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    Rolf Verleger · angelegt
     

    Gehen europäische Medien unfair mit Israel um? Oder liegt die Fairness nicht vielleicht im Auge des Betrachters?

    Zu dieser Frage gibt es ein gut kontrolliertes Experiment. Dabei kam verblüffenderweise heraus, dass Zeitungsartikel, die für ein Ende der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern werben, in den Augen von deutschen Unterstützern Israels noch parteiischer für Palästina sind als offen propalästinensische. (W. Kempf & S. Thiel: On the interaction between media frames and individual frames oft he Israel-Palestinian conflict. conflict & communication online, 11(2), 2012).

    Im Einzelnen: ca. 400 Deutsche aus allen Bevölkerungs­schich­ten bekamen einen Zeitungs­artikel zum Nahostkonflikt vorgelegt. Der Artikel handelte von einem Gewaltakt entweder der palä­sti­nensischen Seite (Selbst­mordanschlag in Tel-Aviv) oder der israeli­schen Seite (Mili­täreinsatz gegen den Gasa-Streifen). Zwischenüberschriften, Inhalte und Bildmaterial der Original-Zeitungs­artikel wurden vor der Studie von Kempfs Team auf drei Arten bearbeitet: Entweder sollten sie einen deeskalierenden, friedlichen Ansatz ver­mitteln (Zwischenüberschrif­ten u.a. „im Kreislauf der Gewalt“, „die Bevölke­rung auf beiden Seiten ist trau­matisiert“) oder sie sollten einen eskalierenden, kriegerischen Ansatz propa­gie­ren, entweder pro-Israel („Ha­mas schickt weitere Raketen“) oder pro-Palä­stina („die Lage im Gasa-Streifen ist ver­zweifelt“).

    Jeder Studienteilnehmer sah einen die­ser Artikel und wurde nach dem Lesen danach gefragt, ob der Artikel parteilich geschrieben sei, und wenn ja, parteilich für welche Seite.

    Davor waren die Teilnehmer zu ihrer Einstellung zum Nahost-Konflikt befragt worden und inwieweit sie friedliche oder kriege­ri­sche Mittel für diesen Konflikt für nötig hielten. Gemäß diesen Einstellungen ließen sich neben einer Gruppe Uninformierter (14% der Teilneh­mer) drei Gruppen unterscheiden. „Pazi­fisten“: Kenntnis des Konflikts, Anerken­nung der Interessen beider Sei­ten als le­gitim. „Palä­sti­na­freun­de“: Parteinah­me für die Palästi­nenser, mit überwiegender Befürwortung fried­li­cher Mittel der Konflikt­lö­sung. „Isra­el­freun­de“: Partei­nah­me für Israel, mit Befürwor­tung ge­walt­sa­mer Mittel.

    Alle Gruppen empfanden die pro-Israel-Version als parteilich für Israel und die pro-Palä­sti­na-Version als parteilich für Palästi­nen­ser. Die Gruppen unterschieden sich in der Einschätzung der deeskalierenden Version: "Pazifisten" und "Palästinafreunde" fanden diese Version re­lativ unparteilich, aber die „Israel­freunde“ empfanden diese Ver­sion als noch parteilicher für Palästinen­ser als die pro-Palästina-Version. Das heißt: Zeitungsartikel über den Konflikt, die auf Basis der Werte von Frieden und Mit­menschlichkeit geschrie­ben sind, richten sich nach Einschätzung von Israelfreun­den direkt gegen Israel.

    Man kann vermuten, dass nicht nur deutsche Israelfreunde diese Wahrnehmung haben, sondern auch israelische Unterstützer der Politik ihres Landes. Dann würden diese Ergebnisse erklären, warum solche Leute sich von der europäischen Medienlandschaft nicht verstanden fühlen.

    Ich glaube, dass die Israelfreunde in dieser Studie Recht hatten: In der Tat richten sich die Werte von Frieden und Mitmenschlichkeit gegen Israel. Warum ist das so? Die Antwort ist in meinen Augen ganz einfach: Israel hat leider schon lange andere Werte: hemmungslosen Nationalismus, Landraub, Auserwähltheitswahn, das Recht des Stärkeren. Dass das in unseren Medien nicht immer gelobt wird, spricht für unsere Medien.