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Griechenland-Krise: Ausweg Kapitalverkehrssteuern?


picture alliance/dpaBloß raus aus Griechenland mit den Scheinen – sind Kapitalverkehrssteuern eine Lösung? Foto: picture alliance/dpa

Geschlossene Banken und Waren nur noch gegen Bares – der Geldkreislauf in Griechenland ist schwer gestört. Unternehmen und Privatpersonen schaffen ihre Ersparnisse ins Ausland. Kann sich der griechische Staat diese Dynamik nicht zu eigen machen?


Ein Beitrag von MisterEde

Ich habe heute ein Konzept online gestellt, welches den Grundsätzen des Binnenmarkts und dem freien Kapitalverkehr widerspricht, meines Erachtens aber dennoch bei einer befristeten Anwendung sehr hilfreich sein könnte um einen Ausweg aus der Griechenland-Krise zu finden: Kapitalverkehrssteuern auf Auslandsüberweisungen

Nachdem die Kapitalverkehrsfreiheit bereits durch Kapitalverkehrskontrollen eingeschränkt wurde, dachte ich, dass man da doch ansetzen könnte. Würde eine Steuer für Auslandsüberweisungen erhoben, z.B. 12%, dann würde der Liquiditätsabfluss gestoppt oder es würde zumindest zu Steuereinnahmen führen. Dort wo es notwendig ist (Kinder studieren im Ausland) könnten Sondergenehmigungen vergeben werden. Auch für Unternehmen die Exportieren kann eine Regelung getroffen werden, damit diese keinen Wettbewerbsnachteil haben (Die Unternehmen dürfen das Geld, das aus dem Ausland eingeht, auch wieder steuerfrei ins Ausland überweisen). Übrig bleiben damit dann neben dem „Geld außer Landes schaffen“ noch die Importwaren, die auf diese Weise um 12% verteuert würden. Dort, wo es auch griechische Produkte gibt (z.B. Nahrungsmittel) würde damit eine Konsumverschiebung stattfinden und die heimische Wirtschaft würde belebt.

Die Maßnahme könnte dann bis zum 31.12.2016 fortgeführt werden und dann in monatlichen 0,25%-Schritten von 12% auf 0% zurückgefahren werden. Im Grunde wirkt das also ähnlich wie ein Grexit, nur ohne die Risiken und in 5 Jahren ist alles wieder normal – zumindest währungstechnisch.

Was haltet Ihr von diesem Konzept?


Kommentare

  • Hallo MisterEDE, klingt zunächst überzeugend.

    Ich gebe aber zu bedenken dass schon Kapitalverkehrskontrollen wie sie in Griechenland derzeit bestehen eigentlich nach EU-Recht nicht erlaubt sind. Ganz besonders würde das aber m.E. für Kapitalverkehrssteuern gelten, insbesondere in der Eurozone. Nun könnte man hier allerdings sagen, die EU bricht eh permanent das von ihr selbst gesetzte Recht. Das ist ja inzwischen leider ein valides Argument.

    Ob solche Kapitalverkehrssteuern aber praktikabel sind weiß ich auch nicht. Da wären ja mehrere Hundert Beamte den ganzen Tag damit beschäftigt Anträge zu prüfen und dann Firmen oder Privatpersonen Ausnahmegenehmigungen zu erteilen.

    Was die Lebensmittelimporte anbetrifft, so ist ,soweit ich das weiß, die griechische Nahrungsmittelindustrie seit dem Beitritt des Landes in die Eurozone nicht mehr existent und zwar aus jenen Gründen, die du hier so oft und einleuchtend erläutert hast: Wettbewerbsverzerrung über massives Lohndumping u.a. in Deutschland. Es würde also bei den dann noch mal massiv verteuerten Importen bleiben, was dann wiederum diejenigen bezahlen müssen, die es am wenigsten können.

    • Hallo nemo,

      danke für die Antwort und die Einschätzung. Richtig, es verstößt gegen den Grundgedanken der Kapitalverkehrsfreiheit und auch des Binnenmarktes, sollte also ein absolutes Notinstrument sein. Dagegen muss man aber zu Gute halten, dass der Euro zuvor auch zu Gunsten der Importeure verzerrt, weshalb diese Verzerrung durch die Kapitalverkehrssteuer nur vorrübergehend ausgeglichen würde. Ein Grexit hätte Übrigens dieselbe Wirkung durch die Währungsabwertung, allerdings mit dem großen Risiko, dass es nicht bei 12% bleiben würde.

      Praktikabel halte ich das sogar mit relativ geringem Aufwand, wie eben die Kapitalverkehrskontrollen auch. Die meisten Griechen werden keine Ausnahmegenehmigung brauchen, weil es nur für ein paar zehntausende relevant ist, regelmäßig Geld ins Ausland zu überweisen. Und Unternehmen bekommen einfach gesonderte Bankkonten, um Geldeingänge aus dem Ausland zu verbuchen. Diese Gelder, die ja dann nach Griechenland fließen, können dann ohne Kapitalverkehrssteuer wieder ins Ausland überwiesen werden. Und wenn das Endprodukt nicht billiger ist als die Vorprodukte, gibt es für die Exportwirtschaft keinen Nachteil, tendenziell sogar eher einen Vorteil.

      Insgesamt schlage ich mit 12% einen relativ mäßigen Steuersatz vor, der aber bei 50, 60 Mrd. Euro Importen pro Jahr, selbst wenn man Teile der Importe heraus rechnet, schnell mal 4, 5 Mrd. in den Haushalt spült. Dazu käme noch der Geldabfluss. Alleine die Vorstellung man hätte diese Regel im Februar eingeführt als die ELA-Kredite ausarteten, wären bei einem Geldabfluss von 60 Mrd. ein Betrag von 7,2 Mrd. in die griechische Staatskasse gespült worden. Man hätte jetzt einen Haushaltsüberschuss in Griechenland verkünden können oder eben das Geld wäre gar nicht erst abgeflossen.

      Nahrungsmittelproduktion: Es gibt ja durchaus griechische Produzenten, die aber kaum mit den Importen mithalten können. Wenn diese nun wüssten, für die nächsten 2 Jahre kann ich meine Produktion hochfahren, dann brauchen sie Arbeitskräfte oder müssen vielleicht ein wenig investieren. So kommt wieder etwas Schwung in die griechische Wirtschaft. Gleichzeitig ist durch die Kapitalverkehrssteuer aber eben auch gewährleistet, dass Energie oder Medizinprodukte trotzdem importiert werden können, und zwar nicht mit einer völlig abgewerteten Drachme, sondern einem Aufschlag von 12%, der dann auch z.B. durch Zuschüsse an die Krankenkassen etwas ausgeglichen werden kann, was bei einer Drachme ohne Kapitalverkehrssteuer nicht der Fall wäre – denn hierdurch würden ja keine Einnahmen generiert.

      • P.S. Der Anteil von Land- und Forstwirtschaft und vor allem Fischerei an der gesamten Wirtschaft ist mit ca.4 oder 5% höher als in Frankreich, Spanien oder Irland). Das Problem, damit holt man halt nicht so viel raus, weil bei diesen Produkten der Preisdruck relativ hoch ist.

  • Wenn jetzt auch der Grexit durch unseren Finanzminister wieder zur Debatte gestellt wird, dann würde ich demgegenüber die Kapitalverkehrssteuern auf jeden Fall bevorzugen.

    Wobei ich zu Schäubles Auftritt auch anmerken muss, dass „Schäubles langer Kampf für den Euro“ eigentlich meine Doktorarbeit werden sollte. Nach dem Euro-Gruppen-Treffen gestern wurde es aber doch nur ein Vierzeiler:

    Er rollt rein,
    sagt dort: „Nein!
    Es ist aus!“
    Und rollt raus.

    Ein wahrlich leidenschaftlicher Kämpfer für Europa, die EU und den Euro.