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Dr. Franziska Brantner zur Frage ob Oppositionsdefizit gleich Demokratiedefizit ist


"Was freilich als europäisches Demokratiedefizit erscheint, ist das Fehlen einer Opposition, also der politischen Organisation von nicht mehrheitsfähigen Auffassungen," sagt Prof. Dr. Armin Nassehi (Soziologe, LMU). Diese Lücke wird zunehmend von euroskeptischen Parteien ausgefüllt. Wie ist diese Entwicklung zu bewerten?

Dr. Brantner: Ja, leider haben pro-europäische Regierungen und Parteien es bislang versäumt, berechtigte Kritik an der EU aufzunehmen und die europapolitische Debatte auf ein konstruktives, differenziertes Niveau zu heben. Die Abwesenheit eines differenzierten Diskurses über europapolitische Realitäten bereitet Populisten und Radikalkritikern das Feld. Dies ist aber kein strukturelles Problem des Europäischen Parlaments.

Heute geht es aber nicht um die Frage ob die EU zu viele Kompetenzen hat, sondern primär um dumpfe rechte Politik: gegen Immigranten, gegen Homosexuelle, gegen Vielfalt. Diesen Wechsel auf der rechtspopulistischen Seite haben die pro-Europäer zu spät verstanden und deswegen in alter Routine reagiert. Aus der Sicht eines starken Parlaments und der Relevanz parlamentarischer Entscheidungen ist das EP demokratischer - es ist seltener nur Abnickparlament von Regierungsentscheidungen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass deutsche und viele anderen Medien oft dazu neigen, über die EU undifferenziert zu berichten. Meist steht nur "Das Europäische Parlament hat entschieden, dass..." und man erfährt nicht, mit welchen Mehrheiten und gegen wen.

Kurzvorstellung Dr. Brantner


Wir haben die Podiumsgäste des zweiten Europäischen Salons zum Thema "Vor der Wahl zum Europäischen Parlament: Europa der Bürger – Europa der Eliten?" vorab um ihre Meinung zu unterschiedlichen Fragen gebeten, um sie online zu diskutieren. Alle Online-Beiträge und Kommentare haben die Chance, am 30. April auf dem Podium direkt in die Diskussion mit den Experten einzufließen.

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Kommentare

  • Ich kenne leider nur die Perspektive, wie sie mir die deutschen Medien vermitteln und würde mir eine differenziertere Berichterstattung wünschen. Die genau das kommuniziert: welche Mehrheiten gab es für welche Bereiche und wie sind die Diskussions- und Abstimmungsprozesse verlaufen. Irgendwo übersichtlich zum nachlesen und sortieren nach Themen, die für mich relevant sind und Abgeordneten, deren Arbeit ich verfolgen möchte. Sicherlich gibt es die Informationen irgendwo, aber wenn ich schon Zeit in die Information stecke, möchte ich mir nicht auch noch alles aus unterschiedlichen Quellen zusammensuchen. Eine gute Dokumentation würde sicherlich einige Hürden abbauen, um sich mit Europapolitik auseinanderzusetzen.

    Auch den zweiten Punkt von Ihnen finde ich spannend - so müssten sich also die Pro-Europäischen Parteien stärker zusammenschließen und gegen die Populisten behaupten? Das geschieht noch nicht?

    • ich weiß garnicht so recht ob das am medienmarkt hängt sonder eher am unwillen / oder nicht-können der parlamentarier?!

  • Liebes Forum, in der 'Offline'-Diskussion in Berlin ergaben sich zu dieser Frage noch einige Impulse.

    • Frau Dr. Brantner forderte einen Mentalitätswechsel im Europäischen Parlament (dem sie bis zu ihrem Wechsel in den Bundestag Ende 2012 angehörte). Die Parteien/Fraktionen müssten mehr miteinander um Inhalte/Politik streiten, statt im Rat der EU (den Regierungen der Mitgliedsländer) ihren Haupt-Gegner zu sehen. Allerdings sei dieser Mentalitätswechsel bereits im Gang. Es gebe auch immer mehr die Einsicht, dass berechtigte Kritik an einzelnen EU-Politiken (Bsp: Agrarpolitik) - nicht an der EU selbst - endlich ernst zu nehmen ist. Brantner verwies hier auf den Essay "Europakritik wird schick" (2009), den sie gemeinsam mit Isabell Hoffmann von der Bertelsmann-Stiftung verfasst hat
    • Brantner wandte sich entschieden gegen die These des EU-Bloggers und Podiumsteilnehmers Jon Worth, wonach es keinen Unterschied mache, wen die Bürger ins Parlament wählen. Immer dann, wenn sich im Parlament eine Mehrheit jenseits einer 'Großen Koalition' aus Konservativen und Sozialdemokraten gefunden hätte (etwa eine Ampel-Koalition), sei es spannend geworden. Das hätten auch die Bürger gemerkt.
    • Brantner kritisierte, der Fall der Sperrklausel (3-Prozent-Hürde) nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erschwere eine weitere Politisierung des Parlaments. Der Einzug kleiner Parteien könnte dieser Logik zufolge 'Große Koalitionen' bei Parlamentsabstimmungen noch öfter nötig machen.
    • Frau Brantner wies außerdem daraufhin, dass die fehlende Unterscheidbarkeit zwischen den politischen Lagern kein exklusives europäisches, sondern auch ein nationales Phänomen sei. "Wo war denn der große Unterschied zwisch zwischen Steinbrück und Merkel im Bundestagswahlkampf? Wo sind denn da noch große Lager- und Glaubenskämpfe?"
  • Ich stimme Ihnen zu - der vermeintliche breite Konsens auf EU-Ebene, zu egal welcher Entscheidung, bereitet Populisten und auch Radikalen den Nährboden für Ihre Thesen.

    Aber wie erklären Sie sich diesen Eindruck, dass es auf EU-Ebene zu keinen konrtoversen Diskursen unter den etablierten Parteien kommt?

    Sind es tatsächlich nur die Medien, die falsch oder unvollständig berichten und damit das Bild von konsentierten EU-Entscheidungen prägen?

    Ich schließe mich hiermit der kritischen Nachfrage von Moseni an...