Europa: Eine neue Version ist verfügbar
Grafik: OneEurope
Eine einheitliche europäische Regierung, transnationale Wahlen und ein transnationales Sozialhilfesystem - das fordern die IntiatorInnen und UnterstützerInnen von European Republic. Auf Publixphere stellen sie ihren Aufruf zur Diskussion.
Ein Aufruf von European Republic (english version)
Wir sind wütend. Europa bricht vor unseren Augen auseinander. Ewig gestrige PolitikerInnen opfern Grundsätze wie Gleichheit und Würde auf dem Altar des einfachen Populismus. Dabei benötigt Europa dringend radikale Veränderungen in vielen Bereichen, wie in der Sozial-, Finanz- und Klimapolitik. Aber anstatt Mut zu zeigen, werden anerkannte Lösungen durch Angst und Misstrauen ersetzt. Vorangegangene Generationen haben ein kriegszerstörtes Europa geerbt. Sie haben uns Institutionen zur Einigung und Friedenssicherung hinterlassen. Aber wie können sie uns weissmachen, dass Europa für Frieden steht, wenn in der Ukraine Krieg tobt und Tausende im Mittelmeer sterben; dass Europa für Wohlstand sorgt angesichts Millionen Arbeitsloser; dass Europa für Einheit steht, wenn Südeuropa zum Sündenbock von Problemen gemacht wird, die grundsätzlich systemischer Natur sind?
Wir wollen das europäische Projekt auf die nächste Ebene bringen: eine neue Version ist verfügbar.
Nicht in unserem Namen
Deutschlands anhaltendes Beharren auf Austeritätspolitik als einziger Weg aus Europas Krise, zerstört was uns zusammenhält. Diese Politik spielt europäische Staaten gegeneinander aus, befördert Rivalitäten, wo Solidarität gebraucht wird und etabliert Hierarchien zwischen den Nationen. Das große europäische Projekt, einmal ein positives Beispiel für freiwillige und sinnvolle Kooperation, entwickelt sich zu einer Schuldner- Gläubiger Beziehung. Wir stellen uns gegen diese herablassende und destruktive Politik, sie wird nicht in unserem Namen gemacht.
Wenn Zehntausende in ganz Europa auf die Straße gehen und gegen Institutionen, die als „Troika“ bekannt wurden, demonstrieren, dann macht das deutlich, dass etwas in Europa fundametal schief läuft. Der Zuwachs zu populistischen Parteien, von Frankreich über die Niederlande, von Deutschland bis nach Ungarn, sind Beweis für bereits entstandenen Schaden. Angst und Entfremdung treiben Menschen in die Hände von Front National, Pegida und ähnlichen Bewegungen. Aber anstatt ihre Verantwortung für politische Willensbildung und das europäische Projekt wahrzunehmen, laufen viele Politiker Stimmen am rechten Rand nach.
Wer wir sind
Wir sind deine FreundInnen, NachbarInnen, Geschwister, die PassantInnen auf der Straße. Wir sind Tausende, die hoffen Millionen von Europäern zu werden, die überzeugt sind, dass Erfolg Mut verlangt.
Einige unter uns haben in anderen Ländern gelebt, sprechen verschiedene Sprachen, wir haben uns in Menschen aus anderen Ländern verliebt und viele wissen kaum noch, wie sich inneuropäische Grenzkontrollen anfühlen. Europa ist unser Zuhause. Vielleicht haben wir es bisher als Selbstverständlichkeit betrachtet. Doch das ist vorbei. Für uns ist es klar, dass es an der Zeit ist, Souveränität und Demokratie jenseits des Nationalstaats zu denken.
In dieser globalisierten Welt sind wir Teil etwas Größerem als unserer eigenen, miteinander verbundenen Staaten. Eine Rückkehr zu Nationalismus wiederspricht dieser Tatsache. Ohne unsere regionalen oder nationalen Identitäten aufgeben zu müssen, sind wir Teil eines Europas.
Was wir wollen
Unser Plan für die Zukunft Europas ist republikanisch. Um politische Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und die Achtung von Menschenrechten zu erreichen, sind wesentliche Veränderungen hin zu einem demokratischen System, das diesen Namen verdient, notwendig. Unter anderem fordern wir:
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Eine einheitliche europäische Regierung, die dem Prinzip der Gewaltenteilung unterworfen und durch transnationale Wahlen gewählt ist.
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Ein transnationales Sozialhilfesystem, das eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung einschließt. Dies sollte unabhänig davon sein, ob wir heute in Frankreich oder Polen arbeiten und morgen in Spanien und unser Ehepartner einer anderen Nationalität hat.
Es ist an der Zeit, mutig zu sein und neue Wege für ein anderes Europa einzuschlagen.
Unterzeichnung
Dieser Aufruf kann hier unterzeichnet werden. Auch die englische Version ist unter www.european-republic.eu verfügbar.
InitiatorInnen
Benjamin Zeeb, Project for Democratic Union, Daphne Büllesbach, European Alternatives, Victoria Kupsch, European Democracy Lab, Nora Rathje, European Alternatives, Jonathan Buhl, European School of Governance
Frühe Unterzeichnende
Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin; Robert Menasse, Schriftsteller; Ulrike Guérot, Politikwissenschaftlerin; Vincent Immanuel Herr, Publizist; Brendan Simms, Historiker; Andre Wilkens, Buchautor; Linn Selle, Trägerin des Preises "Frau Europas" (2014); Cherian Grundmann, Co-Founder 'OneEurope'; Michael Thoss, Geschäftsführer Allianz Stiftung; Sigrid Gareis, Generalsekretärin der Akademie der Künste der Welt
Webseite: European Republic Rede um Thema (Video): re:publica 2015 - Ulrike Guérot: The European Republic is under construction, 7. Mai 2015
Doro
Ich habe mir Frau Guérots faszinierenden Vortrag: "The European Republic is under construction", der in diesen Aufruf (s.o.) mündet, auf Youtube angehört.
Die Vision einer europäischen Republik, die sie entwirft, ist keine reine Utopie. So könnte Europa eines Tages aussehen.
Aber ich denke, man kommt nur in kleinen Schritten dahin. Da gebe ich Emil (s.u.) recht, man kann ihre Politikergebnisse nicht heute schon vorwegnehmen. Was Griechenland betrifft, nicht heute schon so handeln, als hätten wir schon eine europäische Republik mit Länderfinanzausgleich usw. Wir haben noch kein einheitliches Steuersystem, keine einheitliche Sozialversicherung etc. Europa muss erst darauf hinarbeiten, und jedes europäische Land, auch Griechenland, muss seine Anstrengungen darauf ausrichten, wenn es nicht nur der Empfänger von Transferleistungen bleiben und ansonsten alles beim Alten lassen will.
Was mir bei Frau Guérots Vortrag auffällt: Möchte sie eine European Republic nach dem Vorbild der Bundesrepublik? Also was das Wahlrecht angeht, die Gewaltenteilung, die zwei Kammern (analog zum Bundestag und Bundesrat?), das Steuersystem, die Sozialversicherungen etc ? Also, ich hätte nichts dagegen, frage mich aber, ob nicht die andern europäischen Länder sich dann nicht schon wieder von deutschen Leitlinien und deutscher Praxis, die ihnen übergestülpt würde, dominiert fühlten.