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Jan Stöß (SPD): Die Diskussion geht jetzt erst richtig los!


Foto: Thomas Geiregger (CC BY 2.0)

Das Tempelhofer Flugfeld in Berlin. Foto: Thomas Geiregger (CC BY 2.0)


Ein Beitrag von Jan Stöß

Das Ergebnis der Volksabstimmung zum Tempelhofer Feld ist für die Berliner SPD ohne Zweifel ernüchternd. Die Wählerinnen und Wähler haben den Gesetzentwurf des Abgeordnetenhauses für einen maßvollen Wohnungsbau am Rand des Tempelhofer Feldes und den Erhalt des Freiraums im inneren Feld mit deutlicher Mehrheit abgelehnt und für ein striktes Bauverbot gestimmt. Und selbstverständlich respektieren wir die Entscheidung.

Die Diskussion aber, wie wir Wachstum und Wandel in unserer Stadt sozial gerecht gestalten können, geht jetzt erst richtig los.

Wir Berlinerinnen und Berliner müssen jetzt diskutieren, was in der Stadt eigentlich passieren muss. Wie wir das Wachstum der Stadt so gestalten, dass es nicht nur wenige Gewinner und viele Verlierer gibt. Und für die Berliner SPD ist klar: Wir werden unsere Verantwortung als Berlin-Partei weiter wahrnehmen und für die wachsende Stadt Wohnungen und soziale Infrastruktur schaffen.

Denn Berlin wächst. In den letzten drei Jahren sind fast 150 000 Menschen nach Berlin gezogen, bis 2030 gehen Prognosen von 250 000 zusätzlichen Einwohnern aus – wenn nicht mehr. Der demografische Wandel führt dazu, dass viele Menschen vom Land in die Großstädte ziehen. Und dies gilt insbesondere für Berlin, weil Berlin eine hohe Anziehungskraft besitzt, weil hier die Wirtschaft wächst und immer mehr Arbeitsplätze entstehen. Es wird voller werden; die Stadt wird sich verändern. Die Frage ist, ob die Veränderungen über uns kommen. Oder ob wir sie gestalten.

Wir wollen sie gestalten!

Darum werben wir für eine neue Einstellung, für ein neues Bewusstsein, für ein Ja zu Neuem. Derzeit wird oft ein „Neubauklima“ gefordert, aber es geht über das Bauen hinaus. Es geht um Fortschritt. Das wird mühsam sein, oft auch konfliktbeladen, und es wird Zeit brauchen. Aber Berlin soll aufgeschlossen bleiben für alle, die zu uns kommen, und für die, die schon hier sind.

Deshalb wollen wir einen Dialog mit allen Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, wir müssen darüber diskutieren, wo sich die Stadt auf Entwicklung und Neubau verständigen kann und somit auch für Planungssicherheit sorgen kann. Mehr Verlässlichkeit macht das Bauen billiger und die Mieten niedriger. Wir brauchen dafür ein stärkeres Miteinander von Landes- und Bezirks- und auch Bundesebene. Die Politik muss hierfür an einem Strang ziehen – und dies in eine gemeinsame Richtung. Neben bezahlbarem Wohnungsneubau müssen wir aber auch an unsere Infrastruktur denken: Wir brauchen Kitas, Schulen, Sportplätze, eine moderne Verkehrsinfrastruktur und auch Platz für entstehende Arbeitsplätze. Dies zieht natürlich auch einen wachsende Verwaltungsauswand nach sich: Mit einer starren Begrenzung auf 100 000 Beschäftigte können wir diese Aufgaben nicht mehr bewältigen.

Das bedeutet Mehrausgaben, doch das sind notwendige Investitionen in das Wachstum unserer Stadt. Wachstum schafft auch wieder Wachstum, bedeutet neue Jobs, mehr Einkommen, neue Unternehmen, höhere Steuereinnahmen. Dies gibt uns die Möglichkeit zu gestalten. Das sollten wir in Berlin gemeinsam tun: Mitdiskutieren, mitmachen, mitentscheiden!


Kommentare

  • Nach dem Volksentscheid wurden die fraglichen Punkte - Wohnungsbau und Mieten - Nutzung der Freifläche - Klima - Bibliothek - Nutzung des Altgebäudes zunächst einmal ein ganzes Stück sachlicher und ernsthafter in der Presse und in Menschengruppen, denen ich begegnet bin besprochen. Nehmen wir das Thema Bibliothek. Die verständlichen und wichtigen Argumente, warum überhaupt eine neue ZLB gebraucht wird, kamen erst jetzt: Mehrere verteilte Standorte, einzigarteige spezielle Bestände, die anders als jene der Uni- und Staatsbibliothek einerseits und der Bezirksbibliotheken andererseits sind, weite Wege, schlechte Logistik, marode Arbeitsbedingungen für die Anforderungen der neuen Medien. Wenn es eine Bibliothek der Bürgerinnen und Bürger sein soll, diese Landesbibliothek, dann ist es gut, wenn jetzt von allen seiten Vorschläge kommen! Auch wenn viele nicht praktikabel sind, aber durch die Meinungsäußerung denken die Menschen nach und mit. das allgemeine Brainstorming ist wichtig und der Beginn eines kraetiven Prozesses. Keine Denkpause jetzt! Wie ansetzen, wie weiter? Wie die Kraft dieses weiten Denkens aufnehmen und weitertransportieren? Dies ist eine berlindiskussion, die jetzt nichts mehr mit dem Tempelhofer Feld zu tun hat. Auch die Wohnungsdiskussion wird an anderer Stelle weitergehen. Bau, Mietpreise, Eigentum, Wohnarten. Die bezahlbaren Wohnungen reichen nicht aus. Sie sind voll. Auch darum sitzen so viele Leute in Bibliotheken. Teure Wohnungen und Wohneigentum steht leer. Einzelne Leute wohnen in großen alten Wohnungen und können nicht umziehen, weil kleine Wohnungen teurer sind. In Tempelhof fehlt mir noch mehr Information zur Geschichte des Ortes und zu Ökologie und Klima. Ich würde gern wissen, wie die Diskussion der Feldanlieger und Nutzerinnen und Nutzer jetzt wirklich weitergeht.

    • Keine Denkpause!

      • Außer vielleicht eine kurze, um Luft zu schnappen, ernsthaft inne zu halten, was Sinn macht und nicht. Politik neigt immer dazu Dinge zu überdrehen und sich erst hinterher Kritik auszusetzen. Manches braucht Zeit, einen langen Atem, auch Denkpausen.

  • Lieber Herr Stöß, ich stimme Ihnen in allen Punkten zu, nur wie genau soll denn dieser Diskurs aussehen und ausgestaltet werden? Sollen wir alle 3 Millionen BerlinerInnen an eine lange Tafel aufs Flugfeld setzen? Eine Zukunftswerkstatt, ein Betroffenengesprächskreis? Digital, analog - AnwohnerInnen, Sympathisanten? Brauchen wir einen Geißler? Auch an runden Tischen kommt meines Erachtens nach Minderheitsmeinung immer zu kurz, gehört wird, wer am lautesten ist, am besten organisiert, am ressourcenstärksten - und dies schließ nicht selten die wirklich Verwundbaren aus. Partizipation ist Bildungs- und Vermögensabhängig, Entscheiden hängt an Wissen, an Information. Wie kommen wir dahin, dass Mails und Einschreiben gleichsam miteinbezogen werden, dass sich wirklich, jede/r die/der mag beteiligen kann, dass Verfahren öffentlich und transparent ablaufen?! Tempelhof könnte ein Pilotprojekt werden, für BürgerInnenbeteiligung, für Stadtplanung aus der Froschperspektive.

    • Lieber Herr Stöß,

      wie bei moseni bleibt für mich die Frage nach den Wegen der Partizipation ungeklärt.

      Gerne würde ich ihre konkrete Agenda hören. Zu welchen Punkten wollen Sie eine Diskussion? Anstehen tun ja zum Beispiel die Entscheidungen, was passiert mit:

      • dem Flughafengebäude Tempelhof? (ZLB-Standort?)

      • dem ICC

      • den ungenutzten Büroflächen in Berlin (Umwandlung in Wohnraum?) ....

      Ich habe diesen Kommentar auf 'bearbeitbar gestellt, jeder kann weitere Punkte für die Berlin-Partizipationsliste einfügen

      • Lieber Herr Stöß, in der Abendschau am 11.6.: Der Vorschlag der Stiftung Zukunft, vorgestellt durch seinen Vorstand Stefan Richter, ist bedenkenswert: "Ein Forum einrichten, in dem paritätisch Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung sowie Bürger "auf Augenhöhe" diskutieren. Am Ende steht kein Beschluss, eher ein gemeinsamer Erkenntnisstand." (zitiert aus dem Tagesspiegel vom 12.6.)

        • Wieviel Mitplanung und Mitsprache erlaubt das ThGesetz überhaupt noch? Eine vielleicht verrückte Idee: Das Tempelhofer Feld bei einer möglichen Berlin-Bewerbung um die olympischen Sommerspiele 2024 mit einbeziehen!

          • Olympia? Das klingt ja schon nach Ärger!