Günstige Mode, Kinderarbeit und das schlechte Gewissen
Die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Bangladesch stehen, nicht erst seit dem Einsturz einer Fabrik 2013 in Dhaka, bei dem über 1000 Menschen ums Leben kamen, international massiv in der Kritik. Foto & Teaser: picture alliance / dpa
Ein Beitrag von Community-Mitglied sabinemueller
Nach dem Einsturz der Textilfabrik in Bangladesch, bei dem über 1000 Menschen ums Leben kamen, sprachen alle über die schlechten Produktionsbedingungen und den zwingenden Wandel unseres Konsumverhaltens. Ungefähr eine Woche lang.
Heute bin ich über folgendes Video gestolpert, das im Rahmen einer neuen H&M Kampagne aufgetaucht ist und zeigt, unter welchen Bedingungen – nämlich Kinderarbeit – die neue Designerkollektion hergestellt worden ist.
Im Prinzip ist das ja ein alter Hut und wir wissen es besser. Und trotzdem liebt der Mensch die Verdrängung. Uns allen ist bewusst , dass T-Shirts für 5 Euro nicht fair und nachhaltig produziert werden können. Stehen wir nun aber im Laden, vor genau dem Kleidungsstück, das wir glauben wirklich zu wollen, blenden wir dieses Wissen – und unser Gewissen – natürlich aus. Wir kaufen nach Marke und Design, nicht nach sozial korrekt produzierter Kleidung. Es ist einfach leider so, der Luxus der ersten Welt geht auf die Kosten der dritten Welt.
Jetzt aber eben wieder mal so ein Video, in dem man Kinder hinter den viel zu großen Nähmaschinen sitzen sieht und weiß, dass sie eigentlich an eine Schulbank gehören....zuerst frage ich mich: ist das nicht vielleicht ein zu einfacher Weg des Filmteams, dieses Problem anzugehen? Die Bilder machen ein schlechtes Gewissen, klar, bieten jedoch keine konstruktive Lösung.
Doch hiermit möchte ich keine allumfassende Diskussion über das Verhältnis von erster und dritter Welt starten, auch nicht über die Bedeutung von Bildern in diesem Kontext. Sondern ganz konkret Lösungen und Alternativen diskutieren – die sich auch in den Alltag integrieren lassen oder vielleicht eine politische Motivation forcieren, welche zur Änderung der Verhältnisse beiträgt.
Liegt die Lösung in der Reduzierung des Konsums, beim Second-Hand-Shopping oder sogenannten „Kleidertauschparties“? Ist es der Boykott von Modeketten, bei denen die Produktionsbedingungen nicht klar sind? Der ausschließliche Kauf fairer Mode? Oder einfach das selber Stricken? Politisches Engagement in bestimmten Organisationen, die sich für faire Produktionsbewegungen einsetzen? Sehe ich zu schwarz und wir befinden uns bereits mitten in einem gesellschaftlichen Wandel? Oder ist das alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Ich bin ratlos und gefangen und vielleicht einfach auch zu bequem. Verdrängung ist ja eine Lösung, die uns in vielen Bereichen (z.B. auch beim Kauf von Lebensmitteln, umweltschonender Fortbewegung usw.) als günstig erscheint.
Dennoch will ich gerne diskutieren, was ich anders und was ich besser machen kann. Oder: Was wir anders und besser machen können.
Was macht ihr? Wie geht ihr mit diesem Wissen und Gewissen im Alltag um? Was muss sich gesellschaftlich ändern?
NinaLo
Danke für den Artikel und die Erwähnung auf Twitter, liebe Susanne. Ich persönlich empfinde die Diskussion, die das Dandy Diary-Video auf konventionellen Modeblogs losgetreten hat, als absolut heuchlerisch. Sich erst bestürzt zeigen und im nächsten Post wieder seine Fast Fashion-Ausbeute präsentieren, ist für mich alles andere als glaubwürdig. Dazu habe ich mich auch hier geäußert: http://pinkgreenblog.wordpress.com/2014/11/09/alexander-wang-x-hm-die-sache-mit-der-fairen-mode/ Dabei ist es nicht wirklich schwer, sich von Fast Fashion-Ketten zu distanzieren - einfach nicht mehr hingehen. In anderen Lebenssituationen, scheint uns das doch auch nicht schwer zu fallen. Lars von Trier zeigt sich als Hitler-Freund? Dann schaue ich eben seine Filme nicht mehr. Xavier Naidoo hält Reden auf zwielichtigen Veranstaltungen? Dann boykottiere ich eben seine Musik. Urban Outfitters unterstützt die Republikaner mit Millionenspenden in den USA? Dann kaufe ich da eben nicht mehr ein. Das sind nur Beispiele für viele politische Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen. Und keine Kleidung mehr von unethischen Unternehmen zu kaufen, könnte eine weitere sein. Billig ist auf Dauer teuer. Für uns und für die Arbeiter. Als Konsument kann man auf Zertifkate achten, wie GOTS, Fair Trade, Best, bluesign, Ökotex u.a., die soziale und ökologische Standards garantieren. Natürlich ist es mühsam, im Kaufhaus jedes Kleidungsstück auf ein Siegel hin zu überprüfen. Wenn man fair und nachhaltig produzierte Mode kaufen möchte, ist man am besten damit beraten, grüne Concept Stores aufzusuchen oder online zu shoppen. Kirsten Brodde hat hierzu sogenannte grüne Listen veröffentlicht, die ich euch nur an Herz legen kann: http://www.kirstenbrodde.de/?page_id=428 Tolle Concept Stores mit Produktinformationen sind glore.de und gruenewiese-shop.de Und nur weil etwas in Bangladesch produziert wird, heißt es nicht, dass es schlechter ist als ein made in Europe-Produkt. In Europa gibt es auch viele Produktionsorte, in denen die Arbeiter alles andere als menschlich behandelt werden, z.B. in der Textilstadt Prato in Italien. Und "made in" weist nur auf den letzten Produktionsschritt in der Produktionskette hin. Deswegen sind Siegel so wichtig, da hier unabhängige Audits die Produktion überprüfen, die der Konsument mit einem Blick auf das Herstellungsetikett nicht nachvollziehen kann. Das Texttilbündnis von Gerd Müller ist in Ansätzen eine tolle Idee, da es sich für mehr Transparenz in der Textilkette stark macht und dafür viele Akteure an einen Tisch geholt hat, aber es basiert auf Freiwilligkeit. Und das ist meiner Meinung nach ein großes Problem in Deutschland: Die Politik möchte (Ausnahmen bestätigen die Regel) dem Endverbraucher nicht vorschreiben, wie er zu leben hat, und greift gesetzlich deswegen nur bedingt ein. Um Menschen und Natur zu schützen, braucht es aber ein System, das jene Unternehmen staatlich unterstützt, die es richtig tun. Die Verantwortung kann nicht nur beim Konsumenten liegen. Das ist meine bescheidene Meinung.