Europäische Einseitigkeit in der Berichterstattung?- Der Fall Israel
Oft in der internationalen Kritik: der isralische Premier Benjamin Netanjahu. Foto: dpa
Gehen europäische Medien unfair mit Israel um? Beziehen sie einseitig Position zugunsten der Palästinenser? Das fragt treffpunkteuropa.de.
Ein Beitrag von treffpunkteuropa.de
Die Medien in Europa stehen derzeit in der Kritik, zunehmend einseitig und kritisch über Israel zu berichten, indem sie teilweise unreflektiert Partei für die Palästinenser ergreifen und wichtige Fakten bei der Berichterstattung weglassen. Tobias Gerhard Schminke, stellvertretender Chefredakteur von treffpunkteuropa.de, berichtet aus Israel über die Sicht der Bevölkerung dort auf die Haltung der Europäer und warnt vor einer Fehlentwicklung.
Wir möchten mit Euch diskutieren: Objektivitätsverlust - werden die Medien ihrer Informationsfunktion im Fall Israel noch gerecht?
Den Hintergrundartikel zur Diskussion findet ihr hier.
Links zum Thema
- Tim Huss: Nein, es sind nicht beide schuld!
- Publixphere: Alle Diskussionen zur Medienkritik
- Schwarz-Friesel: Antisemitismus im Netz
- Nemo: Es gibt keinen Platz für Antisemitismus in Deutschland!
Rolf Verleger
Gehen europäische Medien unfair mit Israel um? Oder liegt die Fairness nicht vielleicht im Auge des Betrachters?
Zu dieser Frage gibt es ein gut kontrolliertes Experiment. Dabei kam verblüffenderweise heraus, dass Zeitungsartikel, die für ein Ende der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern werben, in den Augen von deutschen Unterstützern Israels noch parteiischer für Palästina sind als offen propalästinensische. (W. Kempf & S. Thiel: On the interaction between media frames and individual frames oft he Israel-Palestinian conflict. conflict & communication online, 11(2), 2012).
Im Einzelnen: ca. 400 Deutsche aus allen Bevölkerungsschichten bekamen einen Zeitungsartikel zum Nahostkonflikt vorgelegt. Der Artikel handelte von einem Gewaltakt entweder der palästinensischen Seite (Selbstmordanschlag in Tel-Aviv) oder der israelischen Seite (Militäreinsatz gegen den Gasa-Streifen). Zwischenüberschriften, Inhalte und Bildmaterial der Original-Zeitungsartikel wurden vor der Studie von Kempfs Team auf drei Arten bearbeitet: Entweder sollten sie einen deeskalierenden, friedlichen Ansatz vermitteln (Zwischenüberschriften u.a. „im Kreislauf der Gewalt“, „die Bevölkerung auf beiden Seiten ist traumatisiert“) oder sie sollten einen eskalierenden, kriegerischen Ansatz propagieren, entweder pro-Israel („Hamas schickt weitere Raketen“) oder pro-Palästina („die Lage im Gasa-Streifen ist verzweifelt“).
Jeder Studienteilnehmer sah einen dieser Artikel und wurde nach dem Lesen danach gefragt, ob der Artikel parteilich geschrieben sei, und wenn ja, parteilich für welche Seite.
Davor waren die Teilnehmer zu ihrer Einstellung zum Nahost-Konflikt befragt worden und inwieweit sie friedliche oder kriegerische Mittel für diesen Konflikt für nötig hielten. Gemäß diesen Einstellungen ließen sich neben einer Gruppe Uninformierter (14% der Teilnehmer) drei Gruppen unterscheiden. „Pazifisten“: Kenntnis des Konflikts, Anerkennung der Interessen beider Seiten als legitim. „Palästinafreunde“: Parteinahme für die Palästinenser, mit überwiegender Befürwortung friedlicher Mittel der Konfliktlösung. „Israelfreunde“: Parteinahme für Israel, mit Befürwortung gewaltsamer Mittel.
Alle Gruppen empfanden die pro-Israel-Version als parteilich für Israel und die pro-Palästina-Version als parteilich für Palästinenser. Die Gruppen unterschieden sich in der Einschätzung der deeskalierenden Version: "Pazifisten" und "Palästinafreunde" fanden diese Version relativ unparteilich, aber die „Israelfreunde“ empfanden diese Version als noch parteilicher für Palästinenser als die pro-Palästina-Version. Das heißt: Zeitungsartikel über den Konflikt, die auf Basis der Werte von Frieden und Mitmenschlichkeit geschrieben sind, richten sich nach Einschätzung von Israelfreunden direkt gegen Israel.
Man kann vermuten, dass nicht nur deutsche Israelfreunde diese Wahrnehmung haben, sondern auch israelische Unterstützer der Politik ihres Landes. Dann würden diese Ergebnisse erklären, warum solche Leute sich von der europäischen Medienlandschaft nicht verstanden fühlen.
Ich glaube, dass die Israelfreunde in dieser Studie Recht hatten: In der Tat richten sich die Werte von Frieden und Mitmenschlichkeit gegen Israel. Warum ist das so? Die Antwort ist in meinen Augen ganz einfach: Israel hat leider schon lange andere Werte: hemmungslosen Nationalismus, Landraub, Auserwähltheitswahn, das Recht des Stärkeren. Dass das in unseren Medien nicht immer gelobt wird, spricht für unsere Medien.