Ist Tröglitz überall?
Der zurückgetretene Bürgermeister von Tröglitz, Markus Nierth, spricht am Tag nach dem Brand in der zukünftigen Unterkunft für Asylbewerber auf einer Kundgebung zu Bürgern. Foto: picture alliance/dpa
Müssen die Orte, an denen Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet werden, zusätzlich geprüft werden? Ist von besser situierten Wohngegenden eine positivere Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen zu erwarten?
Ein Beitrag von Doro
Am 4. April, wurde in Tröglitz, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, ein für Asylbewerber vorgesehenes Haus in Brand gesteckt. Aller Wahrscheinlichkeit nach von Neonazis. Die Tat ist abscheulich und mit nichts zu rechtfertigen.
Meine Frage ist prinzipieller Art: Sollten nicht Flüchtlingsunterkünfte grundsätzlich in gut situierten Ortschaften, Städten, Stadtteilen eingerichtet werden? Unter Nachbarn, von denen man eine Willkommenskultur erwarten kann und die sie, wie viele Beispiele zeigen, praktizieren.
Wohngegenden mit einer Bevölkerung, die selber um ihre Existenz kämpft, sind anfällig für das Entstehen von Ressentiments. Tröglitz selbst kenne ich nicht, aber andere Kleinstädte in Sachsen-Anhalt. Vor allem ihre jungen Leute scheinen mir von einer "no future" - Erwartung geprägt. Für sie gibt es wenig Chancen zum Bleiben und Arbeiten in ihren Kleinstädten und Dörfern. Warum sollte es das für Flüchtlinge bei ihnen geben? Sie empfinden das als ungerecht. Ich weiß es nicht, ob es so ist - es ist nur eine Idee bzw.Frage von mir. Auch empfinde ich die Rede von dem "reichen Deutschland", das doch eigentlich bereit sein müsste zu teilen, abzugeben usw. als zu pauschal. Die Schere zwischen arm und reich geht auch bei uns immer weiter auseinander. Man sollte nicht den Armen bei uns zu viel Solidarität mit den Armen, die aus andern Ländern zu uns kommen, abverlangen.
Ich denke, wir sollten nicht die Unterbringung von Flüchtlingen an ungeeigneten Orten zum Prüfstand für die Gesinnung aller Deutschen machen, um dann zu urteilen: "Hass und Gewalt gegen Flüchtlinge in Deutschland erreichen einen neuen Höhepunkt" (Tagesspiegel vom 5.4. 15, S. 1).
Es scheint auch eine gewisse mediale (masochistische) Lust zu bestehen, zu pauschalisieren und ganz Deutschland bzw. alle Deutschen unter den Generalverdacht zu stellen, wenn schon nicht laut, dann doch insgeheim nationalsozialistisch zu denken. Die Lust an der Selbstbezichtigung, am Selbst-Bashing. Und immer wieder der leidige Rückbezug auf Nazi-Deutschland, 70 Jahre danach!
Flüchtlingsunterkünfte in gut bürgerlichen Gegenden, deren Bevölkerung differenziert denken kann und es sich leisten kann, differenziert zu denken. Wo es jetzt schon viel, wenn es denn hier vereinzelte Flüchtlingsunterkünfte gibt, Hilfsbereitschaft gibt. Erfährt das Ausland durch seine Medien eigentlich davon?
Deutschland und die Deutschen nur schlecht reden, ist so kontraproduktiv. Das Ausland glaubt es, und im Inland werden die Kräfte gestärkt, die in einer Art Trotzhaltung versuchen, ihre Meinung zu behaupten: "Haben wir nicht recht?" Dabei wird vergessen, dass es in Deutschland längst ein selbstverständliches Miteinander von ihrer Herkunft nach Deutschen und Deutschen mit Migrationshintergrund (20 Prozent aller Deutschen!) gibt. Man sollte Deutschland und die Deutschen medial lieber loben, als schlecht zu reden. Die Deutschen mehrheitlich sind nicht schlecht in ihrer Empathie und Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge. Ein Lob ist eine bessere Motivation als eine pauschale Verurteilung.
Was meint Ihr dazu?
SchwierigesThema
Vorrede: Man bekommt es bei dem Thema nicht hin, die Aspekte umfassend und für alle Fälle zutreffend darzustellen. Daher muss man leider Verkürzungen vornehmen, die nur bei wohlwollender Betrachtung verstanden werden.
Allein um eine Balance zu den wenn auch teilweise sehr guten Beiträgen hier herzustellen, möchte ich nur stichpunktartig ansprechen, was in diesen Tagen auch in der Berichterstattung oft unterrepräsentiert ist:
a) Solange man pauschal von "Flüchtlingen" und "Flüchtlingsheimen" redet, trifft man nur einen Teil der Wahrheit. Aktuell (BAMF, März 2015) wurden nur 1,1% der Asylanträge positiv beschieden, dagegen über 70% abschlägig bzw. wurden zurückgezogen. Die übrigen Anträge führen zu Duldungsrecht, Abschiebeverbot o.ä.- offiziell "Rechtsstatus nach Genfer Flüchtlingskonvention". In einem Land, was ansonsten hochspezialisiert und differenziert mit den Themen und Dingen des täglichen Lebens umgeht, verwundert einen das fehlende Gespür für die Realitäten. Schon ein Versuch dieser simplen Differenzierung führt in Talk-Runden regelmäßig zur Ausgrenzung. Man erwartet "political correctness", pauschale Willkommenskultur, etc. Dabei schließt sich das gerade nicht aus.
b) Es ist kaum zu ertragen, wie einseitig Pressearbeit momentan geführt wird. Statt die ganze Bandbreite des Themas abzudecken, von schlechten und guten Beispielen zu berichten, in der Sache direkt und offen zu diskutieren, schlicht Argumente auszutauschen, werden nur noch Etiketten verteilt und die Welt dabei in Pro-Pegida und Gutmenschen aufgeteilt. Und der abgebrannte Dachstuhl von Tröglitz wird von allen Seiten bebildert, z.T. mit Drohnen-Video. Als ob das die tatsächliche Lage vor Ort in vielen Städten Deutschlands darstellen würde.
c) Wenn einem die Wohnheim-Leitung in der Nachbarschaft mitteilt, dass die gelieferten Sachspenden zum Teil schon auf dem Weg in den Balkan sind, wenn die von dort kommende Hauptmigrationsgruppe bei jetzt guten Wetterbedingungen wieder die Heimreise antritt, fragt man sich schon, wie zielgerichtet die Hilfe teilweise war. Beides ist möglich, Hilfe und Unterstützung vor Ort, aber auch eine Differnzierung der Angekommenen, wer die Hilfe tatsächlich braucht und wo wirtschaftliche Interessen dahinter stehen.
d) Die weitaus meisten Asylbewerber haben eine Nähe zum Islam bzw. sind Moslems. Es wäre schön, wenn diese Menschen die Errungenschaften und Vorteile einer christlich geprägten Kultur und Wertegemeinschaft hier erfahren würden. Aber selbst Kirchen scheuen bei Ihrer ansonsten vorbildlichen Hilfsbereitschaft zurück, eine eigene Position zu beziehen.
Ohne weiteres kämen noch etliche Punkte dazu, aber vielleicht hilft das oben Genannte, die Diskussion breiter und umfassender zu führen. Vieles an Unsicherheit/Frustration/Ablehnung/Unwissenheit innerhalb der Bevölkerung könnte dadurch abgebaut werden. Es fehlt eine ehrliche Streitkultur in diesem Land, nicht nur bei diesem Thema.