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Prostitution nun doch gesetzlich verbieten?


Jake Guild CC BY 2.0Foto: Jake Guild CC BY 2.0


Ein Beitrag von Louisa

Momentan wird überall darüber diskutiert, ob Prostitution bestraft werden müsse: Nachdem Frankreich diese per Gesetz verbieten lassen will, plant nun auch die große Koalition eine Verschärfung des Prostitutionsrechts.

Grundsätzlich empfand ich die Entscheidung der rot-grünen Koalition in 2002 Prostitution zu legalisieren, als sinnvoll, um sie aus der Grauzone der Kriminalität herauszuholen und beispielsweise Zwangsprostitution einzudämmen.

Nun hat sich der Menschenhandel hierdurch aber nicht ‚eindämmen’ lassen und Flatrate-Bordelle werden immer größer und erfolgreicher. Aber ist es deshalb sinnvoll mit Alice Schwarzer nach einer stark restriktiven System wie in Schweden zu schreien, bei dem besonders die Freier zur Kasse gebeten werden?

Wie bekommen wir es hin, dass die Würde und Sicherheit der Prostituierten gewahrt bleibt? Denn Prostitution gänzlich abzuschaffen geht meiner Meinung nicht!

Oder wie seht ihr das?


Kommentare

  • HekateGT ist dagegen
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    Ist der denkbar schlechteste Weg. Erstens einmal ist Sexarbeit "an sich" kein Problem. Genausowenig wie Vermögensberatung "an sich" kein Problem darstellt - sondern lediglich die Art und Weise, wie dieses Metier ausgeübt wird. Betrügerischen Vermögensberatern die faule Anlagen verkaufen, kann man mit dem STGB beikommen. Und alle die widrigen Begleitumstände, die immer wieder im Zusammenhang mit Sexarbeit thematisiert werden - als da sind: sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Menschenhandel - werden bereits durch das STGB abgedeckt. Was wir brauchen sind nicht zusätzliche Reglementierungen, sondern das Herausholen der Sexarbeit aus der Grauzone. NICHT die Sexarbeit ist das Problem, sondern die Art und Weise, in der die Gesellschaft diesen Beruf wahrnimmt. Abgesehen davon gibt es die unterschiedlichsten Wege, zur Sexarbeit zu kommen - ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Hintergrundtext "Lieber Sxarbeit als Hartz IV" (erschienen erstmals Mitte November 2013 auf Zeit Online). Im übrigen ist das skandinavische Modell ein Schuss in den Ofen - die Sexarbeit ist dadurch nicht weniger geworden - aber die Gewalt gegen Sexarbeiterinnen ist dramatisch angestiegen.

    • Louisa ist dafür
      +1

      Liebe HekateGT, der Artikel in der Zeit zeigt wirklich beeindruckend, wie verquer die Ansichten von Alice Schwarzer sind. Denn die Würde eines Menschen kann mehr durch das System (in diesem Fall Arbeits- und Sozialämter, aber auch die eigenen Freunde, Bekannten und die mediale Berichterstattung) angetastet werden, als durch den Verkauf des eigenen Körpers.

      Allerdings: Hat das vorherige Gesetz dazu beigetragen, dass Prostitution aus der Grauzone herausgeholt wurde? Die im Artikel erwähnten Demütigungen sind ja passiert als schon der Versuch unternommen wurde, die Grauzone zu minimieren? Wie bekommen wir wirklich einen gesellschaftlichen Wandel hin, damit Prostituierte nicht mehr vorgeführt und ausgegrenzt werden?

  • Die Redaktion hat zur Prostitutions-Debatte auf Publixphere Meinungen von Expertinnen und Experten angefragt. Hintergrund sind die Pläne von Schwarz-Rot, das Prostitutions-Gesetz von 2002 zu überabeiten - mit dem Ziel, Zwangsprostitution einzudämmen.

    Die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic weist uns auf ein Interview hin, das sie hierzu geführt hat. Mitrovic fordert darin eine differenzierte Betrachtung der Gesetzeslage.

    “(...) das Prostitutionsgesetz ist für die Sexarbeiterinnen gemacht, die freiwillig ihr Geld in der Sexindustrie verdienen, für Männer und Frauen, die im Telefonsex arbeiten und in der Pornoindustrie, für Frauen in Edelbordellen, im Escort oder auf dem Straßenstrich – sie alle unter Zwangsprostituierte zu subsummieren halte ich für eine Katastrophe oder zumindest für sehr eindimensional.”

    Mitrovic argumentiert gegen eine Kriminalisierung der Prostitution:

    “(Es) ist bewiesen, dass dort, wo die Prostitution in ein Dunkelfeld gedrängt wird, diese nicht weniger wird, dafür aber gefährlicher für diejenigen, die sie ausüben. Wenn sie ihre Kunden beispielsweise nicht auf der Straße treffen können, sondern sich über das Internet verabreden müssen, sind sie ganz anderen Gefahren ausgesetzt.”

    Mit Verweis auf Erfahrungen im Hamburger Stadtteil St. Georg wendet sich Mitrovic gegen das schwedische Modell, Freier zu bestrafen, das aktuell auch in Deutschland zur Debatte steht:

    “Diese Variante halte ich für kontraproduktiv. In St. Georg gibt es seit 1992 ein Kontaktverbot zwischen Freiern und Huren. Seitdem herrscht hier eine Atmosphäre von Angst und Verstecken. Es ist viel sicherer für die Frauen, wenn ihre Kolleginnen sehen, mit wem sie weggehen und wie lange sie wegbleiben, als wenn sie sich in einer dunklen Ecke verabreden müssen. Aber es gibt sicher keine einzige, die deswegen nicht anschaffen geht.”

  • Wünschenswert ist eine Verbesserung der Sicherheit von Prostituierten und ihrer rechtlichen und gesundheitlichen Situation. Prostitution aus einer Zwangslage heraus wollen wir nicht und wir wissen, das Zwang sehr früh anfangen kann. Für diese Ziele kann ein Gesetz eine gute Grundlage sein; vor allem, weil Polizei, Ämter oder zivilgesellschaftliche Initiativen benötigt werden, um sie zu erreichen. Ein Verbot von Prostitution würde hier in die entgegengesetzte Richtung wirken.

    • Hier, finde ich, herrscht ein ähnliches Problem wie bei der Legalisierung von Drogen: einerseits will man den Menschen schützen, indem man Sachen wie zum Beispiel Prostitution verbietet. Doch andererseits weiß man, dass es sowieso stattfindet. Wenn Prostitution nicht verboten ist, dann findet sie wenigstens nicht im Verborgenen statt. Das ist für Prostituierte weniger gefährlich und sie werden weniger Opfer von Menschenhandel und Zuhälterei.

  • "Flatratebordelle werden gösser und erfolgreicher"? Das ist eine aus der Luft gegriffenen Behauptung. Nicht alles ist "flat" was als "flat" beworben wird. Menschenhandel konnte durch das Gesetz nicht eingedämmt werden - diese Vorschrift des StGB (§ 232) gibt es erst seit 2005 - wurde sozusagen als "Ersatz" geschaffen um verdachtsunabhängig im Prostitutionsgewerbe Polizeimassnahmen durchzuführen.

    In den meisten Bundesländern kann die Polizei jederzeit an Orten, an denen der Prostitution nachgegangen wird, Personenkontrollen vornehmen. Schutz der Wohnung zählt dabei nicht! Allerdings hat sich die Polizei noch nicht getraut, ein Hotelzimmer oder eine Privatwohnung eines Freiers zu überprüfen nur weil gerade eine Sexarbeiterin dort gerade zu Besuch ist.

    Die momentanen Probleme in der Sexarbeit sind doch Migrationsprobleme - haben mit Prostitution direkt nichts zu tun ausser dass es für die betroffenen Frauen oder Männer die einzige Möglichkeit ist, Geld zu verdienen. Vermutlich wären die meisten der Armutsprostituierten froh, einen anderen Job zu haben der es ihnen ermöglicht, sich und ihre Familien den Lebensunterhalt zu ermöglichen.

    Das gilt natürlich auch für die Arbeiter in Schlachtfabriken, in der Landwirtschaft oder auf dem Bau. Ausbeutung findet immer dann statt, wenn ein Überangebot an Arbeitskräften vorhanden ist. Hat also auch nichts mit Prostitution zu tun.

    Wo sind die Landesgesetze, die seit 2002 hätten erlassen werden müssen um die Sexarbeit in nicht stigmatisierende Bahnen zu lenken? Warum sind Sexarbeiterinnen immer noch nicht Freiberuflerinnen? Sie können in den meisten Bundesländern nicht mal ein Gewerbe nach der Gewerbeordnung anmelden!

    Steuern, ja, die werden kassiert. Entweder über EInkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen oder bei Ausländer*innen direkt an der Quelle: 25 bis 35 EUR pro Tag. Dazu kommt in vielen Kommunen noch eine "Vergnügungssteuer" hinzu. Zum Dank werden die Steueraufbringenden von der Gesellschaft verfolgt und stigmatisiert, manchmal auch direkt kriminalisiert (Mehrmaliger Verstoss gegen eine Sperrgebietsordnung ist eine Straftat!). In Süddeutschland ist Sexarbeit in Orten unter 35.000 Einwohnern verboten, auch in Privatwohnungen der Freier!

    Krankenkassen verlangen deutlich höhere Beiträge von Sexarbeiter*innen, eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist nicht bezahlbar.

    Warum keine Versicherung analog der Künstlersozialkasse? Die Politik diskutiert nicht mal über vernünftige Lösungsmöglichkeiten um die oft prekäre Lage der Betroffenen zu verbessern. Es wird dagegen immer die Moralkeule geschwungen.

    Dann kommt die Politik mit dem Vorschlag, Prostitution erst ab 21 Jahren zu erlauben. Weil Menschen unter diesem Alter anfällig für Verführung etc. seien. Was ist dann mit jungen Männern, die sich mit 17 bei der Bundeswehr im Töten ausbilden lassen dürfen?

    Manche Feministinnen fühlen sich in ihrer persönlichen Würde verletzt wenn sich andere Frauen "verkaufen" wie sie es nennen. Wie soll das gehen? Meine Würde ist doch auch nicht verletzt wenn ein Fussballer in eine Lobby pinkelt. Deshalb Fussball verbieten?

    Ehe abschaffen, weil nachweislich die meisten Frauen in der Ehe Gewalt erfahren? Familien verbieten, weil Gewalt gegen Kinder meist aus Familien ausgeht? Die Kirche abschaffen, weil manche Priester Jungs vergewaltigen?

    Zur Bestrafung von Zuhältern und Menschenhändlern reichen die bestehenden Gesetze aus - das sind doch auch heute schon Straftaten!

    Wen stört es, wenn in geschlossenen Räumen Sex gegen Bezahlung praktiziert wird? Meine moralische Überlegenheit? Meine "schmutzige" Phantasie?

    Leben und Leben lassen - warum fällt uns das so schwer? Weil wir uns nicht trauen, selbst so zu sein wie Prostituierte und Freier? Weil wir gegen unser "Eltern-Ich" mit teilweise abstrusen Moralvorstellungen nicht ankommen?

  • Liebes Forum,

    ein Hinweis der Redaktion: Wir haben diese Diskussion in einer Kurzdarstellung zusammengefasst. Ihr findet sie über "Positionen" oder unter diesem Link

    Falls ihr eure Sicht falsch dargestellt findet oder anderweitige Ergänzungen habt, könnt die Kurzdarstellung entsprechend kommentieren.

  • Undine ist dagegen
    +2

    Den Ausführungen von Sonja ist wenig hinzuzufügen. Es geht bei der aktuellen Debatte ganz im Gegensatz zu dem Eindruck, den sie erwecken will, explizit nicht um eine Eindämmung von Ausbeutung und Gewalt, denn die sind bereits verboten. Jedes weitere Verbot von Prostitution betrifft ausschließlich die einvernehmliche Sexarbeit, und selbstverständlich wehren sich Sexarbeiter_innen deutschland- europa- und weltweit entschieden dagegen, entmündigt und zwangsgerettet zu werden.

    Es ist unfassbar zynisch, über die Köpfe der Betroffenen hinweg Entscheidungen zu treffen und dabei von Schutz und Würde zu reden. Früher musste man die Gesellschaft vor uns retten, heute muss man uns wahlweise vor unseren Vermietern, vor unseren Kunden oder vor uns selbst retten, aber die Forderungen repressiver Maßnahmen sind dieselben. Dahinter stecken ganz andere Ziele: von konservativ-christlicher Seite die Kontrolle über die Sexualität des Menschen, von patriarchaler Seite Kontrolle über die Sexualität der Frau, von feministischer Seite Kontrolle über die Sexualität des Mannes, und als Ursache dieser Kontrollwut ein erstaunliches Ausmaß an Angstphantasien.

    Diese Ängste werden dann auf uns projiziert, statt mit uns zusammen nach pragmatischen Lösungen für real existierende Probleme zu suchen. Sexarbeiter_innen können erstaunlicherweise selbst denken und eigene Entscheidungen treffen! Alles, was wir wollen, sind dieselben Rechte wie andere Erwerbstätige auch.

  • Hallo Mitdiskutanten, ich weiß nicht, ob Ihr es schon mitbekommen habt: Das EU-Parlament hat einem Bericht “über sexuelle Ausbeutung und Prostitution” angenommen (hier geht es zur Zusammenfassung). Darin spricht sich das EU-Parlament für das "nordische Modell" im Umgang mit Prostitution aus, wonach der Kauf von sexuellen Dienstleistungen eine Straftat darstellt, die Dienstleistungen von Prostituierten hingegen nicht strafbar sind.

    Auch sonst ist der Parlamentsbericht sehr eindeutig. Das Parlament vertritt die Auffassung, "dass die Einstufung der Prostitution als legale „Sexarbeit“, die Entkriminalisierung der Sexindustrie im Allgemeinen und die Legalisierung der Zuhälterei keine Lösung darstellen, wenn es darum geht, schutzbedürftige Frauen und Mädchen vor Gewalt und Ausbeutung zu schützen, sondern dass sie diese im Gegenteil der Gefahr schlimmerer Gewalt aussetzen, den Prostitutionsmarkt fördern und so die Anzahl der misshandelten Frauen und Mädchen sogar erhöhen;"

    Auch kritisiert das Parlament die Legalisierung der Prostitution in Deutschland, den Niederlanden und Griechenland. Diese komme einer "Genehmigung der sexuellen Ausbeutung" gleich.

    Wie ganz unten erwähnt, weiß ich nicht, was ich vom Postitutionsverbot halten soll. Ich finde aber gut, dass sich das Europaparlament so glasklar positioniert. Was denkt ihr?

    • Lieber Emil,

      das EU-Parlament hat in der Tat diesen Bericht angenommen, der von der britischen Parlamentarierin Mary Honeyball und unter starken Beteiligung der Europäischen Frauenlobby eingeführt wurde. Der Bericht ist jedoch in vieler Hinsicht problematisch, genauso wie das (eigentlich gar nicht existente) "Nordische Modell". Siehe z.B. diesen Artikel:

      Der Bericht ist jedoch ein Schlag ins Gesicht für Sexarbeiter*innen, die seit Jahrzehnten für mehr Rechte, Anerkennung, ein Ende der Stigmatisierung und Teilhabe an politischen Prozessen kämpfen.

      Der Bericht ist aus folgenden Gründen sehr kritisch zu sehen:

      • Keine Sexarbeiter*innen (die direkt Betroffenen) wurden eingeladen und gehört
      • keine Wissenschaftlerinnen, die nicht auch gegen Prostitution sind, wurden gehört. Diese haben den bericht in der Tat aufgrund seiner fehlenden Wissenschaftlichkeit abgelehnt und ihn auch auseinandergenommen. Anerkannte Forscherinnen, die hauptsächlich auch zu Prostitution und Sexarbeit geforscht haben, lehnen diesen Bericht als unwissenschaftlich und ideologisch ab. Quelle

      • Es ist nicht das Ziel des Berichtes Prostituierte zu schützen, indem ihr rechtlicher Status gestärkt wird. Ziel des Berichtes ist es Prostitution abzuschaffen. Die Abschaffung der Prostitution ist aber erst dann erfolgreich, wenn es keine Prostituierten gibt. Die Logik ist also: "Wenn wir es den Prostituierten schwer machen, anstatt ihnen Rechte zu geben, hören sie vielleicht auch mal auf. Aber wenn wir denen die Arbeitsbedingungen verbessern, werden wir Prostitution nie abschaffen."

      • Honeyball und die Europäische Frauenlobby (und auch die EMMA oder Alice Schwarzer) verfolgen nicht das Ziel die Arbeitsbedingungen der Prostituierten zu verbessern, indem z.B. klare Kriterien für gute Arbeitsbedingungen aufgestellt werden. Für sie ist - und das steht auch im Bericht - Prostitution Sklaverei und sie darf nicht durch Arbeitsrechte gebilligt werden. Das führt aber dazu, dass letzendlich eine Verschlechterung der rechtlichen Position von Sexarbeiter*innen, die nicht ihren Job verlassen wollen, in kauf genommen wird, ja gar gefordert wird, denn das würde ja den "Prostitutionsmarkt" fördern.

      • Hunderte von Organisationen weltweit, darunter Sexworker-Organisationen, wie ICRSE oder NSWP, aber auch Anti-Menschenhandels-Organisationen, wie La Strada International und GAATW, Frauenorganisationen, wie z.B. der Deutsche Frauenrat und AWID sowie AIDS-Hilfen und UNAIDS, haben für eine Ablehnung dieses Berichtes plädiert. Dass die Abgeordneten dennoch dafür gestimmt haben, werte ich nicht als Zeichen für das Engagement für das Wohlbefinden von Prostituierten sondern als Zeichen für Ihre Indifferenz gegenüber Sexarbeitern, die nicht gehört wurden, und als Zeichen von der anhaltenden Stigmatisierung dieser Menschen, die in den meisten EU-Ländern rechtlos. Organisationen

      • Zuletzt zeigt das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten, dass die meisten unter ihnen eigentlich nicht vorhaben, Prostituierte zu "entkriminalisieren" oder "repressive Gesetze" aufzuheben. De facto werden die meisten Länder den Bericht nutzen, um nicht nur Prostituierte repressiven und diskriminierenden Gesetzen auszusetzen, sondern auch ihre Kunden zu kriminalisieren. Das "Gewerbe" (Was es de jure ja nur in wenigen Ländern ist) wird in den Untergrund abtauchen, da wo wirklich nur die organisierte Kriminalität die Kontrolle hat. Dieser Bericht wird genutzt werden, um Prostitution komplett zu kriminalisieren und zwar nicht, weil dadurch Prostituierte geschützt werden, sondern weil vielen Politikern die moralische Ablehnung der Prostitution wichtiger ist als ein pragmatischer Ansatz, der das Leben und die Arbeitsbedingungen der Prostituierten verbessern soll. Kommentar

      • Hallo sonjdol, danke für die Einschätzung. Vieles davon wusste ich nicht. Zum Beispiel das krititische Wissenschaftlerinnen und Verbände nicht gehört wurden.

        Trotzdem läuft die EMMA-Kampagne ja nicht ohne Grund und nicht umsonst hat sie so viele prominente Unterstützer. Würdest Du sagen, in Deutschland ist der Markt für sexuelle Dienstleistungen unproblematisch? Ist selbstbestimmte und menschenwürdige Prostitution nicht eher ein Ausnahmefall, und meistens sieht es anders aus? Ich frage mich das wirklich, weil ich das überhaupt nicht einschätzen kann.

        • Dass Unterstützer prominent sind, heißt ja erstmal gar nichts. Außerdem habe ich gehört, dass dieses Prominenten lediglich gesagt wurde, es handelte sich um einen Appell gegen ZWANGSprostitution und nicht gegen Prostitution allgemein. Außerdem haben Prominente meistens wenig oder gar keine Sachkenntnis über so spezielle Themen. Ich sehe nicht, warum irgendwie relevant sein sollte, dass reiche Promis diesen Appell unterzeichnet haben - von der Sache her, ist es egal.

          Für mich ist es unproblematisch, dass Leute Sex kaufen. Ich würde mir ehrlich gesagt eher einen größeren Mark wünsche, wo auch Frauen einen Platz haben. Für Männer wünsche ich mir natürlich, dass der Markt anders ist. Ich glaube nicht, dass Prostitution immer angenehm ist -- aber welcher Job ist das schon.

          Dass selbstbestimmte Prostitution ein Ausnahmefall ist, haben Sie von Alice Schwarzer gehört. Das macht es noch lange nicht wahr. Meines Wissens überwiegen die Grautöne in der Sexarbeit und ehrlich gesagt schaue ich gerne auf die selbstbestimmte Sexarbeit, weil das mein Ideal ist. Warum sollte ich selbstbestimmte Sexarbeit als "Selten" abtun, wenn das doch das Ziel ist? Sollten wir da nicht eher versuchen näher hinzuschauen und fragen: "Welche Bedingungen müssen wir schaffen, dass ALLE Sexarbeiter*innen selbstbestimmt der Sexarbeit nachgehen"?

          • Hallo sonjdol , ich finde Deine Argumente oft sehr überzeugend. Gerne würde ich aber von Dir wissen, ob Du beim Prostitutionsgesetz wirklich keinen Reformbedarf siehst. Was hälts Du davon, dass zulässige Alter von 18 auf 21 hochzusetzen oder wenigstens Flat-Rate-Bordelle zu verbieten? Ich verstehe, dass man den Menschen letztlich nicht verbieten darf, was sie mit ihrem Körper tun, aber ich finde Schutzmaßnahmen des Staates trotzdem legitim. Viele Drogen sind verboten, viele Medikamente sind verschreibungspflichtig, bestimmte Filme sind ab 18 oder werden einfach nicht gezeigt. Ich finde die rein liberale Legalitäts-Lehre einfach zu einfach. Gerne würde ich auch von dir wissen, wie Frauen aus diesem Beruf herauskommen, die ihn eben nicht selbstbewusst und selbstbestimmt machen, sondern weil sie zum Beispiel drogenabhängig sind oder einfach verzweifelt Geld brauchen. Wie würdest Du ansetzen, um diesen Frauen zu helfen?

            • Ich habe nie gesagt, dass ich keinen Reformbedarf sehe. Am wichtigsten fände ich, das jegliche Prostitutionsverbote, die es noch gibt, konsequent abzuschaffen. Es kann nicht sein, dass in Deutschland Sexarbeiter*innen immer noch wegen Sperrbezirksverordnungen und anderen Verboten hohe Strafen zahlen müssen oder sogar eine Haftstrafe absitzen müssen. Das ist kontraproduktiv und hilft niemanden. Dazu u.a. hier: http://menschenhandelheute.net/2014/05/18/stuttgart-zwangsprostituierte-schutz-bestraft-sabine-constabel/

              Das Mindestalter zu erhöhen ist Unsinn - mehr dazu hier: http://menschenhandelheute.net/2013/12/30/warum-es-unsinn-ist-das-mindestalter-fur-die-ausubung-der-sexarbeit-auf-21-zu-erhohen/

              Ich sehe nicht, warum man einer 20 Jahre alten Studentin verbieten sollte, Sex anzubieten und dabei auch mit anderen zusammen zu arbeiten. Letztendlich wird sie es trotzdem tun, wenn sie es will, aber sie darf sich bei niemanden Rat einholen, wie das geht, denn sonst werden die Hilfebietenden dafür bestraft. Letztendlich führt also ein solches Verbot dazu, dass die 20jährige Studentin völlig uninformiert, alleine und ohne Hilfsangebote TROTZDEM der Prostitution nachgeht. Halt unsicherer.

              "Gerne würde ich auch von dir wissen, wie Frauen aus diesem Beruf herauskommen, die ihn eben nicht selbstbewusst und selbstbestimmt machen"

              Selbstbewusst und selbstbestimmt sind zwei unterschiedliche Wörter. Bitte klären Sie, was Sie damit meinen. Abgesehen davon, sehe ich nicht wie ein verbot "Selbstbewusstsein" und "Selbstbestimmung" herstellen soll. Das kann im Zweifel nur ein stark arbeitsrechtlich orientierter Ansatz tun. Nur wer Rechte hat, sie kennt, wird sie auch durchsetzen und somit selbstbewusst und selbstbestimmt arbeiten. Aber Sexarbeiter*innen verwehren wir diese ja immer noch und glauben, dass Polizeikontrollen von Pässen ein guter Ersatz sind. Gibt es eine andere Branche, in der wir Arbeitsrechte zugunsten polizeilicher Razzien aufgeben würden?

              Falls sie "freiwillig" (nicht selbstbewusst) meinten: Es ist verboten, jemanden zur Prostitution zu zwingen. Das ist pure Vergewaltigung. Dass es im Bereich Menschenhandel an vielen Ecken hakt, hängt nicht mit dem Prostitutionsgesetz zusammen sondern mit den immer noch fehlenden Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene von Menschenhandel. Meistens gibt es überhaupt keinen Grund für Betroffene sich bei der Polizei zu melden, weil sie nichts davon hätten. Wortwörtlich nichts. Außer vielleicht (!) eine Verurteilen. Aber keine Entschädigung, keinen Aufenthalt, keinen Job. Nur Hartz IV oder Bezüge aus dem Asylbewerberleistungsgesetz. Vielleicht sollten wir mal darüber reden, wie schlecht Deutschland mit Betroffenen von Menschenhandel umgeht!

              Drogen: Ich bin keine Sozialarbeiterin, ich muss und will auch kein Konzept vorlegen, wie ich drogenabhängigen Menschen helfen kann. Das machen qualifiziertere Leute und es gibt auch schon gute Ansätze dazu, die unter dem Begriff "harm reduction" zusammengefasst werden. Auch da stehen Unterstützungsangebote vor Verboten. Tatsache ist, dass dieses Segment nicht die Mehrheit der Sexarbeiter*innen stellt und es daher auch nicht die grundsätzliche Debatte über Sexarbeit prägen soll. Es gibt ja auch genug Drogenabhängige in Hochleistungsbranchen, wie z.B. der Unternehmensberatung und trotzdem gibt es da immer noch keine Diskussion über Ausstiegsberatungen, obwohl das eine Branche ist, die das aus meiner Sicht dringend nötig hätte.

              Zuletzt: Wer verzweifelt Geld braucht und sich für die Sexarbeit entscheidet (nicht alle, die verzweifelt Geld brauchen, machen Sexarbeit), soll das in einem sicheren und geschützten Umfeld tun dürfen. Ich sehe ehrlich gesagt das Problem nicht. Es gibt genug Leute, die aus purer Armut arbeiten (wer arbeitet letztendlich nicht wegen des Geldes? Die Reichen? Ok.). Oft arbeiten sie unter wirklich sehr schlechten Arbeitsbedingungen. Aber noch nie ist jemand auf die absurde Idee gekommen, es sei sinnvoller die Fleischindustrie, die Baumindustrien, die Pflege, usw. abschaffen zu wollen, weil es dort Ausbeutung gibt. Ich denke wir sind uns da alle einig, dass gute Arbeitsbedingungen und einklagbare Arbeitsrechte die Lösung sind. Bei der Prostitution sehe ich das nicht anders.

              Eine Anmerkung zum "Hilfe"-Vokabular: Wenn Sie mal mit einer Sexarbeiterin geredet haben, werden sie merken, dass diese Frauen zwar nicht immer in optimalen Lebensverhältnissen sind, aber sie sind nicht dumm, sie sind nicht auf den Kopf gefallen und sie können sie sehr wohl selber helfen. Sie lehnen eine Hilfe, die von oben herab kommt, auch oft ab. Es geht hier nicht um "Hilfe" sondern es geht um Ermächtigung, Stärkung und Respekt. Mein Ziel ist es, dass die Strukturen und gesellschaftliche Situation so ist, dass Prostituierte keine Hilfe brauchen, weil sie ein- und aussteigen können, wann sie wollen, ohne Stigma und Ausgrenzung zu fürchten.

              • Danke für die ausführliche Antwort. Fühle mich sehr überzeugt gerade und werfe die Flinte ins Korn. Was ich mich mittlerweile frage, ist, warum EMMA und Menschenhandel.net nicht zusammen eine differenzierte Kampagne starten - sind die Gräben so groß?

                • "sind die Gräben so groß?"

                  Ja.

                  Ich: Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit verbessern

                  EMMA: Prostitution abschaffen; Verbesserung von Arbeitsbedingungen geht nicht, weil Prostitution als Gewalt definiert wird

                  Ich setze mich für Rechte von Sexarbeiter*innen ein - wie oben erläutert

                  EMMA setzt sich für Verbote ein, Abschaffung regulierender Maßnahmen (also auch arbeitsrechtlicher Natur) und für Kriminalisierung von Kunden

                  Ich: Menschenhandel gibt es in vielen Branchen, nicht nur in der Sexindustrie und Sexarbeit und Menschenhandel kann man klar trennen

                  EMMA: Prostitution ist grundsätzlich Frauenhandel (Handel mit der "Ware" Frau) und ist nie freiwillig.

                  Ich: Sexarbeiter*innen sind Menschen und sie verkaufen nicht sich oder ihren Körper sondern Dienstleistungen (vergleichbar mit Pflege)

                  EMMA: Prostitution macht Frauen zur Ware; Sex kann keine Dienstleistung sein

                  Ich könnte noch länger weiter machen. Von meiner Seite würde ich auch mit EMMA und anderen Prostitutionsgegner*innen reden, aber man wird ja ständig verleumdet (Zuhälter-Lobby), verniedlicht (Sonjalein) und angegriffen, weil man (ich) nicht gegen Prostitution bin.

                  Der Graben ist auch nicht neu - den gibt es seit den frühen 1980er Jahren, als sich die Frauenbewegungen um das Thema endgültig gespalten haben.

  • Liebes Forum, ein Hinweis: Kahina Toutaoui, die die grundsätzlichen Gegenpositionen in Debatten gerne graphisch herausarbeitet, hat ein Schaubild zum Diskurs um die Prostitutions-Gesetzgebung gezeichnet. Grundlage ist die Zusammenfassung dieser Debatte und die neue Diskussion "Neues Prostitutionsgesetz: Der richtige Weg?".

    SCHAUBILD ÖFFNEN

  • Liebes Forum,

    ein Hinweis der Redaktion *: Wir haben das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nach seiner Position in dieser Debatte gefragt. Die Pressestelle teilt uns mit (3. Juni), es gebe noch keine Eckpunkte für die geplante Reform des Prostitutionsgesetzes, am Gesetzentwurf werde aktuell gearbeitet. Eine Sprecherin erklärt:

    "Zentrales Anliegen von Bundesministerin Manuela Schwesig ist es, in dieser Legislaturperiode die Rechtsgrundlagen zum Schutz von Frauen und Männern in der Prostitution entscheidend zu verbessern. Besonders wichtig ist dabei eine wirksame gesetzliche Regulierung von Prostitution: Um auf die Arbeitsbedingungen für Menschen in der Prostitution Einfluss nehmen zu können und einen besseren Schutz vor Ausbeutung und Einschränkungen ihrer sexuellen Selbstbestimmung zu gewährleisten, müssen Prostitutionsstätten und andere Bereiche des Prostitutionsgewerbes einer effektiven rechtsstaatlichen Kontrolle unterworfen werden."*

    Am 12. Juni will das Ministerium eine nicht-öffentliche Expertenanhörung zum Thema durchführen. Einbezogen würden die unterschiedlichen fachlichen Sichtweisen, Meinungen und Interessen aller maßgeblichen Akteure einschließlich von Vertretungen der Sexarbeiter/innen sowie der betroffenen Branche.

    Zu der Anhörung werden verschiedene Sachverständige eingeladen, u.a. Vertreter/innen der sozialpolitisch wichtigen Bundesspitzenverbände, von frauen- bzw. menschenrechtspolitisch bedeutsamen NGO´en bzw. deren Verbänden, aus fachpolitisch bedeutsamen Zusammenschlüsse von Beratungsstellen für Prostituierte und Menschenhandelsopfer, aus Strafverfolgungspraxis, Prostituiertenvertretung, Bordellbetreibervertretung sowie Wissenschaftler/innen und Vertreter/innen der gleichstellungspolitischen Fachministerien der Bundesländer.

  • Nur ein kurzer Hinweis der Redaktion: Wir haben den Hintergrund-Artikel zur Prostitutionsdebatte ergänzt, um den Abschnitt "Was will das EU-Parlament" und eine Verlinkung auf den hier diskutierten Text "Lieber Sexarbeit als Hartz IV".

  • Ich möchte mal kurz den oben eingestellten Text kommentieren, weil er an vielen Stellen sehr unscharf und missverständlich ist:

    Momentan wird überall darüber diskutiert, ob Prostitution bestraft werden müsse: Nachdem Frankreich diese per Gesetz verbieten lassen will, plant nun auch die große Koalition eine Verschärfung des Prostitutionsrechts.

    Wir dürfen nicht so allgemein von "Bestrafung" oder "Verbot" der Prostitution sprechen. Die Gesetzgebung zu Prostitution ist komplex und sehr vielfältig. In Frankreich wird Prostitution nicht verboten, nur der Kauf von Sex wird bestraft sowie die "Zuhälterei". Aber hier kommt der Klou: Wenn zwei befreundete Sexarbeiterinnen zusammen arbeiten und sich gegenseitig unterstützen, gilt die eine als jeweils Zuhälterin der Anderen. De facto werden als Prostituierte, die sich schützen wollen, indem sie mit anderen Frauen zusammenarbeiten, kriminalisiert - obwohl Frankreich sagt, dass Prostituierte straffrei bleiben.

    Verbote kommen in vielen Facetten und Varianten und auch in Deutschland ist Deutschland vielerorts verboten. Aber da alle lieber über die angebliche Komplett-Legalisierung sprechen, um für mehr Verbote zu werben, spricht niemand darüber, dass es den Paragraphen der "Verbotenen Prostitution" gibt, der dazu führt, dass jährlich über 1500 Prostituierte bestraft werden (das sind drei Mal so viele, wie es Betroffene von Menschenhandel gibt). [Polizeiliche Kriminalstatistik] (https://www.bka.de/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/pksnode.html?nnn=true)

    Man spricht aber nicht über das Verbot in Deutschland und über die negativen Auswirkungen desselben. Eigentlich ist dieses Überbleibsel früherer repressiver Ansätze dafür verantwortlich, dass Prostituierte heute immer noch vom Staat gezwungen werden, in Milieus zu arbeiten, wo die organisierte Kriminalität regiert - woanders dürfen sie nämlich gar nicht legal arbeiten. Reden wir dochmal darüber! Nicht über die Legalisierung, sondern über das verbot, das eine echte Legalisierung verhindert!

    Grundsätzlich empfand ich die Entscheidung der rot-grünen Koalition in 2002 Prostitution zu legalisieren, als sinnvoll, um sie aus der Grauzone der Kriminalität herauszuholen und beispielsweise Zwangsprostitution einzudämmen.

    1) Prostitution war auch schon vorher legal. Der Vertrag zwischen Prostituierter und Kunde galt jedoch als sittenwidrig (er war also nicht gültig), sodass eine rechtliche Grauzone entstand, die Prostituierte "Rechtlos" ließ.

    2) Das ProstG sollte eigentlich viel weiter gehen und ein Grund, warum wir heute viele Probleme haben, ist, dass damals der CDU-dominierte Bundesrat kein ProstG wollte und somit nur ein halbes, viel zu schwaches Gesetz verabschiedet werden konnte. Damals hat die CDU z.B: die Regulierung der Prostitution als Gewerbe abgelehnt. Heute will die CDU genau das. Mh. Sie haben wohl was gelernt, stellen aber die falsche Partei an den Pranger.

    3) Zwangsprostitution sollte nicht durch das ProstG eingedämmt werden sondern durch das Gesetz gegen Menschenhandel!

    Nun hat sich der Menschenhandel hierdurch aber nicht ‚eindämmen’ lassen

    Ziel des Prostitutionsgesetzes war es (wortwörtlich) die ["Rechtsverhältnisse der Prostituierten"] (http://www.gesetze-im-internet.de/prostg/) zu regulieren. Es gibt Gesetze gegen Menschenhandel, die das Ziel haben, den Menschenhandel einzudämmen. ich verstehe nicht, warum alle immer wieder in diese Falle tappen. Als würde man Vergewaltigung durch eine Regulierung einvernehmlichen Sexes reduzieren können und nicht durch Paragraphen, die sich direkt auf Vergewaltigung beziehen. Die Frage ist also eher: Sind die geltenden Gesetze gegen Menschenhandel zur Bekämpfung desselben geeignet? Die Frage ist aber zu heikel und auch zu unsexy, weshalb sie viel zu selten diskutiert wird, u.a. weil dann die Opferrechte gestärkt werden müssten. Aber das will ja niemand, wie neuerdings in [Berlin] (http://menschenhandelheute.net/2014/01/29/berlin-spd-und-cdu-gegen-menschenhandelsopfer/) deutlich wurde.

    und Flatrate-Bordelle werden immer größer und erfolgreicher. Aber ist es deshalb sinnvoll mit Alice Schwarzer nach einer stark restriktiven System wie in Schweden zu schreien, bei dem besonders die Freier zur Kasse gebeten werden?

    Nein, das Schwedische Modell basiert auf der Stigmatisierung und Entrechtung von Prostituierten. [Es hilft ihnen nicht] (http://menschenhandelheute.net/2012/02/24/prostitution-in-schweden/)

    Wie bekommen wir es hin, dass die Würde und Sicherheit der Prostituierten gewahrt bleibt?

    Ich würde sagen, dass man da einfach mal mit Sexarbeiter*innen drüber sprechen sollte. Die Würde sehen die meisten von ihnen ja nicht angegriffen (ich spreche jetzt wohlbemerkt von Sexarbeit, nicht von Zwangsprostitution).

    Auch was die Sicherheit betrifft wissen doch die Sexarbeiterinnen am besten, welche Gesetze ihre Sicherheit gefährden. Und schaue her, die meisten sagen, dass alle Gesetze, die sie in den Untergrund treiben, die ihnen nicht erlauben selbstständig und selbstorganisiert mit anderen Kolleginnen zu arbeiten, ihre Sicherheit gefährden.

    Aber hier werden noch ein paar andere Punkte vergessen, denn es geht nicht nur um Sicherheit und Würde. Es geht um "Respekt" für Sexarbeiter*innen und darum der verbreiteten Stigmatisierung endlich ein Ende zu bereiten. Wir müssen aufhören von oben herab und als unbeteiligte Außenstehende über die Arbeit und das Leben anderer zu entscheiden. Würden wir das bei anderen Jobs auch tun?

    Denn Prostitution gänzlich abzuschaffen geht meiner Meinung nicht!

    Nein, wie soll das auch geschehen. Es ist eine gesellschaftliche Praxis, die es immer geben wird - in der einen oder anderen Form. Und sei es in der Form eines Dates, wo Frau mit Mann ins Bett geht, wenn er sie zu einem teuren Essen einlädt.

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  • Es gibt ja die These, dass sich ein Prostitutionsverbot nicht durchsetzen lässt (Ältestes Gewerbe der Welt usw.). Daher die Frage: Gibt es verlässliche Zahlen und Fakten zu einem erfolgreichen Verbot? In Schweden scheint es nicht perfekt zu funktionieren

    • Rakaba

      1. Prostitution ist nicht das älteste Gewerbe der Welt, sondern eine der ältesten Arten von Ausbeutung von Frauen. Es gab Zeiten und Gesellschaften (und gibt es noch heute), da gehörten Frauen quasi zu Haushalt (wie das Vieh).

      2. Sicher lässt sich ein Prostitutionsverbot nicht so ohne weiteres durchsetzen. Nur weil ein Gesetz auf dem Papier steht, dass Prostitution verbietet, ist sie ja nicht weg. Die Frage ist deshalb: In was für eine Gesellschaft wollen wir leben? Öffnen wir dem Kapitalismus Tür und Tor - und lassen zu, dass (Frauen)Körper bzw. (Frauen)Körperöffnungen zur Ware werden, dass Sex beliebig gekauft und verkauft werden kann und öffnen damit den Weg für Zuhälter, Menschenhändler und Bordellbesitzer, die damit fett Kohle machen? Oder haben wird dem etwas entgegenzusetzen.

    • Das würde mich auch mal interessieren. Es scheint generell so, dass es trotz Legalisierung nur wenig verlässliche Zahlen bezgl. Prostitution in Deutschland gibt. Die Zahlen der in Deutschland tätigen Prostituierten schwanken enorm und auch über die Freier gibt es so gut wie keine Zahlen. War nicht ein Ziel der Lagalisierung, genau solche Untersuchungen anzustellen und damit die Prostitution aus der Illegalität zu holen? Ich habe den Eindruck, man weiß besser wie viel illegale Schwarzarbeit existiert als legale Prostitution.

      • Das liegt unter anderem daran, dass viele Sexarbeiterinnen sich nicht öffentlich outen wollen, weil sie keine Lust darauf haben, in ihrem privaten Umfeld diskriminiert und ausgegrenzt zu werden. Vergleiche dazu den Hintergrundbericht:"Lieber Sexarbeit als Hartz IV"

      • berta ist dafür
        +1

        @Patrick Müller Warum wohl? Weil es eine hohe Dunkelziffer gibt. Weil der Prostitutionsmarkt sich verändert hat und ein Großteil der Frauen aus armen Ostblockländern zu uns kommen und sich hier prostituieren bzw. zur Prostitution gezwungen werden. Wer hat denn ein Interesse daran, dass diese Frauen irgendwie "registriert" werden? Die Zuhälter? Die Bordellbesitzer? Die Frauen? Die Freier vielleicht? Wohl eher nicht. Einfach mal am Straßenstrich langfahren, das öffnet die Augen.

      • Nein, es war nicht das Ziel der "Legalisierung", mehr Zahlen zu sammeln. man weiß in der Tat nicht, wie viele Prostituierte es gibt, aber das war auch nicht das Ziel. Hinzukommt dass viele Prostituierte beim Finanzamt nicht Prostitution als Tätigkeit angeben, weil sie Stigma fürchten. Und mal ganz im ernst - bei der aktuellen Stimmung und Hetze kann ich das gut nachvollziehen.

      • siehe auch meine Debatte hier: https://partizipation.publixphere.de/i/prostitution/proposal/292-Wer_geht_zu_Prostituierten

  • Warum soll nicht wenigstens die menschliche Sexualität – immerhin ein wesentlicher Teil des Lebens und für viele Menschen grundlegender Bestandteil ihrer Identität – von einer neoliberal-kapitalistischen Verwertungslogik ausgenommen sein?

    • Grundsätzlich wäre das zu befürworten. Aber wie willst du das schaffen? Dies bedeute ja, dass man jeder Prostituierten (oder auch ProstituierteM) die Entscheidungsfreiheit abnehmen müsse. Neben extrem schlimmen Zwangsprostitutionssytemen, gibt es immer wieder Menschen, die sich aus freien Stücken dazu entscheiden, diesen Job auszuüben. Ich denke auch, dass viele durch bestimmte (nicht frei entschiedene) Situationen das Gefühl haben, sich prosituieren zu müssen. Auch dieses könnte man als Zwangsprostitution im weitesten Sinne verstehen. Aber sollten wir deshalb paternalistisch als Staat entscheiden, dass dies alles verboten gehöre?

      • Emil ist dafür
        +2

        Ich glaube das ist der entscheidende Punkt, die Bestimmung von Zwang und Freiwilligkeit. Zeit Online fasst die schwedische Verbotsbegründung so zusammen: "Das moralische Selbstverständnis hinter dem schwedischen Gesetz besagt, dass es einen selbstbestimmten Sexarbeiter nicht geben kann." Es bestehe immer ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister. Wenn man es so grundsätzlich sieht, kann der Staat durchaus eingreifen.

        • HekateGT ist dagegen
          +1

          DANN müsstest Du, wenn Du konsequent bist, AUCH gegen Leiharbeit, Werkverträge und Billigjobs sein -und selbstverständlich auch gegen Hartz IV! Es gibt IMMER ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Und wenn man es grundsätzlich sieht, hätte der Staat hier sogar die PFLICHT, einzugreifen - er tut es aber nicht, weil eine billige, willige Reservearmee, die man mit Sanktionen etc. unter Druck setzen kann, politisch gewünscht und gewollt ist. Und wenn HIER Frauen aus dieser Reservearmee ausbrechen und z.B. in die Sexarbeit gehen um sich noch einen Rest von Selbständigkeit zu sichern, dann ist das natürlich ein Schlupfloch, das man dicht machen muss. Denn wohin kämen wir, wenn die Arbeitssklavinnen sich noch das letzte Bisschen Verfügung über ihren eigene Körper selbst vorbehalten würden ?

        • Aber was besagt dieses schwedische Selbstverständnis aus? Und was steckt da wiederum für ein Frauenbild hinter? Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister ist bestimmt extremer als in anderen Berufen (die ebenfalls häufig vom Staat reglementiert werden), aber geht es nicht viel mehr darum die Rechte der Dienstleisterin zu stärken?

          • Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Käufer und Dienstleister ist bestimmt extremer als in anderen Berufen

            Wie kommst du darauf?

          • Die Rechte stärken - klar, da sind wir alle dacor denke ich. Und bei der grundsätzlichen Frage, ob der Staat einschränken darf, wie ich mit meinem Körper (und meiner Seele?) umgehe, bin ich echt ratlos.

            • Nein, der Staat darf und soll kein Recht haben, mir die Entscheidung abzunehmen, was ich mit meinem Körper mache. Ich bin weder Eigentum noch Sklavin des Staates. Wir sind ja zum Glcük so weit gekommen, dass Bürgerrechte anerkannt sind und Menschen auch vor staatlichen Eingriffen geschützt sind. Der Staat darf meinetwegen Sexarbeit besteuern oder wie (andere Jobs) regulieren, aber vorschreiben, ob man das tun darf oder nicht, definitiv nicht. Wenn wir das erlauben, dann kommt als nächstes das Verbot des außerehelichen Sexes oder homosexueller Handlungen.... Wo darf der Staat beim einvernehmlichen Sex unter Erwachsenen eingreifen und wo nicht? Entweder immer oder nie. Und ich sage: Nie.

    • Warum sollen Menschen nicht mir ihrer Sexualität anfangen dürfen, was sie wollen, solange kein Zwang im Spiel ist? Kapitalismus hin, Kapitalismus her: Ich finde es schlimmer, dass Menschen ihr Gehirn und ihre Intelligenz an Konzerne verkaufen, um Kohle auf dem Rücken armer Menschen zu verdienen.

      Abgesehen davon, gab es schon immer Prostitution. Mit Kapitalismus hat die heutige Ausprägung sicher viel zu tun. Aber war das im alten Griechenland oder in den mittelalterlichen Städten auch Kapitalismus? ich glaube, dass wir da nicht weit kommen...