Position: Hintergrund: Die EU als Wertegemeinschaft
Originalversion
Der Platz der Grundrechte in Karlsruhe. Foto & Teaser: CC BY-NC-SA 2.0 by Oliver Regelmann
„[…] Europa [hat] eine identitätsstiftende Quelle – einen im Wesen zeitlosen Wertekanon, der uns auf doppelte Weise verbindet, als Bekenntnis und als Programm.“
(Bundespräsident Joachim Gauck: „Rede zu Perspektiven der europäischen Idee“ am 22. Februar 2013)
Was sind die europäischen Werte?
Eine 2010 von der Europäischen Kommission durchgeführte Eurobarometer-Umfrage widmete sich der Europäischen Union (EU) als Wertegemeinschaft. Die befragten Bürger nannten Menschenrechte und Demokratie gleichzeitig als die Werte, die die EU am besten repräsentieren.
Die europäischen Werte sind auf Unionsebene ausdrücklich vertraglich verankert. So heißt es in Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV):
„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet."
Die EU verpflichtet sich in ihrem Handeln - sei es innen- oder außenpolitisch - diesem Wertefundament. Ziel ist es, die Werte zu fördern (Art. 3 EUV). Sie sollen dabei nicht nur auf Unionsebene, sondern auch auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Beitrittskandidaten Beachtung finden. Werte sind fest verankerte Grundeinstellungen in einer Gesellschaft oder einzelner Personen, deren inhaltliche Bestimmung nicht abschließend vorgenommen werden kann. Sie sind in ihrer Bedeutung komplex und subjektiv. Auch unterfallen sie dem gesellschaftlichen Wandel und reflektieren politische, rechtliche sowie historische Entwicklungen. Die europäischen Werte haben ihren eigenen Gehalt und sind daher nicht deckungsgleich mit den nationalstaatlichen Wertegerüsten. Ihr Ursprung wurzelt aber in den mitgliedstaatlichen Wertetraditionen, die sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen. Ebenso stehen europäische und nationale Werte in einem wechselbezüglichen Verhältnis zueinander, so dass von einem Werteverbund in der EU gesprochen werden kann. (Beitrag zum Thema von Prof. Dr. Christian Calliess, Pdf-Download startet automatisch)
Die Bedeutung des europäischen Wertefundaments ist insgesamt betrachtet nicht zu unterschätzen. Auf seiner Grundlage hat sich die Union heutiger Gestalt herausgebildet. Den gemeinsamen Werten ist dabei stets eine vereinende, die europäische Integration fördernde Wirkung zugekommen. Auch dienen sie der Bildung einer europäischen Identität und nicht zuletzt der Funktionsfähigkeit der EU. Sowohl die seit dem Vertrag von Lissabon verbindliche Grundrechte-Charta, in deren Präambel auf die Wertebasis der Union hingewiesen wird, als auch der geplante Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verdeutlichen einmal mehr, dass sich die Europäische Union auf vereinende Werte stützt.
Herausforderungen der europäischen Wertegemeinschaft
Bundespräsident Joachim Gauck machte mit der europäischen Wertegemeinschaft ein derzeit viel diskutiertes Thema zum Gegenstand seiner „Rede zu Perspektiven der europäischen Idee“. Aktuell rücken die europäischen Werte unter anderem vor dem Hintergrund der Verfassungsänderungen und innenpolitischen Entwicklungen in Ungarn in den Fokus der Öffentlichkeit. Populismus und eine verstärkte Renationalisierung scheinen die Politik der Regierung Orbán zu bestimmen. Das höchst umstrittene ungarische Mediengesetz hat Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den europäischen Werten der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie mit der Pressefreiheit aufgeworfen. Die EU-Kommission hat die ungarische Regierung zu Änderungen bewegt, die aber als unzureichend kritisiert worden sind. Nicht zuletzt wurde das Mediengesetz in Teilen vom ungarischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Nicht nur in der ungarischen Öffentlichkeit kommt es zu starker Kritik an den Maßnahmen Orbáns, auch in anderen Mitgliedstaaten wird in den Medien, den sozialen Netzwerken oder der Politik mit Empörung reagiert. Angesichts dieser Entwicklungen sieht sich die EU-Kommission, die sich bislang eher zurückhaltend gezeigt hat, verstärkt zum Handeln - genauer gesagt zum Ergreifen von Sanktionen - aufgefordert.
Der EU-Kommission stehen hierbei verschiedene Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung: zum einen das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 ff. des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) oder zum anderen als „schärfere” Sanktion das Verfahren nach Art. 7 EUV. Letzteres setzt „eine eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte durch einen Mitgliedstaat” voraus, und kann zur Aussetzung von mitgliedstaatlichen Rechten - wie Stimm- oder Teilnahmerechten - in der Europäischen Union führen.
Bis heute ist ein formelles Verfahren nach Art. 7 EUV nicht eröffnet worden. Im „Fall Österreich” wurden 2000 anlässlich der Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) unter dem Vorsitz Jörg Haiders sowie aufgrund der anschließenden Regierungsmaßnahmen lediglich „bilaterale Sanktionen” von 14 Mitgliedstaaten gegen Österreich erregte zwar europaweit Besorgnis, führte dennoch nicht zur Einleitung eines Sanktionsverfahrens nach Art. 7 EUV.
Instrumente zum Schutz der Werte
Aktuell werden auf mitgliedstaatlicher und Unionsebene die verfügbaren Instrumente zum Schutz der europäischen Werte kritisch beleuchtet. Neben einer möglichen Anwendung des Art. 7 EUV wird vor allem die Einführung neuer und effektiverer Mechanismen diskutiert, die gleichermaßen für alle Mitgliedstaaten gelten sollen. Auch für Außenminister Guido Westerwelle ist der „Grundwerteschutz [...] nicht nur eine Frage der Überzeugung, die EU braucht dafür auch wirksame Instrumente. Doch ist seit langem evident, dass hier eine Lücke klafft. Die sogenannten Vertragsverletzungsverfahren sind häufig zu technisch oder greifen zu kurz.”
Ein Vorstoß aufseiten der Mitgliedstaaten ist die sogenannte Rechtsstaatsinitiative der Außenminister Dänemarks, Finnlands, Deutschlands und der Niederlande. Nach ihr soll ein Frühwarnmechanismus eingeführt werden, der unmittelbar einen politischen Prozess – in Form eines politischen Diskurses mit dem betreffenden Mitgliedstaat – in Gang setzt, sobald es zu einer Gefährdung europäischer Werte kommt. Dieser ad hoc-Mechanismus stieß bei seiner Vorstellung im Rat der Europäischen Union auf große Befürwortung. Die Europäische Kommission in ihrer Funktion als „Hüterin der Verträge” soll mit der Umsetzung und Durchführung des Frühwarninstruments betraut werden. Um der Initiative Nachdruck zu verleihen, wurde auch im Bundestag von den Regierungsfraktionen ein Antrag mit dem Titel „Politischen Mechanismus zum Schutz europäischer Grundwerte etablieren – Rechtsstaatsinitiative konsequent vorantreiben” eingebracht.
Ein anderes Instrument könnte die Einführung eines sogenannten Kopenhagen-Mechanismus sein - ebenfalls als ein schnelles und effizientes Instrument der Frühwarnung. Bislang gelten die durch den Europäischen Rat festgelegten Kopenhagener Kriterien lediglich für Beitrittskandidaten. Angedacht ist ein einheitlich geltender Kontrollmechanismus ausgeübt durch eine institutionsübergreifende Kopenhagen-Kommission, durch den sichergestellt werden soll, dass die europäischen Werte fortwährend, d.h. auch nach dem Beitritt, eingehalten werden. Auch im Tavares-Bericht, der anlässlich der Entwicklungen in Ungarn die Einhaltung der europäischen Grundwerte fordert und Empfehlungen zu ihrem Schutz ausspricht - sowohl auf Ebene Ungarns als auch der Union - wird die Einführung eines „Kopenhagen-Mechanismus" empfohlen. Der Bericht ist vom Plenum des Europäischen Parlaments angenommen worden, wobei das Parlament der ungarischen Regierung bei einer anhaltenden Verletzung europäischer Werte ein Verfahren nach Art. 7 EUV androht. Die Stellungnahme zur vierten Verfassungsänderung in Ungarn der vom Europarat eingesetzten Venedig-Kommission zeichnet ebenfalls einen großen Handlungsbedarf zum Schutz der Werte in Ungarn auf.
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten und birgt großes Diskussionspotential – über die Bedeutung und den effektiven Schutz europäischer Werte.
(Stand des Textes: November 2013, Anm. d. Redaktion)
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Der Text verglichen mit der Originalversion
1 | ![Platz der |
2 | Grundrechte](https://salon-cms.liqd.net/de/salon-bilder/plat |
3 | z-der-grundrechte-karlsruhe-1000x350-cc-by-nc-sa-20-by-olive |
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10 | „[…] Europa [hat] eine identitätsstiftende Quelle – einen im |
11 | Wesen zeitlosen Wertekanon, der uns auf doppelte Weise |
12 | verbindet, als Bekenntnis und als Programm.“ |
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14 | (Bundespräsident Joachim Gauck: [„Rede zu Perspektiven der |
15 | europäischen |
16 | Idee“](http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Jo |
17 | achim-Gauck/Reden/2013/02/130222-Europa.de) am 22. Februar |
18 | 2013) |
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22 | Eine 2010 von der Europäischen Kommission durchgeführte |
23 | [Eurobarometer-Umfrage](http://www.bpb.de/nachschlagen/zahle |
24 | n-und-fakten/europa/70652/europaeische-werte) widmete sich |
25 | der Europäischen Union (EU) als Wertegemeinschaft. Die |
26 | befragten Bürger nannten Menschenrechte und Demokratie |
27 | gleichzeitig als die Werte, die die EU am besten |
28 | repräsentieren. |
29 | |
30 | Die europäischen Werte sind auf Unionsebene ausdrücklich |
31 | vertraglich verankert. So heißt es in [Artikel |
32 | 2](http://dejure.org/gesetze/EU/2.html) des Vertrages über |
33 | die Europäische Union (EUV): |
34 | |
35 | >*„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die |
36 | Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, |
37 | Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte |
38 | einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten |
39 | angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer |
40 | Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, |
41 | Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität |
42 | und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet."* |
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44 | Die EU verpflichtet sich in ihrem Handeln - sei es innen- |
45 | oder außenpolitisch - diesem Wertefundament. Ziel ist es, |
46 | die Werte zu fördern [(Art. 3 |
47 | EUV)](http://dejure.org/gesetze/EU/3.html). Sie sollen dabei |
48 | nicht nur auf Unionsebene, sondern auch auf Ebene der |
49 | Mitgliedstaaten und der Beitrittskandidaten Beachtung |
50 | finden. |
51 | Werte sind fest verankerte Grundeinstellungen in einer |
52 | Gesellschaft oder einzelner Personen, deren inhaltliche |
53 | Bestimmung nicht abschließend vorgenommen werden kann. Sie |
54 | sind in ihrer Bedeutung komplex und subjektiv. Auch |
55 | unterfallen sie dem gesellschaftlichen Wandel und |
56 | reflektieren politische, rechtliche sowie historische |
57 | Entwicklungen. Die europäischen Werte haben ihren eigenen |
58 | Gehalt und sind daher nicht deckungsgleich mit den |
59 | nationalstaatlichen Wertegerüsten. Ihr Ursprung wurzelt aber |
60 | in den mitgliedstaatlichen Wertetraditionen, die sich bis in |
61 | die Antike zurückverfolgen lassen. Ebenso stehen europäische |
62 | und nationale Werte in einem wechselbezüglichen Verhältnis |
63 | zueinander, so dass von einem *Werteverbund in der EU* |
64 | gesprochen werden kann. [(Beitrag zum Thema von Prof. Dr. |
65 | Christian Calliess, Pdf-Download startet |
66 | automatisch)](http://portal-europarecht.de/index.php?option= |
67 | com_jdownloads&Itemid=17&view=finish&cid=11250&catid=5) |
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69 | Die Bedeutung des europäischen Wertefundaments ist insgesamt |
70 | betrachtet nicht zu unterschätzen. Auf seiner Grundlage hat |
71 | sich die Union heutiger Gestalt herausgebildet. Den |
72 | gemeinsamen Werten ist dabei stets eine vereinende, die |
73 | europäische Integration fördernde Wirkung zugekommen. Auch |
74 | dienen sie der Bildung einer [europäischen |
75 | Identität](http://www.das-parlament.de/2012/04/Beilage/001.h |
76 | tml) und nicht zuletzt der Funktionsfähigkeit der EU. Sowohl |
77 | die seit dem [Vertrag von |
78 | Lissabon](http://europa.eu/lisbon_treaty/glance/index_de.htm |
79 | ) verbindliche |
80 | [Grundrechte-Charta](http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/da |
81 | t/32007X1214/htm/C2007303DE.01000101.htm), in deren Präambel |
82 | auf die Wertebasis der Union hingewiesen wird, als auch der |
83 | [geplante Beitritt der EU zur Europäischen |
84 | Menschenrechtskonvention |
85 | (EMRK)](http://hub.coe.int/de/what-we-do/human-rights/eu-acc |
86 | ession-to-the-convention) verdeutlichen einmal mehr, dass |
87 | sich die Europäische Union auf vereinende Werte stützt. |
88 | |
89 | ####Herausforderungen der europäischen Wertegemeinschaft |
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91 | Bundespräsident Joachim Gauck machte mit der europäischen |
92 | Wertegemeinschaft ein derzeit viel diskutiertes Thema zum |
93 | Gegenstand seiner [„Rede zu Perspektiven der europäischen |
94 | Idee“](http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Jo |
95 | achim-Gauck/Reden/2013/02/130222-Europa.html). Aktuell |
96 | rücken die europäischen Werte unter anderem vor dem |
97 | Hintergrund der [Verfassungsänderungen und innenpolitischen |
98 | Entwicklungen in |
99 | Ungarn](http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/156390 |
100 | /ungarn-verfassungsaenderung) in den Fokus der |
101 | Öffentlichkeit. Populismus und eine verstärkte |
102 | Renationalisierung scheinen die Politik der Regierung Orbán |
103 | zu bestimmen. Das höchst umstrittene ungarische |
104 | [Mediengesetz](http://mediatanacs.hu/dokumentum/2791/1321457 |
105 | 199hungary_new_media_regulation_eng_web.pdf) hat Fragen |
106 | hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den europäischen Werten |
107 | der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie mit der |
108 | Pressefreiheit aufgeworfen. Die EU-Kommission hat die |
109 | ungarische Regierung zu |
110 | [Änderungen](http://www.euractiv.de/europa-2020-und-reformen |
111 | /artikel/ungarn-aendert-mediengesetz---eu-zufrieden-004385) |
112 | bewegt, die aber als unzureichend kritisiert worden sind. |
113 | Nicht zuletzt wurde das Mediengesetz in Teilen vom |
114 | ungarischen Verfassungsgericht für |
115 | [verfassungswidrig](http://www.zeit.de/politik/ausland/2011- |
116 | 12/ungarn-mediengesetz) erklärt. |
117 | Nicht nur in der ungarischen Öffentlichkeit kommt es zu |
118 | [starker |
119 | Kritik](http://www.zeit.de/2012/52/Orban-Ungarn-Volk) an den |
120 | Maßnahmen Orbáns, auch in anderen Mitgliedstaaten wird in |
121 | den Medien, den sozialen Netzwerken oder der Politik mit |
122 | [Empörung](http://www.guardian.co.uk/world/2012/jan/06/hunga |
123 | ry-viktor-orban-faces-protest) reagiert. |
124 | Angesichts dieser Entwicklungen sieht sich die |
125 | EU-Kommission, die sich bislang eher |
126 | [zurückhaltend](http://www.dw.de/eu-reaktionen-auf-orban-ges |
127 | palten/a-16666164) gezeigt hat, verstärkt zum Handeln - |
128 | genauer gesagt zum Ergreifen von Sanktionen - aufgefordert. |
129 | |
130 | Der EU-Kommission stehen hierbei verschiedene |
131 | Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung: zum einen das |
132 | Vertragsverletzungsverfahren nach [Art. |
133 | 258](http://dejure.org/gesetze/AEUV/258.html") ff. des |
134 | Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
135 | (AEUV) oder zum anderen als „schärfere” Sanktion das |
136 | Verfahren nach [Art. 7](http://dejure.org/gesetze/EU/7.html) |
137 | EUV. Letzteres setzt „eine eindeutige Gefahr einer |
138 | schwerwiegenden Verletzung der in Art. 2 EUV genannten Werte |
139 | durch einen Mitgliedstaat” voraus, und kann zur Aussetzung |
140 | von mitgliedstaatlichen Rechten - wie Stimm- oder |
141 | Teilnahmerechten - in der Europäischen Union führen. |
142 | |
143 | Bis heute ist ein formelles Verfahren nach Art. 7 EUV nicht |
144 | eröffnet worden. Im [„Fall |
145 | Österreich”](http://www.zeit.de/2000/06/200006.oesterreich_. |
146 | xml) wurden 2000 anlässlich der Regierungsbeteiligung der |
147 | rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) |
148 | unter dem Vorsitz Jörg Haiders sowie aufgrund der |
149 | anschließenden Regierungsmaßnahmen lediglich [„bilaterale |
150 | Sanktionen” von 14 Mitgliedstaaten gegen |
151 | Österreich](http://www.zeit.de/2010/05/EU-Sanktionen-Haider/ |
152 | komplettansicht" target="_blank" onclick="return |
153 | popup(this.href) ergriffen. Auch die Regierung Berlusconi |
154 | stand seit Anfang des neuen Jahrtausends verstärkt unter |
155 | Kritik. Nicht nur wegen der Regierungsbildung mit der |
156 | rechtspopulistischen Lega Nord, sondern vor allem aufgrund |
157 | ihrer Medien- und Justizpolitik wurde die Einhaltung |
158 | europäischer Werte, insbesondere der Rechtsstaatlichkeit und |
159 | der Demokratie, bezweifelt. Die |
160 | [Einflussnahme](http://www.bpb.de/apuz/28148/die-mediendemok |
161 | ratie-und-ihre-grenzen-am-beispiel-von-berlusconis-italien?p |
162 | =all) der staatlichen Führung auf die Medien bedingt durch |
163 | die Position Berlusconis als italienischer Medienmogul und |
164 | Ministerpräsident (Stichwort: |
165 | [Interessenkonflikt](http://en.rsf.org/italy-a-media-conflic |
166 | t-of-interest-23-04-2003,06393.html)) erregte zwar |
167 | europaweit Besorgnis, führte dennoch nicht zur Einleitung |
168 | eines Sanktionsverfahrens nach Art. 7 EUV. |
169 | |
170 | ####Instrumente zum Schutz der Werte |
171 | |
172 | Aktuell werden auf mitgliedstaatlicher und Unionsebene die |
173 | verfügbaren Instrumente zum Schutz der europäischen Werte |
174 | kritisch beleuchtet. Neben einer möglichen Anwendung des |
175 | Art. 7 EUV wird vor allem die [Einführung neuer und |
176 | effektiverer |
177 | Mechanismen](http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-13- |
178 | 348_en.htm) diskutiert, die gleichermaßen für alle |
179 | Mitgliedstaaten gelten sollen. [Auch für Außenminister Guido |
180 | Westerwelle](http://www.rp-online.de/politik/deutschland/kei |
181 | ne-erosion-bei-europas-werten-1.3416202) ist der |
182 | „Grundwerteschutz [...] nicht nur eine Frage der |
183 | Überzeugung, die EU braucht dafür auch wirksame Instrumente. |
184 | Doch ist seit langem evident, dass hier eine Lücke klafft. |
185 | Die sogenannten Vertragsverletzungsverfahren sind häufig zu |
186 | technisch oder greifen zu kurz.” |
187 | |
188 | Ein Vorstoß aufseiten der Mitgliedstaaten ist die sogenannte |
189 | [Rechtsstaatsinitiative](http://www.netzwerk-ebd.de/fileadmi |
190 | n/files_ebd/PDF-Dateien/Brief_Rechtsstaatlichkeit.pdf) der |
191 | Außenminister Dänemarks, Finnlands, Deutschlands und der |
192 | Niederlande. Nach ihr soll ein Frühwarnmechanismus |
193 | eingeführt werden, der unmittelbar einen politischen Prozess |
194 | – in Form eines politischen Diskurses mit dem betreffenden |
195 | Mitgliedstaat – in Gang setzt, sobald es zu einer Gefährdung |
196 | europäischer Werte kommt. Dieser ad hoc-Mechanismus stieß |
197 | bei seiner [Vorstellung im Rat der Europäischen |
198 | Union](http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/p |
199 | ressdata/DE/genaff/137302.pdf) auf große |
200 | [Befürwortung](http://www.rp-online.de/politik/deutschland/k |
201 | eine-erosion-bei-europas-werten-1.3416202). Die Europäische |
202 | Kommission in ihrer Funktion als „Hüterin der Verträge” soll |
203 | mit der Umsetzung und Durchführung des Frühwarninstruments |
204 | betraut werden. Um der Initiative Nachdruck zu verleihen, |
205 | wurde auch im Bundestag von den Regierungsfraktionen ein |
206 | [Antrag](http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/138/1713888. |
207 | pdf) mit dem Titel „Politischen Mechanismus zum Schutz |
208 | europäischer Grundwerte etablieren – Rechtsstaatsinitiative |
209 | konsequent vorantreiben” eingebracht. |
210 | |
211 | Ein anderes Instrument könnte die Einführung eines |
212 | sogenannten |
213 | [Kopenhagen-Mechanismus]("http://www.europarl.europa.eu/news |
214 | /de/headlines/content/20130624FCS14305/15/html/Ungarn-muss-d |
215 | ie-Werte-der-EU-respektieren-sagen-die-Abgeordneten) sein - |
216 | ebenfalls als ein schnelles und effizientes Instrument der |
217 | Frühwarnung. Bislang gelten die durch den [Europäischen |
218 | Rat](http://www.european-council.europa.eu/home-page?lang=de |
219 | ) festgelegten [Kopenhagener |
220 | Kriterien](http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Lexikon/ |
221 | EUGlossar/K/2005-11-22-kopenhagener-kriterien.html9) |
222 | lediglich für Beitrittskandidaten. Angedacht ist ein |
223 | einheitlich geltender Kontrollmechanismus ausgeübt durch |
224 | eine institutionsübergreifende Kopenhagen-Kommission, durch |
225 | den sichergestellt werden soll, dass die europäischen Werte |
226 | fortwährend, d.h. auch nach dem Beitritt, eingehalten |
227 | werden. Auch im |
228 | [Tavares-Bericht](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc |
229 | .do?type=REPORT&reference=A7-2013-0229&language=EN), der |
230 | anlässlich der Entwicklungen in Ungarn die Einhaltung der |
231 | europäischen Grundwerte fordert und Empfehlungen zu ihrem |
232 | Schutz ausspricht - sowohl auf Ebene Ungarns als auch der |
233 | Union - wird die Einführung eines „Kopenhagen-Mechanismus" |
234 | empfohlen. Der Bericht ist vom Plenum des Europäischen |
235 | Parlaments |
236 | [angenommen](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?p |
237 | ubRef=-%2f%2fEP%2f%2fTEXT%2bTA%2bP7-TA-2013-0315%2b0%2bDOC%2 |
238 | bXML%2bV0%2f%2fDE&language=DE) worden, wobei das Parlament |
239 | der ungarischen Regierung bei einer anhaltenden Verletzung |
240 | europäischer Werte ein Verfahren nach Art. 7 EUV |
241 | [androht](http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-un |
242 | ion/rechtsstaatlichkeit-europaparlament-droht-ungarn-mit-san |
243 | ktionen-12269877.html). Die [Stellungnahme zur vierten |
244 | Verfassungsänderung in |
245 | Ungarn](http://www.venice.coe.int/webforms/documents/?pdf=CD |
246 | L-AD%282013%29012-e) der vom |
247 | [Europarat]("http://www.coe.int/aboutcoe/index.asp?Lang=de) |
248 | eingesetzten |
249 | [Venedig-Kommission](http://hub.coe.int/de/what-we-do/democr |
250 | acy/venice-commission/) zeichnet ebenfalls einen [großen |
251 | Handlungsbedarf](http://www.verfassungsblog.de/de/ungarn-bek |
252 | ommt-ein-vernichtendes-zeugnis-vom-europarat/#.Ue_KnqwzKyv" |
253 | target=) zum Schutz der Werte in Ungarn auf. |
254 | |
255 | Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten und birgt großes |
256 | Diskussionspotential – über die Bedeutung und den effektiven |
257 | Schutz europäischer Werte. |
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259 | (Stand des Textes: November 2013, Anm. d. Redaktion) |
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261 | [[Zurück zur |
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268 | |
269 | >- [„Rede zu Perspektiven der europäischen Idee" von |
270 | Bundespräsident Joachim Gauck am 22. Februar |
271 | 2013](http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joa |
272 | chim-Gauck/Reden/2013/02/130222-Europa.html) |
273 | |
274 | >- [„Keine Erosion bei Europas Werten!" Gastbeitrag von |
275 | Außenminister Guido Westerwelle (RPonline, 22. Mai |
276 | 2013)](http://www.rp-online.de/politik/deutschland/keine-ero |
277 | sion-bei-europas-werten-1.3416202) |
278 | |
279 | >- [Rechtsstaatsinitiative der Außenminister Dänemarks, |
280 | Finnlands, Deutschlands und der Niederlande zur Einführung |
281 | eines politischen |
282 | Frühwarnmechanismus](http://www.netzwerk-ebd.de/fileadmin/fi |
283 | les_ebd/PDF-Dateien/Brief_Rechtsstaatlichkeit.pdf) |
284 | |
285 | >- [Tavares-Bericht zur Lage der Grundrechte in |
286 | Ungarn](http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=R |
287 | EPORT&reference=A7-2013-0229&language=EN) |
288 | |
289 | >- ["Ein Grundwerte-TÜV für die EU" |
290 | von Michael Roth, europapolitischer Sprecher der |
291 | SPD-Bundestagsfraktion (erschienen am 25. Juni 2013 in der |
292 | FAZ)](http://blogs.spdfraktion.de/fraktionsblog/2013/06/25/e |
293 | in-grundwerte-tuv-fur-die-eu/#more-394) |
294 | |
295 | >- [„Identität in der Wertegemeinschaft" von Karl-Peter |
296 | Schwarz (faz.net, 30. Dezember |
297 | 2010)](http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union |
298 | -identitaet-in-der-wertegemeinschaft-1579748.html) |
299 | |
300 | >- [Debatte - Europa kontrovers: Die Werteordnung der EU und |
301 | ihre Grundlage |
302 | (bpb.de)](http://www.bpb.de/internationales/europa/europa-ko |
303 | ntrovers/38038/die-werteordnung-der-eu-und-ihre-grundlage) |
304 | |
305 | >- ["Aufbruch in die Euro-Union" von der Glienicker Gruppe |
306 | (verfassungsblog.de, 18. Oktober 2013 - auch erschienen |
307 | unter dem Titel "Mobil, gerecht, einig" in der Zeit vom 17. |
308 | Oktober |
309 | 2013)](http://www.verfassungsblog.de/de/aufbruch-in-die-euro |
310 | -union/#.UmFBIlMzLwA2) |
311 | |
312 | >- [„Eine Verfassung für Europa? Zweckverband oder |
313 | Wertegemeinschaft?" von Prof. Dr. Josef Isensee (faz.net, |
314 | 14. Januar |
315 | 2007)](http://www.faz.net/themenarchiv/2.1198/eine-verfassun |
316 | g-fuer-europa-zweckverband-oder-wertegemeinschaft-1412140.ht |
317 | ml) |
318 | |
319 | >- [Interview mit Viktor Orbán über seine Regierungspolitik |
320 | und die Kritik an den ungarischen Verfassungsänderungen |
321 | (faz.net, 16. April |
322 | 2013)](http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/im- |
323 | gespraech-viktor-orban-ungarn-braucht-zur-zeit-keine-netten- |
324 | jungs-12149848.html) |
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