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Steuerhinterziehung: Leben und leben lassen!


picture alliance / ZB & picture alliance / Lajos-Eric BaloghHoeneß und Schwarzer - aktuell zwei der prominentesten Fälle für Steuerhinterziehung. Bild & Teaser: Picture Alliance / ZB & Picture Alliance / Lajos-Eric Balogh


Ein Beitrag von Bachmann

Uli Hoeneß, Alice Schwarzer, André Schmitz - die Liste an prominenten Fällen der Steuerhinterziehung wird immer länger. Die SPD will härter gegen Steuerhinterziehung vorgehen und die strafbefreiende Selbstanzeige komplett abschaffen. Der SPD-Politiker Ralf Stegner nennt sie ein "Relikt feudaler Gesinnung". Sie schütze in der Tendenz die "Reichenkriminalität".

Ich kann verstehen, wie man sich derart über Steuerhinterziehung empören kann. Schnell mischen sich Recht und Moral - schließlich sind es die Wohlhabenden, die sich hier auf Kosten der Allgemeinheit bereichern. Oft hat man das Gefühl, dass die "kleinen" Sünder viel eher die ganze Härte des Staates abbekommen als die großen, etwa wenn sie im Hartz-IV-System ein wenig mogeln.

Und trotzdem: Intuitiv halte ich die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige für eine gute Sache. Es klingt komisch, aber ich kann Uli Hoeneß und Alice Schwarzer verstehen. Man hantiert da irgendwo mit Geld rum, ahnt, dass man dem Fiskus Bescheid sagen müsste, vergisst es, verdrängt es, und schon ist es zu spät. Und dann bequatschen einen vielleicht noch Schweizer Finanzberater und man denkt, die haben teure Anzüge an, die reden langsam und lächeln so schön ruhig, wird schon irgendwie schiefgehen.

Ich glaube einfach nicht, dass die beiden so raffgierig waren, dass sie den Staat - also uns alle - ausrauben wollten. Und was mich selbst vor Steuerhinterziehung aus purer Dusseligkeit schützt, ist wohl nur der Umstand, dass ich überhaupt kein Vermögen habe, das ich irgendwo illegal vermehren könnte.

Also bitte, das geltende Recht verbietet doch schon die Steuerhinterziehung. Lasst doch den reuigen Sündern - ob reich oder arm - eine Tür offen, durch die sie zurückzufinden können, auf den festen Boden unseres manchmal auch menschenfreundlichen Rechts. Es geht doch am Ende des Tages nur um Geld, nicht um Mord und Totschlag.


Kommentare

  • Wie gierig kann man denn eigentlich sein? 18,5 Mio. hinterzogene Steuern....also bei solchen Summen und solch mutwilliger Aktion frag ich mich wirklich, ob diese "strafbefreiende Selbstanzeige" als Instrument noch einen Sinn hat....ich hoffe, das Urteil wird entsprechend ausfallen.

  • Lieber Bachmann, ich habe gerade Deine Diskussion gesehn und muss lachen. "Ich glaube einfach nicht, dass die beiden so raffgierig waren, dass sie den Staat - also uns alle - ausrauben wollten." Diese These scheint mir zumindest bei Uli Hoeneß etwas gutgläubig. Sagenhafte 18,5 Millionen Euro soll er hinterzogen haben.

    • Darf man einen ganz anderen Gesichtspunkt in die Debatte bringen? (Ich verteidige Uli Hoeneß mit den sagenhaften Summen, auf die sich seine Steuerhinterziehung beläuft, nicht!) Wenn man bedenkt, wie viele nicht arbeitende Menschen von gut verdienenden, aber dafür auch schwer arbeitenden und Verantwortung tragenden Menschen mit ihren Steuern mitfinanziert werden, stellt sich die Gerechtigkeitsfrage umgekehrt: Nicht, ob es richtig ist, dass Manche so viel verdienen, sondern ob es richtig ist, dass Manche ob ihrer bloßen Existenz alimentiert werden, obwohl nicht Alle von ihnen so krank sind, dass sie nichts für die Gesellschaft, und sei es in gemeinnütziger Arbeit, tun könnten. Die Gerechtigkeitsfrage ist kompliziert!

      • Hallo Doro,

        einige Punkte zu deinem Einwurf:

        1) Die Sozialversicherung wird zum größten Teil nicht aus allgemeinen Steuern sondern durch Beiträge der Arbeitgeber und -nehmer finanziert. Bei Herrn Hoeneß ging es um Kapitalerträge.

        2) Die Idee, dass ein jeder Mensch sein Einkommen und Vermögen "verdient" (was auch immer das heißen soll) hat, steht auf wackligen Füßen. Sobald man konzediert, dass es hier ein Zufallsmoment gibt und die Höhe der Einkommen nicht direkt mit dem sozialen Nutzen der Aktivitäten einer Person korreliert, sieht die Welt schon anders aus.

        3) Ich denke über derlei Dinge gerne im Rahmen des Rawls'schen "veil of ignorance" vor. Praktisch gedacht heißt das: Stell dir vor, du bist noch nicht geboren. Jetzt legt man dir unterschiedliche Einkommensverteilungen (oder Vermögens-) vor unter denen du wählen sollst, OHNE dass du weißt, in welchem Teil der Verteilung du landest. Überlege, was das hieße.

        4) Die Behauptung, der Großteil der Arbeitslosen sei schlicht faul, steht nicht wirklich auf festen Füßen. Mir sind keine Daten zu diesem Thema bekannt.

        5) Es gibt auch eine pragmatische Sicht der Dinge: Wenn die Einkommensungleichheit zu groß wird, kann es gut passieren, dass die Vermögenden sich hinter Zäunen usw. verschanzen müssen. Das kennen wir aus einigen Teilen der Welt. Ob man eine solche Welt bevorzugt kann jeder für sich selbst entscheiden.

        Nachtrag aus dem Geschäftsbericht der Bundesagentur für Arbeit:

        "Im Haushaltsplan 2013, der auf den ökonomischen Eckwerten der Bundes

        regierung vom Oktober 2012 basiert, wurde noch von einem negativen Jahresabschluss in Höhe von 1,14 Milliarden Euro ausgegangen. Das finanzielle Defizit wurde aus der Rücklage der BA ausgeglichen, sodass kein Bundesdarlehen aufgenommen werden musste."

        Man beachte: Bundesdarlehen, keine Zuschüsse, wenn auch zinsfrei.

      • Hallo Doro, das ist ja die Hartz-IV-Diskussion. Ich weiß nicht, ob man beides verknüpfen kann.

        Ich verstehe Herrn Hoeneß wirklich nicht. Hat er aus "Dusseligkeit" 18,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen wie "Bachmann" meint? Waren seine Steuer-Berater und Anlage-Berater bei der Vontobel-Bank in Zürich schuld? Dann müßten die Berufsverbot bekommen auf Lebenszeit, so etwas gibt es doch gar nicht.

        Und was ist, wenn Herr Hoeneß wusste was er tat? Hätte die Öffentlichkeit eigentlich so viel Verständnis gegenüber einem dusseligen Hartz IV-Empfänger, der zum Beispiel seine ganzen Dokumente verliert?

  • Ich finde es interessant, dass Du Dich offensichtlich mit Steuerhinterziehern identifizierst, die sehr viel mehr Geld verdienen als Du, was offenbar viele Menschen tun. Aber warum ist das so? Warum scheinen uns Steuerbetrüger näher zu stehen als andere Kriminelle, obwohl sie für die Gemeinschaft so manches Mal viel höheren Schaden anrichten?

  • Also ehrlich gesagt sehe ich das ganze 'drama' nicht ein. Es ist eine Straftat Steuern zu hinterziehen. Straf-tat. Wer seine Steuern hinterzieht wird für die Tat bestraft. Ich find die Idee, dass man die Tat zugeben kann und dann eigentlich (rechtlich gesehen) Unbestraft da raus kommt äusserst absurd. Steuer-hinterziehen=Betrug und Diebstahl.

  • Hey Bachmann, ich glaube, dass du dir das ein bisschen zu einfach machst. Hoeneß und Schwarzer haben nicht 'zufälligerweise' Steuern hinterzogen. Das ist nicht nur reine Schusseligkeit – sondern mutwillig. Es geht um eine Straftat. Nur weil wir beide vielleicht niemals in den Genuss kommen werden, diese Art von Tat zu begehen, heißt das doch nicht, dass wir es sonst tun würden. Ich stehle auch kein Fahrrad, nur weil es nicht angeschlossen ist. Ja: Gelegenheit macht Diebe. Aber dies muss es doch nicht. Wir haben doch moralische Grundsätze mit auf den Weg gegeben bekommen. und diese werden gerade gesellschaftlich auch von 'den Verantwortungsträgern' eingefordert (was ich allerdings auch als schwierig empfinde...).

    Als der damalige Finanzminister Eichel die Möglichkeit zur Selbstanzeige eingeführte, dachte er noch, dass somit die Allgemeinheit einen Nutzen davon hätte, weil immerhin ein Teil der Steuern (und es müssen ja nur 25% zurückgezahlt werden, wenn ich mich richtig erinnere) an den Staat fließen. Die Möglichkeit wurde vor den CD-Ankäufen und Uli Hoeneß Selbstanzeige allerdings viel weniger wahrgenommen, als danach. Die Angst, entdeckt zu werden, lässt Steuerhinterzieher bibbern. Nicht die Möglichkeit sich rein zu waschen.

    Es muss klar sein, dass die Steuerfahnder allen auf der Spur sind - und es sich nicht lohnt zu hintergehen. Dann braucht man die Selbstanzeige hoffentlich auch nicht mehr...

    • Aber sind die Steuerfahnder tatsächlich allen auf der Spur? Schließlich hört und liest man auch immer wieder davon, dass die Finanzämter personell zu schlecht besetzt sind, um überhaupt eine Chance zu haben, Steuerbetrug effektiv bekämpfen zu können. Und gegen die Ressourcen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Unternehmensberatungen, die Unternehmen dabei helfen, die Steuerlast zu senken, kommen die auch nicht an.

      Vielleicht sollte man daher auch hier ansetzen, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen und um deutlich zu machen, dass es sich um eine Straftat und nicht um ein Kavaliersdelikt handelt - denn als solches kommt es manchmal rüber, auch durch die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige.

      • Hallo Kathrin! Die Redaktion hat Deinen Punkt "Personelle Ausstaatung der Finanzämter" im Hintergrund-Text zu dieser Diskussion aufgegriffen. Siehe den Abschnitt "Sollte es mehr Steuerfahnder geben?". So viel schon mal: Die Personalausstattung der Finanzämter ist Sache der Bundesländer - und nicht alle haben einen echten Anreiz, mehr Fahnder einzustellen.