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Die spanische Partei Podemos – Eine Gefahr für Europa?


Foto: dpaKommunistisch, europafeindlich, anti-deutsch? Im Bild: Podemus-Generalsekretär Pablo Iglesias. Foto dpa

Podemus wirbelt aktuell Spaniens Parteienlandschaft durcheinander. Der Politikwissenschaftler Christian Pfeiffer (Universität Rostock) hat sich die Bewegung genau angesehen. Wie ist Podemus einzuordnen?


Ein Beitrag von Christian Pfeiffer

Wie auch in anderen europäischen Ländern lässt sich in Spanien beobachten, dass in Zeiten der Krise die großen Parteien mit ihrer Politik weite Teile der Bevölkerung nicht mehr erreichen und die Bürger nach Alternativen in der Parteienlandschaft suchen. Das seit der „Transición“, dem paktierten Übergang zur Demokratie, traditionelle Zwei-Parteiensystem („bipartidismo“), bestehend aus den sich in der Macht abwechselnden Sozialdemokraten der PSOE und den konservativen Christdemokraten von der PP, scheint dem Veränderungswillen der Spanier nicht mehr Stand halten zu können.

Momentan lässt sich der kometenhafte Aufstieg von Parteien wie Ciudadanos und Podemos beobachten, die in den Umfragen fast gleichauf mit den beiden großen etablierten politischen Kräften sind. Während Ciudadanos bereits seit 2006 existiert, bisher allerdings nur Abgeordnete im katalanischen Parlament hatte, ist Podemos erst im März 2014 entstanden. Dennoch teilen sie das Image jung, neu und nicht korrumpiert zu sein, was für viele, vor allem junge Spanier, Grund zur Abkehr von den etablierten Parteien ist.

In ihrer Ausrichtung definiert sich Podemos als „transversal“ und meint, eine Einordnung der politischen Parteien in das traditionelle links-rechts-Schema sei nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr macht Podemos eine neue Front auf: Nach dem Vorbild postmarxistischer Denker wie Ernesto Laclau und Chantal Mouffe sieht sie sich als Vertreter der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit gegen eine kleine Kaste („casta“) von korrupten Politikern, skrupellosen Unternehmern und geldgierigen Bankern, die miteinander verstrickt seien und so nicht Politik für, sondern gegen das Volk machen würden.

Die Krisensymptome, die Spanien seit 2007/2008 zeigt, zu denen eine hohe Arbeitslosigkeit, starke und steigende Verschuldung der öffentlichen und privaten Haushalte und ein Anwachsen der sozialen Ungleichheit gehören, werden so weiten Teilen der politischen und finanziellen Elite des Landes angelastet.

Populisten, Demagogen, Kommunisten?

Allerdings hat auch die Gegenseite zum Angriff auf Podemos angesetzt und beschuldigt die Partei mit notorischer Häufigkeit des Populismus, der Demagogie sowie des vermeintlichen Vorhabens, in Spanien eine bolivarianische Diktatur im Stile Venezuelas errichten zu wollen. Hierbei kommt es den Gegnern von Podemos nur gelegen, dass weite Teile ihrer Führungsriege tatsächlich südamerikanische Links-Regierungen beraten haben, u. a. auch den Chavismus in Venezuela. Juan Carlos Monedero, bis vor kurzem Verantwortlicher für das Wahlprogramm der Partei für die Wahlen in den autonomen Gemeinschaften am 24.5. und kürzlich von seinem Posten zurückgetreten, musste sogar zugeben, mehr als 400.000 Euro von der venezolanischen Regierung für Beratungstätigkeiten erhalten zu haben.

Zudem wird Podemos vorgeworfen, ein falsches Spiel mit den spanischen Wählern zu spielen, da die Partei zwar behauptet, eine gemäßigte Politik zu vertreten und sich an der nordeuropäischen Sozialdemokratie zu orientieren, doch in Wirklichkeit ein linksextremes bis kommunistisches Gedankengut verfolgen würde.

Betrachtet man die Vergangenheit seiner führenden Köpfe, kann ein solcher Gedankengang durchaus nachvollzogen werden, da viele zuvor Mitglieder der Vereinigten Linken (IU) und der Antikapitalistischen Linken waren. Allerdings kann auch ein Blick auf das erwähnte Wahlprogramm zur den kommenden Wahlen der Autonomen Gemeinschaften einen erhellenden Einblick in die politische Ausrichtung der Partei geben.

Radikale Forderungen sind schwer zu finden

Entgegen manch anderer Meinungen hat sich das Wahlprogramm seit den Wahlen zum Europäischen Parlament, als es noch so manch linksradikale Idee vertrat, sehr in die politische Mitte bewegt und zeigt viele Überschneidungen mit sozialdemokratischen Positionen der PSOE.

Die Partei propagiert weder eine Nichtzahlung der Schulden, noch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Radikale Forderungen sind in dem neuen Programm schwer zu finden. So sollen die umstrittenen Zwangsräumungen gestoppt werden, durch die jedes Jahr Zehntausende spanische Familien aus ihren Wohnungen vertrieben werden, da sie ihre Hypotheken bei den Banken nicht mehr abbezahlen können. Zudem sollen die Schulden bei den Banken den gleichen Wert haben, wie die Güter, auf denen sie lasten. Bisher kann es sein, dass zwar der Preis eines Hauses massiv fällt, der abzuzahlende Kredit jedoch gleich hoch bleibt. Eine Privatinsolvenz wie in Deutschland gibt es zudem in Spanien bisher nicht. Podemos sieht hier eine Verhandlung mit den Gläubigern vor, wobei bei keiner Einigung am Ende ein Richterspruch steht.

Weitere Maßnahmen, die die Partei bezüglich des Kampfes gegen die Korruption, für die Forcierung erneuerbarer Energien, der Förderung von Wissenschaft und Innovation sowie ziviler Rechte vorschlägt, sind von sozialdemokratischen Forderungen kaum zu unterscheiden. Auch eine höhere Besteuerung von Einkommen ab 50.000 Euro/Jahr und Steuersenkungen für die Gehaltsklassen darunter wird der PSOE nicht fremd sein.

Obwohl sich Podemos mit ihren Vorschlägen mittlerweile mitte-links positioniert (wobei sie das links-rechts-Schema wie oben erwähnt ablehnt), wird sie dennoch von vielen Spaniern nach wie vor als stramm links wahrgenommen. Auf einer Skala von 1 (linksextrem) bis 10 (rechtsextrem) sahen die Spanier die Partei laut einer Umfrage vom Februar bei 2,28. Der Durchschnittspanier liegt mit seiner Position bei 4.58 jedoch weiter in der politischen Mitte.

Diese Einschätzung mag vor allem darin begründet liegen, dass Podemos innerhalb von kurzer Zeit zu oft ihre politischen Positionen geändert hat. Albert Rivera, Vorsitzender von Ciudadanos, wirft der Partei etwa vor, sich lediglich an Meinungsumfragen zu orientieren und die am meisten Erfolg versprechende politische Haltung zu vertreten.

Deutschland als arroganter Gutsherr

Bezüglich ihrer Haltung zu Europa fällt zunächst auf, dass die EU im neuen Wahlprogramm praktisch nicht thematisiert wird. Generell haben es europapolitische Themen in Spanien schwer; zu sehr haben innenpolitische Angelegenheiten Vorrang. Zwar war die Zugehörigkeit zur EU in Spanien lange Zeit politischer und gesellschaftlicher Konsens, allerdings ist die EU in Zeiten der Krise und hier insbesondere sein wichtigstes Mitgliedsland Deutschland klar in der Gunst der Spanier gefallen. Dies äußert sich auch in dem politischen Diskurs von Podemos. So erscheint Deutschland den Spaniern vor allem als der arrogante Gutsherr, der ihnen, die schon genug Opfer in der Krise erbringen mussten, immer weitere Lasten auferlegt.

Auch Podemos und allen voran ihr Generalsekretär Pablo Iglesias mischt bei dieser stark verkürzten Anti-Deutschen-Haltung mit. Juan Carlos Monedero sprach in Bezug auf Deutschland sogar vom „Vierten Reich“.

Dennoch muss konstatiert werden, dass Podemos keine europafeindliche Partei wie die meisten anderen populistischen Strömungen in Europa ist. In einem vorherigen Papier hat die Partei etwa eine „Carta Democrática Europea“ vorgeschlagen, die eine größere Bürgerbeteiligung bei gesamteuropäischen Angelegenheiten vorsieht und mit Blick auf die separatistischen Bestrebungen in Katalonien Selbstbestimmung für die europäischen Völker fordert. Ein Austritt aus dem Euro ist ebenfalls nicht vorgesehen.

Manch politischer Kommentator hält Podemos dennoch für eine Bedrohung für Europa. In praktisch jeder Analyse wird die Partei mit der griechischen Regierungspartei Syriza verglichen und ihre Verbundenheit mit den Griechen ist in der Tat offensichtlich. Doch ist ihre Ausrichtung weit weniger radikal als es die Syriza-Ausrichtung zu Beginn noch war. Zum anderen zeigen die letzten Umfrageergebnisse die Tendenz, dass Podemos wohl eher eine starke Oppositionspartei wird, als dass sie zur Regierungspartei avancieren kann (zuletzt Absturz von 22 auf 16 Prozent). Zu rapide ist zudem der Aufstieg der liberalen Partei Ciudadanos, die in machen Umfrageergebnissen Podemos schon überholt hat, bei etwa 20 Prozent liegt und offen für eine Zusammenarbeit sowohl mit der PP als auch mit der PSOE ist.

Es ist dennoch vorauszusehen: Der „bipartidismo“ hat ausgedient und Podemos und Ciudadanos stehen davor, das spanische Parteiensystem in diesem Jahr gründlich zu verändern.


Hinweis der Redaktion:: Christian Pfeiffers Text beantwortet auch Fragen unserer früheren Diskussion: Linksruck in Europa: Chance oder Risiko?. Im "Forschungsjournal Soziale Bewegungen" liefert Pfeiffer eine ausführliche Analyse: Podemos: Eine neue Partei bedroht Spaniens „bipartidismo“ (01/2015). Alle Interessierten sind eingeladen, die Diskussion ausgehend von Pfeiffers Einschätzungen fortzuführen - wie bewertet ihr die Podemus-Partei und ihre Programmatik? Als Chance oder Risiko für Europas politische Arena?


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Kommentare

  • So eine Skala von 1 (linksextrem) bis 10 (rechts) würde ich gern mal für Deutschland sehen.

    Und: "Generell haben es europapolitische Themen in Spanien schwer; zu sehr haben innenpolitische Angelegenheiten Vorrang."

    Soll ich da Lachen oder Weinen? Als wäre Europa nicht spanische Innenpolitik pur. Das ist ja wie hier!

  • Dieses Nicht-Rechts-Nicht-Links-Sein wollen scheint mir ein Zeitgeist zu sein. So sieht sich in Deutschland auch Ken Jebsen :).

    Ein wenig schade finde ich, dass der europaweite Ideenaustausch noch nicht so wirklich klappt. Da macht eben jeder sein eigenes Manifesto.

  • Die Gefahr liegt nicht in Podemos, sondern im Vertrauensverlust in die etablierten Parteien. Und wer kann das eigentlich verübeln, dass heute kein Vertrauen mehr in jene Politik-Elite besteht, die seit 5 Jahren keinen Ausweg aus der Krise findet. Aber das Gute an der Demokratie ist doch, dass diese Versager jetzt einfach abgewählt werden.