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Soll Deutschland Reparationen an Griechenland nachholen?


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Soll Deutschland Reparationen an Griechenland zahlen? Wären Gelder für das deutsch-griechische Jugendwerk eine Alternative oder eine Instrumentalisierung desselben? Das fragt Filio.


Ein Beitrag von Filio

Soll Deutschland 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges endlich die Zahlung von Reparationen nachholen oder bleibt alles wie es ist?

Das Funkhaus Europa lud hierzu zum Streitgespräch (21. März 2015, Moderation: Miltiadis Oulios). Zur Radiosendung (hier abrufbar) heißt es:

"Die Bundesregierung beharrt darauf: Reparationen nein, aber Geld für einen deutsch-griechischen Zukunftsfonds und das deutsch-griechische Jugendwerk. Viele, die sich für die Entschädigung der Opfer der Nazi-Greuel zum Beispiel in Distomo einsetzen wie der Kölner Jürgen Rompf, möchten diese Möglichkeiten nutzen. Dagegen sagt Triantafillia Thiesung-Kotopoulou vom Verein griechischer Akademiker Berlin: Hier wird das deutsch-griechische Jugendwerk instrumentalisiert."

Wie seht ihr das?


Links zur Debatte


Kommentare

  • Liebe Community,

    wir haben einmal die Positionen der im Bundestag vertretenen Parteien zu den griechischen Reparationsforderungen zusammengetragen.

    CDU/CSU:

    Michael Grosse-Brömer, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, erklärt:

    "Reparationen wird es nicht geben, Forderungen sind auch nicht berechtigt"

    "Nebelkerze (der griechischen Regierung), um von eigenen Versäumnissen abzulenken"

    "Aufstockung des deutsch-griechischen Jugendwerkes ist ein Vorschlag, über den man nachdenken kann"

    SPD:

    Axel Schäfer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, erklärt:

    "Unbürokratische Hilfen für die noch lebenden Opfer der NS-Verbrechen und eine Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der gemeinsamen Geschichte sollten ebenfalls Teil der Zusammenarbeit sein"

    Fraktionschef Thomas Oppermann erklärt:

    "Gleichwohl ist die Diskussion um Reparationen für mich völlig deplatziert. Sie darf nicht wie ein Faustpfand in den Verhandlungstopf um die Finanzhilfen geworfen werden. Das gibt ihr einen unseriösen Charakter."

    Grüne

    Die Grünen-Fraktionschefs Anton Hofreiter und Kathrin Göring-Eckardt erklären:

    "Weder moralisch noch juristisch ist dieses Kapitel eindeutig abgeschlossen"

    "...mit Griechenland (sind) Gespräche über die Aufarbeitung der deutschen Verbrechen“ und über „eine gütliche Einigung suchen“.

    "(Die) Regierung sollte gesprächsbereit sein, insbesondere was Zwangskredite angeht." Zu fördern und finanzieren sei ein Jugendaustausch.

    LINKE

    Die Bundestragsfraktion, meint, es sei: "höchste Zeit, dass die Bundesregierung mit der griechischen Regierung faire Verhandlungen über ausstehende Reparationen führt."

    Sie beantragt:

    "1. Griechenland gegenüber zu erklären, dass Deutschland die Pflicht hat, den griechischen Staat für die von den Nazis angerichteten wirtschaftlichen, kulturellen, finanziellen und infrastrukturellen Verwüstungen zu entschädigen."

    "2. mit der griechischen Regierung in Verhandlungen mit dem Ziel eines Abkommens zu treten, das Regelungen über die Höhe der Reparationen enthält."


    Bundespräsident

    Bundspräsident Joachin Gauck regt eine Wiedergutmachung für die Kriegsverbrechen an, die die Deutschen in Griechenland begangen haben.

    "Wir sind ja nicht nur die, die wir heute sind, sondern auch die Nachfahren derer, die im Zweiten Weltkrieg eine Spur der Verwüstung in Europa gelegt haben - unter anderem in Griechenland, worüber wir beschämend lange wenig wussten", so Gauck im Interview mit der der Süddeutschen Zeitung. "Es ist richtig, wenn ein geschichtsbewusstes Land wie unseres auslotet, welche Möglichkeiten von Wiedergutmachung es geben könnte."

  • Hallo Filio,

    der NS-Staat, die deutsche Wehrmacht und die SS haben unvorstellbares Leid über fast die ganze Welt gebracht. Das ist unbestritten. Der Schock über diesen Zivilisationsbruch hört nicht auf. Immer wieder kommen die Gräuel hervor. Neulich habe ich gelesen, wie kurz vor Kriegsende noch Deserteure zu Tode gefoltert wurden. Es ist immer wieder nicht zu glauben. Ich gebe zu, dass ich das Leid der Griechen so vor der aktuellen Debatte auch nicht in dem Ausmaß kannte.

    Was ich nicht verstehe, warum kommen die Reparationsforderungen erst jetzt? Ich ging immer davon aus, dass all diese Fragen schon geklärt sind. Vielleicht war das eine Täuschung.

    Ich weiß nur, dass sich jetzt die Debatten vermischen, was weder der einen noch der anderen gut tut. Es ist vielleicht Stammtisch-Denken, aber doch verbreitet: Viele Deutsche haben den Eindruck, Athen braucht jetzt Geld und instrumentalisiert die Forderungen. Deswegen finde ich die Idee, Entschädigungen an Menschen zu zahlen und in die gemeinsame Zukunft zu investieren instinktiv gut.

    • Hallo Ingeborg,

      in Deutschland wird verbreitet, die Griechen würden erst jetzt Forderungen stellen und es wird auch versucht den Griechen zu unterstellen, sie wollen sich damit aus der derzeitigen Krise retten. Richtig ist, dass Griechenland auf diplomatischen Wege schon ab 1946 immer wieder die Forderungen gestellt hat. 1953 kam die Schuldenkonferenz von und die Staaten einigten sich Deutschland mit einem Schuldenschnitt und Rückstellung der Reparationsforderungen zu helfen.

      Ich räume ein, dass wir in den letzten 50 Jahren Politiker in Griechenland hatten, die sich immer wieder von Deutschland korrumpieren ließen und nicht ernsthaft gegen das "NEIN" Deutschlands zu Reparationszahlungen, vorgingen. Nun haben wir eine Regierung, die entschlossen ist mit Deutschland über diese Frage zu verhandeln. Leider ist aber Deutschland dazu nicht bereit.

      Das ist der Grund, dass das Thema gerade jetzt so in die Öffentlichkeit kam.

      Entschuldige bitte, dass ich jetzt nicht näher und ausführlicher darauf eingehe, aber hier in dieser Sendung ab der 6en Minute kannst Du in wenigen Minuten Antworten finden. https://www.youtube.com/watch?v=_QimxVuicZU

      Beste Grüße

      Filio

      • Hallo Filio,

        Du schreibst, die früheren griechischen Regierungen hätten sich von Deutschland korrumpieren lassen. Ich habe es irgendwo aufgeschnappt, aber ich weiß nicht wo. Gab es einen Deal 'Deutschland setzt sich für den Euro-Beitritt Griechenlands ein und dafür erhebt Griechenland keine Reparationsforderungen mehr'?

        Noch eine Frage: Warum geht Griechenland nicht vor den Internationelen Gerichtshof und klagt gegen den Zwei-Plus-Vier-Vertrag, wenn der unrechtmäßig zu Lasten Griechenlands war?

        • Hallo Ingeborg,

          der Euro-Deal bezog sich auf das Urteil für die Opfer von Distomo. Damals sollte deutsches Eigentum in Griechenland beschlagnahmt werden, da Deutschland nicht bereit war die Opfer zu entschädigen.

          Hier möchte ich noch erwähnen, dass fälschlicherweise von der Beschlagnahmung des Goethe Instituts in Athen gesprochen, was emotional sehr viel Widerstand auf beiden Seiten hervorruft, da das Goethe Institut sehr gute Arbeit leistet. Es geht aber eigentlich nur um das Gebäude, das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland ist.

          Ich kann es leider nicht mehr finden, da es so lange her ist, aber damals hatte der Leiter des Goethe Instituts in Athen gesagt, dass es ihn nicht interessiere an wen er Miete zahlen wird. Also, das Goethe Institut kann seine Arbeit fortführen, nur der Vermieter wechselt.

          Haben Sie das Video sich angeschaut? Es ist sehr aufschlussreich. Auch der erste Teil, der die jetzige Krise erklärt.

          Beste Grüße

          Filio

      • DRINGENDER APPELL

        Die Deportation von über 58.000 griechischen Juden liess sich deutsche Bahn bezahlen und nahm Millionen ein. Die Jüdische Gemeinde von Thessaloniki und der "Zug der Erinnerung" fordern diese Gelder in einem Schreiben zurück: einschließlich der seit 1943 aufgelaufenen Zinsen sind es 89 Millionen 455 Tausend und Zweihundertundachtzig Euro. Bitte zeichnen Sie den folgenden Appell an die Deutsche Bahn AG, deren Eigentümerin Deutschland ist.

        Gemeinsam mit der Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung" und der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki fordere ich von der Deutschen Bahn AG und ihrer Eigentümerin, die verzinsten Fahrtkosten für die Massendeportationen aus Griechenland nach Auschwitz und Treblinka in vollem Umfang, ohne Umwege und unverzüglich an die Jüdische Gemeinde von Thessaloniki zurückzuerstatten.

        http://www.zug-der-erinnerung.eu/appell/index.php

  • Es ist nachvollziehbar, dass die deutsche Öffentlichkeit kein Verständnis für Reparationszahlungen an Griechenland hat, da diese nicht über das Ausmaß an Toten und Zerstörungen in Griechenland nach 42 Monate (1941-1944) deutscher Besatzung informiert wird.

    Um dieses Ausmaß etwas zu beleuchten folgt eine unvollständige Liste. (die Liste kann noch erweitert werden)

    Neben den bekannten Orten an den den Massaker verübt wurden, wie Distomo, Kalavryta, Chortiatis und Lyngiades sind es insgesamt 100 an denen grauenhafte Massaker stattfanden.

    1.700 Orte wurden dem Erdboden gleich gemacht oder groß teils zerstört

    38.960 Griechen wurden von Erschießungskommandos erschossen

    12.103 menschliche Kollateralschäden

    70.000 starben in Kämpfen gegen die deutschen Besatzer

    600.000 in der Mehrzahl junge Menschen starben den Hungertod

    300.000 Kinder starben entweder bevor sie noch geboren werden konnten, oder während der Geburt

    45.000 Griechen wurden in deutschen Konzentrationslagern ermordet

    60.000 Griechische Juden wurden in deutschen Konzentrationslager ermordet

    200.000 wurden verhaftet und viele starben im Gefängnis oder sofort nach der Befreiung.

    1.000.000 Griechen waren Opfer von Krankheiten und blieben lebenslang behindert

    50% der Rinder, Kühe und Pferde wurden beschlagnahmt

    30% der Kleinviehwirtschaft wurde zerstört

    80% des Schienennetzes wurde zerstört

    Von den 220 Dampflokomotiven hinterließen die Deutschen nur 33

    Von den 312 Personenwaggons blieben nur 6 zurück

    Von 4.544 Güterwagons ließen sie nur 63 zurück

    70% aller griechischer Fahrzeuge wurde mitgenommen und das Straßennetz des Landes wurde zerstört

    100.000 Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht

    50.000 Häuser wurden zerstört

    73% der Schiffe des Landes wurde beschlagnahmt

    8.500 archäologische Schätze wurden gestohlen

    Die deutschen Besatzungstruppen leerten alle Lagerhallen noch in den letzten Winkeln des Landes. Sie raubten das ganze Getreide, Tabak, Rosinen, Baumwolle, Öl und alle Arten von Lebensmitteln und Gütern.

    Sie zerstörten Landwirtschaftsmaschinen und die Landwirtschaftserträge. Sie zerstörten Brücken, und sprengten Schienen und Tunnel.

    Sie zerstörten die größten Hafenanlagen in Griechenland, auch den Kanal von Korinth.

    Sie zerstörten die Bergbauanlagen, sprengten Minen und verwüsteten die Industrie.

    • Hallo Filio, können Sie noch die Quelle für die Liste angeben? Beste Grüße, Alexander Wragge (Redaktion)

      • Die Liste habe ich aus verschiedenen Veröffentlichungen zusammengestellt und übersetzt. Eine davon ist die Folgende: http://rethemnosnews.gr/2012/10/%CE%B7-%CE%B3%CE%B5%CF%81%CE%BC%CE%B1%CE%BD%CE%B9%CE%BA%CE%AE-%CE%BA%CE%B1%CF%84%CE%BF%CF%87%CE%AE-%CF%83%CF%84%CE%B7%CE%BD-%CE%B5%CE%BB%CE%BB%CE%AC%CE%B4%CE%B1-%CE%BC%CE%B5-%CE%B1%CF%81%CE%B9%CE%B8/