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Die Gefahr von sozialen Netzwerken für den Journalismus


Foto: picture alliace / dpaGoogle, Facebook & Co bestimmen oft, welchen Ausschnitt der Welt wir zu sehen bekommen. Isarmatrose beschreibt die Folgen für den Journalismus. Foto: picture alliance / dpa.


Ein Beitrag von Isarmatrose

Medien begeben sich in eine gefährliche Abhängigkeit von sozialen Netzwerken – Journalismus ist so bald unnütz. Auf Anregung des Debattenblogs Publixphere habe ich anlässlich des im Monat September behandelten Themas Medienkritik über die Rolle von sozialen Netzwerken im Journalismus nachgedacht und wie diese immer mehr zu den eigentlichen Gatekeepern werden, die bestimmen, welche Nachrichten wir sehen und welche nicht.

eHow – die doppelseitige Lektion in puncto Viralität

Vor drei Jahren ging das kalifornische Medienunternehmen Demand Media an die Börse und wurde von den Investoren für ein Unternehmen, das noch nie Gewinn gemacht hat, extrem gut bewertet. Dies lag vor allem an der zu Demand Media gehörenden Content Farm eHow, die per Algorithmus berechnen ließ, über welche Themen ihre AutorInnen schreiben sollten. In diesen viralen Beiträgen wurde geschickt Werbung platziert, worum es eigentlich auch nur ging.

Dieser als “Journalismus von der Resterampe” kritisierte Content war werbefreundlich, erzielte enorme Reichweiten und dadurch auch Werbeeinnahmen. Bis Google mit dem Panda-Update dem allen ein Ende setzte.

Google oder Facebook? Hauptsache Abhängigkeit!

Spätestens jetzt verstanden die Medien, welche Macht die meistgenutzte Suchmaschine der Welt haben kann. Was Google anzeigt, wird gelesen. Schon die zweite Seite der Ergebnisliste zählt nicht mehr im Kampf um die Aufmerksamkeit der LeserInnen. Die Verantwortlichen suchten nach einem Ausweg aus dieser Abhängigkeit und glaubten sie in den nicht von Google kontrollierten sozialen Netzwerken gefunden zu haben.

Der Journalist Frank Rose fasst den Erkenntnisgewinn der US-Medien in der August-Ausgabe der US-amerikanischen Wired zusammen: "Media investors and entrpreneurs began to realize they’d need distribution that Google didn’t control – like social media, which doesn’t rely so heavily on search results. But this strategy means those stories and videos have to appeal to humans, not algorithms, and for that they need to be satisfying."

Doch damit begaben sie sich nur in die nächste Abhängigkeit, die diesmal sogar für die LeserInnen gefährlich ist, denn besonders beim Konsum von Nachrichten wird manipuliert, was in den Streams und Timewalls angezeigt wird.

Früher: If it bleeds, it leads!

Schon jetzt zeigt Facebook in der Chronik den Nutzern nur ausgewählte Inhalte, vor allem welche von beliebten Medien und was unseren Freunden gefällt. Doch sogar meine Freunde teilen nur Artikel, die ihnen gefallen. Das sind nicht immer die relevantesten, weshalb Artikel nicht nach ihrem Nachrichtenwert produziert werden, sondern nach ihrer Stimmung. Erst am Montag startete die von Amazon-Gründer Jeff Bezos gekaufte Washington Post einen neuen Newsletter für ihre Abonnenten: The Optimist. Der Name verrät schon, welche Stimmung all diese Artikel haben, die sich um die Themen Zufriedenheit, Kreativität und die Welt verbessernde Menschen drehen.

In keinen dieser Themenbereiche würde aber ein Artikel über Angela Merkel passen, Kritik an dem Einfluss von Interessensverbänden auf die Politik, Kriegsberichterstattung oder eine kritische Bewertung der Asylpolitik. Ein auf Likes und Favs fokussierter Journalismus verliert alles, was ihn ausmacht. Und besonders demokratische Gesellschaften verlieren einen Debatten kreierenden Akteur, der systemrelevant ist.

Heute: Unglaublich! Hier klicken! Dort zahlen! Lesebefehl!

Mit Gesetzen wird man diese internationalen Netzwerke nicht zu unserem gesellschaftlichen Nutzen zwingen können. Jede Art von Governance, die auf Angst und Machtlosigkeit aufbaut, kann nur zu schlechten Gesetzen führen. In diesem Fall liegt es an den Medien, sich selber aus der Abhängigkeit zu befreien, in dem sie durch Relevanz eine unvergessliche Marke werden. LeserInnen werden sich nicht darüber beschweren, wenn das Medium ihrer Wahl durch Qualitätsjournalismus auffällt und diesem Begriff vielleicht zum ersten Mal mit Leben füllt.

Anstatt die LeserInnen in sozialen Netzwerken um Aufmerksamkeit anzubetteln, sollten LeserInnen ein Medium regelmäßig aus freien Stücke besuchen, um sich die Welt erklären lassen zu wollen. Dieses Vertrauen müssen sich die Medien aber erst einmal verdienen, in dem sie für ihre mündigen LeserInnen schreiben und nicht für Klickvieh auf Facebook & Co.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Carta.info steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 (CC BY 4.0).


Kommentare

  • (vor allem zu Klaus ) bevor jetzt gleich die große Angst umgeht noch ein paar Erinnerungen:

    • Was sollen Facebook und Google tun - uns alles zeigen, was es auf der Welt gibt? Das macht www.internet.de besser.

    • die Gatekeeper keepen das Gate, deshalb schätzen wir sie. Wer nicht verblöden will, musste sich schon immer anstrengen, die kritischen, wahren Inhalte zu finden. Das Netz hat das nicht schwieriger, sondern leichter gemacht. Auch Themen wie Asylpolitik haben heute meines Erachtens sogar mehr Chancen, wenn Campact erst mal heiß läuft.

    • was das Betteln nach Aufmerksamkeit angeht. Stehen die schlausten Bücher auf der Spiegel-Bestseller-Liste immer ganz oben? Das ist kein Digital-Dilemma, das ist so alt wie die Menschheit. Und es macht doch Hoffnung, dass Google die Schrott-Spirale per "Update" aufgehalten hat. Es scheint sich also nicht mit den Geschäftsinteressen dieses Gewinnunternehmens zu decken, die Suchergebnisse vollzuspammen.

    • dass es deutsche und europäische Verlage und Medien nicht geschafft haben, selbst eine Suchmaschine, eine Plattform, eine soziales Netzwerk, ein Gate zu schaffen, durch dass nur noch Spitzenqualität hindurchkommt - nun ja, was soll man dazu eigentlich noch sagen?

    • interessant bleibt im Netz aber tatsächlich immer die Frage, warum ich gerade sehe was ich sehe. Hat jemand dafür bezahlt? Was ist warum auf mich 'zugeschnitten'?

    • Hallo Rakaba, ich will keine Ängste schüren. Ich glaube nur, Du unterschätzt die Rolle der Netzwerke und Suchmaschinen gewaltig. Wenn die Bild-Zeitung eine Kampagne fährt, kennen wir die Hintergründe auch nicht. Hat ein C-Promi ein Interview verweigert und bekommt deshalb bei nächster Gelegenheit eins ausgewischt? Oder inszeniert ein C-Promi seine Beziehungskiste, um endlich mal wieder in der Bild zu landen? Das sind die Geheimnisse der Bild-Redaktionskonferenz.

      Die Entscheidungen bei Google und Facebook wiegen dagegen weit schwerer. Wollen wir die Stimmung der Menschheit etwas heben? Wollen wir die Unzufriedenheit mit einer Regierung ganz leicht pushen? Selbst wenn wir diesen Unternehmen abnehmen, gut zu sein, wer garantiert es uns? Die Versuchungen der Macht würde ich nie unterschätzen. Und allein das 'anonymisierte' Wissen dieser Unternehmen über Gesellschaften ist unsagbare Macht. Und richtig gruselig wird es dann, wenn kein Kanal mehr bleibt, der über Machtmissbrauch informieren könnte, weil ihn die Algorithmen der Großen einfach wegdrücken.

      • Hallo ihr beide, er seid doch fast einer Meinung und merkt es nicht? Sind wir uns einig, es waere ganz gut zu wissen, welchen Regeln das gatekeeping folgt. Ich mache mir immer wieder den spass die Google-Ergebnisse auf einem fremden Rechner mit denen auf meinem Rechner zu vergleichen. Es sind GANZ andere. Allerdings setze ich auch auf den Markt. Gibt es ein einziges Mal den Beweis, dass Google/Facebook politisch eingreifen, ist das Vertrauen dahin und sie sind tot. Deshalb haette ich gerne eine NGO "Google/Facebook"-Watch.

        • Na dann viel Glück mit Deiner NGO! Einen moralischen Unterstützer hast Du schon!

      • Hallo Klaus

        Geht es um die Frage des Datenschutzes oder ähnliches bin ich ganz Deiner Meinung. Hier gibt es durchaus Risiken die sich durch die Internetriesen jetzt neu ergeben. Bei der Frage des „Gatekeeping“ sehe ich zwar auch Risiken, allerdings bin ich da eher bei Rakaba, denn aus meiner Sicht ist dieses Risiko kein neues. Medienkampagnen, die auf einer einseitigen Auswahl von Meinungen oder Berichten beruhen, gab es auch in der Vorinternetzeit zu genüge.

    • Isarmatrose ist dafür
      +1

      Deine Erinnerungen sind meiner Meinung nach richtig, Rabaka. Google muss Ergebnislisten kuratieren dürfen, dass ist für eine Suchmaschine wichtig. Und natürlich nützt etwas wie Facebook auch Campact, aber nicht jede wichtige Meldung ist viral und populär. Doch auch solche Nachrichten müssen Leute erreichen können. Existieren tun sie, so oder so. Es geht darum, dass die Menschen auch wissen, wo sie sie finden und das sie sie auch wirklich konsumieren. Was Facebook und Google anzeigen, ohne diesen Vorgang zu bewerten, darf nicht unsere einzige Wahrnehmung der Welt sein. Wir können uns ändern, wahrscheinlich mit wenig Erfolg, oder die Medien ändern sich und die sollten daran auch ein wirtschaftliches Interesse haben.

      • Hallo Isarmatrose, danke für die Antwort. Ständig reden 'Europäer' davon, jetzt endlich die europäische Antwort auf Google Facebook und Co zu liefern. Abgesehen von diesem leicht befremdlichen Euro-Patriotismus in so einer wahrhaft globalen Branche - warum hat es noch niemand mit einem radikalen Qualitäts-Angebot versucht? Ich muss diesselben News nicht 100 Mal lesen, sondern einmal richtig - mit Option auf Hintergrund - mit Option auf noch mehr Hintergrund.

        Wenn die 'Großen' (von FAZ bis ZEIT) mal ihre Ressourcen und Archive zusammenschmeißen würden, könnten sie eine Plattform/Suchmaschine schaffen, gegen Bezahlung. Ich glaube fest daran. Sie wäre erst mal fürchtbar teuer, dann aber der 'Gold-Standard' zuzusagen. Stattdessen sind Google und Facebook mit oft Presseerzeugnissen verstopft, die nie das ganze Potenzial ausschöpfen. Aber wahrscheinlich müssen wir warten, bis Google selbst auf den Gedanken kommt.

  • Liebes Forum,

    eine Zusammenfassung von unserem #pxp_thema zu Medienkritik steht nun hier online.

  • Liebes Forum,

    ein Hinweis: aktuell beschäftigt sich Holger Schmidt in seinem Blog Netzökonom mit der Rolle Facebooks als Gatekeeper für Nachrichten. Seine These: "Facebook gewinnt als Zugangsquelle für Nachrichten rasant an Bedeutung, vor allem natürlich auf mobilen Geräten." Hierzu liefert Schmidt zahlreiche Statistiken.

  • Hallo Isarmatrose,

    du schreibst: „Mit Gesetzen wird man diese internationalen Netzwerke nicht zu unserem gesellschaftlichen Nutzen zwingen können.“

    Ich frage mich aber, wieso sollten deiner Meinung nach Google oder Facebook denn überhaupt der Allgemeinheit dienen? Es handelt sich ja nicht um den gemeinnützigen Google e.V., sondern um eine Aktiengesellschaft mit dem Ziel Gewinne zu erwirtschaften und an die Aktionäre zu verteilen.

    Mein Ansatz ist daher, anstatt den Unternehmen das Unternehmertum zu verbieten, eine öffentlich-rechtliche Internetanstalt einzuführen, „die nicht nach Gewinn sondern gesellschaftlichem Nutzen strebt.“

    mister-ede.de - Entwicklung eines Bürgernetzes (von 04/2012)

    • Isarmatrose ist dafür
      +1

      Du musst dich nicht fragen, warum Google oder Facebook der Allgemeinheit dienen müssen. Das müssen sie als private Unternehmen nicht, weshalb ich das auch nicht geschrieben habe. Die Google-Suche und das Facebook-Netzwerk werden aber von den Nutzern wie ein öffentlicher Raum genutzt und wahrgenommen. Deshalb sind die intransparenten Filter, die bis zu einem gewissen Punkt auch ohne Verletzung von Geschäftsgeheimnissen offener sein könnten, auch ein Problem. Journalismus ist nur ein Aspekt dieser Debatte, bei dem ich aber eine Lösung darin sehe, indem der Konsum von Nachrichten geändert wird. Nicht die kuratierte Darstellung durch private Unternehmen dürfen unseren Blick auf die Welt bestimmen, wir müssen direkt zu den Websites gehen, die einem der Allgemeinheit dienenden Anspruch haben, z.B. Zeitungen. Dazu müssen diese Medien aber relevanter werden und Vertrauen zurückgewinnen. Stattdessen geben sich die Medien aber in eine immer stärkere Abhängigkeit zu diesen neuen Gatekeeper ohne öffentlichen Auftrag.

      • Hallo Isarmatrose,

        A.S. (ante scriptum): Du machst aber schon ein ganz schönen Unterschied zwischen Google, das nicht der Allgemeinheit dienen muss, und Zeitungsverlagen, die einen der Allgemeinheit dienenden Anspruch haben können (oder verstehe ich dich jetzt wieder falsch?). Für mich sind Zeitungen auch einfach nur Unternehmen, egal ob nun als Genossenschaft oder sonst wie organisiert.

        Hauptteil: Wenn Unternehmen nicht der Allgemeinheit dienen müssen, was würde es dann nützen, wenn jetzt Gruner + Jahr, Burda oder Springer statt Google und Facebook als „Gatekeeper“ verwendet werden? Drehst du dich mit dem Vorschlag, z.B. die Online-Angebote von Zeitungen aufzusuchen, nicht ein wenig im Kreis, weil nur der eine kommerzielle Anbieter gegen den nächsten ausgetauscht wird?

        Ich denke, wenn man einen Internet-Dienstleister will, der sich ausschließlich auf das Allgemeinwohl fokussiert, dann braucht man entweder ein öffentlich-rechtliches Angebot oder private gemeinnützige Anbieter, wie z.B. wikipedia oder publixphere. Hingegen halte ich es für wenig erfolgsversprechend, darauf zu bauen, dass kommerzielle Unternehmen, ob nun Google oder Springer, zugunsten des Allgemeinwohls auf Gewinne verzichten.

        Anders ausgedrückt: Der simple Grund, warum Unternehmen versuchen Werbung, Artikel oder Suchergebnisse auf uns abzustimmen, ist die Hoffnung, dass sich dadurch der Gewinn steigern lässt. Erwartet man von Unternehmen (Google, Springer), dass sie freiwillig auf dieses Vorgehen verzichten, dann erwartet man im Grunde, dass Unternehmen von der Gewinnmaximierung zur Gewinnminimierung übergehen.

        Konsum: Theoretisch ist ein anderer Weg, das schreibst du ja auch, die Nachfrage so zu gestalten, dass Unternehmen durch ein solches Vorgehen eben keine zusätzlichen Gewinne zu erwarten haben. In diesem Fall würden Unternehmen aus eigenem Antrieb auf solche Techniken verzichten. Aus praktischer Sicht ist es aber unwahrscheinlich, dass sich die Nachfrage in diesem Bereich ohne Änderungen auf der Angebotsseite (neue Anbieter, neue Angebote) verändert. Gerade auch deshalb plädiere ich ja für die Einführung einer öffentlich-rechtlichen Internetanstalt, also einer angebotsseitigen Veränderung, um z.B. die Latte für private Anbieter (Datenschutz, Werbung, etc.) höher zu hängen.

        Nochmal zurück zum Artikel: Deine Bestandsaufnahme bzw. deine Darstellung der Abhängigkeit von den Internetriesen finde ich sehr treffend. Bei den Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, bin ich aber zumindest etwas anderer Auffassung.

        P.S.: Das mit der Änderung des Konsums ist meines Erachtens immer ein etwas schwieriges Argument, denn diese Aussage gilt ja grundsätzlich. Verzichten wir aufs Fliegen, dann braucht es keine Kerosin-Steuer, werden nur noch Elektro-Autos gekauft, dann brauchen wir keine Abgasgrenzwerte und wenn wir auf Kohlestrom verzichten, dann braucht es keine staatlich angestoßene Energiewende. Theoretisch stimmt das zwar alles, praktisch hat es meist aber keine Bedeutung.

        • Isarmatrose ist dafür
          +1

          Ich rolle das Feld mal von hinten auf:

          *Das die Gesellschaft aus noch so guten Gründen ihr Konsumverhalten ändert, sehe ich auch bei der besten Argumentation nicht kommen. Unternehmen müssen sich neuen Technologien nicht verwehren, sie müssen aber aufpassen nicht nur durch die Nutzung dieser Technologien zu funktionieren. Vielleicht hinkt der Vergleich, aber ich weiß, was ich mir alles bei Amazon gekauft habe, von welchen Shops kann ich dir aber nicht sagen. Hier hat der Einzelhandel es verpasst sich via E-Commerce nachhaltig zu präsentieren. Meine Befürchtung ist, dass das den Medien auch passiert. Meine These ist, dass neben Relevanz eine starke Markenbildung der Abhängigkeit entgegenwirken kann.

          *Natürlich sind auch Verlage privatwirtschaftliche Unternehmen, der Grund warum ich sie trotzdem anders als Suchmaschinen und soziale Netzwerke bewerte ist, dass sie Journalismus betreiben. Das ist zwar keine klar definierte Branche, aber es geht journalistische Regeln auf die wir uns als Gesellschaft und Presse geeinigt haben. Das mit diese Unternehmen besonders, denn sie haben sich einem gesellschaftlichen Auftrag angenommen, der dazu verpflichtet, der Öffentlichkeit zu dienen und nichts anderes fordere ich von ihnen.

          • Hallo Isarmatrose

            „Dass die Gesellschaft aus noch so guten Gründen ihr Konsumverhalten ändert, sehe ich auch bei der besten Argumentation nicht kommen.“

            Genau das wollte ich mit dem „P.S.-Absatz“ sagen. Es gibt zwar durchaus Möglichkeiten Anreize zu setzen, negative mit Steuern, z.B. Zigaretten, oder positive mit Subventionen, z.B. EEG, aber ohne solche Anreize kommt es nur selten zu Konsumveränderungen solange sich an der Angebotsseite nichts ändert.

            „Natürlich sind auch Verlage privatwirtschaftliche Unternehmen, der Grund warum ich sie trotzdem anders als Suchmaschinen und soziale Netzwerke bewerte ist, dass sie Journalismus betreiben.“

            Das sehe ich dann doch etwas anders. Klar, es gibt presserechtliche Vorgaben, allerdings sind diese für mich eher wie das Gaststättenrecht bei Restaurants, also ein gesetzlicher Rahmen. Ob eine Zeitung innerhalb dieses Rahmens dann aber tiefgründigen Inhalt anbietet oder Foto-Home-Stories, ist der Zeitung freigestellt, genauso wie ein Wirt frisches Gemüse oder welches aus der Dose verwenden darf. Wohin sich also eine Zeitung innerhalb des gesetzlichen Rahmens entwickelt, hängt im Wesentlichen dann wieder von der Frage ab, mit welcher Ausrichtung sich die beste Rendite erzielen lässt. Steht aber an oberster Stelle das Ziel der Gewinnmaximierung, kann nicht gleichzeitig das Gemeinwohl an erster Stelle stehen.

            „Meine These ist, dass neben Relevanz eine starke Markenbildung der Abhängigkeit entgegenwirken kann.“

            Volle Zustimmung. Ich schaue mir gerade die Entwicklung der Auflagenzahl von Tageszeitungen an und war ganz erstaunt, dass die taz, gerademal eine 60.000er Auflage hat, also ein Bruchteil dessen, was zum Beispiel die FAZ hinbekommt. Dennoch nehme ich die taz recht intensiv war (also als Starke Marke), z.B. durch Verweise aus anderen Medien auf Artikel der taz oder auch z.B. durch Frau Gaus oder Frau Pohl.

            • Nummer: 1 Zeitung: BILD + B.Z. Verlag: Springer 1. Halbjahr 1999: 4752293 1. Halbjahr 2014: 2450458 Verlust: 2301835 Verlust: 0,4844 Link: Link zu den Zahlen der IVW für BILD + B.Z. Anmerkung: Zahlen für B.Z. und BILD 1999 einzeln

            • "Das sehe ich dann doch etwas anders. Klar, es gibt presserechtliche Vorgaben, allerdings sind diese für mich eher wie das Gaststättenrecht bei Restaurants, also ein gesetzlicher Rahmen. Ob eine Zeitung innerhalb dieses Rahmens dann aber tiefgründigen Inhalt anbietet oder Foto-Home-Stories, ist der Zeitung freigestellt, genauso wie ein Wirt frisches Gemüse oder welches aus der Dose verwenden darf. Wohin sich also eine Zeitung innerhalb des gesetzlichen Rahmens entwickelt, hängt im Wesentlichen dann wieder von der Frage ab, mit welcher Ausrichtung sich die beste Rendite erzielen lässt. Steht aber an oberster Stelle das Ziel der Gewinnmaximierung, kann nicht gleichzeitig das Gemeinwohl an erster Stelle stehen."

              Das mit dem Rahmen ist ein gutes Bild. Es gibt aber durchaus Verlage, die einen der Öffentlichkeit nutzenden Journalismus praktizieren, mal mehr und mal weniger, aber auch neben Listicles und Fotostrecken kann sich ein Bericht aus einer Plenarsitzung finden. Der Rahmen muss auch die Möglichkeiten bieten, wenn guter Journalismus betrieben wird, dass er der Öffentlichkeit dienen kann. Also wenn das gewollt ist.

              • Klar, guten Journalismus bieten schon einige, aber ich befürchte nicht aus Nächstenliebe, sondern aus Gewinnstreben, weil sich Qualität am Ende durchsetzen wird. Ich musste gestern an einen Zapp-Bericht denken, wie die NOZ versucht geschickt und eben auch mit „journalistisch attraktivem“ Inhalt die Aufmerksamkeit zu gewinnen.

                Das Video ist leider offline. Die Depublizierung ist z.B. etwas was mich in diesem Fall dann wiederum an den öffentlich-rechtlichen Anbietern stört, wobei daran ja eigentlich die privaten Verlage schuld sind, genauso wie die konsequente Zusammenarbeit von ARD/ZDF gerade mit Facebook und Twitter, statt selbst eine gute Netzinfrastruktur aufzubauen.

                mister-ede - Immer wieder Werbung für Facebook und Twitter

                Dafür reagiert tagesschau.de dann überwiegend allergisch wenn ich Links auf meine Homepage setze, alles irgendwie nicht ausgereift. Ich glaube für das Netz sind dort die entscheidenden Gremien doch zu alt. Dennoch bin ich der Meinung, dass eine öffentlich-rechtliche Lösung der richtige Weg ist, um ein echtes Alternativangebot tatsächlich umzusetzen. Auf kommerzieller Basis befürchte ich nämlich, dass sich eine solche Alternative vielleicht langsamer, aber am Ende doch unweigerlich Richtung Google bewegen würde. Auch ein neuer kommerzieller Anbieter würde es schlicht soweit ausreizen, dass die Mehrzahl der Nutzer gerade eben noch bereit ist mitzumachen.

  • Ich glaube, das Problem setzt noch ein paar Schritte vorher an: bei Erlernen des Gebrauchs des Webs, mobil vor allem. Viele (vor allem junge) Menschen halten einzig das, was ihnen auf ihrem Telefon als App angeboten wird für 'das Internet'. Das ist schrecklich schief und führt dazu, dass vor allem Spartennachrichten kaum mehr konsumiert werden - mit dem Handy schließlich wird nicht gesurft, da sehe ich, was Facebook und Twitter verarbeiten und klicke auf die großen Portale wie SPON. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen ist vermutlich das wichtigste an der Geschichte. Nur wie? Eigentlich wollten wir das doch immer; die UserInnen bestimmen die Agenda, so tun ich und meine Blase es auf FB. Und trotzdem gehen wichtige Dinge möglicherweise unter, in der großen teuren Suchmaschine. Ich weiß nicht so recht einen Rat außer mit Blick auf einen kritischen Medienkonsum immer wieder auf die Meinungsdominanz der größten Monopolkapitalisten unserer Zeit hinzuweisen. Und Blogs wie Netzpiloten zu pushen. Natürlich :)

    • Isarmatrose ist dafür
      +2

      Danke, Paul. ;-) In die gleiche Richtung denke ich ja auch. Ein Weg, dass Nachrichten nicht nur auf Facebook und Twitter konsumiert werden, ist meiner Meinung nach die Stärkung der journalistischen Medienmarken und relevante Inhalte, so dass wieder Vertrauen entstehen kann. Bei uns Netzpiloten ist z.B. die Startseite unsere meistbesuchte Seite am Tag, über soziale Netzwerke bekommen wir nur ein Drittel aller LeserInnen und trotz Reichweitenverlusten auf Facebook von bis zu 90 Prozent, wuchsen unsere Seitenaufrufe. Was wir im Kleinen schaffen, müssen Medien im größeren Rahmen schaffen. Die Leute müssen von sich aus auf die Seite kommen, da sie wissen, dass sie dort bestmöglich informiert werden. Und das geht auch mobil.

  • Google setzte dem “Journalismus von der Resterampe” mit dem Panda-Update ein Ende

    Das werden sicher viele erst mal gut finden, ich auch, aber allein was die Resterampe betrifft. Doch wenn man ein wenig über diesen Vorgang nachdenkt, darf man ruhig ein wenig schlottern. Wann kommt das "Puma"- oder "Panther"-Update und welchem Journalismus setzt es ein Ende?

    Ich will Google gar nichts unterstellen. Es sollte aber noch genug google- und facebook-freies Netz geben, um sich an diesen Gatekeepern vorbei zu informieren. Ich kann also diesem Text nur zustimmen. Lesen wir lieber vertrauenswürdige Quellen "aus freien Stücken".

    • Hallo Klaus, "sollte" ist das richtige Wort, aber das Nutzungsverhalten vieler Menschen geht offensichtlich dazu hin, sich in den sozialen Netzwerken zu informieren. Grundsätzlich ist Kuration in Ordnung, aber anders als zum Beispiel in den morgendlichen Linktipps auf Netzpiloten.de, wo erkenntlich ist, dass ich bestimmte Artikel ausgewählt habe und das auch begründe, ist es nicht klar, was du warum auf Facebook sehen kannst und was nicht. Und die voranschreitende Kommerzialisierung des Internets, wofür es meiner Meinung nach nie geschaffen war, wird es in Zukunft noch schwerer machen, freie Räume außerhalb geschlossener Plattform zu finden. Die Websites von Medien könnten so ein Ort für Nachrichten sein, denn Websites kann jeder ansurfen.

      • Hallo Isarmatrose, Du triffst den Punkt, wir wissen nicht wie die Maschine funktioniert.

        Ich möchte Facebook mal mit der analogen Welt vergleichen. Du hast einen Nachbarn, den Du magst, aber irgendwann kannst Du ihn nicht mehr sehen, weil Du nicht oft genug gesagt hast, dass er Dich interessiert (übersetzt: seine Postings tauchen nicht mehr auf der Timeline auf, weil Du sein Zeug nie gelikt hast). Er ist gleich nebenan, wird aber unsichtbar.

        Stattdessen fahren auf der Strasse ständig Werbetrucks an Dir vorbei. Weil sie dafür bezahlt haben, Deinen Weg zu kreuzen, weil sie genau Dir etwas andrehen wollen.

        Irgendwann hörst Du auf der Strasse nur noch von Deinen eigenen Vorlieben und Ansichten. Auch dieser eine augewählte Kreis von Menschen läuft dir ständig hinterher, labert Dich die ganze Zeit voll. Alles andere ist verschwunden. Und Du musst schon sehr neugierig sein, um herauszufinden, was die Ganze Zeit alles fehlt.

        Das ist natürlich matrix-mäßig übertrieben. Aber die Tendenz spür ich schon. Und irgendwann türmen wir in eine Seitenstraße und Malcom sagt: "welcome to the real world" :)