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Der Preis für „Europas Gemüsegarten“


picture-alliance / Herve Champollion / akg-imagesGewächshäuser prägen die Landschaft Andalusiens. Foto: picture-alliance / Herve Champollion / akg-images

Zu keiner Jahreszeit müssen wir auf auf Tomaten oder Gurken verzichten – auch wenn die Saison längst vorbei ist. Doch der Preis dafür ist hoch: der ganzjährige Anbau hinterlässt gravierende Umweltschäden, regionale Gemüse werden verdrängt und die Arbeitsbedingungen auf den Gemüseplantagen sind oft unzulänglich.


Ein Beitrag von treffpunkteuropa.de

"El mar de plastico", das Meer aus Plastik: so nennen die Spanier liebevoll die Provinz Almeria, das Zentrum des europäischen Gemüseanbaus. Gewächshäuser aus Plastikplanen prägen das dortige Landschaftsbild und gewährleisten uns den ganzjährigen Konsum von Tomaten, Gurken und Paprika. Die Folgen sind verheerend: frühreif geerntetes Obst und Gemüse mit wenig Inhaltsstoffen, billige Gastarbeiter und grausame Arbeitsbedingungen, Umweltbelastungen und die Verdrängung regionaler Produkte.

Wir möchten mit Euch diskutieren: Ein hoher Preis für billige Lebensmittel? – Wie steht es um unser globales Marktbewusstsein? Was können wir tun?

Den Hintergrundartikel zur Diskussion findet ihr hier.


Kommentare

  • Die Antwort ist auf den ersten Blick ganz einfach: saisonal und regional essen und kaufen.

    Doch in der Umsetzung hapert es:

    1. Im Preis: Wie kann es sein, dass diese spanischen Gewächshaustomaten oft günstiger sind als heimisches Gemüse? Was muss/kann die EU hier tun? Eine stärkere Subventionierung der heimischen Landwirtschaft? Strengere Auflagen in Bezug auf Gemüseanbau?

    2. Im Essverhalten: Wir sind in den letzten 2 Generationen so konditioniert worden, dass wir völlig den Bezug dazu verloren haben, welche Gemüse-Saison gerade ist (außer bei Spargel vielleicht) und welche Gemüsesorten hier überhaupt heimisch sind. Da braucht es ein neues Bewusstsein - vielleicht über Bildungsprogramme oder im Schulunterricht. Urbane Gärten machen gerade in Bezug darauf z.B. einen großartigen Job.

    3. In der Kreativität: Wir müssen wieder lernen, wie gut doch Steckrübe und Rote Bete schmecken, dass wir tolle Apfelsorten haben, die vor der Haustür wachsen. Und nicht die Äpfel aus Neuseeland oder die Avocado aus Südafrika importieren müssen. Und das kann durch eine neue, kreative Art zu kochen geschehen. Vielleicht ist Omas Erbsensuppe nicht besonders attraktiv, aber man kann mit den Gemüsen auch modern und zeitgemäß in der Küche umgehen. Regionales Gemüse – wie z.B. Rüben und Kohl – sind nicht altbacken. Sie sind cool. Wir müssen ihnen nur helfen, das auch zu zeigen.

    Fazit: Mit Blick auf Deutschland glaube ich schon, dass es große Unterschiede gibt zwischen Dörfern, wo Leute oft noch eigenen Gärten haben, und Städten. Generell müssen wir uns einfach etwas aus der Bequemlichkeit lösen und unser Kauf- und Kochverhalten überdenken. Neues bzw. Altes wiederentdecken, bewusster handeln. Das ist nicht nur gesünder (siehe im Artikel die Bedingungen, unter denen Tomaten angebaut und exportiert werden), sondern wird sich schlussendlich auch auf den Gemüseanbau in Spanien auswirken (es wird ja immerhin schon mehr auf Bio-Anbau gesetzt...).

    Aber auch den Gesetzgeber darf man nicht aus der Pflicht nehmen: Es muss einen Mindestlohn und faire Arbeitsbedingungen geben. Genauso wie einen sauber und gut kontrollierten Gemüseanbau.

    • dianaIWE ist dafür
      +3

      Ich stimme dem vollkommen zu: Regional und saisonal sind natürlich schon die wichtigsten Stichworte. Daneben geht es auch um Priorisierung: Es braucht ein Umdenken hinsichtlich des "hohen Preises": Lebensmittel haben ironischerweise vor allem in wohlständigen Ländern billig zu sein - billig im Verhätlnis zu anderen Konsumgütern. Menschen "leisten" sich billige Lebensmittel unabhängig von saisonalen (Tomaten) oder regionalen oder ökologischen (Fleisch) "Einschränkungen". Wir brauchen viele Dinge aber nicht im gewohnten Umfang notwendig auf dem Speiseplan. Wir brauchen vielmehr ein Gespür für den Wert von Lebensmitteln: Sie ernähren uns und andere, sind überlebensnotwendig. In anderen Regionen der Welt, dort wo sie besonders knapp sind, wird deshalb ein Monatseinkommen fast vollständig für Lebensmittel aufgewandt. Für uns sind gute Lebensmittel das Sahehäubchen auf dem hohen Lebensstandard. Wir geben einen winzigen Bruchteil dafür aus und wollen aber ggf. auch Exotisches, das zu Unzeiten mit Unkosten nach Deutschland gekarrt werden muss. Dabei vernachlässigen wir die "Exoten" der Heimat. Wie wäre es mal mit Hirschhornwegerich? Es muss nicht immer nur Sellerieschnitzel sein. Und auch in Deutschland kann man wunderbare Tomaten ernten. Die bekommen dann vielleicht einen anderen (angemessenen) Wert, wenn es sie nur 3 bis 4 statt 12 Monate im Jahr gibt!

      Dieses Umdenken muss natürlich auf vielen Ebenen stattfinden. Einige großartige Projekte (SoLaWi, Urban Gardening, BioBodengenossenschaft u.v.m.) gibt es ja bereits. Auch von staatlicher Seite besteht noch viel Potential, solche Projekte zu fördern und daneben notwendige Auflagen für industrielle und globale Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung auszuarbeiten...

      • Genau! Nur wie lässt sich ein "Umdenken" wirklich umsetzen? Auf das gute Gewissen der Menschen zu pochen reicht m.E. nicht. Ich finde hier wäre die Politik am Zuge. Vielleicht durch stärkere Subventionen der regionalen Landwirtschaft oder höhere Besteuerungen der importierten Lebensmittel? Es darf sich nicht nur emotional gut anfühlen, regional und saisonal zu kaufen, es muss auch finanziell attraktiv sein. Deine Idee, dass SoLaWis und Genossenschaften stärker gefördert werden sollen, finde ich z.B. sehr gut. Aber vielleicht muss es irgendwie größere Anreize geben: Wie die Subventionierung von Solaranlagen könnte es eine Subventionierung von fairem und biologischem Anbau geben. Und somit Anreize geschaffen werden, "umzurüsten". Nur muss das System irgendwann selbstständig und ohne Subventionen funktionieren...und darf nicht irgendwann kippen....interessant wäre es hier, sich Programme europäischer Nachbarländer anzuschauen und davon zu lernen. Gibt es dazu irgendwo eine Übersicht, wie in anderen Ländern mit dem Thema umgegangen wird?

  • Liebes Forum,

    ein Querverweis zum nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln: Frankreich verabschiedete jüngst ein Gesetz, das der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken soll. Supermärkte müssen in Zukunft alle nicht verkauften oder unverkäuflichen Lebensmittel entweder wohltätigen Zwecken spenden, oder als Tierfutter bzw. als Kompost der Landwirtschaft zur Verfügung stellen.

  • Hallo ihr alle, einfach nur die Macht als Kundin nutzen oder doch mal was verbieten?

    Ich finde die französische Idee, das Wegwerfen von Lebensmitteln zu verbieten nicht blöd. Vielleicht führt das zu mehr 'Achtsamkeit' insgesamt:

    http://www.berliner-zeitung.de/politik/grosshandel-darf-lebensmittel-nicht-mehr-wegschmeissen-frankreich-geht-gegen-lebensmittelverschwendung-vor,10808018,30761636.html

  • Tomaten, Gurken, Paprika und exotische Früchte aus aller Welt - ganzjährig. Ich verstehe Eure Bedenken, nicht zuletzt betreffs Ökologie.

    Aber ist es nicht so, dass letztlich das Angebot die Nachfrage bei uns erzeugt, und nicht umgekehrt unsere Nachfrage das Angebot? Ich denke, viele Menschen bei uns würden das Angebot, wenn es dieses nicht gäbe, auch nicht wirklich vermissen und sich auf saisonale Erzeugnisse aus der Region gut beschränken können.

    Aber ist es nicht umgekehrt so, dass die spanische Export- Landwirtschaft den Absatzmarkt bei uns braucht und darunter leiden würde, wenn wir ihre Produkte nicht mehr kaufen? Ebenso Neuseeland, wenn es bei uns keinen Absatzmarkt mehr für seine Kiwis hätte? Und es gibt viele Beispiele...

    • Leider bin ich mir ziemlich sicher, dass wir Spanien und Neuseeland langfristig keinen Gefallen mit dieser Art Landwirtschaft und Nahrungsmittelexport tun. Im Gegenteil sehe ich es wie Sabine, dass die Wirtschaftskrise (deren Ursache ja Spekulationsblasen waren, die es zudem auch hinsichtlich Lebensmittel und Böden gibt...) ein Chance gewesen wäre/vielleicht noch ist, neue Grundlagen für ein nachhaltiges Wirtschaften zu legen. Außerdem spielt natürlich der/die Konsument*in eine große Rolle: Mit einer bewussteren Nachfrage regulieren wir bestenfalls das Angebot mit. Das passiert ja zum Teil schon. Hinzukommen muss die Politik. Das Angebot besteht, weil es möglich ist, Lebensmittel zu einem Preis zu importieren, der deutlich gegen Qualität und Fairness spricht. Diese Möglichkeit muss zugunsten von Nachhaltigkeit und Arbeitnehmerrechten eingeschränkt werden. Wenn Lebensmittel Preise haben, die widerspiegeln, wieviel (fair) bezahlte Arbeit, wieviel Qualität und wieviel Energie (Sonne, CO2-Emission) darin stecken, dann werden Kosten realistischer...

    • Jein, würde ich sagen. Ich verstehe die Bedenken, insbesondere wenn wir uns den europäischen Markt anschauen und die aktuelle ökonomische Situation von Spanien betrachten.

      Vielleicht wäre es ein erster Schritt, die Produktionsbedingungen zu verändern, ökologischer zu gestalten und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ich stimme dir zu, dass wir als Export-Markt bestimmt ganz wichtig für Südeuropa sind (bei Neuseeland zweifle ich ein wenig, aber kenn ich auch zu wenig aus). Auch glaube ich, dass es utopisch ist, ausnahmslos nur saisonal und regional zu essen.

      Dennoch würde ich mir einen bewussteren Umgang mit den Nahrungsmitteln, die uns umgeben, wünschen. Nicht nur aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes, sondern auch der eigenen Gesundheit...wir müssen wieder Verzichten lernen, und dass wir nicht immer alles auf dem Teller haben müssen.

      Die Lebensmittellobbyisten haben einen guten Job gemacht, Essenstrends das verstärkt. Ein Rückbezug bzw. eine Renaissance einheimischer Gemüse fände ich toll. Eine Erkenntnis dessen, was alles um uns herum wächst und was nicht aus Neuseeland eingeflogen werden muss.

      Trotzdem will sicher keiner den ganzen Winter auf Tomaten verzichten. Und wenn dem so ist, dann sollten es zumindest gute Tomaten sein. Das Bewusstsein in Bezug auf Lebensmittel tritt leider immer nur in "Katastrophen"-Situationen zu Vorschein, wie z.B. bei EHEC oder BSE...

      • Ich erlebe, dass ein Umdenken eingesetzt hat. Immer mehr Leute legen Wert auf frische heimische Produkte, die saisonal verschieden sind. Es wird ein neues Hobby, eine Ecke des Grundstücks mit einem kleinen Garten zu verändern und wie früher -in kleinem Rahmen- anzupflanzen und zu ernten.