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TTIP vor Ort - Bürgerdialog in Stuttgart


© alchemist-hp (CC-BY-SA 3-0)Foto & Teaser: © alchemist-hp (CC-BY-SA 3-0)


Am 17. September 2015 luden wir im Rahmen unserer Bürgerdialogreihe „TTIP – Wir müssen reden!“ ins Rathaus Stuttgart ein. Das Programm und einen Bericht zur Veranstaltung finden Sie auf unserer Webseite.

Wir danken allen Beteiligten für Ihr Engagment. Gerne können Sie hier auch nach Ende der Veranstaltung noch Ihre Meinungen und Positionen zu TTIP im konkreten Bezug zu Stuttgart und Baden-Württemberg weiter diskutieren.

Teilen Sie Ihre Meinung mit uns:

  • Welche Veränderungen befürchten Sie wird TTIP für die Region mit sich bringen?
  • Welche Chancen durch TTIP sehen Sie für die Region?

Wir freuen uns über Ihre Beteiligung!


Im Rahmen des TTIP-Bürgerdialogs möchten wir mit Ihnen auch die allgemeinen Positionen und Fragen zu den Themen Demokratie, Transparenz und Legitimität, Handel, Investitionen und Wettbewerb sowie Standards und Normen diskutieren.


Kommentare

  • Mehr Demokratie ist dagegen
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    Mehr Demokratie setzt sich nicht gegen Freihandel oder Globalisierung ein. Wir befürworten explizit das Zusammenwachsen der Welt, üben jedoch Kritik an der unserer Meinung undemokratischen Ausgestaltung von Globalisierung. Unsere Kritik zielt bei TTIP im Besonderen auf drei Bereiche ab:

    Mangelnde Transparenz: Trotz der „Transparenzoffensive“ haben viele Abgeordnete keinen oder nur beschränkten Zugriff auf Verhandlungs- und konsolidierte Texte, Unternehmens- & Wirtschaftsverbände dagegen schon. Auch die Vorabkonsultationen, eine Art „Weichenstellung“ für die Verhandlungen, fanden zu 97% mit Wirtschaftsvertretern statt. Hierdurch entsteht eine einseitige Interessenartikulation und –Vertretung. Zudem zeigt CETA , dass im Nachhinein keine Änderungen mehr gewollt sind, sodass Parlamentarier während des Prozesses Einfluss nehmen müssen.

    ISDS-Streitschlichtung: Bis heute konnte nicht ausreichend begründet werden, warum zwischen Rechtsstaaten ein solches System etabliert werden muss. Es gibt keine systemischen Probleme mit der Objektivität beider Rechtssysteme und China hat in den Verhandlungen einer Freihandelszone mit Europa signalisiert, dass es ISDS durchaus akzeptieren würde. Die Reformen adressieren ferner nicht alle Probleme: so besitzen ausländische Konzerne Sonderrechte gegenüber inländischen, Diskriminierungen werden dadurch nicht ab- sondern aufgebaut. Problematische, weil völlig dehnbare Sprachregelungen wie „indirekte Enteignung“ & „gerechte und billige Behandlung“ sind ebenfalls nicht herausgenommen worden. Sie sind Hauptklage- und Missbrauchsgründe.

    Regulatorische Kooperation: Die Regulatorische Kooperation würde den demokratischen Handlungsspielraum von Parlamenten einschränken und aushöhlen. Bei CETA bereits enthalten und TTIP geplant, kann dieses Gremium eigenmächtig Standards und Regulierungen anpassen, das Parlament muss lediglich informiert werden (Uni Göttingen). Hinzu kommen die gestiegenen Einflussmöglichkeiten von Konzernen: bereits vor Parlamenten dürfen sie Gesetzesvorhaben begutachten und Einfluss auf diese nehmen. In den USA sorgt ein solches Gremium dafür, dass Gesetze stark verzögert und im Bereich Umwelt, Arbeit & Soziales in der Regel abgeschwächt werden.

  • Auch wenn ich die Initiative „Stopp TTIP“ für zu scharf halte, befürchte ich, dass solche Handelsabkommen ein Einfallstor werden könnten, soziale und ökologische Standards abzusenken.

    BürgerInnen und Parlamente müssen nachvollziehen können, was in den Verhandlungen passiert. Deshalb sollte regelmäßig über Zwischenstände informiert und diskutiert werden. Klageprivilegien für Konzerne haben in TTIP nichts verloren.

    Handelsabkommen können Fortschritte bringen; aber bei TTIP wird zu viel ausgeblendet: Das Top-Thema Verbraucherschutz, die Rechte von ArbeitnehmerInnen, die Auswirkungen auf Entwicklungsländer oder der Klimaschutz.

  • Ich hätte gerne Antworten auf folgende Fragen:

    1.) Wenn für den Investitionsschutz ein Schiedsgericht oder Investitionsgerichtshof eingerichtet wird: Nach welchen parlamentarisch-demokratischen Gesetzen entscheidet dieser? 2.) Ein Schiedsgericht oder Investitionsgerichtshof hat zwangsläufig die Folge, dass Politiker auf allen Ebenen (Kommunen, Kreise, Länder, Staaten) in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeengt werden, weil sie Schadenersatzklagen z.B. für entgangene Gewinne befürchten müssen. Wie ist das mit demokratischen Grundsätzen vereinbar? 3.) Um bei Gesetzesvorhaben mitwirken zu können, ist ein "Regulatorischer Kooperationsrat" mit Vertretern großer Industrieunternehmen vorgesehen. Soll es etwas Vergleichbares für Verbraucherverbände, Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Gruppen? 4.) Welche gesellschaftliche Gruppen (z.B. Parlamentarier, Gewerkschaften, Verbände, Bürgerinitiativen, Unternehmen) und andere Interessengruppen haben Zugang zu den Verhandlungsunterlagen? Welche können Eingaben machen? Welche sitzen direkt mit am Verhandlungstisch? 5.) Wo kann ich als einfacher Bürger mich über den Verhandlungsstand in deutscher Sprache im Internet über den Verhandlungsstand informieren? 6.) Warum werden vielfältige Themenfelder in ein einziges Abkommen gepackt, so dass Parlamentarier nur die Möglichkeit haben, dem Gesamtpaket zuzustimmen oder es abzulehnen. Beispielsweise würde der Abbau von Zöllen und die Angleichung von technischen Normen sicher die Zustimmung der allermeisten Bürger und Parlamentarier finden.

    Christoph Zantow

    • Hallo Christoph05

      Zu Ihrer 2. Frage folgende Antwort:

      Es ist nicht mit rechtsstaatlichen und demokratischen Grundsätzen vereinbar, sich einer verfassungsfremden Gerichtsbarkeit zu unterwerfen.

      Zu Ihrer 6. Frage folgende Antwort:

      Der Grund ist wohl, dass hier etwas unwiderruflich festgezurrt werden soll und zwar abseits sinnvoller Harmonisierungen. Was nämlich sinnvoll ist, kann man auch ganz leicht so harmonisieren, nur die unsinnigen Dinge (das was dem Interesse der Menschen zuwiderläuft) bekäme man natürlich nie durch. Deshalb wird das jetzt wohl alles in eines gepackt.

      Genau das habe ich den Referenten bei uns vor Ort auch gefragt: Bei der Zulassung von Medizinprodukten wird in den USA meistens stärker auf den Verbraucherschutz geachtet. Wieso übernehmen wir in der EU nicht einfach die US-Verfahren, dann wäre der Bereich doch harmonisiert. Der Referent wich aber nur aus und konnte mich damit zumindest nicht überzeugen.

  • Andreas Povel Podiumsgast EU-Salon #3 ist dafür
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    Die American Chamber of Commerce in Germany (AmCham Germany) begrüßt die umfangreiche öffentliche Diskussion, die sich um die Transatlantic Trade and Investment Partnership entwickelt hat. Die Begleitung eines solch wichtigen und ehrgeizigen Projekts durch eine kritische Öffentlichkeit hilft, ein umfassendes TTIP-Abkommen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen abzuschließen. In diesem Zusammenhang befürworten wir die Transparenzoffensive der Europäischen Kommission, die die TTIP-Verhandlungen zu den transparentesten Gesprächen in der Geschichte von europäischen Freihandelsverträgen gemacht haben.

    Was bedeutet TTIP für Deutschland und für Baden-Württemberg?

    Die Bedeutung eines gemeinsamen Abkommens ist, vor allem auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland und somit auch für Baden-Württemberg, enorm und nicht von der Hand zu weisen:

    Die USA sind größter Abnehmer deutscher Exporte, erst 2014 haben die USA Frankreich als größten deutschen Handelspartner überholt. Und auch Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der USA in Europa. Deutschland hat US-Waren im Wert von 49,4 Milliarden US-Dollar eingeführt und lag damit im Jahr 2014 auf Rang 5 der US-Absatzmärkte. Bei den Warenimporten der USA liegt die Bundesrepublik Deutschland als Exporteur mit 123,2 Milliarden US-Dollar unverändert auf Rang 5.

    In den USA hängen 38 Millionen Jobs vom Außenhandel ab. In der amerikanischen Fertigungsindustrie ist sogar jeder dritte Arbeitsplatz vom Außenhandel abhängig. Auch in Deutschland ist fast jeder vierte Arbeitsplatz mit dem Export verknüpft, das betrifft vor allem die Maschinen- und Autobauer, aber auch die pharmazeutische Industrie. Deutschland ist aus amerikanischer Sicht – besonders wegen seines starken industriellen Kerns – ein wichtiger ökonomischer Partner, der bei der dringend notwendigen Re-Industrialisierung der USA nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 helfen kann. Trotz massiver Konkurrenz aus den Schwellenländern ist es Deutschland gelungen, seine industrielle Basis zu behalten und sogar auszubauen. So ist die verarbeitende Industrie hierzulande für fast ein Viertel der Wertschöpfung direkt verantwortlich – verglichen mit nur 12 Prozent in den USA.

    Wer sein Land und seine Wirtschaft re-industrialisieren möchte, der benötigt das entsprechende Werkzeug. Gerade hierzu sind deutsche Firmen als Marktführer im Maschinen- und Anlagenbau hervorragend aufgestellt. Im baden-württembergischen Handel mit den USA ist die starke Verankerung der Automobil- und Maschinenbauindustrie „im Ländle“ offensichtlich: Knapp 44% aller Exporte in die USA kommen aus dem Automobilsektor, weit über ein Fünftel entfällt auf die Maschinenbauer. Es kommt nicht von ungefähr, dass die USA der wichtigste ausländische Investitionsstandort und weltweit größter Zielmarkt für deutsche Maschinenprodukte sind. Mit einem Lieferanteil von 36 Prozent am US-Import von Maschinenbauerzeugnissen liegt Deutschland mit weitem Abstand auf Platz 1 - da verwundert es kaum, dass das ifo-Institut eine mögliche Exportzunahme von 22 Prozent aus Baden-Württemberg in die USA berechnet hat. Die Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass durch TTIP über 20.000 Stellen im produzierenden Gewerbe in Baden-Württemberg entstehen werden. Mit Bayern und NRW – zwei weiteren Bundesländern mit starker industrieller Basis – formt Baden-Württemberg das Spitzentrio der deutschen TTIP-Gewinner. Dies liegt neben dem jetzt schon hohen Exportniveau auch an der Wertigkeit der hier hergestellten Produkte sowie dem Fokus auf Maschinen- und Automobilbau. Denn auch die Kritiker geben zu: Diese beiden Branchen profitieren zweifelsohne von einem freieren Handel mit den USA.

    Auch wenn Sie diese Zahlen persönlich skeptisch sehen, zeigt der Blick zurück, dass freier Handel zu Wirtschaftswachstum, Prosperität und Arbeitsplätzen führt. Fernab von allen Zahlen, Daten und Vorhersagen von Befürwortern und Gegnern sollten Sie TTIP aber auch als das sehen, was es auch ist: die vielleicht einmalige Chance Europas und der USA, im sich weiter globalisierenden Handel gemeinsame, hohe Standards für die Umwelt, die Verbraucher und die Technik zu setzen, nach denen sich aufstrebende Wirtschaftsmächte richten werden. Eine aktuelle Studie von PricewaterhouseCooper prognostiziert, dass die ökonomische Bedeutung der Industrieländer in Nordamerika und Europa bis 2050 deutlich abnehmen wird. China wird demnach seine Rolle als weltgrößte Wirtschaftsmacht verteidigen. Die USA werden aber bis 2050 von Indien auf Rang drei verdrängt und nur zweieinhalbmal so groß sein wie Indonesien. Auch Deutschland wird vom fünften auf den zehnten Platz rutschen – direkt hinter Nigeria. Wachstum wird also in Zukunft außerhalb Europas und auch außerhalb der USA stattfinden. Hier dürfen sich die EU und die USA nicht abhängen lassen, sondern müssen voranschreiten und so gemeinsam Regeln für den fairen und freien Handel in der Welt aufstellen.

    Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion in Stuttgart und hoffe, dort mit möglichst vielen von Ihnen ins Gespräch zu kommen!

    Ihr Andreas Povel

    • So wie Sie den Außenhandel zwischen Deutschland und den USA darstellen, komme ich zu folgender Gegenfrage:

      Wieso brauchen wir dann überhaupt noch TTIP, wenn der Handel zwischen den USA und der EU doch schon jetzt so gut läuft?

  • Das grundsätzliche Problem an TTIP und zahlreichen weiteren Freihandelsabkommen ist, dass ein gemeinsamer Markt geschaffen wird, ohne gleichzeitig angepasste Rahmenbedingungen für die unterschiedlichen Standorte zu schaffen. Das ist dasselbe wie im Binnenmarkt der EU.

    Sprich: Ohne angepasste Datenschutzstandards, Umweltstandards, Sozialstandards etc. geht mit einem gemeinsamen Markt immer auch ein Dumpingwettbewerb der Länder einher. Klimaabgabe für Kohlekraftwerke? Schadet der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Energieunternehmen -> kommt also nicht.

    Entsprechend fordere ich von der Sozialdemokratie, die Verhandlungen zu TTIP umgehend abzubrechen und den Abschluss von CETA zu verweigern, solange keine gemeinsamen Standards (Umwelt, Datenschutz usw.) vorhanden sind. MdB Dirk Wiese (SPD) habe ich dies deshalb bei der gestrigen TTIP-Veranstaltung bei uns vor Ort auch genau so gesagt. Macht Druck auf Eure Abgeordneten vor Ort, wehrt Euch und lasst Euch nicht einlullen.

  • Sabine Jost-Heil ist dafür
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    Gerade für in Deutschland und Baden-Württemberg ansässige Unternehmen spielen Exporte eine zentrale Rolle und diese dürfte weiter steigen. TTIP kann aus Sicht der Industrie eine Reihe von Vorteilen bringen – von der Abschaffung der Zölle über eine Erleichterung bei der öffentlichen Auftragsvergabe bis hin zu einer Annäherung der Standards in bestimmten Bereichen. Auch bietet TTIP die Chance, Standards für künftige Abkommen zu setzen und so Prinzipien für einen freien und gerechten Handel zu verankern Dabei dürfen uns diese potentiellen Vorteile nicht davon abhalten, auch die potentiellen Risiken zu sehen, die mit einem solchen Abkommen verbunden sein können. Diese müssen entsprechend diskutiert werden, um ihnen begegnen zu können. Vor diesem Hintergrund begrüße ich die Möglichkeit zu einem aufgeschlossenen Meinungsaustausch im Rahmen des Bürgerdialogs und freue mich auf die Diskussion mit Ihnen.