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Reporter ohne Grenzen: "Türkei missachtet Meinungs- und Pressefreiheit"


Picture AllianceDie Schlagzeilen türkischer Zeitungen am 28. März, einen Tag, nachdem die Türkische Regierung die Plattform Youtube sperrte. Foto & Teaser: Picture Alliance


Hinweis: User*in "Jonas" fragt in der Diskussion "Ohne Twitter keine Meinungsfreiheit", wie die EU auf die Medienpolitik der türkischen Regierung reagieren soll. Die Redaktion hat die Frage an die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) weitergegeben. Reporter ohne Grenzen stellt nun folgende Position zur Diskussion:

"Die Twitter und -Youtubesperren der vergangenen Wochen in der Türkei zeigen: die Regierung Recep Tayyip Erdogan hat keinerlei Achtung vor der Meinungs- und Pressefreiheit. Um Korruptionsvorwürfe und Proteste zu unterbinden, schaltet sie kurzerhand Webseiten ab. Ein Staat, der Mitglied in der Europäischen Union sein will, muss sich anders verhalten.

In den vergangenen Wochen kursierten im Internet angebliche Aufnahmen abgehörter Telefonate, die Erdogan mit einer Korruptionsaffäre in Verbindung brachten. Der Ministerpräsident drohte mehrmals, Facebook und Youtube zu sperren. Kurz vor den Kommunalwahlen machte er schließlich ernst: am 21. März blockierte er Twitter.

Die Türkei steht auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 154 von 180 Ländern. Sie zählt seit Jahren zu jenen Ländern, die wegen ihrer repressiven Internetpolitik unter besonderer Beobachtung stehen. Anzeichen dafür, dass sich die Situation verbessert, gibt es nicht. Im Gegenteil. Die im Februar verabschiedete Verschärfung der Internetkontrollen gibt der Regierung die Möglichkeit, Webseiten mit fadenscheinigen Gründen zu blockieren, etwa, wenn die „Privatsphäre verletzt wird“, wenn es sich um „obszöne oder beleidigende Inhalte“ handelt oder wenn der „Schutz von Familie und Kindern“ auf dem Spiel steht. Das Gesetz kann wegen fehlender richterlicher Kontrolle und weit gefasster Kriterien zu massenhafter Zensur führen. Selbst das Kommunikationsministerium kann Sperrungen anordnen. Nach Angaben der Webseite Engelli Web sind in der Türkei bereits jetzt mehr als 40.000 Internetseiten gesperrt.

Mit derzeit rund 60 Inhaftierten ist die Türkei eines der größten Gefängnisse für Journalisten. Im Rahmen seiner Nothilfe unterstützt Reporter ohne Grenzen Inhaftierte, etwa Turabi Kisin, der aktuell noch in Haft ist, oder Hüseyin Deniz, der im März dieses Jahren nach mehr als zwei Jahren Haft frei kam. Ein Land, das die Menschenrechte derart missachtet, sollte nicht in die Europäische Union aufgenommen werden. Wir fordern, dass Meinungs- und Pressefreiheit ein entscheidendes Kriterium bei einem EU-Beitritt sein muss."

Reporter ohne Grenzen: Webseite


Kommentare

  • Zur aktuellen Entwicklung. Lässt sich mit Präsident Erdogan nicht noch einmal in aller Ruhe über die Demokratie-Grundlage Pressefreiheit reden? Und ist das nicht zuallererst die Aufgabe der türkischen Zivilgesellschaft und Opposition? Schließlich hat Erdogan gesagt, er will Präsident aller Türken sein. Da lässt er sich doch beim Wort nehmen. Von der Methode "Tür zu schlagen" bin ich jedenfalls immer weniger überzeugt. Die Bilanz ist so niederschmetternd: Russland, Iran, Syrien,....

    • das sehe ich genauso. auch atatürk war und ist außer- und innerhalb der türkei umstritten. mit seiner reformpolitik aber (wenn auch in der umsetzung deutlich kritikwürdig) hat er frauen durchaus im rahmen von bildung und ehe ermächtigt, auch die säkularisierungsbewegungen mag man ihm zurechnen. erdogan will in seine fußstapfen - so müsste er doch einen schritt weiter machen!den türkInnen geht es wirtschaftlich durchaus nicht schlecht, die großstädte sind beliebte zentren, nicht nur für touristen, sondern auch für junge kreative. die tür zur eu zuzuschlagen wird nichts nützen, viele türken haben sich schon lange von der idee teil der union zu sein abgewendet - aus vielerlei nachvollziehbaren gründen. wie schließlich akzeptiert man ein ungarn, das pressefreiheit mit füßen tritt und hält der türkei noch immer ihre fehler vor?! vor allem wir deutsche teilen derweil eine gemeinsame kultur mit den türken. in der bundesrepublik und ohnehin. wir sind es, die innerhalb der zivilgesellschaften alarm schlagen und unsere politikerInnen dazu anhalten sollten auf die türkische regierung einzuwirken!

  • Liebes Forum,

    die Zusammenfassung des #pxp_themas Medienkritik steht nun hier online.

  • Was passiert denn nun in der Türkei? Leider überdeckt die Ukraine-Krise alles andere. Manchmal wünschte ich mir für alle Autokraten, Patriarchen, Oligarchen und Diktatoren dieser Welt noch mal einen Grundkurs in Demokratie. Aber so läuft es ja leider nicht. Europas Reaktion zur Türkei kommt mir ziemlich schwach vor, oder habe ich was verpasst?

  • nun, ich denke nicht, dass die derzeitige regierung überhaupt noch anstrebt mitglied der europäischen union zu werden. trotzdem erschiene es mir fahrlässig die große aktive türkische zivilgesellschaft mit netzsperren und repressionen allein zu lassen. nur, was tun? wie einmischen? was meint ihr?

    • twittern hilft, support und solidarität, den blick nicht abwenden. wenn studentInnen wegen freier meinungsäußerungen vor gericht stehen sollte auch die politik auf das urlaubsland nr 1 der deutschen druck ausüben. schauen wir uns auf der straße um, wem, wenn nicht ihnen stehen wir nah?

      • Ja, unglaublich, es überrascht mich immer wieder, welche Wirkung doch so ein einfacher und simpler Dienst wie Twitter entfalten kann! Da fällt mir v.a. folgende Aktion ein, die in den letzten Wochen durch´s Netz ging:

        Als Reaktion auf die Aussage des türkischen Vize-Regierungschef Arinc, dass Frauen in der Öffentlichkeit laut lachen (dies alleine ist schon eine unvorstellbare Aussage!) ist ja die Aktion mit Hashtag #DirenKahkaha auf Twitter gelaufen, in der türkische Frauen Lach-Fotos posten. Eine einfache, aber sehr starke politische Aktion, wie ich finde!