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Sollte der Westen zusammen mit Russland das Assad-Regime im Kampf gegen den IS unterstützen?


Foto: picture alliance / AP PhotoIn Damaskus immer noch an der Macht: Baschar al-Assad. Foto: picture alliance / AP Photo

Machen wir in den westlichen Demokratien nicht vielleicht auch Fehler in der Beurteilung orientalischer Diktatoren und unserer Parteinahme für Oppositionelle? Das fragt Doro angesichts des jahrelangen Krieges in Syrien...


Ein Beitrag von Doro

Ich erinnere mich noch an die Zeit, als mit Assads Machtübernahme als Staatspräsident in Syrien (2000) im westlichen Ausland Hoffnungen auf eine politische und wirtschaftliche Öffnung des Landes verknüpft waren.

Es begann der „Damaszener Frühling“ (Redefreiheit etc), dem jedoch bald (2002) der „Damaszener Winter“ folgte. Die Intellektuellen des Landes wollten vielleicht auf einmal zu viel. Das große Land Syrien war möglicherweise für eine Demokratisierung und Öffnung zum Westen und zu einer umfassenden zivilgesellschaftlichen Debatte noch nicht fähig, und Assad und seine Baath-Partei mussten um ihre Macht fürchten. Den Intellektuellen ging der Reformprozess zu langsam.

Der Weg des Baschar al-Assad

Es kam zum Bürgerkrieg. Assad bekämpfte mit seinen Regierungstruppen die Freie Syrische Armee und die Zivilbevölkerung in ihren Gebieten so brutal (u.a. mit Giftgas und Streubomben), dass es für ihn heute eigentlich kaum noch ein Zurück gibt in die Diplomatie der internationalen, westlich orientierten Gemeinschaft.

Andererseits empfinde ich ihn als tragischen orientalischen Machthaber, zerrissen zwischen dem Wunsch, sein Land langsam der „Moderne“ zuzuführen und dem Aufbgehren der Elite seines Landes, denen der Anschluss an die Erfordernisse einer internationalen demokratischen Leistungsgesellschaft nicht schnell genug geht.

Parallele zum Schar

Ich sehe eine Parallele zu Mohammad Reza Pahlavi im Iran. Ich selbst habe ein Jahr lang in Teheran gelebt (1972). Der Schah hatte den Schador-Zwang aufgehoben. In Teheran gab es in der überwiegenden Mehrheit selbstbewusste unverschleierte, berufstätige Iranerinnen. Der Schah hatte die „weiße Revolution“, also die Revolution von oben, verkündet, mit Landreform, Schulbildung für alle Kinder, auch auf dem Land usw. Er hatte sich die konservative Geistlichkeit und die traditionellen Kräfte des Landes zu Erzfeinden gemacht. Er wurde ein Despot, der seine Widersacher brutal verfolgte – der Savak war allgegenwärtig – und ohne ordentliches Gerichts-verfahren, meist mit dem Vorwurf, Drogendealer zu sein, hinrichten ließ.

Ich empfand seine Rolle und die seiner Familie als tragisch. Er wollte Gutes, eine Öffnung zum Westen, zur Gleichberechtigung der Frauen, zur Bildung für alle, zu einer gerechteren Landverteilung, aber die Opposition im eigenen Land, die ihm nach dem Leben trachtete, zwang ihn zu hartem Vorgehen, und der Westen ließ ihn schließlich fallen.

Was danach kam, das Regime der Ayatollahs, ist bis heute schlimmer und undemokratischer und brutaler, als es das Schah-Regime war, denke ich.

Muss der Westen seine Demokratie-Politik hinterfragen?

Meine Frage: Machen wir in den westlichen Demokratien nicht vielleicht auch Fehler in der Beurteilung orientalischer Diktatoren und unserer Parteinahme für Oppositionelle? Müssen wir vielleicht nicht genau schauen, wie weit die Länder des Nahen und Mittleren Ostens wirklich schon für die Demokratie gediehen sind, und welche Chancen und welchen Rückhalt in der Bevölkerung vorpreschende Intellektuelle in diesen Ländern wirklich schon haben, ehe wir ganz auf ihr Pferd setzen und mit ihnen wohlmöglich diese Länder ins totale Chaos stürzen?

Um zur eingangs gestellten Frage zurückzukehren: Ich meine, die NATO sollte im Verein mit Putin das Assad-Regime im Kampf gegen den IS unterstützen. Dass überhaupt erst einmal Bewegung in das Syrien-Problem kommt. Ob Assad dadurch wieder „salonfähig“ wird oder aber in Russland „Asyl“ bekommt, und was aus seiner Baath-Partei wird, ist eine nachgeordnete Frage.



Kommentare

  • Hallo Doro,

    gut dass Du nochmal auf die Vorgeschichte von Herrn Assad hinweist. Aber wie in Gottes Namen kommt dieser Mensch dazu Fassbomben auf seine Buerger werfen zu lassen? Das hat nichts mit Moderne zu tun. Es ist nicht macht- und kriegstaktisch irgendwie schlau. Was glaubt er denn, was er damit erreicht? Den Krieg gewinnen? Bis ihn die Syrer wieder waehlen?

    Auch mit Religion scheint mir das bei Assad wenig bis nichts zu tun zu haben.

  • Hallo Doro.

    Um deine Frage nach der Beurteilung der orientalischen Länder zu beantworten: JA. "Der Westen" schwingt sich als Ritter der Entrechteten auf sein hohes Ross weil wir hier so etwas tolles wie "Demokratie" haben und wir nicht von einem Despoten regiert werden. Man muss sich mal vor Augen halten, welche Entwicklungen hier in Europa von statten gegangen sind. Wie die Kultur sich ändern musste, damit so ein System hier überhaupt funktioniert. Das hat vor allem mit der religiösen Entwicklung dieser und unserer Länder zu tun. Hunderte Jahre christliche Vorherrschaft und abermillionen Tote.....Der Islam ist ca. 600 Jahre jünger als das Christentum. Er befindet sich also Religionsgeschichtlich noch immer im Mittelalter. Der nahe / mittlere Osten ist sehr Religiös geprägt, in solchen System Funktioniert das Konzept "westliche Demokratie" nicht so wirklich. Wir projizieren unser Idealbild von einer Gesellschaft auf andere und versuchen ihnen dieses Modell aufzuoktroyieren. Das funktioniert nicht. Und so langsam sollte der Westen dies auch mal verstehen. Bevor hier jetzt wieder einer mit Menschenrechten etc kommt: Ja schön und gut, nett das wir die haben. Aber auch hier: dieses Konzept ist ein westliches, sogar europäisches. Auch hier haben wir es geschafft unser Weltbild, unsere Perzeption von dem wie es auszusehen hätte der Welt "aufgedrückt".

    Zum Konflikt in Syrien...meiner Meinung nach hätte man schon früh die FSA im Kampf gegen Assad unterstützen sollen. Jetzt ist die Messe gelesen. Der ursprüngliche Kampf gegen Staatswillkür und Terror für Freiheit ist einem Religionskonflikt gewichen. Die FSA ist nicht mehr mächtig, die Splittergruppen bekriegen sich teilweise untereinander und der IS ist auf dem Vormarsch. Die NATO sollte eingreifen, ob jetzt mit Putin oder ohne. Oder noch besser, eine UN Schutztruppe. Aber dann mit einem robusten Mandat. Denn ein Soldat der sein Gewehr nicht ordentlich einsetzen darf kann seinen Job nicht erledigen (siehe Srebrenica).

    • Der Islam ist ca. 600 Jahre jünger als das Christentum. Er befindet sich also Religionsgeschichtlich noch immer im Mittelalter.

      Mit solchen Sätzen kann ich echt wenig anfangen, weil so gesehen der Auto-Hersteller Tesla auch noch am Anfang der Automobilgeschichte steht. Eine Einordnung, die so nicht aufgeht.

      • Dass du mit solchen Sätzen nicht viel anfangen kannst, ist nicht schlimm. Erkläre doch lieber, warum die Einordnung so nicht aufgeht.

        • Weil Tesla auf die lange Entwicklung moderner Automobile zurückgreifen kann.

          • Richtig. Die Vertreter des heutigen Islams KÖNNTEN auch auf Entwicklungen schauen, die "wir" hier schon lange hinter uns haben. Das wird aber nicht getan. Zumindest nicht von den Machthabern. Und die mächtigen in diesen Ländern sind nicht gerade Säkular geprägt, sondern eher traditionell. Und wenn man dem Koran folgt (der Koran ist nämlich nicht wie die Bibel Auslegungssache, sondern das geschriebene Wort Gottes. Nix mit Interpretation) ist die politische Situation nicht verwunderlich, sondern logische Konsequenz. Das wird sich über die nächsten Jahrhunderte auch noch ändern. Genau wie bei uns.

            • der Koran ist nämlich nicht wie die Bibel Auslegungssache, sondern das geschriebene Wort Gottes. Nix mit Interpretation

              Nee, Sie interpretieren das nur falsch.

              ist die politische Situation nicht verwunderlich, sondern logische Konsequenz.

              Dann brauchen wir uns damit ja auch nicht beschäftigen. Außerdem kann ein Deutscher sowieso nichts zum Thema Demokratie beitragen, weil die Deutschen demokratietechnisch verglichen mit Griechenland erst im 3. Jahrhundert vor Christus angekommen sind. Wir diskutieren also am besten erst in 2300 Jahren weiter, wenn das auch hierzulande alles verstanden wurde.

              • Nee, Sie interpretieren das nur falsch.

                Leider nein.

                Wir diskutieren also am besten erst in 2300 Jahren weiter, wenn das auch hierzulande alles verstanden wurde.

                Netter Versuch. Möchtest du leugnen, dass die mangelnde Trennung von Staat und Religion die Region demokratietechnisch weit zurückwirft? Wie sieht es mit der teilweise rigorosen Ablehnung und Verteufelung "westlicher Werte" aus?

                • Vorweg: Erklären Sie mir doch mal, wieso im Irak Muslime gegen Muslime kämpfen, also z.B. ISIS gegen Peschmerga? Oder wieso gibt es einen Konflikt zwischen der islamischen türkischen Regierung und der islamischen PKK? Ist schwer, das mit dem Koran zu erklären, oder?

                  Zum ersten Punkt: Wenn Sie meine Interpretation ablehnen, ist das dann nicht genau jener Alleininterpretationsanspruch, den Sie zuvor kritisiert haben? Ist es nicht viel mehr so, dass Ihre Behauptung, der Koran sei keine Auslegungssache, für sich schon eine Auslegung ist?

                  Zum zweiten Punkt:

                  Wie sieht es mit der teilweise rigorosen Ablehnung und Verteufelung "westlicher Werte" aus?

                  Was sind denn westliche Werte? Ruinöser Freihandel, Waffenexporte und die Finanzierung von Despoten? Das lehne ich als Christ genauso ab! Und wenn Sie damit Meinungsfreiheit oder Religionsfreiheit meinen, dann die Gegenfrage, ob wir wirklich noch über Muslime reden oder doch eher über Pegida-Anhänger, Russische Nationalisten und die Kommunistische Partei Chinas? Die Muslime, die ich kenne (und das sind schon einige), stehen nämlich voll und ganz zu solchen bürgerlichen Freiheiten.

                  Möchtest du leugnen, dass die mangelnde Trennung von Staat und Religion die Region demokratietechnisch weit zurückwirft?

                  Haben kommunistische und faschistische Diktaturen nicht überdeutlich gezeigt, dass alleine die Säkularisierung noch lange nicht zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte führt?

  • Hallo Doro,

    Dickes Lob für Ihren Beitrag. Er hat mehr Inhalt, ordnet besser ein und beschreibt die Situation meines Erachtens deutlich treffender als die meisten Artikel, die ich zu diesem Thema in den Publikationen der sogenannten Qualitätsmedien gelesen/gesehen habe.

    Leider bin ich aber außerstande, Ihre Frage auch nur annähernd zu beantworten, weil ich einfach nicht genügend Ahnung von dieser Region habe und mir die Lage auch extrem verworren erscheint. Da sind einfach so viele Akteure in der Region, Hamas, Hisbollah, Palästina und Israel, Iran und Assad, Türkei, Saudi-Arabien, Kurden, Schiiten, Sunniten, PLO, PKK, Peschmerga und all jene, die ich vergessen habe oder die mir unbekannt sind. Dazu kommen dann noch EU, USA und Russland mit unterschiedlichen Interessen, die ja auch nicht immer einheitlich sind, also sich z.B. innerhalb der EU zwischen Großbritannien, Deutschland und Frankreich unterscheiden und selbst in den jeweiligen Ländern je nachdem, wen man fragt.

    Wahrscheinlich spricht viel mehr dagegen als dafür, aber ich hätte den Gedanken, im Nordirak und Ostsyrien einen kurdischen Staat entstehen zu lassen, der von der EU und Russland unterstützt wird. Bei der Rückgewinnung der Staatlichkeit im restlichen Syrien müssten dann Russland und die EU eng zusammenarbeiten, um die unüberwindbar scheinenden Gegensätze zwischen Assad und Assad-Gegner irgendwie aufzulösen (hierzu fehlt mir aber die Ahnung/Phantasie). Ähnliches gilt auch für die Staatlichkeit im restlichen Irak. Evtl. könnten dort die USA und die EU dazu beitragen, diese wiederherzustellen, allerdings fehlt mir auch hier die notwendige Ahnung von der Region bzw. Phantasie. Würden Irak, Syrien und Kurdistan bzw. Russland, die USA und die EU auf diese Weise an einem Strang ziehen, könnte ich mir aber zumindest vorstellen, dass sich ISIS aus der Welt schaffen lässt und etwas Stabilität in die Region zurückkehrt, weil in einer solchen Konstellation auch für viele Teilgruppen und Regionalmächte ein Platz wäre.

    Dennoch ist das weder eine Antwort noch eine Empfehlung, sondern nur ein Gedanke auf Basis meines viel zu beschränkten Wissens zu dieser Region.