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Neue Schlagbäume in Europa


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Ein Beitrag von nemo

Das gelebte Europa der Menschen wird bundespolitischer Parteipolitik geopfert

Nun wird es ernst mit der PKW-Maut. Die CSU ist dabei den Europäischen Gedanken nachhaltig zu schädigen. Aus purem parteipolitischen Eigennutz. Und ihre Koalitionspartner in CDU und SPD machen mit, ebenfalls ausschließlich aus Gründen der Machterhaltung. Was der einzige Grund ist, warum dieser Unsinn überhaupt im Koalitionsvertrag gelandet ist.

Die Gegenargumente sind bekannt, ausführlich diskutiert und von den Koalitionären in Berlin ebenso konsequent ignoriert worden. Trotzdem noch einmal:

* Die Wahrscheinlichkeit dass überhaupt Geld für die Sanierung der Straßen-Infrastruktur übrigbleibt ist verschwindent gering. Wahrscheinlich wird das bürokratische Monster, das die Mautpflicht kontrollieren soll die möglichen Erträge weitestgehend auffressen.

* Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die PKW-Maut, so wie sie geplant ist mit EU-Recht in Einklang zu bringen ist.

Ich möchte aber ein weiteres und viel schwergewichtigeres Gegenargument ins Spiel bringen, das bisher kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten ist. Deutschland ist bekanntlich das EU-Mitglied mit den meisten gemeinsamen Grenzen zu anderen EU-Ländern. Wer wie ich in einer dieser vielen grenznahen Regionen lebt und arbeitet weiß, dass genau hier der Europäische Gedanke wirklich „gelebt“ wird. Menschen wechseln täglich die Grenze, um in Deutschland zu arbeiten, einzukaufen, Freude zu besuchen, in Vereinen und Initiativen mitzuarbeiten, schicken ihren Nachwuchs in deutsche Kindergärten usw. Viele wohnen sogar grenznah in Deutschland obwohl sie Niederländer oder Polen sind und dort auch arbeiten. Sie haben unser Land bewußt zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht. Sie zahlen in Deutschland einen Teil ihrer Steuern und natürlich kommunale Abgaben. Was soll für diese „wahren“ Europäer der Unsinn mit der PKW-Maut. Sollen Sie jeden Tag eine Vignette kaufen oder eine teure Vignette für das ganze Jahr? Wie soll das gehen? An jeder Straße ein Mauthäuschen wie vor 100 Jahren, um einen „Wegezoll“ zu kassieren?

So wird nicht nur der Europäische Gedanke ad absurdum geführt, der volkswirtschaftliche Schaden für die grenznahen Regionen, der entsteht, wenn dieser sogenannte „kleine Grenzverkehr“ erschwert, weil kostenpflichtig wird, ist kaum kalkulierbar. Er dürfte aber endgültig dafür sorgen, dass die PKW-Maut ein sehr teures Zuschussgeschäft wird. Alles nur um der CSU die Hoheit über den Stammtischen und damit ihre Machtbasis in München und Berlin zu garantieren. Ja wir sind Weltmeister, aber auch Weltmeister oder besser Europameister darin die europäische Einigung zu torpedieren.

Zugegeben, Deutschland hat als Transitland in der Mitte Europas eine deutlich höhere Belastung seiner Verkehrsinfrastruktur als andere EU-Länder. Deutschland ist aber auch das Land, das ökonomisch am meisten vom EU-Binnenmarkt profitiert. Wenn dieser ökonomische Vorteil denn nun wirklich nicht reicht diesen Mehraufwand für die Verkehrsinfrastruktur zu finanzieren, wäre es dann nicht fair, transparent und angemessen mit der der EU-Kommision über deren Haushalt eine Kompensation zu verhandeln statt sich auf das "Geschwurbel" mit der PKW-Maut einzulassen?

Was meint ihr dazu? Wie kann man diesen Schwachsinn noch stoppen?


Kommentare

  • Alex_EU ist dafür
    +5

    Ich denke, die CSU-Pkw-Maut tut dies. Den andere Staaten mit Maut legen diese auf Inländer und Ausländer gleich um. Nur die CSU will Ausländer mehr belasten und den Deutschen das über die Kfz-Steuer ergüten. Ob das die Europäische Kommision mit macht?

    Meines Erachtens sieht das Michael Cramer, MdEP, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlamentes (EP), ähnlich: "Wasser auf die Mühlen der Europaskeptiker", Michael Cramer im Gespräch mit Jürgen Zurheide am 12.7.2014 im Deutschlandfunk: Link Titel

    EP-Verkehrsausschuss: Die Maut isoliert Deutschland international (Der Beitrag ist nur begrenzte Zeit abrufbar.): Link Titel

    • sabinemueller ist dafür
      +3

      Ja, ich bin auch gespannt, was die Europäische Kommission dazu sagt und ob die Maut mit dem Europarecht vereinbar ist! Außerdem frage ich mich, wie lange das Versprechen wohl gilt, dass Deutsche diesen "Rabatt" bekommen > Vignette gegen günstigere Kfz-Steuer, die ja auch wieder angehoben werden kann. Aber...das wäre dann ja zumindest finanziell gerecht (für Inländer und Ausländer)...

  • Lieber Nemo, danke, stimme völlig zu, natürlich, was sonst. Ich möchte mich noch zusätzlich über die Geisteshaltung aufregen, die hinter dieser Schwachsinns-Idee steckt. Es ist Kleinmut, Engherzigkeit, Geiz, Provinzialität im schlechtesten Sinn. Da hat jemand die Realität, Europa, offensichtlich, nicht begriffen, will sie nicht begreifen. Über die Peinlichkeit muss Deutschland erstmal hinweg kommen, sich in diesen Zeiten mit sowas auch nur ernsthaft zu beschäftigen. Als gäbe es keine anderen Probleme.

  • Breaking News. CSU- Minister Joachim Herrmann rudert zurück und will die grenznahen Landkreise in Bayern von der PKW-Maut ausnehmen. Von allen anderen Bundesländern ist natürlich nicht die Rede.“Mir san mir gell“ und der Rest der Republik kann uns gestohlen bleiben. Was ist übrigens mit den Steuerverrechnungen der Kfz.-Steuer mit den Kosten der Vignette für deutsche Fahrer von Elektroautos. Die sind nämlich 100% steuerfrei, um die Halter dieser Fahrzeuge nicht schlechter zu stellen müsste der Staat dann ggf. Bares auszahlen. Gut 1 Millionen will Frau Dr. Merkel von diesen Fahrzeugen bis 2020 auf die Straßen bringen. Leute der Wahnsinn geht weiter!

  • MisterEde ist dafür
    +3

    Hallo nemo

    Ach, ich würde sagen: „Abwarten und Tee trinken!“

    Das Gesetz sehe ich eher Abseits des Platzes. Entweder Trainer Dobrindt bringt es doch nicht ins Spiel, oder es bekommt die rote Karte vom EuGH.

    Allerdings läuft damit aus meiner Sicht alles in etwa so, wie es sich Aigner und Seehofer vorstellen dürften. Im Zweifel blamiert sich Dobrindt, aber am besten der „böse“ EuGH kippt das Gesetz. Daneben ist das Ministerium, das die meisten Investitionsgelder (Bauwirtschaft, Infrastruktur) bewegt in CSU-Hand und alle gucken bei dem Ministerium nur auf die Maut. Was will ich denn mehr als bayerischer Ministerpräsident mit Prinzessin?

    Deiner Kritik am Maut-Gesetz stimme ich natürlich voll zu. Vor Allem die Außenwirkung gegenüber unseren Nachbarn ist bedenklich. Statt „PKW-Maut für Ausländer“ müsste man das Ding eigentlich „PKW-Maut gegen Ausländer“ nennen.

    • Ja - aber die vergeudete Zeit: Lange Diskussionen für die Maut & gegen die Maut. Machtspielchen zwischen den Parteien und langwierige Aushandlungen im Koalitionsvertrag. Leere Versprechen und dreiste Umbenennungen (Merkel: "Unter mir wird es die Maut nicht geben". Dobrindt: "Dann nennen wir sie eben "Infrastrukturmaßnahme")...ich bin es wirklich Leid, dass sich der politische Betrieb mit solchen Themen befasst, wo von vornherein klar ist, dass das Konzept 1.) von allen Seiten kritisiert wird und 2.) wahrscheinlich eh floppt, weil es mit Europarecht nicht vereinbar ist. Da wundert sich noch einer über die Politikverdrossenheit der Bevölkerung...ich kann allen nur zustimmen: Die Maut ist absoluter Quatsch.

  • Breaking News III.Seehofers PKW-Maut ist tot. Dobrindts Infrastrukturabgabe auch. Sie hatte schon nach 3 Tagen ihr Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. Nun kommt nach Aussage von CSU-Generalsekretär Dr. (Peinlich) Andreas Scheuer im ZDF-Heute Journal vom Mittwoch 24.07.2014 die Gerechtigkeitsmaut. Und noch eine gute Nachricht: in Bayern ist schon Karneval, mitten im Juli. Oder besser gesagt Fasching, wie man in diesem nördlichen Teil des Balkans sagt. To be continued!

  • Liebes Forum,

    ihr habt es vielleicht schon gesehen, Breaking News: Die EU-Kommission sieht nach Informationen des SPIEGEL in der in Deutschland geplanten PKW-Maut Verstöße gegen das EU-Recht. Die Kommission stütze sich hier Gutachten ihres juristischen Dienstes:

    Brüsseler Gutachten: Pkw-Maut verstößt gegen EU-Recht (27.02.2015)

  • *Liebes Forum,

    ein kurzer Hinweis zum Thema. Der „Bild“-Zeitung (Montagausgabe) zufolge hat die neue Verkehrskommissarin Violeta Bulc massive Einwände gegen die geplante PKW-Maut für EU-Ausländer. Der bisher in Brüssel zur Prüfung vorgelegte Gesetzestext „würde auf einen Bruch des fundamentalen Vertragsprinzips der Nicht-Diskriminierung hinauslaufen“, zitiert die Zeitung aus einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).*

  • Breaking News IV. Hat nix mit der Maut zu tun aber mit dem vorgezogenen Fasching in der Balkan Metropole München. Frau Dr. Haderthauer sieht sich einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Betruges gegenüber. Ministerpräsident Seehofer hält eine Entlassung für überflüssig, da die Vorwürfe aus dem Privatbereich kommen. Nach dieser Logik könnte ja jeder CSU-Politiker nach fünf Maß Weißbier wahlweise z.B. einen Grünen, Linken oder Liberalen auf dem Marienplatz krankenhausreif schlagen. Nach Verhängung einer Bewährungsstrafe oder kurzer Haft mit Hafterleichterung zur Wiedereingliederung dürfte er anschließend als Freigänger beruhigt an seinen Arbeitsplatz im Ministerium zurückkehren. Schließlich war der versuchte Totschlag ja Privatsache. Leute es wird Zeit zu einem neuen Thread zur Bananenrepublik Bayern. Spätestens nach der Sommerpause. Aber vielleicht machen die es ja auch wie die Schotten mit denen sie so oft verglichen werden und veranstalten ein Referendum über ihren Austritt aus der Bundesrepublik. Good Riddance!

  • Breaking News II. Dobrindt hat das Problem gelöst! Laut ZDF-Interview vom Sonntag gibt’s keine PKW-Maut mehr. Stattdessen kommt eine „Infrastrukturabgabe“. Toll oder besser gesagt ein Stück aus dem Tollhaus!!!

  • Hallo nemo,

    siehst du die Maut, die in anderen europäischen Ländern erhoben wird, ebenso kritisch? Wie bewältigen die anderen Länder das "Bürokratiemonster" Maut? Und auch die Frage Frage nach dem Europäischen Gedanken, stellt sie sich da nicht ebenso?

    • Es gibt hier keine Bürokratiemonster sondern Kassenautomaten. Und was den Europagedanken betrifft, diesen Automaten füttern die Italiener oder Franzosen genauso wie die Deutschen. Einzige Ausnahme ist Österreich. Die haben ihren Vignettenverkauf inzwischen so perfektioniert, das er kaum mehr Kosten verursacht als der Verkauf eines Bustickets.