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Internet-Überwachung: Darf ich noch in die USA einreisen?


Einreise USA, Foto: picture alliance / USAKönnte Ausländern die Einreise in die USA verwehrt bleiben, weil sie sich online verdächtig machten? Im Bild: Passkontrolle am Flughafen in Phoenix. Foto: picture alliance / dpa


Ein Beitrag von Kathrin

Diese Frage stellt sich mittlerweile vielen Internetnutzern. Gibt es Worte, die ich in der privaten Kommunikation, in Mails und Chats nicht nutzen darf, wenn ich nicht bei US-Behörden auf irgendeiner schwarzen Liste landen und Schwierigkeiten bei der Einreise bekommen will? Man ist unsicher: Mache ich mich vielleicht schon verdächtig, wenn ich mir interessehalber radikale Inhalte anschaue, etwa Videos von islamistischen Terrorgruppen? Bekomme ich Gelegenheit, mich zu erklären, oder entscheidet irgendein Algorithmus darüber, ob ich noch einen Fuß in die USA setzen darf?

Da kaum jemand sich die Möglichkeit einer USA-Einreise für immer verbauen will, sei es zwecks Urlaub oder Arbeit, droht diese Verunsicherung unser Internet-Verhalten zu beeinflussen. Wir üben möglicherweise Selbstzensur und Selbstbeschränkung, bewusst oder unbewusst. Wer aber konkret herausfinden will, ob die eigenen Überwachungsängste in Punkto USA-Einreise überhaupt berechtigt sind, stößt schnell an Grenzen.

Zwar lassen sich schnell Fälle finden, die vermuten lassen, dass die USA auch Social Media ausspionieren und insbesondere bei Bewerbern für ein Visa gehen die offiziellen Regelungen diesbezüglich recht weit, eine direkte Verbindung zu Fällen, wo Menschen die Einreise verweigert wurde, lässt sich aber nur schwer belegen. Denn glaubt man den Schilderungen, werden die Gründe, warum letztlich eine Einreise verweigert wird, nicht kommuniziert. Und erst recht nicht, woher die relevanten Informationen stammen. Und laut der Recherche-Plattform Intercept kann man relativ schnell auf eine Watchlist („No-fly-list“ oder andere) kommen, auch durch Social Media Posts, die bei den Behörden Aufsehen erregen.

Ein Fall, der in Deutschland zu – ein wenig – Diskussion gesorgt hat, ist der des Autors Ilja Trojanow, der sich öffentlich durchaus kritisch zur NSA-Affäre geäußert hat. Ihm wurde im letzten Herbst, als er auf dem Weg zu einer Konferenz in den USA war, die Einreise verweigert. Daraufhin stellten Abgeordnete der Linksfraktion eine Anfrage an die Bundesregierung. Die bezog sich zwar nicht konkret auf Social Media, stellt aber Fragen zur Anzahl der zurückgewiesenen Reisewilligen und ob die Regierung Handlungsbedarf sieht – tut sie nicht.

Wie seht ihr das? Sollte man Äußerungen in Social Media für die Entscheidung über die (dauerhafte) Einreise verwenden dürfen? Und welche Erfahrungen habt ihr selbst gemacht?


Hinweis der Redaktion: Am 29. Oktober 2014 diskutieren wir unser #pxp_thema "Überwachte Welt" im Rahmen eines Community-Abends (Informationen zum Termin) sowie Ende November in einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin (Näheres in Kürze).


Kommentare

  • Liebe Kathrin,

    hier noch ein Hinweis. Auch Stefan Körner Piratenpartei , Bundesvorsitzender der Piratenpartei, erwähnt auf Publixphere Einreiseverbote in Folge digitaler Überwachung:

    Schon heute zeigt die umfassende Überwachung Wirkung. Menschen wird die Einreise in die USA verwehrt, weil sie in der Online-Buchhandlung Amazon einen Koran bestellt haben oder auf Facebook über acht Ecken indirekt mit einem durch radikale Äußerungen aufgefallenen Moslem "befreundet" sind.

    Und hier noch eine Geschichte von 2007. Einem kanadischen Wissenschaftler wird die Einreise in die USA verweigert, weil er einen Aufsatz über seine Drogenselbstversuche in den 1960er Jahren veröffentlicht hat, den der Grenzbeamte via Goolge findet:

    Wired.com: Canadian Psychologist Who Used LSD Forty Years Ago Permanently Barred from Entering U.S.

    Der Big-Data-Forscher Viktor Mayer-Schönberger griff den Fall auf der vergangenen re:publica auf (Video) - siehe auch Heise.de. Google werde so eine Infrastruktur der Überwachung.

    Wir versuchen weiter, hierzu Näheres herauszufinden. Liebe Grüße, Alex

  • CarstenWag ist dafür
    +1

    Dieses Schreckensszenario kann (oder will ich) nicht glauben...klar, die Einreisebestimmungen sind streng, meine Fingerabdrücke musste ich auch schon angeben (wobei das mittlerweile ja viele Länder machen). Aber die Schere im Kopf (die wir ja zu gut aus der Berichterstattung über chinesische Verhältnisse bzgl. Meinungsfreiheit, Bloggen und Internet-Verhalten kennen) jetzt auch noch auf unsere Social Media Nutzung (in Ländern außerhalb der USA) zu übertragen? Ganz ehrlich - dann möchte ich in diese Land auch nicht einreisen, geschweige denn leben.

    Ich stimmte Ingeborg zu: Mich würde eine Diskussion über die Gesetzeslage interessieren.

  • ich habe einige freunde in den schwarzen löchern des webs, die durchaus nicht mehr länger frei reisen dürfen bzw. es selbst aus angst vermeiden. man stelle sich vor, ich hänge viel bei wikileaks rum, habe asyl-für-snowden sticker am auto, reise zunächst in die usa, mittlerer osten, dann nach moskau und... habe dann einen termin mit dem freitag (wegen eines kochrezeptes natürlich) - und, was mag da passieren? klingelt oder klopft es da mal bei mir? in privatsphäre-achtenden demokratien müsste die antwort eindeutig lauten: nein. dein ding. dein urlaub. dein leben. ich bin da aber nicht sehr sicher. tor-user wurden bereits überwacht, von wem und wo auch immer, wir alle werden getrackt, unsere akten spezifiziert mit attributen (gefährlich, unangenehm, auffällig...) - netzpolitik.org bietet zu diesen themen gute überblicke. und frau merkel tut nichts dran. wieso auch, noch sind wir netzidioten ja eine minderheit. oder?

    • Zunächst einmal halte ich das für völlig übertrieben. Ich glaube nicht daran, dass auch nur ein Mensch nicht in die USA einreisen darf, NUR weil er er dieses oder jenes im Internet anklickt. Aber glauben ist nicht wissen, also wäre eine Diskussion über die Gesetzeslage und Praxis sicher gut.