+2

TTIP vor Ort - Bürgerdialog in Pforzheim


© Stadt Pforzheim, CCP Waisenhausplatz Stadttheater Stadtbibliothek / Günther BeckFoto & Teaser: © Stadt Pforzheim, CCP Waisenhausplatz Stadttheater Stadtbibliothek / Günther Beck


Am 19. Februar 2015 luden wir im Rahmen unserer Bürgerdialogreihe „TTIP – Wir müssen reden!“ ins Landratsamt Enzkreis in Pforzheim. Einen Bericht zur Veranstaltung finden Sie hier.

Hier haben wir Ihnen schon vorab die Möglichkeit gegeben, Ihre Meinungen und Positionen zu TTIP im konkreten Bezug zu Pforzheim und Baden-Württemberg zu diskutieren. Diese Diskussionen können Sie hier gerne auch nach der Veranstaltung fortführen.

Teilen Sie Ihre Meinung mit uns:

  • Welche Veränderungen befürchten Sie wird TTIP für die Region mit sich bringen?
  • Welche Chancen durch TTIP sehen Sie für die Region?

Wir freuen uns über Ihre Beteiligung!


Im Rahmen des TTIP-Bürgerdialogs möchten wir mit Ihnen auch die allgemeinen Positionen und Fragen zu den Themen Demokratie, Transparenz und Legitimität, Handel, Investitionen und Wettbewerb sowie Standards und Normen diskutieren.


Kommentare

  • Moderation Bürgerdialoge Europa-Union Deutschland
    +2

    Henry Wiedemann, DGB Vorsitzender Stadt und Kreisverband Pforzheim-Enzkreis, meint:

    „Bei TTIP geht es um mehr als um den Abbau von Zöllen. Die versprochenen Wachstumsraten und Arbeitsplätze fallen über die Jahre so gering aus, dass sie zu vernachlässigen sind. Vielmehr geht es bei TTIP um Standards. Insbesondere die Arbeitsstandards in Deutschland und der EU sind durch TTIP gefährdet. So haben die USA die ILO Normen nicht ratifiziert, die u.a. die Koalitionsfreiheit, das Recht auf kollektiv verhandelte Tarifverträge oder gleichen Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau festschreiben. TTIP soll der Wirtschaft, insbesondere dem Mittelstand Erleichterung bringen. Dabei sollen aber weder Rechtsvorschriften noch Normen abgesenkt werden. Ein Wunsch, ein Traum, mehr nicht!
    Die geplanten EU-Freihandelsabkommen TTIP (mit den USA) und CETA (mit Kanada) hat eines ganz deutlich gezeigt: Das Verfahren, durch das solche Abkommen derzeit zustande kommen, ist einer demokratischen Gesellschaft einfach nicht würdig. Deshalb fordern wir auch aus arbeitsrechtlichen Gründen den Stopp der Verhandlungen zur transatlantischen Freihandelszone! TTIP ist in der derzeitigen Form abzulehnen.“

    (Inhaltliche Auszüge aus seiner Rede zum Neujahrsempfang 2015 des DGB Pforzheim-Enzkreis, die wir gebeten wurden, hier zu veröffentlichen)

    • Klare Worte!

    • Andreas Povel Podiumsgast EU-Salon #3
      0

      Sie haben recht, Herr Wiedemann. Bei TTIP geht es um mehr als um den Abbau von Zöllen. Es geht um Standards. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft bietet der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten nicht nur wirtschaftliche Chancen sondern darüber hinaus auch die Gelegenheit, weltweite Standards zu etablieren. Es bietet die einmalige Chance, als Blaupause für Abkommen mit anderen Wirtschaftsräumen zu dienen und rechtsstaatliche Prinzipien für einen freizügigen Handel zu verankern. Denn wer die Standards setzt, der bestimmt auch den Markt maßgeblich mit. Dies ist gerade in der heutigen Zeit wichtig, denn parallel zu TTIP verhandeln die USA mit einer Vielzahl von Pazifikanrainern die Trans-Pacific-Partnership TPP und auch China möchte mit der Free Trade Area of the Pacific FTAPP eine Führungsrolle im Freihandel einnehmen. Alleine in den nächsten fünf Jahren werden 90 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums außerhalb Europas generiert. Deshalb braucht Deutschland ein starkes Europa und die Europäische Union benötigt starke transatlantische Beziehungen, um die geopolitische Weltkarte als Schwergewicht aktiv mitgestalten zu können. Die exakten wirtschaftlichen Auswirkungen sind schwer zu prognostizieren, auch Herr Wiedermann nicht. Ob TTIP 400.00 Jobs in der EU und 750.000 in den USA schafft oder nicht, ob die Wirtschaften nun um 0,5% wachsen oder nicht – ist erst einmal nicht wichtig. Ein Blick in die Geschichte und die nackten Zahlen zeigt: Freihandel schafft Wachstum ohne die Aufnahme von Schulden. Dieses Wachstum wird allein durch die gestiegene Nachfrage und sinkende Preise in Folge wegfallender Handelsbarrieren generiert. Staatliche Konjunkturprogramme – oftmals auf Pump – wie sie im Zuge der Krise ab 2008 auf beiden Seiten des Atlantiks aufgelegt wurden, sind dafür nicht nötig. Das durch TTIP geschaffene Wachstum ist nachhaltig und geht nicht zu Lasten künftiger Generationen – im Gegenteil, sie sind es, die vom Freihandel profitieren werden. Gerade für Deutschland, den oft gefeierten „Exportweltmeister“. Umso erstaunlicher die Skepsis gegenüber der Möglichkeit, auch weiterhin die zentrale Rolle von Exporten für Deutschlands Wirtschaft zu stärken. In Deutschland hängt fast jeder vierte Arbeitsplatz am Export. Insbesondere die deutschen Autobauer, aber auch Maschinenbauer und die Pharmazeutische Industrie sind im Ausland gefragte Geschäftspartner. Deutsche Firmen haben über eine Viertel Billion Euro in den USA investiert und beschäftigen 600.000 Menschen in den USA - Deutschland ist damit der zweitgrößte ausländische Arbeitgeber! Außerhalb der EU sind die Vereinigten Staaten unser größter Handelspartner, die jährlich Waren im Wert von über 83 Mrd. Euro abnehmen. Deutschlands Wohlstand und ein großer Teil deutscher Arbeitsplätze hängt also nicht nur am Export per se, sondern eben auch an starken wirtschaftlichen Banden mit den USA. TTIP bietet dabei auch und vor allem dem Mittelstand Chancen auf Wachstum und Markterschließung. Große Firmen wie Google, BMW oder Bayer benötigen TTIP nicht unbedingt. Sie haben die finanziellen und personellen Ressourcen, ihre Produkte mehrfach zertifizieren zu lassen, diverse Formulare (oft mehrfach) ausfüllen zu lassen und ihre Produktspezifikationen von Anwälten und Experten auf das jeweils andere Niveau anpassen zu lassen. Diese Möglichkeiten fehlt dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft – dem Mittelstand. Eine Harmonisierung von Normen und Vorschriften, die gleichwertige Standards anerkennt, bietet kleinen und mittleren Unternehmen enorme Wachstumschancen – auch zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Aussage TTIP gefährde Arbeitsstandards da die USA „die ILO Normen nicht ratifiziert“ hätten, ist nicht ganz korrekt. Die USA haben durchaus ILO Normen ratifiziert, wenn auch nur zwei. Diese Normen als Benchmark für gute Arbeitsstandards heranzuziehen, führt aber in die Irre. So haben Pakistan, Sierra Leone und der Kongo alle 8 ILO Arbeitskernnormen unterzeichnet – Kanada und Japan aber nur jeweils 6. In welchem der Länder jeder von Ihnen persönlich lieber arbeiten möchten, dürfen Sie natürlich selbst entscheiden. Die USA haben von Beginn der TTIP-Verhandlungen an angeboten, Arbeitsschutzrechte in den Vertrag einzubauen – so wie sie es auch in allen anderen von ihnen verhandelten Handelsabkommen der letzten 20 Jahre getan haben. Zudem werden alle ILO Arbeitskernnomen in den USA schon heute über föderale Gesetzgebungen abgedeckt, wobei die föderale Gesetzgebung den Mindeststandard bildet. In den Einzelstaaten ist der Standard in der Regel höher. Zudem gilt, was auch für alle schon existierenden Gesetze, Vorschriften und Normen gilt: TTIP wird zu keiner Absenkung führen. Das haben die Verhandlungsführer, die 28 EU-Mitgliedstaaten sowie das Verhandlungsmandat der EU-Kommission ganz klar festgelegt. Solch eine Anspielung auf eine angebliche Absenkung von Rechtsvorschriften ohne Argumente oder Verweise ist nur eines: angstschürend. Vorurteile sollten in einer Diskussion, insbesondere bei solch wichtigen Themen, nicht als Ersatz für Argumente dienen.

  • Moderation Bürgerdialoge Europa-Union Deutschland
    +1

    Herzlichen Dank an alle, die gestern so engagiert bei unserem Bürgerdialog in Pforzheim mitdiskutiuert haben. Gerne können Sie Ihre Debatten auch hier weiter fortführen.

    Einen kurzen Bericht zur Veranstaltung finden Sie hier sowie einige Fotos auf unserer Facebookseite.

  • Moderation Bürgerdialoge Europa-Union Deutschland
    +1

    Cornelia Tausch, Vorstand der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, meint:

    „Wenn TTIP nicht nur Zölle abschaffen soll, ist dafür Sorge zu tragen, dass die Belange von 800 Millionen Verbraucher in Europa und den USA im Verhandlungsprozess angemessen Gehör und Berücksichtigung finden. Nicht erkennbar ist eine Verhandlungslinie, die sich an der jeweils besten Praxis oder am jeweils höheren Schutzniveau orientiert. Die Mechanismen der Organisation von Verbraucherschutz in der EU und in den USA sind aber nicht kompatibel, die bisherigen Vorschläge zeigen klar die Richtung hin zu geringerem Verbraucherschutz. Unsere Wachsamkeit ist gefordert – vor allem hier: bei dem Vorsorgeprinzip, der gegenseitigen Anerkennung, der regulatorischen Zusammenarbeit, dem Investorenschutz, dem Dienstleistungssektor, den Datentransferregeln, dem Patent- und Urheberrecht sowie dem öffentlichen Auftragswesen.“

    (Der Beitrag wurde uns per E-Mail mit der Bitte um Veröffentlichung zugesandt.)

    • Andreas Povel Podiumsgast EU-Salon #3
      0

      Sehr geehrte Frau Tausch, vielen Dank für Ihren Beitrag. Hierzu möchten wir Ihnen gerne antworten:

      Ein race to the bottom wird es aber nicht geben. Die Verhandlungsführer beider Seiten haben sich zur Beibehaltung bestehender Standards verpflichtet und auch das einstimmig beschlossene Verhandlungsmandat der 28 EU-Staaten schließt eine Senkung aktueller Schutzniveaus ausdrücklich aus. Dieser „Bestandsschutz“ betrifft insbesondere Umwelt-, Arbeitsschutz- und Gesundheitsstandards. Auch EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström machte in der Vergangenheit mehrfach deutlich, dass es durch TTIP zu keiner Senkung der hohen europäischen Standards komme. Die regulatorische Kooperation, die von Kritikern oftmals für die angeblich zu befürchtende Absenkung von Normen verantwortlich gemacht wird, betrifft dabei insbesondere technische Handelshürden – doppelte Zertifizierungsvorgänge, unterschiedliche Vorschriften und dergleichen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die EU und die USA zwar bei der Regelsetzung oft unterschiedliche Wege gehen, das Ziel – der Schutz der Bürger – aber dasselbe ist. Auch die bislang veröffentlichten Texte – ein übrigens einmaliger Vorgang in der Geschichte von Freihandelsabkommensverhandlungen – zeigen keineswegs „klar in Richtung hin zu geringerem Verbraucherschutz“, wie behauptet. Mit TTIP wird es zudem auch nicht zum oft heraufbeschworenen Einfall von „Hormonfleisch“, „Chlorhühnchen“ oder genmodifizierten Organismen in die EU kommen. Der Bereich Lebensmittel unterliegt weiterhin der EU- und nationalen Gesetzgebung. Und so bleibt der kommerzielle Gebrauch/Anbau/Aufzucht gentechnisch veränderter Samen in Deutschland nur mit besonderer Zulassung erlaubt – denn dies ist ja bereits heute, ganz ohne TTIP, gängige Praxis. Das wird sich durch TTIP aber auch nicht ändern. In einem Punkt stimmen wir jedoch überein: Beim Investorenschutz ist eindeutig unsere Wachsamkeit gefordert. Der Schutz von Investitionen ist ein berechtigtes Interesse der Industrie. Ausländische Investitionen – egal ob europäische, amerikanische oder sonstige – benötigen stabile rechtliche Grundlagen um ein Klima des Vertrauens herzustellen. Bei ausländischen Direktinvestitionen fließt nicht nur Kapital, sondern auch Ideen, Technologie und Arbeitsplätze. Um diesen Fluss zu gewährleisten, braucht es regulatorische Sicherheit. Ein völkerrechtlicher Vertrag schafft diese Sicherheit. Ein, oft umstrittenes, Instrument dieser Regulation ist das Investor-Staats-Schiedsverfahren ISDS, auf das hier vermutlich angespielt wird. Bei aller Kritik an der vermeintlichen Aushöhlung von Rechtssystemen sollte eines nicht vergessen werden: Schiedsgerichte sind eine apolitische, neutrale und faktenbasierte Form der Streitschlichtung. Überdies ist zu bedenken, dass der Investitionsschutz in TTIP nicht nur in Deutschland gilt, sondern auch in EU-Ländern mit weniger standfestem Justizsystem, die häufig von Korruption geprägt sind. Zudem bietet ein Investorenschutzkapitel in TTIP die Möglichkeit, das mittlerweile jahrzehntealte System grundlegend zu überarbeiten und auch hier globale Standards zu etablieren. Solch eine Reform haben die USA bereits im Jahr 2012 ins Spiel gebracht und ihr Angebot auch nicht zurückgenommen. AmCham Germany setzt sich dafür ein, dass die Klauseln im ISDS an einigen Stellen klarer definiert werden, um eine Balance zwischen dem Handlungsspielraum der Staaten und dem Schutz ausländischer Investoren zu erreichen. Zudem muss die regulatorische Autonomie („right to regulate“) aller beteiligten Staaten gewährleistet werden. Dies ist aber sowohl im Sinne der EU als auch der USA. Das Verhandlungsmandat legt fest, dass TTIP „Transparenz und Unabhängigkeit der Schiedsrichter und die Berechenbarkeit des Abkommens“ gewährleistet. Außerdem soll der „Schutz vor offensichtlich ungerechtfertigten oder leichtfertigen Klagen“ enthalten sein sowie ein Berufungsmechanismus geprüft werden. Beim öffentlichen Auftragswesen vertreten wir wieder eine andere Meinung. Die kommunale Daseinsvorsorge – Wasserversorgung, öffentliche Bildung und ähnliches – ist nicht Gegenstand der TTIP-Verhandlungen. Auch das Recht der Kommunen auf Rekommunalisierung, wie beispielsweise der Wasserwerke in Berlin, bleibt bestehen. Zudem begrüßt die deutsche Industrie die Öffnung der öffentlichen Auftragsvergabe explizit. Die geplante Öffnung des US-Marktes (und natürlich auch des europäischen Marktes) ermöglicht die diskriminierungsfreie Teilnahme an öffentlichen Aufträgen. Das ist vor allem im Interesse der EU, da es europäische Unternehmen bisher sehr schwer haben, sich um öffentliche Aufträge in den USA zu bewerben („Buy American Clause“). Mit TTIP sollen Einschränkungen für kommerzielle Dienstleistungen verringert, Investitionssicherheit und Wettbewerbschancen verbessert und ein gleichberechtigter Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen staatlichen Ebenen ermöglicht werden. Dies geschah übrigens auch schon vor über 20 Jahren im Zuge des EU-Binnenmarktes – ohne gravierende Nachteile für Bürger europäischer Nationen.