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Linksruck in Europa: Chance oder Risiko?


picture alliance / ZUMAPRESS.comSyriza-Chef Alexis Tsipras nach dem Wahlsieg in Athen. Erleben wir nun eine Neuausrichtung der Politik in Europa? Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com


Ein Diskussionsanstoss der Redaktion

Das linke Bündnis Syriza hat die Parlamentswahl in Griechenland gewonnen - und regiert mit den „Unabhängigen Griechen“ (ANEL), die weithin als rechtspopulistisch eingeordnet werden. Syriza-Chef Alexis Tsipras verspricht ein linkes Programm - beispielsweise höhere Mindestlöhne und Renten, sowie finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Familien. Mit den Euro-Partnern will Syriza einen Schuldenerlass verhandeln. Zugleich sollen mit der Troika (aus EU, IWF und EZB) vereinbarte Reformen gestoppt werden - beispielsweise weitere Privatisierungen. Einen Euro-Austritt strebt Syriza nicht an.

Über die Folgen eines Syriza-Sieges hat die Publixphere-Community bereits ausgiebig diskutiert. Nun möchten wir die Debatte etwas verbreitern und fragen, ob es in Europa ingesamt zu einem Linksruck kommt. Denn auch in Spanien ist mit Podemos ein linkes Bündnis auf Erfolgkurs. Bei einer Umfrage lag Podemus zuletzt mit rund 28 Prozent vorn. Die Parlamentswahlen finden voraussichtlich Ende 2015 statt. Portugal wählt voraussichtlich schon im Oktober. Dort könnten die in Umfragen führenden Sozialisten ein linkes Regierungsbündnis bilden.

Offen bleibt, ob die linken Kräfte in Spanien, Portugal und Griechenland in der EU Vebündete für eine Abkehr vom Sparkurs finden - beispielsweise Italiens sozialdemokratischen Regierungschef Matteo Renzi und Frankreichs sozialistischen Prädidenten François Hollande.

Wir würden gerne mit euch diskutieren: Welche Chancen und welche Risiken seht ihr im Linksruck, der sich aktuell in Südeuropa abzeichnet?

Hinweis: Unsere bisherige Debatte zu "Troika und Eurokrise" findet ihr hier zusammengefasst.


Kommentare

  • Der eilitäre HASS neoliberaler Medien

    Ein Kommentar zur Art, wie mit Syriza und Podemus umgegangen wird: Ich finde es unglaublich, wie sehr große Medien es verlernt haben, sich differenziert mit den Dingen auseinander zu setzen. Der Spiegel macht Herrn Tsirpas auf seinem aktuellen Titel zum "Albtraum Europas", zum "Geisterfahrer". Warum? Soll es der deutsche Leser nun mit der Angst bekommen? Aus Angst kauft er dann den Spiegel, um zu lesen, was da auf ihn zukommt? Der Titelgeschichte selbst ist dann differenzierter. Trotzdem sieht der Spiegel, genau wie Günther Jauch einfach den Wald vor Bäumen nicht. Der Umsetzbarkeit der neuen Ideen und Alternativen wird auch nicht im Ansatz nachgespürt. Stattdessen werden alle wohlbekannten neoliberalen Euro-Plattitüden breitgetreten.

    Warum wird nirgends ernsthaft über Lösungen diskutiert?

    • eine massive EU-Kooperation mit Athen beim Einziehen von griechischen Steuern (Meldepflichten von Auslandsvermögen etc.)

    • eine ambitionierte Durchsetzung eines Mindeststeuersatzes für Unternehmen in der EU

    • eine Rückzahlung deutscher Kriegsschulden an Griechenland

    • die EU-Ausbildung und -Finanzierung von Korruptionsbekämpfern in Griechenland

    .......... Aber nach Schnittmengen, nach gemeinsamen Interessen und Wegen wird gar nicht gesucht

    Stattdessen wird auf obskure Weise auf die neue, demokratische gewählte Regierung eingedroschen. Dass Gerichtsurteile den griechischen Staat zur Wiedereinstellung von Beamten zwingen, wird mal eben unterschlagen..

    Es ist schon wieder so. Die Bevölkerung ist gedanklich und moralisch viel weiter als ihre (öffentlich-rechtlichen) Leitmedien, die nach des dummen Volkes Schnauze reden wollen, die doch nur ihre eigene ist.

    • Hallo Klaus

      das mit den Kriegsschulden würde mich auch interessieren. Sind die Forderungen wirklich so abwegig?

      Was linke Politik angeht - wann hat sie jemals funktioniert? (in der Währung Arbeitsplätze). Diese Frage nagt sogar an jemandem, der sich tendenziell selbst als links einstuft. Oder bin ich schon neoliberal gebrainwasht durch und durch? :)

  • Aus meiner Sicht handelt es sich bei der Wahl der Syriza um ein gefährliches Symptom der Scherenbewegung in der Eurozone. Zwar halte ich den Regierungswechsel in Griechenland oder auch eine linke Politik in Spanien für begrüßenswert, gleichzeitig ist aber zu befürchten, dass sich umgekehrt die andere Seite der Schere auch weiter dem rechten Rand annähert, z.B. in den Niederlanden.

    Meine Befürchtung ist, dass wir uns gerade mit großen Schritten dem Zeitpunkt annähern, an dem eine solche Entwicklung nicht mehr umkehrbar ist. Bislang bin ich davon ausgegangen, wenn man den Kurs in der Rettungspolitik ändert und Pflaster auf die Schürfwunden der Eurozone packt, kann man die Heilung einleiten. Mittlerweile denke ich aber, dass schon ein ganzes Bein ausgerissen ist und man mit einem Pflaster nicht mehr allzu weit kommt. Jetzt braucht es schon dringend einen Notarzt.

    De facto wird Griechenland nur mit finanzieller Hilfe von außen zu stabilisieren sein. Das Problem ist aber eben nicht, dass die Summen so groß wären, dass das Deutschland und die übrigen starken Staaten nicht stemmen könnten, sondern dass dann auch in diesen Ländern die mittigeren Parteien vor einem Absturz stehen könnten. Was würden wir bei so einem Wahlergebnis (Union 24%, SPD 16%, Grüne 7%, Linke 17%, AfD 26%, Sonstige 10%) in Deutschland denn machen?

    Das Problem ist dabei recht simpel: Die Erzählung, und zwar nicht nur die zu Griechenland, der Austeritätspolitiker stimmt nicht und dies einzugestehen könnte das Vertrauen in jene Politiker, hierzulande z.B. in Merkel und Schäuble oder auch in die diese Politik mittragende SPD, schwinden lassen – und das vermutlich zu recht. Wenn also jetzt ein Notarzt die offene Wunde der Eurozone versorgen soll, muss er die Nebenwirkungen seiner Behandlung genau im Auge behalten.

    Ich hatte gestern angefangen einen Artikel zu schreiben, der Auswege aufzeigt. Mir fallen ein Dutzend wirtschaftspolitischer Maßnahmen ein, die es zusammengenommen ermöglichen könnten, die Krise auf Dauer doch zu überwinden. Irgendwie habe ich aber auch keine Lust mich mit dem Thema noch sachlich auseinanderzusetzen, wenn doch eh immer nur jene gehört werden, die besonders laut und radikal sind.

    Daher mach ich es jetzt auch einfach plump und populistisch: Danke Frau Merkel für 4 Billionen Euro Wohlstandsverlust in der Eurozone in den vergangenen 5 Jahren, zusammengesetzt aus 2 Billionen Euro Wertverlust der gemeinsamen Währung und 2 Billionen Euro Wirtschaftsleistung, die durch falsche Politik zerstört wurde oder nicht entstehen konnte.

    • Hallo MisterEde,

      ich würde schon ein wenig differenzieren, zwischen Sparpolitik und Strukturreformen. Es ist nicht alles Deutschlands Schuld, was an Anti-Korruptionskampf, Steuer- und Wirtschaftsreformen in Griechenland nicht geklappt hat. Ich würde jetzt einen Deal machen: Wenn die Griechen es schaffen, ihre korrupte Elite und ihren Nespotismus loszuwerden, bekommen sie als Belohnung einen Schuldenerlass / Konjunkturspritzen!

      • Hallo Rakaba,

        ich denke ich differenziere schon recht deutlich, wenn ich z.B. auch den bisherigen Regierungsparteien z.B. Korruption oder Vetternwirtschaft vorwerfe und damit nicht nur die Rettungspolitik verantwortlich mache. Dennoch wird aber auch ein Entgegenkommen an Griechenland nicht die Eurokrise in Spanien oder Frankreich lösen. Und auch in Griechenland geht das am Ende leider am Kern des Problems vorbei. Selbst wenn man Griechenland jetzt 20 Mrd. direkte Finanzhilfen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, gewährt und alle ESM, EFSM, EFSF Kredite ab sofort mit 0% verzinst, würde das griechische Problem der relativ schlechten Wettbewerbsfähigkeit nicht gelöst werden.

        Sofern man davon ausgeht, dass Griechenland noch immer zu hohe Lohnstückkosten aufweist, muss das Preisniveau in Griechenland relativ zu anderen Euro-Staaten weiter sinken. Will man dies aber nicht über eine Deflation in Griechenland erreichen, muss vor allem in den starken Staaten für steigende Lohnstückkosten gesorgt werden. Die Abwertung des Euro geben hier auch deutliche Spielräume, nur man müsste die dann auch in Deutschland ausfüllen, in dem zum Beispiel die Produktion durch zusätzliche CO²-Steuern verteuert wird. Selbst wenn deutsche Maschinen 20% teurer wären, würden sie außerhalb der Eurozone aufgrund der Euro-Abwertung trotzdem nicht im Preis steigen und innerhalb der Eurozone muss ja irgendwann mal unser Importdefizit reduziert werden.

        Es gibt zig Ansätze um die verkehrte Austeritätspolitik durch eine sinnvolle Reformpolitik für die gesamte Eurozone zu ersetzen. Wichtig ist aber, zuerst den Kern der Eurokrise, die Problematik der Währungsunion zu verstehen, denn es ist eine Fehlannahme, dass die Schulden das größte Problem Griechenlands sind.

  • Es tut sich etwas in Europa. Als nächstes steht am 07. Mai eine Richtungsentscheidung im Vereinigten Königreich an. Nach einer Meldung des Guardian von heute Nachmittag ist eine Koalition von Labour und Scottish National party (SNP) möglich, die derzeit zusammen auf 324 Sitze (absolute Mehrheit bei 326 Sitzen) kämen. Torys und LibDems könnten nach der letzten Umfrage keine neue Koalition bilden. Damit zeichnet sich auch hier ein möglicher (zugegeben „leichter“) Linksschwenk ab. Insbesondere die SNP aber hat ein eher linkes Programm und will u.a. unbedingt den National Health Service (kostenlose Krankenversicherung) erhalten und wieder mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausstatten!

    Auch in Spanien wird Ende dieses Jahres gewählt. Wenn der Trend anhält, wird PODEMOS die stärkste Partei. Mal sehen ob die PSOE wie die SPD ins Bett der Konservativen (PP) schlüpft oder einer neuen linken Politik eine Chance gibt.

    04.02.2015 19:12 GMT + 1:00

  • Liebes Forum,

    ein kurzer Lesetipp:

    Manuel Müller hat in seinem Blog "Der (europäische) Föderalist" mit etwas Abstand die erste Regierungswoche von Syriza analysiert:

    Eine Woche Syriza: Wie die griechische Regierung ihre EU-Partner in Aufregung versetzt und was das für die europäische Demokratie bedeutet

    Darin geht er auch der Frage nach, warum Syriza die als rechtskonservativ geltende Partei ANEL als Koalitionspartner wählte (die im Europäischen Parlament mit der AfD in der ECR-Fraktion sitzt).

    Liebe Grüße, Alex

    • Ich frage mich nur, verharmlost Manuel Müller die ANEL-Partei? Was ist dran am Vorwurf, es mit Antisemiten zu tun zu haben?

      Es gibt ja das Gesetz, dass in jeder Diskussion irgendwann ein Nazi-Vergleich fällt, aber national und sozialistisch wecken in Kombination ungute Erinnerungen...

      Erleben wir vielleicht eine Orbanisierung Griechenlands? Mit samt Russland-Connection und dem Feindbild "Finanzmarkt"? Zurück in die glückliche Vergangenheit? Ein paar Fragen müssen erlaubt sein :)