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Prof. Dr. Hans Michael Heinig zur Frage nach der EU als Elitenprojekt


Die EU wird in der (Medien-) Öffentlichkeit zunehmend als ein "Elitenprojekt" wahrgenommen. Ist sie das? Wie kann sie zu einer "Union der Bürger" werden und wer trägt hierfür die Verantwortung?

Prof. Dr. Heinig:: Natürlich ist sie das. Und alle Träume von einem großen euroenthusiastischen Aufbruch der breiten europäischen Masse sind Phantasmen genau dieser Elite. Funktionseliten profitieren überproportional von der EU. Sie weisen eher einen kosmopolitischen Habitus, urbane Lebensgewohnheiten und hohe Bildungsstandards auf. Aber es gibt auch keine demokratischen Mehrheiten gegen die europäische Integration. Die meisten Europäer wissen sich geeint in der Wertschätzung eines bestimmten Politik- und Sozialmodells, das einen Verbund demokratischer Wohlfahrtsstaat begründet. Sie wissen die europäischen Erfolge zu schätzen, gerade die, die sie individuell betreffen. PR-Stunts, die auf ein „Europa der Bürger“ zielen, folgen hingegen schnell einem paternalistischen Politikverständnis. Die beste Strategie zur Verankerung der EU in der Breite der Bevölkerung ist die Politisierung Europas.

Kurzvorstellung Prof. Heinig


Wir haben die Podiumsgäste des zweiten Europäischen Salons zum Thema "Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger – Europa der Eliten?" vorab um ihre Meinung zu unterschiedlichen Fragen gebeten, um sie online zu diskutieren. Alle Online-Beiträge und Kommentare haben die Chance, am 30. April auf dem Podium direkt in die Diskussion mit den Experten einzufließen.

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Kommentare

  • Vielleicht liegt es an Ihrer komplizierten Wortwahl aber den Punkt habe ich nicht bekommen. Auch ich verstehe Europa als ein elitäres Projekt, dessen bürokratischer Apperat oft meilenweit entfernt von lokalen, gesellschaftspolitisch relevanten Räumen liegt und auch oder gerade deshalb nicht gerade den täglichen Diskurs dominiert - außer vielleicht es geht um Schreihalsthemen. Und trotzdem ist doch Europa überall, in Bahnen, auf Bordsteinen, in Gurken, Bananen und auf Zigarettenschachteln. Nach NSA und Co. ist nun sogar unsere Privatsphäre faktisch zum Politikum geworden (endlich!) und es bedarf juristischer Neujustierungen. Vor welchem theoretischen Hintergrund definieren Sie 'politisch'? Für mich gibt es eine besser Antwort: Vergesellschaftung.

    • Ja Vergesellschaftung und eine breite europäische Öffentlichkeit sind unabdingbar auf dem Weg zu einer "Union der Bürger" - ich empfinde den Begriff übrigens nicht als einen PR-Stunt ... sondern er umschreibt meiner Meinung nach sehr gut den Gedanken, dass die EU nur dann eine Zukunft hat, wenn sie fest in den Köpfen der Bürger verankert ist.

  • Könnte es sein, dass der Grund für die Zurückhaltung der breiten Masse in Europafragen schlicht und ergreifend ist, dass Europa langweilig ist? Ich studiere Politik und selbst ich finde Europa langweilig, die politische Willensbildung ist ein unüberschaubarer, elend langsamer, komplizierter Prozess, der weder medial greifbar oder inszenierbar noch politisierbar ist.

  • "Die beste Strategie zur Verankerung der EU in der Breite der Bevölkerung ist die Politisierung Europas."

    Aber wie genau und unter wessen Federführung soll diese Politisierung erfolgen? Brauchen wir da nicht gerade die Eliten - mit ihrem Euroenthusiasmus - um den Bürgern Europa näher zu bringen, "schmackhaft" zu machen oder gar in seiner komplexen Struktur zu erklären?

    • Ich denke auch, dass eine Annäherung zwischen den BürgerInnen und der Europäischen Union nur durch einen Vorstoß der Eliten erreichbar ist - der nationalen Eliten. Denn sie sind es, denen im Endeffekt das 'housekeeping' in der EU obliegt.

      Meiner Meinung bedarf es in gewisser Art und Weise einer Bewusstseinsschaffung zur Staatenwerdung der EU im innenpolitischen, nicht völkerrechtlichen Sinne: Der Bevölkerung muss nahe gebracht werden, dass die EU keine abstrakte und ferne Organisation ist, sondern de facto eine Ebene der staatlichen Autorität im Gefüge des nationalen politischen Systems darstellt, auf deren Willensbildung sie Einfluss nehmen darf und soll.

      Aufgrund meines Wohnsitzes in Österreich verfolge ich hauptsächlich den österreichischen Wahlkampf; und hier bin ich der Auffassung, dass zumindest die österreichischen Eliten kläglich daran scheitern, den Bürgerinnen und Bürgern deutlich zu machen, was ihre Stimmabgabe am 25. Mai bedeutet: Obwohl nicht ganz untypisch für Österreich sind die aktuellen Wahlkampagnen der österreichischen Parteien auffällig inhaltsleer; mit Ausnahme von den Grünen, die in ihrer Wahlwerbung einen klaren Standpunkt zu Datenschutz und Gentechnik einnehmen, nimmt keine Partei weitläufigen Bezug auf die Politiken der EU. Selbst die besonders europafreundlichen Liberalen (NEOS) haben es in ihren Inseraten noch nicht über 'Wir lieben Europa' und 'Greif nach den Sternen' hinaus geschafft. Das führt dazu, dass auch die Medien von diesem Wahlkampf einigermaßen unbeeindruckt bleiben: Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk allen SpitzenkandidatInnen eine Interview-Sendung mit jeweils 45 Minuten Sendezeit einräumt ('Wahlfahrt Europa' mit Hanno Settelle) bleiben große Diskussionsrunden aus. Auch die anstehenden Debatten der pan-europäischen SpitzenkandidatInnen findet in den österreichischen Medien keine Erwähnung. Dabei gäbe es mit den diesjährigen SpitzenkandidatInnen die einmalige Möglichkeit eine Diskussionsrunde in deutscher Sprache im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auszustrahlen - gerade im europaskeptischen Österreich ist das eine vertane Chance.

      Der Grund dafür liegt meiner Meinung nach im mangelnden Interesse der österreichischen Parteien (=Eliten) wirkliche Europapolitik für die ÖsterreicherInnen und Österreicher zu machen. Anstatt sich auf Inhalte zu konzentrieren, deren Behandlung in den nächsten fünf Jahren maßgeblichen Einfluss auf das Leben der ÖsterreicherInnen und Österreicher haben werden, steigen alle Parteien in den vom Versagen der großen Koalition und des Populismus der FPÖ initiierten Machtkampf um die Werteorientierung der österreichischen Bundesregierung ein.

      Eine nur alle fünf Jahre wiederkehrende Chance, den BürgerInnen und Bürgern die Politiken der EU und deren einscheidenden Einfluss auf die nationale Politik näher zu bringen wurde somit vertan. Mit der Beteiligung aller nationalen Eliten.

      • Liebe(r) swb, danke für diesen Kommentar. Es ist interessant, die österreichische Perspektive zu hören. Auch ist interessant, dass "sogar" bei Euch (wenn die Thematisierung Europas bei Euch wohl zu kurz zu kommen scheint) die Öffentlich-Rechtlichen Sender den SpitzenkandidatInnen Interview-Sendungen von jeweils 45 Minuten einräumen.

        Hier in Deutschland geschieht dies m.E. überhaupt nicht; der Europawahlkampf findet quasi nur außerhalb dieser Sender statt. Gerade gestern sah ich das heute journal im ZDF gefolgt von einem Wahlaufruf (immerhin). Danach allerdings die Aufforderung, sich am (!) Tag der Wahl im ZDF über "Europa" zu informieren. Sicher stellt das ZDF auch vorab schon online Informationen zur Europawahl bereit. Allerdings gehe ich ganz sicher nicht zum ZDF, um mich über die Europawahlen zu informieren.

        Jedenfalls fragen sich hier Viele, warum sie überhaupt Gebühren für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zahlen wenn dieser seine Politiksendungen zugunsten von Unterhaltungsprogrammen verringert. Ich kann mir dabei jedenfalls nur an den Kopf fassen. Schließlich spielen die Medien eine ganz wesentliche Rolle in der Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit.

        Das wurde übrigens auch im Europäischen Salon diskutiert, und von Prof. Heinig ganz klar und deutlich kritisiert.

        Auf Publixphere läuft jedenfalls gerade eine Diskussion zur Einführung eines @Publikumsrat , die in diesem Zusammenhang interessant ist.