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Prof. Dr. Hans Michael Heinig zur Frage nach der Sperrklausel bei den EU-Wahlen


Das BVerfG hat am 26. Februar 2014 die Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht für verfassungswidrig erklärt. Wird die Europawahl damit demokratischer? Oder unterbewertet das BVerfG die Bedeutung des Europaparlaments für die europäische Demokratie?

Prof. Dr. Heinig: Franz C. Mayer hat die Entscheidung im Verfassungsblog.de mit guten Gründen scharf kritisiert; Sophie-Charlotte Lenski hat mit beachtlichen Argumenten widersprochen. Während ich anderen Entscheidungen des BVerfG zu Integrationsschritten doch was abgewinnen konnte, teile ich diesmal die Kritik vieler Europarechtler. Es ist tragisch, dass ausgerechnet vor der Wahl zum EP, die eine beispiellose europäisierte Politisierung und personelle Zuspitzung verspricht, das Bundesverfassungsgericht die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Es bleibt das Unbehagen, dass das Europäische Parlament in den Entscheidungen des BVerfG immer erkennbar schlecht wegkommt – und deutlich schlechter als der Deutsche Bundestag, ohne das die Gründe in jeder Hinsicht nachvollziehbar sind.

Kurzvorstellung Prof. Heinig


Wir haben die Podiumsgäste des zweiten Europäischen Salons zum Thema "Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger – Europa der Eliten?" vorab um ihre Meinung zu unterschiedlichen Fragen gebeten, um sie online zu diskutieren. Alle Online-Beiträge und Kommentare haben die Chance, am 30. April auf dem Podium direkt in die Diskussion mit den Experten einzufließen.

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Kommentare

  • Liebes Forum, in der 'Offline'-Diskussion in Berlin ergaben sich zu dieser Frage noch einige Impulse.

    • Prof. Dr. Heinig kritisierte die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts auf das EU-Parlament, die sich in seiner Entscheidung zur Sperrklausel zeige. Zunächst zählte er zahlreiche Fortschritte der europäischen Demokratie auf. So gebe es einen europäisierten Wahlkampf (auch dank der Spitzenkandidaten) und die Entscheidungen würden im Parlament - anders als früher - eher nach dem politischen Lager als nach der Nationalität getroffen. Tragisch sei, dass das Bundesverfassungsgericht diese Entwicklung in ihren Urteilen zur Sperrklausel nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe. Ausgerechnet bei dieser Wahl keine Sperrklausel zu haben, sei ein "Treppenwitz" der Geschichte.
    • Heinig zufolge hat sich beim Verfassungsgericht eine - zunächst durchaus verständliche - Skepsis gegenüber dem EU-Parlament verselbstständigt. Seine Rechtssprechung stehe im Widerspruch zur Idee, dass ein starker europäischer Legitimationsstrang sukzessive und kontinuierlich wächst.
  • Lieber Herr Prof. Dr. Hans Michael Heinig, eine Frage: Wäre es nicht Aufgabe der Politik, die vielen Mängel des Europäischen Parlaments (fehlendes Initiativ-Recht, ungerechte Sitzverteilung etc.) abzustellen?

    Ich finde die Karlsruher Richten machen einfach ihren Job - sie setzen die bestehende Verfassung durch. Wer von einem besseren, stärkeren Europa träumt, soll doch bitte die davon Menschen überzeugen, und die Verfassung und die EU-Verträge ändern - und etwa transnationale Wahlkreise einführen. Die Karlsruher Richter können der Politik diese Arbeit nicht abnehmen, indem sie über die Schwachstellen der heutigen Konstruktion einfach hinwegsehen.

  • Also ich glaube nicht, dass das BVerfG die Zeichen der Zeit nicht erkennt. Es hat die Sperrklausel doch nciht absolut ausgeschlossen, sondern sollten sich die Umstände grundlegend ändern, so kann sie doch auch wieder eingeführt werden.

    Ich sehe in der Entscheidung vielmehr ein positives Signal: für die Stimme der Bürger - die Enscheidung hält die Wahlrechtsgleichheit hoch! Und das ist für mich ein gutes Zeichen auf dem Weg zur Union der Bürger

  • Was wären denn noch andere Beispiele, in denen das EP in Entscheidungen des BVerG schlecht wegkommt? Glauben Sie, dass das BVerG das EP in seiner Wichtigkeit unterschätzt - und falls ja, was könnte der Grund sein?

    • ich habe auch ein ungutes gefühl der unterschätzung des parlamentes wegen, wird das nicht gerade im urteil deutlich?