Warum es kein deutsches Google gibt - Historie

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  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian LeitloffUnsere Zeit denkt über das Gründen nach - diesseits und jenseits des Atlantiks...


    Hinweis: Dieser Text erschien erstmals auf dem Blog Unsere Zeit - Gedanken zur Gegenwart


    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Kalifornien statt Paderborn

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album (CC BY-NC-SA 2.0)

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto:Larry Page and Sergey Brin (links, aufgenommen 2008) starteten ihr Google-Imperium in Kalifornien. Heute zieht auch Berlin junge GründerInnen der Digitalwirtschaft an. So wie Bruce Pon, Masha McConaghy und Trent McConaghy mit ihrer Registerdatenbank für intellektuelle Eigentumsrechte Ascribe.io (rechts). Fotos: Ehud Kenan (CC BY-NC-SA 2.0) (links); Ascribe.io (rechts).

    Links rund um's Thema

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian LeitloffUnsere Zeit denkt über das Gründen nach - diesseits und jenseits des Atlantiks...


    Hinweis: Dieser Text erschien erstmals auf dem Blog Unsere Zeit - Gedanken zur Gegenwart

    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Foto: EOSNicht weltberühmt, aber erfolgreich: EOS-Gründer Hans J. Langer. Foto: EOS GmbH Electro Optical Systems.

    Kalifornien statt Paderborn

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album Link: https://www.flickr.com/photos/yuyang226/213530441/in/photolist-4dLoY2-fnKgQ-btpEdi-XzFsP-fnVzw-fnEfT-aep12n-8UQ6MD-gfLoDk-8QQbR7-pqvUam-rKe2Wh-agY1en-gggKdD-qeTNFo-avG1za-qd4bdh-6w2Fvm-vwi4Fz-zqukbQ-dzoSsz-iPSCL2-pKsQcA-4g3ZfJ-hsaBsh-bvrQwZ-9QkkeS-9Qkk7f-9QhtxP-9QhrZv-9QhuhT-9QhsX4-9QhtiT-9Qki1W-9QhsEk-9Qkhp3-9QkhMy-9Qhsb8-9Qkkq3-9Qkj6b-9QkjYQ-9Qhsug-9Qkjnd-9QkiAC-bvrQZz-ddTqQT-7JBi9i-gfLoBB-gfLQBa-qB41td (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ )

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album Link: https://www.flickr.com/photos/yuyang226/213530441/in/photolist-4dLoY2-fnKgQ-btpEdi-XzFsP-fnVzw-fnEfT-aep12n-8UQ6MD-gfLoDk-8QQbR7-pqvUam-rKe2Wh-agY1en-gggKdD-qeTNFo-avG1za-qd4bdh-6w2Fvm-vwi4Fz-zqukbQ-dzoSsz-iPSCL2-pKsQcA-4g3ZfJ-hsaBsh-bvrQwZ-9QkkeS-9Qkk7f-9QhtxP-9QhrZv-9QhuhT-9QhsX4-9QhtiT-9Qki1W-9QhsEk-9Qkhp3-9QkhMy-9Qhsb8-9Qkkq3-9Qkj6b-9QkjYQ-9Qhsug-9Qkjnd-9QkiAC-bvrQZz-ddTqQT-7JBi9i-gfLoBB-gfLQBa-qB41td (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ )

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto:Larry Page and Sergey Brin (links, aufgenommen 2008) starteten ihr Google-Imperium in Kalifornien. Heute zieht auch Berlin junge GründerInnen der Digitalwirtschaft an. So wie Bruce Pon, Masha McConaghy und Trent McConaghy mit ihrer Registerdatenbank für intellektuelle Eigentumsrechte Ascribe.io (rechts). Fotos: Ehud Kenan (CC BY-NC-SA 2.0) (links); Ascribe.io (rechts).

    Links rund um's Thema

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian LeitloffUnsere Zeit denkt über das Gründen nach - diesseits und jenseits des Atlantiks...


    Hinweis: Dieser Text erschien erstmals auf dem Blog Unsere Zeit - Gedanken zur Gegenwart

    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Foto: EOSNicht weltberühmt, aber erfolgreich: EOS-Gründer Hans J. Langer. Foto: EOS GmbH Electro Optical Systems.

    Kalifornien statt Paderborn

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album (CC BY-NC-SA 2.0)

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto:Larry Page and Sergey Brin (links, aufgenommen 2008) starteten ihr Google-Imperium in Kalifornien. Heute zieht auch Berlin junge GründerInnen der Digitalwirtschaft an. So wie Bruce Pon, Masha McConaghy und Trent McConaghy mit ihrer Registerdatenbank für intellektuelle Eigentumsrechte Ascribe.io (rechts). Fotos: Ehud Kenan (CC BY-NC-SA 2.0) (links); Ascribe.io (rechts).

    Links rund um's Thema

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian LeitloffUnsere Zeit denkt über das Gründen nach - diesseits und jenseits des Atlantiks...


    Hinweis: Dieser Text erschien erstmals auf dem Blog Unsere Zeit - Gedanken zur Gegenwart

    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Foto: EOSNicht weltberühmt, aber erfolgreich: EOS-Gründer Hans J. Langer. Foto: EOS GmbH Electro Optical Systems.

    Kalifornien statt Paderborn

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album Link: https://www.flickr.com/photos/yuyang226/213530441/in/photolist-4dLoY2-fnKgQ-btpEdi-XzFsP-fnVzw-fnEfT-aep12n-8UQ6MD-gfLoDk-8QQbR7-pqvUam-rKe2Wh-agY1en-gggKdD-qeTNFo-avG1za-qd4bdh-6w2Fvm-vwi4Fz-zqukbQ-dzoSsz-iPSCL2-pKsQcA-4g3ZfJ-hsaBsh-bvrQwZ-9QkkeS-9Qkk7f-9QhtxP-9QhrZv-9QhuhT-9QhsX4-9QhtiT-9Qki1W-9QhsEk-9Qkhp3-9QkhMy-9Qhsb8-9Qkkq3-9Qkj6b-9QkjYQ-9Qhsug-9Qkjnd-9QkiAC-bvrQZz-ddTqQT-7JBi9i-gfLoBB-gfLQBa-qB41td (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ )

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto:Larry Page and Sergey Brin (links, aufgenommen 2008) (links) starteten ihr Google-Imperium in Kalifornien. im kalifornischen Montain View. Heute zieht auch Berlin junge GründerInnen der Digitalwirtschaft an. So wie Bruce Pon, Masha McConaghy und Trent McConaghy mit ihrer Registerdatenbank für intellektuelle Eigentumsrechte Ascribe.io (rechts). Fotos: Ehud Kenan (CC BY-NC-SA 2.0) (links); Ascribe.io (rechts).

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album Link: https://www.flickr.com/photos/yuyang226/213530441/in/photolist-4dLoY2-fnKgQ-btpEdi-XzFsP-fnVzw-fnEfT-aep12n-8UQ6MD-gfLoDk-8QQbR7-pqvUam-rKe2Wh-agY1en-gggKdD-qeTNFo-avG1za-qd4bdh-6w2Fvm-vwi4Fz-zqukbQ-dzoSsz-iPSCL2-pKsQcA-4g3ZfJ-hsaBsh-bvrQwZ-9QkkeS-9Qkk7f-9QhtxP-9QhrZv-9QhuhT-9QhsX4-9QhtiT-9Qki1W-9QhsEk-9Qkhp3-9QkhMy-9Qhsb8-9Qkkq3-9Qkj6b-9QkjYQ-9Qhsug-9Qkjnd-9QkiAC-bvrQZz-ddTqQT-7JBi9i-gfLoBB-gfLQBa-qB41td (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ )

    Links rund um's Thema

    Julian Leitloff: Generation Y: Eine Abrechnung Link: https://publixphere.net/d/2157

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian LeitloffUnsere Zeit denkt über das Gründen nach - diesseits und jenseits des Atlantiks...


    Hinweis: Dieser Text erschien erstmals auf dem Blog Unsere Zeit - Gedanken zur Gegenwart

    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Foto: EOSNicht weltberühmt, aber erfolgreich: EOS-Gründer Hans J. Langer. Foto: EOS GmbH Electro Optical Systems.

    Kalifornien statt Paderborn

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto: Larry *Larry Page and Sergey Brin (links) starteten ihr Google-Imperium im kalifornischen Montain View. Heute zieht auch Berlin junge GründerInnen der Digitalwirtschaft an. So wie Bruce Pon, Masha McConaghy und Trent McConaghy mit ihrer Registerdatenbank für intellektuelle Eigentumsrechte Ascribe.io (rechts). Fotos: Ehud Kenan (CC BY-NC-SA 2.0) (links); Ascribe.io (rechts). *

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album (CC BY-NC-SA 2.0)

    Links rund um's Thema

    Julian Leitloff: Generation Y: Eine Abrechnung

    Kay Strasser: Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate?

    HUFW: Wie problematisch ist Marktmacht im Internet?

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian LeitloffUnsere Zeit denkt über das Gründen nach - diesseits und jenseits des Atlantiks...


    Hinweis: Dieser Text erschien erstmals auf dem Blog Unsere Zeit - Gedanken zur Gegenwart Link: http://unserezeit.eu/2016/01/05/warum-es-kein-deutsches-google-gibt/

    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Kalifornien statt Paderborn

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto: *Larry Page and Sergey Brin (links) starteten ihr Google-Imperium im kalifornischen Montain View. Heute zieht auch Berlin junge GründerInnen der Digitalwirtschaft an. So wie Bruce Pon, Masha McConaghy und Trent McConaghy mit ihrer Registerdatenbank für intellektuelle Eigentumsrechte Ascribe.io Link: https://www.ascribe.io/ (rechts). Fotos: Ehud Kenan (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ ) (links); Ascribe.io (rechts). *

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album (CC BY-NC-SA 2.0)

    Links rund um's Thema

    Julian Leitloff: Generation Y: Eine Abrechnung Link: https://publixphere.net/d/2157

    Kay Strasser: Das Geschäftsmodell - die fünfte Gewalt im Staate? Link: https://publixphere.net/d/1113

    HUFW: Wie problematisch ist Marktmacht im Internet? Link: https://publixphere.net/i/publixphere-de/proposal/1971-HUFW_Wie_problematisch_ist_Marktmacht_im

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian LeitloffUnsere Zeit denkt über das Gründen nach - diesseits dies- und jenseits des Atlantiks...


    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Kalifornien statt Paderborn

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album (CC BY-NC-SA 2.0)

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Google Suche, Google Bilder, Google Maps, Google Drive, Google Mail, Google Streetview, Google... Foto: Foto: Jay Wennington (CC0 1.0)

    Warum startete die digitale Revolution in Kalifornien und nicht in Paderborn? Julian Leitloff Link: https://publixphere.net/i/publixphere-de/user/jmax Unsere Zeit denkt über das Gründen nach - dies- und jenseits des Atlantiks...


    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Kalifornien statt Paderborn

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album (CC BY-NC-SA 2.0)

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto: Jay Wennington (CC0 1.0 Link: http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/ Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album Link: https://www.flickr.com/photos/yuyang226/213530441/in/photolist-4dLoY2-fnKgQ-btpEdi-XzFsP-fnVzw-fnEfT-aep12n-8UQ6MD-gfLoDk-8QQbR7-pqvUam-rKe2Wh-agY1en-gggKdD-qeTNFo-avG1za-qd4bdh-6w2Fvm-vwi4Fz-zqukbQ-dzoSsz-iPSCL2-pKsQcA-4g3ZfJ-hsaBsh-bvrQwZ-9QkkeS-9Qkk7f-9QhtxP-9QhrZv-9QhuhT-9QhsX4-9QhtiT-9Qki1W-9QhsEk-9Qkhp3-9QkhMy-9Qhsb8-9Qkkq3-9Qkj6b-9QkjYQ-9Qhsug-9Qkjnd-9QkiAC-bvrQZz-ddTqQT-7JBi9i-gfLoBB-gfLQBa-qB41td (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ )

    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor ein paar zwei Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems (EOS) ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Millionen Mio. Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: das US-Unternehmen Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Millionen Mio. US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Kalifornien statt Paderborn

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Fairchild_Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    So kann nicht das nächste Google entstehen

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Die deutschen Dinosaurier versuchen es lieber selber

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein...

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Es wird aber kein Google sein

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album Link: https://www.flickr.com/photos/yuyang226/213530441/in/photolist-4dLoY2-fnKgQ-btpEdi-XzFsP-fnVzw-fnEfT-aep12n-8UQ6MD-gfLoDk-8QQbR7-pqvUam-rKe2Wh-agY1en-gggKdD-qeTNFo-avG1za-qd4bdh-6w2Fvm-vwi4Fz-zqukbQ-dzoSsz-iPSCL2-pKsQcA-4g3ZfJ-hsaBsh-bvrQwZ-9QkkeS-9Qkk7f-9QhtxP-9QhrZv-9QhuhT-9QhsX4-9QhtiT-9Qki1W-9QhsEk-9Qkhp3-9QkhMy-9Qhsb8-9Qkkq3-9Qkj6b-9QkjYQ-9Qhsug-9Qkjnd-9QkiAC-bvrQZz-ddTqQT-7JBi9i-gfLoBB-gfLQBa-qB41td (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ )

  • Warum es kein deutsches Google gibt

    von admin, angelegt

    Foto:Die Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien (aufgenommen 2007). Foto: Yang and Yun's Album Link: https://www.flickr.com/photos/yuyang226/213530441/in/photolist-4dLoY2-fnKgQ-btpEdi-XzFsP-fnVzw-fnEfT-aep12n-8UQ6MD-gfLoDk-8QQbR7-pqvUam-rKe2Wh-agY1en-gggKdD-qeTNFo-avG1za-qd4bdh-6w2Fvm-vwi4Fz-zqukbQ-dzoSsz-iPSCL2-pKsQcA-4g3ZfJ-hsaBsh-bvrQwZ-9QkkeS-9Qkk7f-9QhtxP-9QhrZv-9QhuhT-9QhsX4-9QhtiT-9Qki1W-9QhsEk-9Qkhp3-9QkhMy-9Qhsb8-9Qkkq3-9Qkj6b-9QkjYQ-9Qhsug-9Qkjnd-9QkiAC-bvrQZz-ddTqQT-7JBi9i-gfLoBB-gfLQBa-qB41td (CC BY-NC-SA 2.0 Link: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/ )

    Ein Beitrag von Julian LeitloffUnsere Zeit

    Vor zwei Wochen ging es vor einem denkbar ungewöhnlichen Publikum um Gründung in Deutschland: Während es sonst Studenten sind, die mir mehr oder weniger freiwillig zuhören, ging es diesmal gemeinsam mit dem Wirtschaftsattaché der amerikanischen Botschaft um Gründen in Deutschland gegenüber Gründen in den USA. Der erste Unterschied: Der amerikanische Beamte hat nicht nur acht Jahre Behördenerfahrung, sondern in seiner vorherigen Karriere drei Unternehmen gegründet und zwei verkauft. Aus irgendeinem mir bis heute unerfindlichen Grund sollte ich mit ihm über die unterschiedlichen Gründungskulturen diskutieren. Dieser Artikel bedient sich einiger kluger Punkte meines US-Gegenübers und bringt viele fragwürdige Thesen von mir ein:

    Seit Adam Smith so nett war, das aufzuschreiben, wissen wir Unternehmer, dass wir drei Sachen benötigen: Arbeit, Boden, Kapital. Heutzutage würde er wahrscheinlich schreiben Arbeit, Rechner und Kapital. Auf jeden Fall benötigen wir Kapital. Das Kapital kann vorher verdient sein, etwa über einen erfolgreichen Beruf zuvor, oder weniger verdient über ein Erbe zuwachsen. Sei’s drum – nicht alle sind in der Lage ihr Unternehmen anfangs selber zu finanzieren. Aber dafür gibt es ja Banken und Wagniskapitalgeber.

    Der große Unterschied beginnt bereits bei der Finanzierung. Das, was die frühen Erfolgsgeschichten aus dem Silicon Valley sind, das findet man bei uns nicht etwa in Berlin, sondern in der bayrischen Provinz. Dort hat die Firma Electrical Optical Systems ihren Sitz im beschaulichen Krailing. Die beinahe-Münchener sind Weltmarktführer für Lasersintersysteme und liefern sich ein Rennen um die weltweite Vorherrschaft auf dem industriellen 3D-Druckmarkt.

    Noch nie gehört? Kein Wunder. EOS wurde vor über 20 Jahren gegründet, hat ein kräftiges, stetiges Wachstum auf nun geschätzte 260 Mio. Euro hingelegt, ist immer noch in der Hand der Gründerfamilie und nicht gerade bekannt für wilde PR-Aktionen. Hier funktioniert die Finanzierung offensichtlich ganz anders als in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: Carbon3D hat seit der Gründung 2013 über 140 Mio. US-Dollar an Wagniskapital unter anderem von Google Ventures eingesammelt. Carbon3D soll “die Art und Weise verändern, wie wir Dinge produzieren”. Während der eine also aus eigener Kraft, mithilfe von Krediten und einiger weniger Wagniskapitalgeber stetig wächst, setzt der andere auf Wachstum durch Wagniskapital.

    Woher kommt aber das Kapital, mit dem Weltunternehmen gebaut werden? Woher kommt das Geld für Google? Larry Page und Sergey Brin von Google erhielten das erste Kapital von Andreas von Bechtolsheim. Der Multimilliardär vom Bodensee gründete sein Unternehmen Sun Microsystems allerdings in den Staaten und brachte neben 100.000 Dollar Startkapital noch einen wichtigen Kontakt zum legendären Venture-Capital-Finanzierer Kleiner Perkins Caufield & Byers mit. Die Wagniskapitalgeber hatten nicht nur was für Google übrig, sondern bereits von Bechtholsheim bei der Finanzierung von Sun Microsystems geholfen. Kleiner Perkins Caufield & Byers wiederum wurde von Technologieveteranen und dem erfolgreichen Unternehmer Eugene Kleiner gegründet. In ihm und seinen sieben aufmüpfigen Mitgründern der Fairchild Semiconductor sehen viele das Wiegebett und den Namensgeber des ‘Silicon Valleys’.

    Die Gründung und Finanzierung von Google war kein Zufall, sondern das Resultat der unternehmerischen und technologischen Aktivität mehrerer Generationen, an deren Anfang der Erfolg von Fairchild Semiconductor stand. In Deutschland gibt es Orte, an denen es die Relikte dieses Aufbruchs zu besichtigen gibt – beispielsweise in meiner beschaulichen Heimatstadt Paderborn. Dort steht das weltweit größte Computermuseum und ein großes Informatik-College als Vermächtnis der 80er Jahre, als Nixdorf Computer drauf und dran war der größte europäische Computerhersteller zu werden. Das Unternehmen mit Milliardenumsatz verpasste es, das Betriebssystem zu öffnen und kleinere Personal Computers herzustellen. Nach dem plötzlichen Tod des Einzelgründers musste das frühere Milliardenunternehmen nach finanziellen Schwierigkeiten an Siemens verkauft werden. Es hätte die Keimzelle einer deutschen unternehmerischen und technologischen Wagniskapitalszene werden können. Selbst die 300 heute existierenden IT Unternehmen in der ostwestfälischen Stadt lassen sich vielfach auf Nixdorf Computer zurückführen.

    Aber es gibt sie, die erfolgreichen deutschen Tech-Unternehmer: zum Beispiel SAP-Gründer Hasso Plattner. Er ist nicht nur Platz 10 auf der Liste der reichsten Deutschen und Platz 22 auf der der reichsten Techunternehmer, sondern selbst Wagniskapitalgeber mit Hasso Plattner Ventures. Schaut man auf die Liste der aktivsten deutschen Wagniskapitalgeber, fällt jedoch auf: Es sind viel zu wenige. Der erste Fonds, der nicht vom Staat oder einem Großkonzern organisiert ist, kommt erst auf Platz vier. Und selbst unter den privaten Fonds finden sich unter den Partnern mehr ehemalige Unternehmensberater und Banker als Unternehmer. So können viele spannende Unternehmen entstehen, aber sicherlich nicht das nächste Google, so wichtig diese Spieler für das Ökosystem auch sind.

    Glücklicherweise nimmt aber der Bedarf an finanziellem Kapital ab und das Angebot an klugem Kapital (‘smart capital’ – also Menschen, die Kontakte, Erfahrung und Engagement mit- und einbringen) zu. Cloud Computing gibt Startups eine ganze Serverfarm an die Hand und ist meist in den ersten zwei Jahren kostenlos, Software-as-a-Service-Unternehmen stellen die professionelle Infrastruktur für die Garagenidee und mit Crowdfunding lassen sich Produktideen vorfinanzieren ohne dass man jemals mit einem Investor sprechen müsste. Zudem gibt es auch hier die zweite Generation von erfolgreichen Gründern, die wiederum investieren. Cherry Ventures ist so ein Fonds. Aber auch Einzelpersonen, die erst bei Rocket das Gründen mit Stützrädern üben, nur um dann ihr eigenes Unternehmen zu gründen und jetzt selbst investieren. Oder die sechs Wunderkinder, von denen manche ihren Verkaufserlös von Microsoft direkt weiterinvestiert haben. Dann gibt es die Millionenexits wie Fyber, TeamViewer und Sociomatic, die hoffentlich genauso unauffällig nach potentiellen Millioneninvestments suchen, wie sie ihre Unternehmen erfolgreich gemacht haben. Ist die erste Finanzierung geschafft, gibt es internationale Geldgeber wie Union Square, Accel Partners und Index Venture, die bereits in den Top10 der aktivsten Wagniskapitalgeber auftauchen. Auch e.Venture, DN Capital und Partech sind international aufgestellt und entsprechend ausgestattet.

    Es gibt nicht nur einen Unterschied darin, wer wieviel investiert, sondern auch wie investiert wird und mit welchem Ziel. Vor zwei Jahren schrieb Neil Rimer vom Branchenprimus Index Venture einen Brandbrief an die deutsche Gründerszene. Gründer ließen sich viel zu früh viel zu viele Anteile abnehmen. Es sei nicht unüblich, so Rimer, dass nach der Erstfinanzierung die Mehrheiten schon bei externen Investoren liegen. Rimer kritisiert, diese Startups seien nicht Venture-Capital-fähig. Übersetzt bedeutet das, dass diese Unternehmen von Index Ventures kategorisch nicht finanziert werden, weil befürchtet wird, dass der Anreiz der Gründer, weiterhin alles für das Unternehmen zu geben, schwindet. So nehmen deutsche Business Angel und Frühphasenfinanzierer mit ihrem vermeintlich cleveren Gefeilsche um mehr Anteile an ihrem Startup eben diesen die Hefe aus dem Kuchen: Wenn der Kuchen nicht groß werden kann, bringt auch ein großes Stück nichts.

    Neil Rimer sagt aber auch: „Ein Land braucht eine echte Erfolgswelle, um gute Angebote ablehnen zu können”. Was er mit Erfolgswelle meint, ist das Walhalla der deutschen Gründer: ein Exit. Nach erfolgreicher Unternehmensentwicklung ist das Ziel eines Gründers entweder den Verkauf an ein etabliertes Unternehmen anzustreben, oder aber selbst einen Börsengang hinzulegen. Daraus ergibt sich eine Kausalkette: Gibt es erfolgreiche Exits, sehen Venture-Capital-Investoren wie Neil Rimer gute Gründe, viel Geld zu einer guten Bewertung in Startups zu investieren und damit sind auch Business Angels bereit, sich mit weniger Anteilen zufrieden zu geben. Hier ist die deutsche Startup-Szene besonders: Es sind vor allem ausländische Großunternehmen, die deutsche Startups kaufen. Die deutschen Dinosaurier versuchen es bis auf wenige Ausnahmen (zum Beispiel im Verlagsgeschäft) lieber selber mit Innovation, anstatt innovative Unternehmen zu übernehmen.

    Außerdem hat seit dem Zusammenbruch des neuen Marktes der Vorstand der deutschen Börse immer noch einen bitteren Geschmack im Mund. Das jetzt geschaffene Vorsegment als Meet-and-greet-Lounge ist aber mehr ein Beschwichtigungsversuch als ein echter Lösungsvorschlag. Deshalb ist der Börsengang von Rocket Internet, Windeln.de, Elumeo und Zalando so wichtig. Die negative Berichterstattung und die vehemente Ablehnung unter den Anlegern hat dem Gründerstandort keinen Gefallen getan. An die deutsche Börse zu gehen ist schwierig, aber eigentlich ist die deutsche Börse nicht genug - es benötigt eine größere Plattform, um die Kapitalisierung zu schaffen, wie sie für einen Weltmarktführer notwendig ist.

    Die Finanzierung ist aber nicht der einzige Grund dafür, dass es kein deutsches Google gibt. Einige behaupten, es sei schwer in Deutschland zu gründen. Dass die deutsche Öffentlichkeit nicht bereit sei für riskante Gründungen und schadenfroh auf jegliches Anzeichen des Scheiterns schielt. Die deutschen Techies gehen lieber zu Audi und der deutsche Student lieber zur Behörde als in ein Startup. Das kann alles wahr sein, aber es spielt keine Rolle.

    Der deutsche Markt ist sowieso zu klein, um ein Weltunternehmen zu starten. Dass Skype und Spotify aus Skandinavien kommen, liegt daran, dass sie es in ihrem kleinen Markt mit ihrer Nischensprache nie versucht haben. Deutschland ist im Grunde genau das: ein kleiner Markt und mit einer Nischensprache. Gründer finden in Deutschland, insbesondere in Berlin die besten Voraussetzungen: Die Kosten sind lächerlich gering im Vergleich zu anderen Metropolen und die Lebensqualität ist der Grund, warum so viele junge, gut ausgebildete Menschen aus Europa, aber eben auch darüber hinaus, nach Berlin kommen. Außerdem: Die größte Volkswirtschaft der Welt sind nicht etwa die Vereinigten Staaten – es ist die Europäische Union.

    Fragt mal die Jungs von Soundcloud, Jackson von Relayr, den GoEuro-Gründer oder Bruce und die McConaghys von Ascribe, warum sie in Berlin sind. Oder fragt irgendeinen anderen Gründer und Angestellten – schwer sind die nicht zu finden. Tatsächlich sind 10 Prozent der Gründer und 22 Prozent der Angestellten nicht aus Deutschland. Es geht nicht darum zu zeigen, dass eine Stadt oder Region besser ist (schließlich gehen auch viele Deutsche mit ihrem Unternehmen ins Ausland, wie Max mit Room.me) – es geht darum zu zeigen, dass letztendlich die Kriterien erfüllt sind.

    Die Frage ist also nicht: Warum gibt es noch kein deutsches Google? Die Frage lautet: Warum gibt es noch kein europäisches Google? Bisher war es sehr schwer, die Sprachbarriere zu überwinden und auf die kulturellen Eigenarten einzugehen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes der Telekommunikation, Banküberweisung und Regulierung hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt. Die Möglichkeit diesen Markt einfach erschließen zu können, ist das Schlüsselkriterium für ein europäisches Google. Die Globalisierung tut ihr übriges.

    Es wird aber kein Google sein, das nächste große Ding. Wahrscheinlich hat es sogar mit dem Internet nur noch soviel zu tun, als dass es den Datentransfer nutzt. Ist es Augmented Reality, Clean Tech, 3D-Druck, Elektromoblität oder Smart Home? Es ist auf jeden Fall etwas, von dem wir hier in Europa ziemlich viel verstehen – und wenn wir ehrlich sind, gehören Social Media oder Internetsuche nicht dazu. Vielleicht sitzt sie gerade in einem der vielen Fraunhofer-Institute oder am Karlsruhe Institut of Technology. Vielleicht kommt er wie Sergey und Larry aus Russland, oder wie Steve Jobs Vater aus Syrien. Sicherlich aber nicht aus einem Beratungsunternehmen.

    Und wo wir gerade so ehrlich sind: Die einzigen, die in Berlin was mit Silikon machen, sind Fliesenleger. Berlin ist weder ein Tal, noch ist es eine Allee. Männer mit Vollbart auf Pilgerreise in San Francisco kommen zur (digitalen) Selbsterfahrung 40 Jahre zu spät. Und Sätze, die mit „wir müssen uns nicht verstecken” anfangen, die enden nie gut.

    Warum haben wir also noch nicht ‘das nächste große Ding’ aus Europa gesehen? Weil wir nicht selbstbewusst unseren eigenen Kurs setzen, sondern im Windschatten hinterhersegeln.

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