nun kommt das Aber :). Wenn ihr diesen Aufruf auf Englisch verbreitet und es kann ja nicht anders sein, als dass diese Bewegung aus allen EU-Ländern von unten getragen wird, will sie Erfolg haben, dann geht ein Satz schon mal gar nicht: "Deutschlands anhaltendes Beharren auf Austeritätspolitik als einziger Weg aus Europas Krise, zerstört was uns zusammenhält."

    Mythos der deutschen Diktatur

    Das ist unterkomplex. Ich wiederhole mich hier auf Publixphere gern. Aber zuletzt haben sich 16 Eurofinanzminister gegen die Vorstellungen des griechischen Finanzministers gewandt. Weder die Sozialisten in Frankreich noch die Sozialdemokraten in Italien sprangen Syriza zur Seite. Davon könnt ihr halten was ihr wollt, aber nehmt mal dieses demmokratische Votum gewählter (!) Regierungen zur Kenntnis! Das ist nicht die deutsche Diktatur, das ist einfach mal aktueller politischer Mainstream in Europa, auf dem Prinzip 'Hilfe nur bei Reformen' zu bestehen. Und die Slowenen und Finnen sind noch mal einen Zacken knallhärter, wenn es um Griechenland geht. Bitte zur Kenntnis nehmen.

    Noch mehr Ärger

    Es gibt viele feine Vorschläge - den Griechen ihre Überschüsse lassen (Grüne), eine supergute griechisch/europäische Investitionsbank, die sinnvolle, rentable (!) Projekte finanziert usw.. Da würde ich ansetzen. Für einfach Geld rüber kippen, Transferunion, Automatismen und Pipapo hätte ich überhaupt gar kein Vertrauen, weder in Athen, noch in Brüssel. Woher auch?

    Und glaubt ihr ernsthaft, Deutschland ist der Bremsklotz der europäischen Integration??? Fragt mal die Briten, was die für eine EU, Pardon, was für einen Binnenmarkt die wollen. Kleiner Tipp.

    Jedenfalls, dieses Deutschland-Bashing halte ich für sehr unangemessen, wenn das am Anfang großer Integrationsschritte stehen soll.

    Versöhnliches Ende

    So, genug aufgeregt. Ich finde es ja gut, dass ihr euch überhaupt zusammen tut und was fordert. Über die transnationalen Sozialsysteme würde ich gern mehr wissen. Wie sollen die funktionieren? Da würde ich mir gern eine Meinung zu machen.

    Grüße, Rakaba

    • Hallo Rakaba, Du verstehst es nicht! Heute ist es so, dass Angela Merkel ihren Amtseid darauf schwört, die Interessen des Deutschen Volkes zu wahren und zu verteidigen. Sie schwört nicht, die makroökonomische Balance der Eurozone im Auge zu behalten.

      Aber eine europäische, direkt gewählte Regierung würde genau das tun, sie würde auf das Interesse der europäischen WählerInnen vereidigt. Das ist der Game Changer. Denk mal drüber nach!

    • Hallo Rakaba,

      1. Ich bezweifle, dass die Austeritätspolitik wegen „knallharter“ Finnen und Slowenen durchgeführt wurde. Bei einem bin ich mir aber ganz sicher, Syriza war es nicht!

      2. Die Griechen bräuchten überhaupt kein Geld, wenn sie die Schulden nicht bedienen würden.

      3. Sind Ihnen die Außenhandelsüberschüsse und Zinsvorteile Deutschlands nicht bekannt? Vielleicht sollten Sie gedanklich mal hier ansetzen, statt einfach dem Schwächeren vorzuwerfen, dass er schwächer ist.

    • Es reicht so langsam

      Nur zu Griechenland.

      Irgendwann. Ist auch mal gut. Vetternwirtschaft in Griechenland: Syriza ist auch nicht besser

      Das hat nichts mit kaltherzigen deutschen Neoliberalen zu tun. Das hat nichts mit der Systemkrise der EU zu tun. Das liegt auch nicht an der fehlenden Europäischen Republik oder fehlender Sozialhilfe. So furchtbar und allseits beliebt das Blame-Game vs. Merkel auch sein mag. Das ist ganz einfach: ein Totalversagen von WählerInnen und Gewählten in Griechenland.

      • Liebe Ingeborg, kannst Du Dich mal einen Moment lösen von der nationalen Sicht? Wir führen alle Euro-Diskussionen national übereinander und gegeneinander. Aber es ist dasselbe Boot in dem wir fahren. Es sind nicht 17 Boote. Deswegen wäre es zielführend, gemeinsam den richtigen Kurs zu bestimmen, dorthin, wo wir alle ankommen wollen. Im Übrigen: Vetternwirtschaft gibt es überall. Ich bin auch enttäuscht von Syriza. Aber geh doch mal einen Schritt zurück und betrachte das Ganze.

      • Benjamin Project for Democratic Union European Republic
        +1

        Unsinn. Wenn wir in Deutschland so sparen würden, wie es die Griechen getan haben (zuletzt geschehen 1932 unter Brüning - mit bekannten Folgen), wäre das halbe Land auf der Straße. Syriza ist nicht nur nicht radikal. Die sind eigentlich recht zahm.

        Lohnstückkosten Eurozone

        • Mehr Verdienst als 2009

          Hallo Benjamin,

          auf SPON gab es gerade eine sehr interessanten Statistik-Link zu Eurostat:

          http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=earn_nt_net&lang=de

          Zwar sind die durchschnittlichen Nettojahresverdienste in Griechenland zwischen 2010 und 2014 sehr stark um 20 Prozent gesunken. Allerdings lagen sie 2014 immer noch über dem Niveau von 2009!

          Ein verblüffendes Ergebnis oder?. Demnach gab es zwischen 2009 und 2010 einen Riesensprung beim Nettojahresverdienst, der immer noch nicht ganz abgeschmolzen ist.

          Das mit Brüning zu vergleichen halte ich doch für gewagt.

          Außerdem: die Troika hat nie verlangt, den Ärmsten der Armen nicht mehr zu helfen. Alle Athener Regierungen der letzten Jahre hätten die Möglichkeit gehabt, ihre Militärausgaben (sie sind spitze in der EU) zu halbieren und damit das soziale Desaster zu verhindern. Für's Militär lässt Athen die Menschen hungern, das ist zynisch, darüber könnt ihr auch mal 'wütend' sein wie ich finde.

          P.S: Deine Statistik ist etwas irreführend. Hie geht es ja um den Anstieg der Arbeitskosten, doch von welchem Niveau kommen die Länder? Wichtig ist das Verhältnis zur Produktivität. Es ist doch unbestritten, dass das Lohnniveau in Griechenland einfach zu hoch war.

          • "Demnach gab es zwischen 2009 und 2010 einen Riesensprung beim Nettojahresverdienst, der immer noch nicht ganz abgeschmolzen ist. Das mit Brüning zu vergleichen halte ich doch für gewagt."

            Wer behauptet denn, dass es 2009/2010 eine Brüningsche Sparpolitik in Griechenland gab? Die ganzen Programme wurden doch erst ab Mitte 2010 allmählich begonnen und dann in den folgenden Jahren umgesetzt.

            P.S. Lohnstückkosten berücksichtigen automatisch schon die Produktivität:

            Produzierte Stückzahl / Lohnkosten

            • Wow, ist das schlecht. Natürlich genau umgekehrt: Lohnkosten / Stückzahl

    • Hallo Rakaba, sorry, aber ich glaube Du denkst noch sehr im aktuellen System fest. Es geht ja bei diesem Aufruf um das Kuenftige. Da bin ich ganz bei European Republic.

      In der Eurofrage sollten wir nicht vergessen, dass wir einen Integrationsschritt gemacht haben, den wir aber erst zehn Jahre spaeter in all seinen Implikationen verstanden haben! Das ist ein wirkliches Ding. Du tust etwas Grosses, und begreifst mit riesiger Verzoegerung, was Du eigentlich getan hast.

      Da wuerde ich etwas Milde walten lassen. Frau Merkel muss ausbaden, was Kohl und Co als 'grosse Europaer' und rein politisch motiviert (ohne den super oekonomischen Sachverstand) in gewisser Weise angerichtet haben.

      Stoeren tut mich nur der Verweis auf die Ukraine. Was wollen die Briefeschreiber uns damit sagen? Die EU hats massgeblich versemmelt mit dem (auch militaerischen) Assoziierungsabkommen. Das stimmt. Wenn ihr aber meint, eine Europaeische Republik waere da jetzt einmarschiert, will ich auf diese Republik lieber verzichten. Da ist mir die besonnene Frau Merkel lieber.

  • Mein Eindruck: diese Idee wird, ausser die nationalen Grenzen aufzusplitten eigentlich nur das bestehende, bankrotte System verstärken. Das Hauptproblem in Europa sehe ich als demokratisches Defizit und Politermüdung was zu exzessiver Korruption und Lobby-Einflussnahme führt. Ein one sized fits all Parlament für ganz Europa würde meines Erachtens diese Probleme eher verschärfen und die Distanz zum Bürger noch verlängern. Mein Vorschlag: Eine föderalistische, direkte Demokratie wo in der Legislative JEDE/R über Webseite / Smartphone App Ideen einbringen kann. Diesen Idee können dann entweder lokal, Regional oder für ganz Europa / die Welt gelten. Je nach Regionalem Fokus braucht es mehr oder weniger Voten bzw. Unterstützung um zur Wahl zu kommen. Jeder kann wählen über Themen, die seine Lokalität / Region bzw. Supranationale Entität betreffen. Debatte ist nicht zentralisiert, online bzw. überall. Es braucht kein Parlament, wo eh niemand an einem wirklichen Austausch oder Meinungsbildung interessiert ist. Dies würde eine wahre Res Publica ermöglichen.

    • Mhmmm...als theoretische Idee ganz gut, allerdings habe ich einige Bedenken, was zu viel direkte Demokratie angeht. Die Piratenpartei hat ja bereits mit unterschiedlichen Online-Tools wie z.B. Liquid Feedback versucht, genau dies zu tun: Jeder kann seine Meinung zu Themen einbringen oder Stimmen delegieren – und daraus aggregiert sich dann die Partei-Position zu einem Thema. Was ist aber mit den Menschen, die weder die mediale Kompetenz besitzen noch sich finanziell Smarphones oder Computer leisten könnten? Sind sie vom Diskurs bzw. den Abstimmungen ausgeschlossen? Wer hat außerdem die Zeit, so viele Diskurse zu verfolgen? Betrachtet man z.B. die Schweiz, kann man dort beobachten, dass viele Bürger ziemlich genervt und auch überfordert sind von zu viel direkter Demokratie...nicht zu bewältigen, sich inhaltlich sinnvoll in so viele Themen einzuarbeiten und eine qualifizierte Meinung zu entwickeln.

      Wenn sich die Arbeitswelt allerdings weiterhin so wandelt und wir vielleicht irgendwann bei einer 4-Tage-Woche angekommen sind, könnte man überlegen, eine Politik-Beteiligungspflicht für Bürger einzuführen, das wäre doch was...1-2 Stunden pro Woche o.Ä....aber mal im Ernst, Online-Diskussionen im Kontext politischer Meinungsbildung finde ich relevant, Online-Votes aber, die das Parlament gänzlich ersetzen, halte ich für sehr gefährlich. Aber zwischen diesen beiden Polen (Status jetzt & Stauts komplett direktdemokratisch) gibt es einen großen Graubereich, den es zu bearbeiten gilt: eine Stärkung der Europäischen Bürgerinitiative wäre z.B: ein erster Schritt. Oder transnationale Wahlkreise - ebenso eine sehr gute Idee.

      • Ich lebe in der Schweiz. Ich habe noch nie beobachtet, dass Menschen genervt sind von zu viel Demokratie. Es passiert relativ oft, dass Fragen diskutiert werden, welche mich nicht sonderlich tangieren oder interessieren oder wo ich keine Meinung dazu habe. Das ist absolut ok. In diesen Fällen kann man, analog zur repräsentativen Demokratie einfach nicht partizipieren bzw. sich der Stimme enthalten. Nicht alle Menschen sind an allen Fragen interessiert. Aus diesem Grunde ist es auch natürlich ridikulös, Menschen zur politischen Partizipation zwingen zu wollen. Die direkte Demokratie führt auf der anderen Seite dazu, dass politische Diskussionen nicht nut theoretisch sind: “normale” Menschen auf der Strasse möchten andere Menschen von ihren Ideen überzeugen, da diese partizipieren können und da Jedermans Meinung Gewicht haben kann. Das Parlament ist überall. Ob via Smartphone App oder per Urne abgestimmt wird ist nebensächlich. Die Idee aber, dass Menschen auf der Strasse zu dumm oder ungebildet sind, an der politischen Diskussion teilzunehmen ist nicht nur elitär und arrogant, sondern schlicht und einfach unwahr. Parlamentarier sind auch nur Menschen, und denken und reden oft viel Nonsens, so wie alle anderen auch. Ich persönlich habe Mühe damit, darauf zu vertrauen das eine Polit-Marke/Partei/Person die ich nicht kenne mich adäquat repräsentiert. Ich denke, dass dieses Phänomen eine substantielle Quelle der Politmüdigkeit in der repräsentativen, indirekten Demokratie darstellt. Aufgrund der heutigen medialen und technologischen Möglichkeiten ist die artifizielle Distanz zwischen Bürger und Politik, welche durch die representative Demokratie verursacht wird schlicht und einfach nicht notwendig.

        • Vorab eine wichtige Anmerkung, die mir am Herzen liegt: Es war nie meine Intention zu behaupten, dass "normale Menschen" auf der Straße zu ungebildet seien, um an politischen Diskussionen teilzunehmen. Ich habe meine Zweifel lediglich in Bezug auf die mediale Kompetenz geäußert. Meine Großmutter z.B. würde nicht mit ihrem Smartphone (das sie nicht besitzt) an einer Abstimmung teilnehmen können. Nicht, weil sie nicht inhaltlich interessiert ist oder über Themen Bescheid weiß, sondern schlicht und ergreifend weil ihr der Zugang fehlt. Das musste ich anmerken, da sich im Kommentar klar auf technologische Lösungen bezogen wurde. Und auch wenn ich persönlich diese Ideen spannende finde, glaube ich nicht, dass sie momentan gesamtgesellschaftlich umsetzbar wären.

          Zum Umgang mit direkter Demokratie schneiden sich unsere Erfahrungen, denn meine Freunde, die in der Schweiz leben, fühlen sich oftmals überfordert. Natürlich kann man sich enthalten, aber dennoch wird das nicht-partizipieren immer von einem schlechten Gewissen und der Frage begleitet, dass man die Verantwortung einem Thema gegenüber nicht wahrnimmt. Und die, die sich stark für ein Thema engagieren, vertreten oft eine klare Agenda – das kann ebenso gefährlich werden. Das Risiko, dass die Mehrheit dann die Minderheitsmeinungen unterdrückt ist einfach sehr groß. Es gibt zu Recht Expertengremien, die sich mit sehr spezifischen Themen auseinandersetzen. Außerdem dauern direktdemokratische Entscheidungen viel länger, auch das kann in besonderen Fällen, wenn schnell reagiert werden muss, problematisch sein (wobei Technologie das evtl. aushebeln könnte).

          Natürlich kann es bei einer repräsentativen Demokratie ebenso zu einem Dilemma kommen und ich will gar nicht bestreiten, dass auch Politiker natürlich nicht über jedes Thema Bescheid wissen. Von Niemanden wird erwartet, in allen Bereichen der absolute Experte zu sein. Ich glaube aber, dass wir schleunigst eine Parteienreform o.ä. benötigen. Viele Menschen können sich nicht mehr mit einer bestimmten Partei identifizieren. Auch würde ich mir einen neuen Typus an Politiker oder Politikerinnen wünschen. Ich stimme voll zu, dass viele Menschen in den letzten Jahren das Vertrauen in Politiker und Parteipolitik verloren haben. Aber müsste es nicht eine Reform innerhalb des Systems geben? Wir leben doch zu Recht in einer repräsentativen Demokratie!

          Dennoch will ich gar nicht zu kritisch sein – denn auch ich bin ganz klar der Meinung, dass direkte Demokratie und die Beteiligung von Bürgern zwingend notwendig sind. Aber kann mit einem Umschwenken auf direkte Demokratie der Politikverdrossenheit der Bevölkerung entgegen gewirkt werden? Direktdemokratische Elemente müssen definitiv gestärkt werden – auch für eine Revitalisierung einer gelebten Demokratie – sollten allerdings immer nur eine Ergänzung bleiben.

        • Hallo Baboo,

          die Aussage, „aufgrund der heutigen medialen und technologischen Möglichkeiten ist die artifizielle Distanz zwischen Bürger und Politik, welche durch die representative Demokratie verursacht wird schlicht und einfach nicht notwendig“, teile ich überhaupt nicht.

          Sofern sich nicht jeder Bürger über alle Vorgänge informieren soll (wofür der Tag weit mehr als 24 Stunden haben müsste), geht es immer nur über die Delegation der Entscheidungsbefugnis. Und das ist nicht künstlich, sondern real! Die Schweiz hat ja entsprechend auch nur direktdemokratische Elemente und ansonsten eine repräsentative Demokratie mit Parlament.

          • Die Schweiz wurde nur erwähnt, da Einige hier nicht glauben, dass "jeder Bürger" in der Politik direkt eingreifen sollte oder kann, aufgrund des Argumentes dass einige sich nicht wohl fühlen zu Themen befragt zu werden wo sie keine Position dazu haben. Ich persönlich finde das unproblematisch. Die Spaltung zwischen relevant / irrelevant bzw. ich beteilige mich oder nicht muss in der Interesse bzw. der Affinität liegen. Wenn niemand leidenschaftlich für oder wider ein rosa anstreichen der Strasse ist, dann wird es auch nicht passieren. Wenn aber Menschen sich leidenschaftlich für ein Thema interessieren, wie z.B. TTIP dann sollen sie auch darüber abstimmen können. Das Phänomen, dass obwohl viele Menschen eine starke Meinung zu diesen für sie relevanten vorgängen haben und keine Möglichkeit haben, genau zu wissen was eigentlich überhaupt verhandelt wird ist eigentlich der Kern des Problemes und zeigt die Obsolezenz des jetzigen intransparenten, undemokratischen und profund korrupten Systems der Europäischen repräsentativen Demokratie recht gut auf. Deine Argumente sind aber meines Erachtens auch nicht sehr koheränt: Falls es für "jeden Bürger" unmöglich ist, sich über alle Vorgänge zu informieren, dann ist es das auch für jeden Parlamentarier. Ich behaupte, es wird immer ein paar Nerds geben die sich für Themen interessieren. Falls es eine wirkliche Kontroverse Frage gibt in irgendwas, sagen wir mal die Regulierung von Phosphaten im Abwasser dann wird es eine Diskussion zu diesem Thema geben. Je grösser die Kontroverse bzw. die Distanz zwischen den Ideen desto mehr Leidenschaft, was zu politischer Involvierung führt. In einem direktdemokratischen System können Menschen sich zu Themen äussern, die sie bewegen und zu Themen, welcher nicht interessieren schweigen. Ich denke, dass Regulierung und Gesetze lieber von involvierten, passionierten Menschen geschrieben und eingeführt werden sollte anstatt von bezahlten Lobbyisten, welches Heute meistens(!) der Fall ist. Aber um auf den Kern zurückzukommen, auf das Thema der Europäischen Republik mit transnationalen Wahlkreisen: Ich behaupte, eine direktdemokratisches System wo es um Themen geht und nicht um Menschen ist sehr viel besser auf diese Vision zugeschnitten. Oder sollen in dieser Vision nur mehrsprachige Menschen gewählt werden können oder alternativ, Bürger Repräsentanten wählen mit denen sie gar keine Sprache gemeinsam haben?

            • Hallo Baboo, zur Direktdemokratie kenne ich mich nicht genug aus, um hier mitreden zu können. Aber Du sprichst eine andere Problematik an, die die European Republic auf jeden Fall mitdenken sollte. Die Krise der Parteien, und zwar national und erst recht europäisch, wenn es jemals so etwas wie konsistente europäische Parteienfamilien gab. Wirklich viele Menschen finden sich nicht in Parteipolitik wieder. Ich selbst wähle auch nur noch die Partei, bei der ich die geringsten Probleme hab. Ich habe neulich drüber diskutiert, auf diese Weise ist für mich nur noch eine wählbare Partei übrig. Begeisterung geht anders.

              Aber denken wir europäisch. Wer kann sich europäische Parteien vorstellen, mit einem mitreißendem, europäischen Programm, dass in allen europäischen 'Bundesländern' etwa gleich viel Anhänger findet, damit wir keine allzu großen Spaltungen (wie zum Beispiel in der Ukraine) erleben? Allein die Unterschiede zwischen Cameron, Merkel und Orban scheinen mir doch sehr groß. Also lieber nach Themen wählen?

              • In einem konsequent direktdemokratischen System braucht es keine Parteien. Parteien sind Mogelpackungen. Man wählt Hope and Change und kriegt Drohnen-Kriegsverbrecher. Diese Art von "Repräsentanz" ist einfach nicht notwendig. Wozu braucht es Parteien wenn jeder mitbestimmen kann? Wieso soll man einer "Marke" vertrauen, wenn es um sachliche Themen geht? Das Parteiensystem ist offen für Missbrauch und in seinem Kern wenig demokratisch. Siehe UK - man hatte die Option zwischen "willentlicher Austerity", "widerwilliger Austerity" und Protestvotum. Das ist keine Demokratie.

            • Hallo Baboo,

              dann machen Sie sich mal dran, die ganzen Ehrenurkunden, die bislang nur vom Bundespräsidenten unterschrieben wurden, von allen 80 Mio. Bürgern unterschrieben zu lassen. Wenn Sie fertig sind, können wir ja nochmal über Sinn und Zweck der Repräsentation reden.

              • Bundespräsident? Europa, Sie Troll.

                • Hallo Baboo,

                  sind Ihnen durch mein Beispiel die Sachargumente gegen die Repräsentation abhanden gekommen?

    • Hallo Boboo, Ich verstehe deinen Vorschlag mit der direkten Demokratie oben nicht so richtig. Ich weiß auch nicht ob so etwas funktionieren kann. Dennoch teile ich die Verdrossenheit über den Zustand der Demokratie. Hierin sehe ich auch das derzeitige Hauptproblem, der abnehmenden Identifikation mit Europa.

      Sämtliche sympathischen jungen Initiatoren scheinen ja Projekten zu entstammen die der EU angeschlossen sind. Mich würde interessieren wo der ursprüngliche Funke zu dieser Initiative gelegen hat.

  • Well, don't just grumble, sign this petition like I did!

  • Um die EU wieder auf Kurs zu bringen, muss aus meiner Sicht auf unterschiedlichen Ebenen angesetzt werden. Neben einer Stärkung der gesamteuropäischen Demokratie braucht es auch eine Abkehr von der neoliberalen Wirtschaftsausrichtung der EU und die Entwicklung einer gemeinsamen Öffentlichkeit bzw. noch mehr einer gemeinsamen Identität wie es jkippenberg formuliert.

    Stärkung Europäisches Parlament: Ein gemeinsames starkes Parlament ist ein wichtiger Bestandteil, garantiert aber alleine noch nicht die Bildung einer Gemeinschaft. Das zeigen nicht nur krasse Beispiele wie der zerfallende Irak, sondern auch Autonomiebestrebungen innerhalb Spaniens oder Großbritanniens. Sofern die gemeinsame Identität fehlt, wird ein Gebilde bei fehlender ökonomischer Prosperität immer wieder in Egoismen verfallen und auseinanderdriften. Daneben führt ein gemeinsames starkes Parlament noch lange nicht zu einer guten Politik. Was nützt das demokratisch legitimierteste und politisch einflussreichste Parlament der Welt, solange weite Teile der Wählerschaft an die Heilsversprechen des Neoliberalismus glauben oder billigen Strom und billiges Öl gegenüber einer sauberen Umwelt bevorzugen.

    Arbeitslosenversicherung: Eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung sollte keine Priorität haben, solange die Volkswirtschaften der EU divergieren. Zunächst braucht es aus meiner Sicht Investitions- Wachstums- und Konvergenzprogramme, um zunächst die in Teilen der EU massive Arbeitslosigkeit zu senken.

    • Man möchte Transnationale Wahlkreise redet aber von Egoismen, wenn sich Menschen-Gruppen in den bestehenden (kleineren?) Wahlkreisen nicht repräsentiert fühlen! Das scheint mir im Kern wenig demokratisch. Wieso ist es problematisch, wenn sich die Schotten oder die Andalusen oder die Bayern das bestehende nationale System nicht mehr wollen? Eine derartige Aufweichung der Nationalismen ist wahrscheinlich Voraussetzung für irgendwelche Transnationalen Wahlkreise. Was bedeutet starkes Parlament wenn sich die Menschen nicht repräsentiert fühlen? Ich lese hier, man müsse den Menschen ändern. Wie wollen Sie diese supranationale Identität erschaffen? Sind SIE bereit dafür? Flexibler regionaler Föderalismus mit konsequenter direktdemokratischer Partizipation wäre eine Lösung, die nicht davon abhängt, zuerst einen neuen Menschen bzw. eine neue Identität zu erschaffen. Man muss den Menschen so nehmen und respektieren, wie er ist und für eben diesen Menschen ein System erschaffen. Ideen, welche davon abhängen zuerst den Menschen ändern zu wollen sind nutzlos, weil unrealistisch.

      • Hallo Baboo,

        nationale Egoismen werden durch ein gemeinsames Entscheidungsgremium mit Verantwortlichkeit für das Gesamtgebilde überwunden und nicht durch eine Institutionalisierung der Piratenpartei auf EU-Ebene.

        Der Begriff „stark“ bezieht sich auf Legitimation und Einfluss des Parlaments. Das sollte im Kontext eigentlich deutlich sein.

        „Wie wollen Sie diese supranationale Identität erschaffen?“ Z.B. so: Gedanken zu einem gesamteuropäischen Medienangebot

  • Hans Olaf Henkel (AfD) hat Recht!

    ...gestern sagte er bei Hart aber Fair (einer Lehr- und Sternstunde des lehrmeisterilichen deutsch-nationalen Denkens) sinngemäß: Wo kommen wir denn hin, wenn wir uns ständig in fremde Demokratien einmischen (gemeint war Griechenland)?

    Das ist vollkommen richtig! Wo kommen wir dahin, wenn wir nicht bemerken, dass wir eine gemeinsame Demokratie und eine gemeinsame Debatte bräuchten, die nicht nach Nationen teilt, sondern nach Wirtschaftssektoren, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Arm und Reich usw.! Herr Henkel zog aus seiner messerscharfen Analyse freilich nur einen Schluss: Griechenland soll raus aus dem Euro.

    Auch sonst wurde Frau Guerot in der Sendung schmerzlich vermisst, in der sich Herr Plasberg irgendwann nicht zu blöde war, deutsche und griechische Mentalitäten und Charaktereigenschaften zugunsten Deutschlands auseinanderzudividieren.

    Da war es dann ausgerechnet Markus Söder (CSU) überlassen, Stopp zu sagen, über "die Griechen" und "die Deutschen" zu sprechen, ginge ihm ein wenig zu weit.

    Silke Wettach, die als einzige Frau am Tisch zumindest etwas wirtschaftsjournalistischen Sachverstand hätte anbringen könnte, kam kaum zu Wort und hatte offenbar keine Lust zu protestieren.

    Am Ende dann die Zuschauermeinung: 'Ich bin enttäuscht von Europa' (gemeint war Griechenland).

    Glückwunsch ARD, Glückwunsch Hart-Aber-Fair-Redaktion, zu dieser Satire, im Jahr 8 der Krise.

    Wann die gebührenfinanzierten ARD-Sendungen nach Youtube rutschen, und warum sie nicht dauerhaft in der ARD-Mediathek bleiben, versteht eh kein Mensch, aber hier:

    http://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/

    Nachtrag: Der "Quassel-Grieche"

    Weil es so tief in die aktuelle europäische Debattenkultur blicken lässt. Hier noch das Urteil der BILD-Zeitung.

    Quassel-Grieche mischt Talkrunde auf

    "Besonders der redselige Syriza-Politiker Chondros ließ sich in seinem Redeschwall oft nicht stoppen, argumentierte wild und zeigte sich uneinsichtig."

    Sie zeigen sich also uneinsichtig, diese Griechen.

    http://www.bild.de/politik/inland/frank-plasberg/quassel-grieche-mischt-talk-auf-40920334.bild.html

  • Um Aufmerksamkeit zu erhaschen, eignet sich ein derart trüb gezeichnetes Bild von Europa natürlich hervorragend. Als Grundlage für eine politische Agenda dafür umso weniger.

    Ich bin auch für eine weitere Harmonisierung der Wirtschaftspolitik (Frau Merkel vermutlich auch, wenn sie mit Joachim bei einem Glas Merlot und nicht in der Bundespressekonferenz sitzt), aber dies kann doch gerade nur über eine Politik der kleinen Schritte erreicht werden.

    In eurem Aufruf steckt mir eine Prise zu viel "Sehnsucht nach dem großen Wurf". Dies halte ich für ebenso nachvollziehbar wie naiv und gefährlich. Ihr lasst komplett außer Acht, dass die EU, was Anzahl und Vielschichtigkeit der Akteure und ihrer Interessen angeht, das komplexeste politische Gebilde der Menschheitsgeschichte darstellt. Das mag zwar manchmal frustrierend sein, ist aber nunmal die Kröte, die man schlucken muss, wenn man 28 Staaten mit dem Anspruch, dass jeder gehört wird, an einen Tisch setzt.

    In dem Moment, in dem Frau Merkel euer Zukunftsbild, welches sie (so meine feste Überzeugung) in weiten Teilen unterschreiben würde, herausposaunen würde, hätte sie doch 2 Minuten später all jene, die dagegen sind, unwiderruflich gegen sich aufgebracht.

    Gerade dass sie keinerlei (männlichen?) Profilierungsdrang hat und sich den landauf landab formulierten Forderungen widersetzt, ihre "Vision" von Europa zu konkretisieren, ist das klügste, was Merkel anhand derart komplexer Governancestrukturen tun kann.

    Nicht gerade sexy und stammtischkompatibel, dieser Einwurf, ich weiß… Aber wer über Europa diskutiert, ohne seine historisch gewachsene komplexe Struktur im Blick zu haben, macht es sich zu einfach. Dafür sind doch schließlich blondierte Holländer, französische Töchter und Briten, die im 19. Jahrhundert stecken geblieben sind, zuständig….

    • Hallo @Juker,

      braucht man am Ende nicht beides, auf der einen Seite die Vision, die fern am Horizont schimmert, und auf der anderen Seite den Willen und die Kraft zu konkreten Schritten, um sich dieser Vision allmählich zu nähern?

  • Eine gute Idee, die wohl bloß eine Idee bleiben wird, aus 2 einfachen Gründen: 1) eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Schon seit Jahrzehnten stocken die Gespräche bei diesem Thema. Eine Republik wäre ein Staat, oder ähnliches. Ein Staat muss aber den "Monopol der legitimen physischen Gewalt" besitzen (Max Weber).

    2) harmonisierte Haushaltspolitiken. Dieses Thema ist so dermaßen umstritten, dass es trotz politischer Motivation in der Hinsicht schon seit 10 Jahren keinen Fortschritt mehr gibt. Solange dass nicht klappt, wird den Euro nicht klappen, und wird den Rest auch nicht anfangen können.

    Deswegen bin ich kein Föderalist.

    • Jonathan European Republic
      +1

      Jain.

      1. Eine gemeinsame Verteidigungspolitik sollte selbstverständlich Bestandteil eines geeinten Europas sein. Dank Putin wird diese womöglich sogar ein wesentlicher einigender Faktor. Das war auch Teil der Debatte beim Verfassen des obigen Aufrufs, aber das „Kriegerische“ erschien uns letztlich als ein komischer Bestandteil vom Republikanismus in Kant’s Ewiger Frieden. Das Monopol der legitimen physischen Gewalt soll ja gerade zum Großteil wieder in die Hand der Menschen zurückfallen, die es betrifft. Dann gibt es plötzlich nicht mehr so viel Interesse an Krieg. Und Weber ist schon ziemlich doll 20. Jahrhundert. Dennoch: Soldaten in die Ukraine schicken? Das muss man beantworten, begründen und verantworten können. Was meinst du?

      2. Macht abzugeben, scheint allgemein ein fast pathologisches Problem zu sein. Muss man aber machen, damit es geht. Gerade beim Haushalt hilft es im Zweifelsfall, gemeinsam darüber nachzudenken. Gemeinwohl und so. Dass nicht alles sofort funktioniert, ist auch so eine Konstante der Geschichte. Anfangen, scheitern, besser machen, scheitern, u.s.w. Man sollte allgemein mutiger über Alternativen des globalen Handels nachdenken. Bankenrettung? „Systemrelevanz“ ist relativ.

      Mit Föderalismus hat das damit im Übrigen nichts zu tun. Der Begriff kann ein Aufhänger als Staatsorganisationsidee sein, ist aber kein Generalschlüssel für gutes Leben. Zentralismus noch viel weniger. Wir wollen doch lieber die Einheit des Verschiedenen leben.

  • I love the initiative. I wish my friends in Europe could follow the lecture of Mrs. Guerot in republica15. Unfortunately subtitle in YouTube are only in Germany. I have published this text in Facebook. Unfortunately this text is much drier, it misses important supporting information, the humour and the enthusiasm of the lecture of Mrs. Guerot. Thanks anyway for the inspiration!

  • Meine umfassende Zustimmung zu diesem Aufruf. Insbesondere "Souveränität und Demokratie jenseits des Nationalstaats" ist für mich als Europäer und überzeugter Kosmopolit essentiell wichtig und überfällig.

    Dennoch:

    Der Aufruf hat für mich eine naive Seite, denn er weigert sich den zentralen Gegner dieser positiven Entwicklung zu benennen. Nicht die populistischen Nationalismen sind dies, denn sie sind nur eine reaktionäre Erwiderung auf den zentralen Feind. Eine unangenehme Nebenentwicklung, die scheuslich ist, aber eben nur eine Reaktion auf das eigentliche Problem.

    Der zentrale Gegner ist die neoliberale Ideologie und der handelnde autoritäte Kapitalismus. Wer nicht bereit ist, seinen zentralen Feind zu benennen, der wird ihm auch nie in die Augen schauen können. Für mich ein Ausschlusskritierium hier unterschreiben zu können, denn wer sich nicht eingesteht, wo der Gegner steht und wie er heisst. wird vielleicht gute, sehr gute Ideen für eine bessere Welt haben - wird aber verlieren, wenn es um darum geht, die Herzen und Köpfe der Menschen zu gewinnen, um im Moment, wenn es zählt, die Macht zu haben, eine Richtungsentscheidung real zu treffen.

    • Verwechselt nicht System und Politik!

      Hallo Jens Best, ich bin komplett anderer Meinung, wenn auch aus etwas verschränkter Perspektive, die eine Eurozone so mit sich bringt.

      Ich finde es muss erst darum gehen, die Eurozone als Euroland zu demokratisieren. Das heißt, wir entscheiden als EurobürgerInnen gemeinsam über unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik, über die Sozialstaatlichkeit von Euroland. Es muss erst mal die ARENA geschaffen werden, in der wir die Dinge aushandeln (nicht mehr Staat gegen Staat, nicht mehr im geheim tagenden Eurogruppen-Club).

      In einem zweiten Schritt sollen dann die Euroland-Bürgerinnen wählen / entscheiden, was für eine Politik sie für sinnvoll halten, links oder konservativ, Austerität oder Keynes, eine hohe Euro-Staatsquote oder eine ganz kleine und so weiter.

      Ich halte nichts davon, das System wegen der aktuellen Politik zu kritisieren, die darin stattfindet. Das System selbst ist falsch konzipiert. Oder anders: Wenn eine links dominierte Eurogruppe einem Land wie Estland eine linke Politik vorschreiben würde (stellt mehr Beamte ein, gebt mehr Geld für Soziales aus), dann fände ich das zwar inhaltlich ganz okay aber systematisch falsch, wenn den Finnen keine Wahl bliebe! Wenn es ein linkes, statt ein neoliberales Diktat wäre!

      Aber, und insofern gebe ich Dir Recht war der Euro nie ein finanzpolitisch neutrales Konstrukt. Die Defizitgrenzen bereiten eben vielen linken Träumen für immer ein Ende. Der Euro ist ein Korsett, das an bestimmte Wege zu Wachstum und Beschäftigung glaubt, sie als gegeben und 'gesetzt' annimmt. Das Euroland muss flexibel für Politik-Alternativen werden, das geht aber nur, wenn es sich immer wieder in gemeinsamen Wahlen neu legitimiert und erfinden kann.

      • Zunächst einmal muss glaube ich festgehalten werden, dass das neoliberale Gedankenmodell ja nicht nur Einfluss auf die Eurozone hat. Luxleaks, die niedrige Besteuerung von Kapitalerträgen, der Standortwettbewerb durch niedrige Datenschutz- oder Umweltstandards oder die Fokussierung auf Lohnkostensenkung und Privatisierungen sind kein explizites Problem der Währungsunion, sondern vor allem ein Problem des europäischen Binnenmarkts.

        Daneben sollte festgehalten werden, dass ein System ohne Inhalt im wahrsten Sinne des Wortes „wertlos“ erscheint. Was nutzt ein geeintes Europa, wenn die Ausgestaltung nur den oberen 1, 2 Prozent wirklich nutzt?

        Mein Vorschlag:
        Lasst uns doch Schritt für Schritt harmonisieren, Datenschutzstandards, Finanztransaktionssteuer, gestärkter gemeinsamer CO2-Handel, sehr schwierig aber unheimlich wichtig auch die Vereinheitlichung der Unternehmensbesteuerung (zumindest ab einer gewissen Größe).

        Und daneben:

        Lasst uns doch die europäische Demokratie Schritt für Schritt stärken, durch ein gemeinsames Wahlverfahren für das Europaparlament, mehr Möglichkeiten direktdemokratischer Partizipation, Mehr Kompetenzen für das europäische Parlament.

    • Hallo @Jens_Best,

      im Vortrag von Ulrike Guérot wird auch das angesprochen, also eine Neuausrichtung der Gesellschaft, weg von neoliberalen Strukturen.

      Beste Grüße Mister Ede

  • EU-Hartz-IV gute Idee? Glauben Sie wirklich, es ist eine gute Idee, das Zusammenwachsen Europas mit einer solchen Reform zu beginnen? Ich muss da unweigerlich an die Proteste in Deutschland wegen Hartz IV denken. Was glauben Sie, was in Frankreich los wäre, wenn eine solche Reform im Rahmen der gemeinsamen Arbeitslosenversicherung dann auch noch von Brüssel aufoktroyiert würde.

    Meine Befürchtung: Eine solche gemeinsame Arbeitslosenversicherung könnte statt einem Befreiungsschlag auch ein Todesstoß werden.

    Meine Alternative: Besser geeignet wäre meines Erachtens ein Zinsausgleich zwischen den Staaten der Eurozone, der die Zinsdifferenzen im gemeinsamen Währungsraum abschwächt. So könnte die Gefahr einer emotionalen Überfrachtung zu Ungunsten der EU verhindert werden. Daneben hätte es den Vorteil, dass dann z.B. Großbritannien, das solche Integration zurzeit nicht will, außen vor bleiben könnte. Es erscheint mir also auch deshalb eine sinnvolle Alternative, weil sie meines Erachtens eher eine Chance auf Umsetzung hat.

    • Jonathan European Republic
      +1

      UK draußen zu lassen, erscheint mir als keine gute Idee. Die Queen hat es gerade wieder unterstrichen: Europe should be united. Wie kann man nur eine Staatenordnung zurück haben wollen, die vor 100 Jahren in einen katastrophalen Krieg geführt hat?

      Es geht auch nicht wirklich um ein europäisches Hartz-IV. Ein gemeinsames Sozialsystem ist das Ziel. Bestenfalls mit einem Grundeinkommen, das die Rente obsolet macht und jungen Menschen die Ruhe und den Freiraum gibt, ihr Können zu entfalten. Das muss flach und direkt organisiert sein und Lohnarbeit sollte zumindest europäisch neu überdacht werden. Nur in Europa können wir das jetzt angehen.

      Gemeinwesen schafft Gemeinschaft. Es ist möglich, ein solches System zu schaffen. Zinsausgleich ist Bestandteil eines solchen Vorhabens, man sollte dies doch eher vom Ziel her denken und nach Möglichkeiten fragen, dies zu schaffen. Jenseits von Legislaturperioden.

      • Hallo Jonathan European Republic ,

        bitte Kontext beachten! „UK draußen“ bezieht sich nicht auf die EU, sondern lediglich auf den Gedanken des Zinsausgleichs (der wäre nämlich eine Sache der Eurozone).

        „Bestenfalls mit einem Grundeinkommen, das die Rente obsolet macht und jungen Menschen die Ruhe und den Freiraum gibt, ihr Können zu entfalten.“

        Dann würde ich vorschlagen, Sie verändern einfach das deutsche Sozialversicherungssystem. Dafür braucht es weder die EU noch andere Länder. Allgemein bin ich auch bei Ihnen, dass die (deutsche) Sozialversicherung sich verändern muss, ob wir damit dann aber dasselbe meinen, wenn es konkreter wird, weiß ich nicht.

        „man sollte dies doch eher vom Ziel her denken“

        Das Problem, wenn man allgemein und vom Ziel her formuliert, dann sagen alle, dass sie eine bessere Welt wollen, selbst Kommunisten, Nazis oder Salafisten. Man muss es also schon konkret machen. Und ich habe anhand eines Punktes, ich habe noch mehr, recht konkret benannt, warum ich eine europäische Arbeitslosenversicherung für keine gute Idee halte, sondern einen automatischen Zinsausgleich in der Eurozone befürworte.

        1. Eine Sozialversicherung für die ganze EU muss dann auch demokratisch bzw. parlamentarisch eingebunden werden, das Europaparlament aber eine zu schwache Rolle hat. Es könnte das System dann z.B. nicht mal eigenständig verändern oder vielleicht ausbauen.
        2. Eine europäische Arbeitslosenversicherung nach neoliberalen Kriterien zu gestalten, und das wäre bei der heutigen politischen Konstellation wohl der Fall, halte ich für kontraproduktiv. Die, die den Artikel hier geschrieben haben, wollen das freilich nicht, aber das ändert nichts an der Gefahr, dass es dann doch so kommt.
        3. Außerdem glaube ich, dass ein solches Vorhaben zurzeit populistisch eher gegen die EU verwendet werden würde. In Großbritannien oder bei Le Pen hieße es dann, jetzt wollen die auch noch an unsere Sozialkassen ran und Geld rausziehen.
        4. Ein vierter Punkt ist ja im Vorkommentar auch schon angeklungen. Eine Arbeitslosenversicherung ist tendenziell für die EU gedacht, also auch Großbritannien müsste mitmachen, was zurzeit eher unrealistisch ist.

        Umgekehrt:
        1. Ein Zinsausgleich könnte von der Eurogruppe beschlossen werden und bräuchte außer einer einmaligen Zustimmung nationaler Parlamente als purer Mechanismus keine ausgedehnte parlamentarische Kontrolle.
        2. Ein solcher Zinsausgleich bedeutet keine Be- oder Entlastungen einzelner Personen oder Personengruppen, weil nur auf staatlicher Ebene ein allgemeiner Ausgleich stattfindet.
        3. Gegenkräfte würde es zwar auch geben, allerdings ist es schwerer so etwas zu nutzen, wenn niemand direkt und persönlich betroffen ist.
        4. Und nachdem nur die Eurozone von einem solchen Zinsausgleich betroffen wäre, entfällt auch das Problem mit Großbritannien, weil das ja eh nicht dabei ist.

  • Suche nach Identität

    Hallo European Republic,

    was mir in eurem Text fehlt ist die Identität. Das ist aber eine ganz entscheidende Frage für den Front National, UKIP und all die anderen, denen ihr was entgegen setzen wollt. Wie setzt ihr das Identifikations-Potenzial einer Europäischen Republik frei? Den Front National nur als Drohpotenzial zu nutzen ist zu billig. Ihr solltet das Bedürfnis nach einer positiven, klaren Identität wahrnehmen und auch bedienen. Der Nationalismus, die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, ist nicht nur eine Frage der Arbeitslosenquote, so einfach ist es nicht.

    Ich war neulich sehr erschrocken über die Kommentare unter der Rede des Historikers August Winkler zum Kriegsende, veröffentlicht auf Spiegel Online: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/historiker-winkler-erinnert-im-bundestag-an-kriegsende-a-1032670.html. So viele fordern den Schlussstrich, haben die deutsche Schuld satt. Diese Leute sehnen sich nach einer positiven, selbstbewussten, schuldfreien Erzählung und bringen sie gegen andere Nationen in Stellung, aktuell gegen Griechenland. Es wäre schön, wenn es hier ein europäisches Angebot gäbe. Wie dann da die vertrackte deutsche Identität darin aufgeht (?) oder Bestand hat, wäre noch zu klären. Genauso in allen anderen Ländern.

    Verbündete sehen

    Auch wenn es wie bei Guerot um Konkretes geht, die transnationale Infrastruktuplanung - und Finanzierung zum Beispiel, so würde ich mir eine tiefere Analyse wünschen, woran das hakt. Herr Schäuble hat mehrfach die Idee Solarstrom aus Griechenland eingebracht. Auch die Idee eines Wissenszentrums /-clusters Athen stand mal zur Diskussion. Ich glaube der gute Wille ist, auch in Berlin ist durchaus da. Ich wünsche euch viel Erfolg damit, frei von nationalen Schuldzuweisungen, diesen europäischen Willen zu verstärken.

    Aber grundsätzlich danke, dass ihr mal ein Angebot macht, in einer weitgehend visionslosen Zeit der Verunsicherung.

    • Hallo jkippenberg,

      die Frage nach einer „europäischen Identität“ und wie diese erzeugt werden kann, halte ich für ganz zentral. Die Idee, mit Hilfe eines gesamteuropäischen Medienangebots eine gemeinsame Öffentlichkeit zu schaffen, finde ich sehr begrüßenswert.

    • Jonathan European Republic
      +1

      Vielen Dank für diese Unterstreichung! An der Frage der Europäischen Identität brechen sich tatsächlich viele der Grundherausforderungen, denen die EU gerade gegenübersteht: Nationalismus und Sezession, Grenzen, Solidarität, Zäune, Staatswesen und dessen Organisation und Durchsetzung, an Vielem mehr. Mit der vielgescholtenen „Brüsseler Bürokratie“ mag sich zumindest niemand so recht identifizieren. Und muss Identität eigentlich immer auch Ausschluss bedeuten?

      Identität || Ausschluss

      Es ist wohl dieser Aspekt, den es genauer zu betrachten gilt. In Deutschland ist dies nicht anders als in den übrigen Staaten, jeder hat ein Bayern, Katalanien, Baskenland, Korsika oder einen Kosovo. Und mindestens ein ungeliebtes Nachbardorf. Die Anderen. Staats- und Verwaltungsgrenzen repräsentieren nicht immer unser Zugehörigkeitsgefühl. Dies findet sich schon auf der Lokalebene wieder, wenn eine Zusammenführung zweier Gemeinden an einem tief verankerten Misstrauen scheitert, auch wenn das Ergebnis tatsächlich besser für alle Beteiligten gewesen wäre. Ich kenne Leute in Berlin, die Leute aus Kreuzberg generell nicht mögen und zu Hause Asylsuchende aufnehmen. Wenn ich gemeinsam mit einem Ostfriesen und einem Württemberger in einem Zugabteil sitze, wundere ich mich doch mitunter, dass dieses ein Land ist. Wenn also dies zusammen funktioniert, dann sollte der Rest doch auch kein großes Problem mehr darstellen.

      Zusammensein ist notwendig

      Die Regionen Europas, die weitgehend unter sich bleiben und wenig Austausch mit Anderem erfahren, sind tendenziell Fremdem gegenüber weniger aufgeschlossen, als solche Regionen, wo das Zusammenleben von Vielfalt alltäglich gelebt wird. Die Lösung scheint erschreckend einfach: Austausch. Schüler- und Studenten-, aber auch Handwerkeraustauschprogramme. Dass alle Menschen eigentlich ähnliche Probleme und Wünsche haben, ist eine wichtige Erfahrung und sollte kein Privileg von Akademikern bleiben.

      Eine gemeinsame Sprache finden

      Dafür ist der Hinweis auf eine europäische Medienplattform einschlägig. Ich hätte wirklich gern eine Art europäischer Tagesschau – Proteste auf europäischer Ebene gegen die Investition von Steuergeldern in „systemrelevante“ Banken anstatt in Sozialsysteme hätten eine ganz andere Tragweite. Schlagzeilen und Themen transnationalisieren! Das würde mitunter eine ganz andere Öffentlichkeit und Solidarität hervorbringen. Wir brauchen tatsächlich ganz dringend eine vertrauenswürdige europäische Nachrichtenagentur. Und hier sind wir gleich bei der gemeinsamen Sprache: es wird irgendwann vielleicht auf ein witziges „european english“ herauslaufen, wo alle Couleurs sich verweben und gemeinsam Neues machen. Sprachbarrieren müssen abgebaut werden, alle müssen reden und streiten pflegen. Das kann man im Prozess lernen. Funktioniert durch Begegnung.

      Ich bin Sachse, und ich bin auch Mensch

      Regionale kulturelle Identität steht in keiner Konkurrenz zum Bekenntnis zu Europäischem Bürgertum. Ich wünsche mir eine Europäische Republik, in der es ein Mindestauskommen für alle gibt, wo die „Expertise von Konzerninteressen“ gewissenhaft gegen die Interessen von Bürgerinnen und Bürger abgewogen wird und vor allem: eine Republik, in der Streit gepflegt wird. Offener Streit. Mal kurz nicht über den Minimalkonsens nachdenken, Aspekte schärfen. Argumente öffentlich prüfen!

      Identität durch Güte, nicht durch Raum

      Es wurde schon so viel darüber geschrieben und gesagt, dass man es nicht mehr ansprechen will. Dieses Geschlecht, diese Rasse oder Ethnie, dieser Dialekt und diese Religion, dieser Akzent, dieser Musikgeschmack, diese Lebensart, das alles sind Teile, aber doch nicht die Basis der persönlichen Identität. Vermutlich wird die Menschheit eher reicher sein, wenn sie einen Identitätsbegriff pflegt, der bei uns als mündigen Menschen anfängt. Diese Diskussion ist beeindruckend lächerlich, wenn sie vom Weltall aus verfolgt werden würde. Ein Identitätsbegriff, der zunächst als Prämisse die Heimat auf diesem Planeten annimmt und nach der Möglichkeit guten Lebens und Zusammenlebens von allem auf dieser blauen Kugel forscht, wäre zumindest einer, mit dem Europa niedlicherweise mal anfangen könnte.

      Wo, wenn nicht hier?

      Und am besten zeitnah. Dann gäbe es vermutlich weniger Kriege und schnellere Wertschätzung für den Club of Rome.

  • "Deutschlands anhaltendes Beharren auf Austeritätspolitik als einziger Weg aus Europas Krise, zerstört was uns zusammenhält. "

    • wenn der Satz nicht wäre, würde ich unterschreiben. Es ist einfach nicht nachhaltig auf Kosten zukünftiger Generationen weiter Schulden anzuhäufen, sorry.
    • Nora_R European Republic
      +2

      Hi Goffart,

      ich werde hier kurz was zu der Kritik an dem zitierten Satz schreiben, weil hier Unmut auch in anderen Punkten der Diskussion schon durchklang. Ich werde hier also etwas über deinen Kritikpunkt hinaus etwas schreiben.

      1. Sicherlich beharren auch andere Länder wie z.B. Großbritannien auf diese Politik. Dieser Satz sollte das auch nicht ausschließen, aber..

      2. Wir haben uns dazu entschieden hier gerade die deutsche Politik etwas zu exponieren, da Deutschland nun mal das das wirtschaftlich stärkste Land und mit Wolfgang Schäuble einen starken Verfechter der Austeritätspolitik hat. Das sein "schwarzer Null Fetisch" eben gerade für zukünftige Generation (Achtung Goffart), auch in Deutschland, nicht immer sinnvoll ist wurde im Cicero sehr gut widerlegt: http://www.cicero.de/berliner-republik/die-schwarze-null-schaeubles-falscher-fetisch/59024. Wir sprechen uns auch nicht grundsätzlich gegen Strukturreformen in Griechenland aus, aber dass "Deutschland gegen jede ökonomische Vernunft auf einem strikten Sparkurs zum Beispiel in Griechenland beharrt" hat sogar die Chefredakteurin des doch ehr wirtschaftsliberalen Economist geschrieben. Die Austeritätspolitik hat bisher keinen wirtschaftlichen Erfolg gebracht und dabei enormen sozialen Schaden angerichtet. Damit meine ich nicht nur die katastrophale Situation griechischer Krankenhäuser, dass jeder vierte Erwerbsfähige arbeitslos ist und die Renten kaum mehr bezahlt werden können, sondern auch, die langfristigen Folgen für den innergesellschaftlichen als auch europäischen Zusammenhalt.

      3. Deutschland hat nunmal mehr als andere Länder in der Eurozone von der Politik der EZB profitiert und - das wurde hier in der Runde ja auch schon angemerkt- einen Exportüberschuss auf Kosten andere erwirtschaftet.
      4. Wahrscheinlich haben wir hier auch uns etwas auf die deutsche Position eingeschossen, weil wir uns als Deutsche dazu im besonderen Maße im Stande sehen.

      Und zuallerletzt möchte ich mich MisterEde anschließen: bis in den Tod zu hungern ist auch keine Problemlösung ;)

      Herzlichen Danke allerseites für die rege Diskussion!

      • Sehr geehrte Nora_R, danke für die Ausführung, ich bin völlig anderer Meinung. Die gewählten Regierungen von 18 Eurostaaten, nicht Herr Diktator Schäble, standen zuletzt wie eine Bank hinter dem Prinzip 'Hilfe nur bei Reformen'. Das griechische Sozial-Desaster ist ganz maßgeblich Schuld, korrupter, reformunfähiger Regierungen, die in den letzten 5 Jahren komplett versagt haben, bei der Reichenbesteuerung, beim Bürokratieabbau und so weiter. Die Eurogruppe ist Athen extrem entgegengekommen, hat sogar ein drittes Hilfsprogramm in Aussicht gestellt.

        Kein Mensch bestreitet, dass Konjukturprogramme auch Sinn machen (wenn auch weit weniger als Strukturreformen). Nur: Glaubt ihr ernsthaft, Geld hätte den Griechen nachhaltig (!) geholfen?

        Natürlich kann man eure linksnaive Gutmenschen-Haltung zu Griechenland haben, was das mit der Europäischen Republik zu tun hat, bleibt mir aber schleierhaft. Wollt ihr ein anderes System oder einfach nur eine linke Politik? Die könnt ihr auch haben, wenn ganz Europa Syriza wählt.

        • Hallo Ingeborg,

          1. Ist Ihnen bekannt, dass es heute zwischen den einzelnen Euro-Ländern deutliche Zinsdifferenzen gibt, die es 2008 noch nicht gab? Erkennen Sie an, dass dies problemverschärfend wirkte, nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien oder Portugal?

          2. 2010 war Griechenland überschuldet. Normalerweise würden in einem solchen Fall die Verbindlichkeiten durch einen Schuldenschnitt bis auf das Maß reduziert, das für das Land unter objektiven Gesichtspunkten tragfähig gewesen wäre. Ist Ihnen klar, dass dies einen wesentlich größeren Schuldenschnitt erfordert hätte, der damals aber aufgrund der Instabilität im europäischen Finanzwesen unterblieb?

          3. Wie erklären Sie, dass Spanien 2014 mit 5,8% ein deutlich höheres Defizit hatte als Griechenland mit 3,5%. Immerhin regiert dort ein konservativer der doch angeblich erfolgreich den Austeritätskurs umsetzt.

          • Hallo MisterEde, das wird alles stimmen, es ändert nur nichts an meiner Gesamtbewertung. Da ist mir "Deutschlands Austeritäts-Diktat" ist an allem Schuld einfach viel zu billig.

            Die Lohnkosten in Griechenland mussten runter. Aber sie sind zugegeben auch nicht alles, um Unternehmer dafür zu gewinnen, in Griechenland Unternehmungen zu unternehmen.

            Zu 1.: Natürlich, die Finanzmärkte verstanden bis 2008 die Eurozone nicht, sie nahmen die Nicht-Beistandsklausel nicht ernst, jetzt tun sie es, obwohl die EZB sie ja praktisch obsolet gemacht hat. So what?

            Zu 2. Sie hätten Griechenland auch alle Schulden komplett erlassen können. Ohne Reformen wäre Greichenland 5 Jahre später schon wieder pleite.

            Zu 3. auch Deutschland hat im Zuge seiner (Hartz 4) Struktutreformen die Defizitgrenze gerissen. So what? Es hat sich ausgezahlt. Diese Vergleiche sind doch kleinkariert. Es kommt auf das große Ganze an, da ist Spanien auf dem richtigen Weg, Griechenland nicht.

            Im Übrigen tun die Links-Naiven immer so, als hätte Deutschland nichts besseres zu tun als ach so arme Griechen zu quälen, aus Jux und Dollerei. Habt ihr euch mal gefragt, wie gefrustet alle Euroregierungen nach 5 Jahren Verhandeln mit Athen sind? Ich glaube Griechenland hätte Zugeständnisse ohne Ende bekommen (Investitionshilfe, Good Governance Beratung und so weiter), hätte es sich die Reform-Herausforderung ernsthaft zu eigen gemacht ("Ownership").

            • Hallo Ingeborg,

              Es kommt auf das große Ganze an, da ist Spanien auf dem richtigen Weg

              Nachdem in Portugal die konservative Austeritäts-Regierung durch eine linke Parlamentsmehrheit abgelöst wurde und auch die konservative spanische Regierung massiv abgestraft wurde, habe ich nicht das Gefühl, dass die Naivität auf der Seite der Austeritätskritiker liegt.

              Wie vermutet, haben die Wahlen gezeigt, dass die Bevölkerungen vor Ort nicht ganz der Meinung sind, dass die strikte Austerität der richtige Weg ist.

              Und auch in Bezug auf Griechenland weiß ich nicht, ob z.B. die Sparmaßnahmen bei der Grenzpolizei und der Grenzsicherung wirklich sinnvoll waren. Und auch ein schlechtes Gesundheits- oder Bildungswesen verursacht am Ende doch nur wieder mehr Folgekosten.

              Beste Grüße, Mister Ede

              • Hallo MisterEde! ich halte die Austeritäts-politik-Kritik weiterhin für sehr pauschal. Beispiel Italien. Italien gibt jedes Jahr mehr Geld aus. Jahr für Jahr schrumpft der Haushalt nicht, er bläht sich auf. Trotzdem wird so getan, als wenn Italien sich zu Tode spart. Geld ist auch nicht gleich Geld. Es kommt darauf an, wofür es ausgegeben wird. Hier gibt es ein paar Differenzierungen: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mayers-weltwirtschaft/mayers-weltwirtschaft-ein-lob-der-austeritaet-13645384.html

                Griechenland ist ein Sonderfall, da gebe ich Ihnen recht!

                • Hallo Ingeborg,

                  „Griechenland ist ein Sonderfall, da gebe ich Ihnen recht!“

                  Eigentlich will ich in Bezug auf die Folgen der Austerität das genaue Gegenteil ausdrücken. In Frankreich, Italien, Griechenland, Portugal und jetzt in Spanien wurden die Austeritätsregierungen abgewählt oder im Falle von Spanien zumindest derbe abgestraft. Griechenland und Tsipras sind also diesbezüglich keine Ausnahme, sondern eher die Regel.

                  „Italien gibt jedes Jahr mehr Geld aus. Jahr für Jahr schrumpft der Haushalt nicht, er bläht sich auf.“

                  Es ist völlig normal, dass der Staatshaushalt wächst. Das kommt vor allem von der Inflation und ist auch in Deutschland nicht anders. Alle anderen Preise steigen ja auch.

                  „Trotzdem wird so getan, als wenn Italien sich zu Tode spart.“

                  Wer tut denn so? Italien hat gar keine Hilfskredite beansprucht, sondern unter Monti einfach so auf einen Austeritätskurs umgeschwenkt, der das Land allerdings auch nicht so viel weiter gebracht hat. Dennoch, ohne eine Ablösung von Berlusconi wäre Italien wohl abgeschmiert.

                  Zu Gute kommt Italien vor allem die Geldpolitik der EZB. Die allerdings ist ja auch nicht auf Austerität ausgelegt, sondern auf billiges Geld. Nur was soll Draghi anderes machen, wenn die Austeritäts-Fanatiker das Wirtschaftswachstum vernichten?

                  Beste Grüße,
                  Mister Ede

            • „Natürlich, die Finanzmärkte verstanden bis 2008 die Eurozone nicht“

              Dann wäre es nur gerecht, wenn eben diese Finanzmärkte über Schuldenschnitte die Kosten tragen und nicht die Bürger, die keinen Einfluss auf die Kreditvergabe der Banken hatten.

              „Sie hätten Griechenland auch alle Schulden komplett erlassen können. Ohne Reformen wäre Greichenland 5 Jahre später schon wieder pleite.“

              Ohne Reformen ja, aber die gab es ja durchaus. Das griechische Defizit ist massiv zurückgegangen und besteht heute im Wesentlichen nur noch aus den Zinskosten. Würden die Verbindlichkeiten und damit die Zinskosten in Gänze wegfallen, wäre Griechenland schon jetzt mit einem ausgeglichenen Haushalt in einer guten Ausgangslage um zu gesunden.

              „auch Deutschland hat im Zuge seiner (Hartz 4) Struktutreformen die Defizitgrenze gerissen. So what?“

              Nichts anderes sagt Syriza auch. So what?

              „Im Übrigen tun die Links-Naiven immer so, als hätte Deutschland nichts besseres zu tun als ach so arme Griechen zu quälen, aus Jux und Dollerei.“

              Falsch. Den Eindruck vermitteln nur Menschen, die das Prinzip des Binnenmarktes und die damit einhergehende Problematik nicht verstehen. Wenn Deutschland die Löhne drückt, Luxemburg seine Steuern senkt und Irland sein Datenschutzniveau niedrig hält, dann geschieht das nicht zum Spaß, sondern weil diese Länder ihren nationalen Vorteil suchen. Auf diese Weise spielen sich die Staaten aber gegeneinander aus und insgesamt entstehen in ganz Europa große Wohlstandsverluste durch Unternehmen, die keine Steuern zahlen, eine Abwärtsspirale bei den Löhnen oder aufgeweichten Datenschutz.

    • Hallo Goffart,

      bis in den Tod zu hungern, ist in den meisten Fällen aber auch keine Problemlösung.

  • Hallo!

    eine kleine Sache. Auf Spiegel Online gibt es gerade einen Kommentar, der die Griechenland-Frage mit der Deutschen Einheit vergleicht.

    Ich finde diesen Ansatz sehr kreativ und verblüffend. Am Ende der Deutschen Einheit stand eben, neben Kosten von 2 Billionen Euro, ein Land, eine Regierung. Also eure Idee ist schon da draußen im Umlauf!

    Nur frage ich mich: bekommen die Menschen in Griechenland, Deutschland und anderswo jetzt vor Schreck einen Herzkasper bei der Vorstellung, 'vereinigt' zu werden?

  • Letzte Woche habe ich nun auch den Vortrag von Ulrike Guérot gesehen und finde ihn verdammt stark. Nach meiner Wahrnehmung geht der Vortrag aber auch an genau den Punkten (Gemeinsame Identität und ökonomische Fehlausrichtung), die mir im Aufruf zu kurz kamen, über den Aufruf hinaus. So ist es für mich ein in sich stimmiges Bild davon, an welchen Punkten und in welche Richtung sich die EU ändern muss, um das gemeinsame Europa zu stärken. Zumindest ich bin überzeugt, dass wir in Europa besser zusammenleben würden, wenn sich in diesen Bereichen tatsächlich Fortschritte erzielen lassen würden:

    1. Schaffung einer gemeinsamen Öffentlichkeit, um die Europäische Integration wiederzubeleben.

    2. Ein Europaparlament, das einen größeren Einfluss auf die Entwicklung der EU hat und besser gesamteuropäische legitimiert ist, damit die EU demokratisch weiterentwickelt wird.

    3. Eine Abkehr von der neoliberalen Marktgläubigkeit zu Gunsten einer Europäischen Sozialen Marktwirtschaft, um Europa nicht nur in ökonomischer, sondern auch in sozialer und ökologischer Hinsicht voranzubringen.

    • Hallo MisterEde,

      Ihr Postulat einer Europäischen Sozialen Marktwirtschaft finde ich gut. Frage: nach dem Vorbild Deutschlands?

      Nicht gut finde ich, dass die Griechenland-Krise in den Medien und in der Öffentlichkeit sowohl in Griechenland wie in Deutschland fast wie zu einem bilateralen Problem zwischen Griechenland und Deutschland geworden ist. Oder genauer, wie zwischen einer sozialistischen Partei, der Syriza, und einer konservativen Partei, der CDU einer Frau Merkel und eines Herrn Schäuble. Wenn ich es recht sehe, vertreten auch die europäischen Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen Merkels und Schäubles Linie. Die Animosität eines Teils der griechischen Bevölkerung gegen Merkel und Schäuble sollten wir uns nicht anziehen, finde ich, in dem Sinne, ja, man hat recht, die "bösen Deutschen", personifiziert durch Merkel und Schäuble, sind an allem schuld.

      • Hallo Doro,

        Frage: nach dem Vorbild Deutschlands?

        Das kommt jetzt natürlich ganz darauf an, weil Soziale Marktwirtschaft ein sehr dehnbarer Begriff ist, aber ich versuche gerne, das etwas aufzudröseln. Im Großen und Ganzen würde ich Deutschland zwar als eine Soziale Marktwirtschaft beschreiben, gleichzeitig beklage ich aber dennoch, dass das Soziale oder das Gemeinwohl deutlich zu kurz kommt. Ich würde z.B. keinem Land empfehlen, die Rente nach dem Vorbild Deutschlands teilweise zu privatisieren. Und ich bin auch kein großer Freund davon, dass sich Menschen ab einem gewissen Einkommen gänzlich aus der solidarischen Krankenversicherung ausklinken können. Andere Dinge scheinen dafür in Deutschland recht gut zu funktionieren und könnten ein Vorbild sein, die duale Ausbildung, die Progression im Einkommenssteuerrecht oder auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer.

        Zu Griechenland:
        Nach der Erzählung von Syriza, zumindest so das was man in Deutschland mitbekommt, wird es vielleicht verständlicher: Bis 2009 haben die Eliten des Landes mit Hilfe des internationalen Finanzkapitalismus ein Land mit Korruption und Misswirtschaft geführt, um sich die Taschen voll zu machen. Als 2009 die Finanzkrise kam und Griechenland pleite war, machten sich die reichen Eliten oder zumindest ihr Geld aus dem Staub, z.B. nach London, Berlin oder in die Schweiz. Zurück blieben die Schulden, die seitdem das normale griechische Volk mit Rentenkürzungen usw. bezahlt. Der eiserne Sparkurs, den Merkel und Schäuble dem Land im Namen dieses Finanzkapitalismus aufzwingen, um den wachsenden Schuldenberg zu bedienen, ruiniert das Land nicht nur immer weiter, sondern zerstört auch die Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht der Griechen. Auch wenn das sicher eine sehr einseitige Erzählung ist, aber versuchen Sie danach mal einem Griechen klarzumachen, dass Griechenland jetzt noch weitere Reformen und Sparmaßnahmen braucht, um seine Schulden zurückzahlen zu können. Es dürfte zumindest schwer werden, ihn heute davon zu überzeugen, dass er mit einem „Ja“ zu dem Angebot der Euro-Gruppe nicht der ewigen Knechtschaft Griechenlands unter der Hausherrin Merkel zustimmt.

        • Hallo MisterEde,

          einem "Ja" zu dem Angebot der Eurogruppe würde einer Zustimmung zur "ewigen Knechtschaft Griechenlands unter der Hausherrin Merkel" gleichkommen. So sieht es die Mehrzahl der Griechen und hat heute mehrheitlich mit "Nein" gestimmt. Ich bin erstaunt, dass Sie sich diese Meinung zu eigen gemacht haben.

          Wenn Sie für eine Europäische Soziale Marktwirtschaft sind, müßten Sie eigentlich auch für den Umbau der griechischen Wirtschaft hin zu einer sozialen Marktwirtschaft sein. Aber offenbar möchten Sie wie viele Griechen, dass in Griechenland alles bleibt wie bisher, was das Wirtschaftssystem betrifft, chaotisch, keine gerechte Steuergesetzgebung, keine Katasterämter usw. Aber Schuldenschnitt, neue Hilfsprogramme usw. Also letztlich, dass Griechenland von der EU ohne Bedingungen Transferleistungen erhält.

          Die von Ihnen gescholtene Frau Merkel verlangt ja von Griechenland, wenn sie eine Sparpolitik erwartet, letztlich nichts Anderes als das, was für Deutschland schon seit Jahren gilt: eine Sparpolitik. Müßte man den Griechen nicht mal deutlich machen, dass auch in Deutschland nicht nur Kapitalisten leben, denen es superbon geht, sondern eine Vielzahl von Menschen unterhalb der Armutsgrenze, von den Hartz-IV-Empfängern ganz zu schweigen. Kleinsparern entgehen aufgrund der Niedrigzinspolitik jegliche Zinsgewinne. Sie könnten sie mental als Geschenk für Griechenland verbuchen.

          Will damit sagen, mir fehlt die Empathie für das Klagen der Griechen, dass ihnen eine Sparpolitik aufgezwungen werden soll. Es ist ja nicht so, dass die Mehrheit der Bevölkerung bei uns in Saus und Braus lebt und von Andern etwas verlangt, was sie selbst nicht einhält.

          • Hallo Doro,

            Ich bin erstaunt, dass Sie sich diese Meinung zu eigen gemacht haben.

            What? Das ist doch nicht meine Erzählung oder Meinung, sondern die von Syriza - und genau das habe ich doch auch extra so geschrieben!

            Meine Meinung ist: Wenn es jemand für richtig hält, dass griechische Kinder, Rentner, Arbeitnehmer, Arbeitslose und Kranke für die Rettung französischer und deutscher Banken zahlen, dann dürfte es ihm höchstwahrscheinlich schwer fallen, eine Einigung mit Tsipras und Syriza zu finden. In der Folge eines griechischen Staatsbankrotts gibt es dann für Deutschland Kosten in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro an. Es kann ja jeder selbst überlegen, wo er oder sie das Geld in Deutschland einsparen würde. Ich werbe daher aber weiter dafür, mit Griechenland endlich eine für alle (und das heißt auch für Griechenland) sinnvolle Lösung zu finden.

  • Jein. Europäische Republik find ich gut, zumal sich mit dieser EU genau niemand identifiziert. Aber eine Republik zu gründen heißt ja nicht, ihre Politikergebnisse vorwegzunehmen. Die würde ich dann doch gern allen Republikanern überlassen. Macht nicht den Fehler das implizite Mantra der EU (Markt über alles!) einfach durch ein anderes zu ersetzen. Die Struktur muss sich demokratisieren, das Verteckspiel muss aufhören.