Die Initiative 100 Prozent Tempelhof feierte ihren Erfolg am Kottbusser Tor. Initiator
Michael Schneidewind,
sagte zur Zeitung „taz“, er sei „überglücklich und froh“ über den Ausgang des Volksentscheids. „Wir wollten für unsere Stadt das Beste, das haben die BerlinerInnen wohl verstanden.“ Das Resultat des Volksentscheids bedeute ein „starkes Signal, dass die Stadtentwicklung in Berlin zukünftig anders funktionieren kann“. Der Vereinsvorsitzende
Diego Cardenas sagte: „Es ist ein Votum auch für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung.“
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte im Interview mit dem RRB-Inforadio „Das ist in der Tat eine Niederlage und sie ist auch deutlich.“ Die Entscheidung der Berliner müsse man nun akzeptieren, "das ist auch Kernelement von Demokratie und Volksentscheiden". Einen Rücktritt lehnte Worwereit ab. Einen Zusammenhang zum Missmanagement beim Großflughafen BER sieht er nicht. „Auf dem Tempelhofer Feld ging es ja nicht um schief gegangene Baumaßnahmen, sondern um die Zukunft der Stadt. Wir haben jährlich bis zu 50.000 neue Einwohner, der Leerstand wird immer knapper. Die Berliner wollen bezahlbaren Wohnraum - aber offensichtlich nicht vor der eigenen Haustür."
Der Berliner SPD-Chef Jan Stöß fordert die Berliner dazu auf, über Neubau-Standorte zu diskutieren. „Neben bezahlbarem Wohnungsneubau müssen wir (...) auch an unsere Infrastruktur denken: Wir brauchen Kitas, Schulen, Sportplätze, eine moderne Verkehrsinfrastruktur und auch Platz für entstehende Arbeitsplätze“, so Stöß in einem Diskussions-Anstoß auf Publixphere. „Darum werben wir für eine neue Einstellung, für ein neues Bewusstsein, für ein Ja zu Neuem.“
Der Stadtsoziologe Andrej Holm kommentiert: „Das Abstimmungsergebnis ist nicht nur eine Entscheidung über die Zukunft des Tempelhofer Feldes, sondern auch ein deutliches Mißtrauensvotum gegen die halbherzige Wohnungspolitik der vergangenen Jahre. Was es braucht in Berlin ist ein wohnungspolitisches Gesamtkonzept, dass den dauerhaften Erhalt von preiswerten Bestandsmieten, die Schutz der Mieter/innen vor Verdrängung und einen kommunalen oder zumindest gemeinnützigen Wohnungsneubau umfasst.“
Was wird aus der ZLB?
Die Zentral und Landesbibliothek (ZLB) erklärte: „Mit Respekt, aber auch mit Bedauern nimmt die ZLB das Ergebnis des Volksentscheides zum Tempelhofer Feld zur Kenntnis. Mit der Entscheidung gegen die Randbebauung ist auch der geplante Neubau der ZLB dort nicht möglich.“ Berlin brauchte unabhängig vom Ausgang des Volksbegehrens weiterhin eine starke Öffentliche Zentralbibliothek und Lösungen für die unzureichende derzeitige Situation der ZLB.
Ursprünglich war auf dem Tempelhofer Feld ein Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) geplant. Darin sollten Bestände der Amerika Gedenkbibliothek (AGB) und der Berliner Stadtbibliothek (BStB) zusammengeführt werden. An sieben Tagen in der Woche sollten bis zu 10.000 Besucher in der ZLB Platz finden. Der Baubeginn war für 2016 geplant, die Eröffnung 2021/22. Der Landesrechnungshof hatte das Vorhaben in seinem Jahresbericht 2014 kritisiert und den Stopp der Planungen gefordert. Der Senat habe den Neubau in seine Finanz- und Investitionsplanung aufgenommen, „obwohl der Flächenbedarf und die Wirtschaftlichkeit (…) zu keinem Zeitpunkt mit der vorgeschriebenen systematischen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nachgewiesen worden sind“.
Kultur-Staatssekretär Tim Renner (SPD) kündigte an, alternative Standorte und den Bedarf der ZLB neu zu prüfen. Die Berliner Grünen schlagen – auch auf Publixphere - vor, das Tempelhofer Flughafengebäude als Bibliothek zu nutzen.
Wie geht es weiter mit dem Wohnungsbau?
In der Diskussion bleibt, wo angesichts des Bebauungsstopps auf Tempelhofer Feld neue Wohnungen entstehen könnten. Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) sieht im Innenstadt-Bereich Platz für 16.900 Wohnungen, die bis 2020 gebaut werden könnten. Das Bündnis „Mieterstadt“ (Netzwerk für soziales Wohnen und bürgernahe Stadtentwicklung) fordert in einem 4-Punkte-Plan, die bestehenden Sozialwohnungen in Berlin zu sichern.
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