Dr. Franziska Brantner zur Frage nach einem Demokratiedefizit in der EU
Gibt es ein Demokratiedefizit in der EU? Und wenn ja, worin liegt der maßgebliche Aspekt des Demokratiedefizits?
Dr. Brantner: Die Debatte über ein Demokratiedefizit der EU bewegt sich in den viel zu engen Grenzen der nationalstaatlichen Analyse. Wir sollten dem Argument der „Demoicracy“ von Kalypso Nicolaidis folgen und anerkennen, dass die EU weder mit einer Form des Staates vergleichbar ist noch über ein einheitliches Europäisches Volk verfügt. Damit entzieht sich die EU zwei der fundamentalen Definitionen des „Westfälischen Staatenkonzepts“. Der qualitative Unterschied zwischen Nationalstaat und EU sollte folglich auch zu unterschiedlichen Maßstäben der Bewertung führen. Die Analyse eines Demokratiedefizits nach nationalstaatlichen Kriterien wird dadurch obsolet. Volksherrschaft kann jedoch auch in Abwesenheit eines einheitlichen Volkes erreicht werden, nämlich durch die Kontrolle verschiedener Völker.
Die Probleme auf EU Ebene sind damit augenscheinlich, sie äußern sich bislang auch in einem fehlenden Initiativrecht für das Europäische Parlament. Zuletzt hat die fehlende Einbindung in die Eurokrisen-Mechanismen und die nicht vorhandene parlamentarische Kontrolle der Troika die Demokratische Legitimation der EU stark geschwächt. Außerdem mangelt es an Kooperation zwischen den Parlamenten, häufig herrscht eher Konkurrenz.
Wir haben die Podiumsgäste des zweiten Europäischen Salons zum Thema "Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger – Europa der Eliten?" vorab um ihre Meinung zu unterschiedlichen Fragen gebeten, um sie online zu diskutieren. Alle Online-Beiträge und Kommentare haben die Chance, am 30. April auf dem Podium direkt in die Diskussion mit den Experten einzufließen.
Redaktion
Liebes Forum, in der 'Offline'-Diskussion in Berlin ergaben sich zu dieser Frage noch einige Impulse.
(Jill) Frau Dr. Brantner brachte eine Idee ins Spiel, wie die Entscheidungen der deutschen Bundesregierung in Brüssel transparenter und demokratischer fallen könnten. So ist es es bislang so, dass sich die Regierung in Brüssel enthält, wenn sich die Koalitionspartner nicht einig sind (Zuletzt führte das beim Thema "Zulassung von Genmais" zu Empörung). Frau Brantner schlägt nun vor, in diesen Fällen den Bundestag über die deutsche Position in der EU abstimmen zu lassen (im Fall des Genmaises hätte sich dann vielleicht eine Koalition aus SPD/Grünen/Linken gebildet).
Frau Brantner kritisierte mehrfach die fehlende Einbindung des EU-Parlaments in die Euro-Rettungspolitik. So musste das Parlament den Vorgaben für die Krisenländer durch die Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission nicht zustimmen. Laut Frau Brantner fand im Parlament zwar eine echte europäische Debatte zu Wegen aus der Krise statt, allerdings blieb sie unverbindlich. So habe sie es auch den Journalisten nicht verdenken können, dass sie nicht darüber berichteten. Brantner zufolge wurde so eine große Chance für Europas gemeinsame Demokratie vertan, da sich in der Krise deutlich eine europäische Öffentlichkeit gezeigt habe (BSP: Deutsches Interesse an griechischer Politik)
Als Voraussetzung für eine europäische Demokratie wurde vor allem die "Europäische Öffentlichkeit" diskutiert: