Körner (Piratenpartei): "Kontrollierte Menschen sind das Gegenteil von freien Menschen"
Bringen Daten von heute uns morgen in Bedrängnis? Im folgenden Text stellt Stefan Körner Piratenpartei , Bundesvorsitzender der Piratenpartei, seine Sicht auf den Überwachungs-Komplex (#pxp_thema) zur Diskussion. Alle Interessierten sind eingeladen, sich mit Kommentaren einzubringen. Foto: jhaymesisvip CC BY 2.0
Ein Beitrag von Stefan Körner
Seit den Enthüllungen von Edward Snowden im Juni 2013 bekommen wir eine Ahnung, wie stark die weltweite Überwachung durch die Geheimdienste bereits ausgebaut ist. Jede Information, die wir im Netz hinterlassen - ob bewusst als Posting, Tweet oder Facebookstatus oder unabsichtlich als Positionsmeldung unseres Smartphones - wird abgefangen, gespeichert, ausgewertet und an "befreundete" Dienste weitergegeben. Es spielt dabei keine Rolle, wer wir sind. Ein jeder von uns steht dauernd unter Beobachtung. Jeder wird unter den Verdacht gestellt, ein potentieller Terrorist zu sein, eine Gefährdung für die Allgemeinheit oder auch nur für politische oder wirtschaftliche Interessen. Wir alle stehen unter Generalverdacht. Journalisten, Politiker, Anwälte, Bäcker, Ärzte, Handwerker. Alle.
Man sollte annehmen, unsere Regierung hätte etwas gegen diese massiven Verletzungen unserer im Grundgesetz garantierten Bürgerrechte. Doch weit gefehlt. Wie man bei Eikonal sehen konnte, sind die Bundesregierungen der letzten Jahre ganz im Gegenteil eifrig dabei, das auch noch zu unterstützen. Und bügeln Kritik mit der Floskel, wer nichts zu verbergen habe, hätte ja auch nichts zu befürchten, ab. Diese Ansicht ist fatal und ein Tiefschlag gegen all jene, denen die Grundzüge eines Rechtsstaats wichtig sind. Gegen all jene, die heute und in vergangenen Generationen für diese kämpfen müssen und mussten.
Was würden Diktaturen mit den Daten tun?
Selbst wenn wir davon ausgingen, dass unsere momentane Regierung tatsächlich keinerlei Hintergedanken verfolgte - und sind wir mal ehrlich: wer glaubt das wirklich? - so wissen wir nicht, wie es in 10, in 20 oder in 50 Jahren aussieht. Die vergangenen Wahlen in Deutschland und Europa haben gezeigt, dass es wieder ein Wählerpotential von ungefähr 25% für rechte Parteien gibt. Wer kann wirklich vorhersagen, wie sich das weiterentwickeln wird?
Mit den gesammelten Daten lässt sich über nahezu jede Person sagen, welcher Religion sie angehört, welche sexuellen Präferenzen sie hat, welche politische Einstellung sie vertritt. Man stelle sich vor, diese Daten wären im 3. Reich oder der DDR vorhanden gewesen. Wir müssen dem Einhalt gebieten! Und sei es auch nicht für uns selbst, so doch zumindest für unsere Nachkommen, denen die heute gelegten Grundlagen auch den Rest unserer noch vorhandenen Grundrechte zerstören würden.
Konsequenz Selbstzensur
Schon heute zeigt die umfassende Überwachung Wirkung. Menschen wird die Einreise in die USA verwehrt, weil sie in der Online-Buchhandlung Amazon einen Koran bestellt haben oder auf Facebook über acht Ecken indirekt mit einem durch radikale Äußerungen aufgefallenen Moslem "befreundet" sind. Menschen halten sich bei politischen Meinungsäußerungen zurück, weil es jemand online stellen und ihnen damit beim nächsten Bewerbungsgespräch schaden könnte. Menschen gehen nicht länger zu Demonstrationen, weil die bereits zum Standard gewordene Funkzellenüberwachung sie dadurch in Polizeidatenbanken bringt. Menschen meiden anonyme Beratungshotlines, weil diese eben nicht länger anonym sind. Journalisten können ihren Quellen nicht länger den Schutz der Anonymität bieten, da jegliche Kontaktversuche gespeichert werden und selbst reale Treffen unterwegs von unzähligen Kameras erfasst werden. Menschen verzichten inzwischen darauf, in der Warteschlange vorm Check-In am Flughafen Witze über das Gepäck zu machen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Am Ende der Entwicklung stehen wir als Menschen, die darauf konditioniert wurden, uns möglichst unauffällig und massenkonform zu verhalten! Nur wer sich immer so verhält, dass er absolut nichts zu verbergen hat, hat vielleicht nichts zu befürchten!
Vergessen wir nicht, Überwachung dient der Kontrolle und kontrollierte Menschen sind das Gegenteil von freien Menschen.
Idee
Die "Safe Harbour Prinzipien" sind seit Snowden nicht mehr anwendbar. Also können sämtliche Cloud Anbieter diese Prinzipien nicht mehr erfüllen, worauf sich die SH Prinzipien stützen. Die Folge ist, dass es keine Regelungen zum Datenschutz mehr gibt. Albrecht von den Grünen, bei denen jetzt auch Julia ist, hat eine neue Datenschutzverordnung ausgearbeitet, die aber wohl noch nicht angenommen wurde oder zumindest noch nachbearbeitet werden muss.
Siehe zu den Safe Harbour Prinzipien: Caspar Bowden, NSA Hearing LIBE European Parliament, 24 September 2013, YT-Video der Anhörung im EU Parlament Siehe dazu die Briefingnote als PDF
Wie die obigen Beitragschreiber bereits angerissen haben, gibt es Verbalnoten. Das sind Vereinbarungen zwischen der BRD und der USA. Diese sind bei der UN gesammelt auf Seite 46 des PDF die Nr 45891 "Allemagne et États-Unis d'Amérique" und andere Vereinbarungen. Auf Deutsch im Bundesgesetzblatt dort Teil II 2009 Nr. 4 vom 12.02.2009 Seite 110ff.
Die dortigen beschreiben, dass die Bundesregierung privatwirtschaftlichen Unternehmen gestattet hat, analytische Dienste auf deutschem Grund und Boden durchzuführen: DOCPER-AS-39-11.
Bei dem Unternehmen war Snowden angestellt und damals noch ein recht unbekannter Analyst. Wir alle wissen, wieviele Dokumente er whistleblowte und wie wichtig das war. Doch gleichzeitig zeigt es eben auch, dass auch andere Daten andere Ziele verfolgen können, auch wenn sie geheim kopiert, analysiert und verwertet werden, sie finden auch den Weg aus der "Geheimhaltung" (in die Öffentlichkeit).
Der Britische Geheimdienst GCHQ hingegen: "You can’t pick and choose the components of a global interception system that you like (catching terrorists and paedophiles) and those you don’t (incidental collection of data at scale): it’s one integrated system."
Es ist ein Integriertes System. Man kann nicht nur die Daten von Terroristen oder Paedophilen speichern, sondern man muss zunächst alle Daten erfassen, so der Geheimdienstler.
Überspitzt formuliert: Lieber kuckt sich der Geheimdienst jedes Pornobild und jedes Kind nackt an, als einen Kinderschänder laufen zu lassen. (<= Würden sich Kinderschänder nicht jetzt einen Arbeitsplatz beim Geheimdienst suchen?)
Doch selbst die Britischen Ermittlungsbehörden bummeln. Sie kennen 2.300 britische, potentielle Kinderschänder beim Namen durch eine kanadischen Kundenliste und das schon seit Jahren und viele dürfen auf die Verjährungsfrist hoffen.
Auch der Oberste Gerichtshof der USA nimmt dem britischen Geheimdienst den Wind aus den Segeln der anlasslosen Schnorchelei:
"Ohne richterlichen Beschluss darf die Polizei den Namen bei einem ISP nicht erfragen, auch wenn es einen Kinderschänder betrifft."
Daneben hat Constanze Kurz vom CCC letztens geschrieben: "Doch dabei belässt es der UN-Berichterstatter nicht, denn er legt den Finger in die Wunde, die der deutsche NSA-Untersuchungsausschuss bisher nicht mal streifte: Gefordert wird die rechtliche Gleichstellung von In- und Ausländern in Fragen der geheimdienstliche Abschnorchelei. Hier läge die Chance, auf internationaler Ebene dem Spionagetreiben beizukommen, indem die Praxis beendet würde, dass nur jeweils Inländern ein gewisser Schutz vor der geheimdienstlichen Ausforschung zusteht, Ausländer aber kaum."
Die meist ausländischen, privatwirtschaftlichen, gewinnorientierten Unternehmen, die also durch Verbalnoten der BRD ermuntert werden, geheimdienstlich tätig zu sein, werden es nicht dabei belassen, die Daten zu sammeln. Sie werden sie auch nutzen und (wirtschaftlich) verwerten.
Der Bericht von Frontal 21 wurde hier schon genannt, darin werden auch US Pharmakonzerne mit großer Nähe zur WHO dargestellt, die deutsche Mittelständische Unternehmen in der Medizintechnik nicht zur Auftragsvergabe kommen lassen, sie gehen leer aus.