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Edathy und Co.: Vorverurteilung inakzeptabel!


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Ein Beitrag von Louisa

Die letzten Tage konnte ich mich nur noch über die mediale Berichterstattung, die Reaktionen der politischen Akteure und die hannoverische Staatsanwaltschaft aufregen.

Wie ist es möglich, dass momentan keine Unterscheidung mehr zwischen Recht und Moral gemacht wird?

Sebastian Edathy durfte strafrechtlich die Bilder bestellen. Das kann man moralisch verurteilen, aber mehr auch nicht. Es gab keinerlei Anfangsverdacht, der eine Hausdurchsuchung berechtigte - und erst recht nicht, dass dies den Medien gesteckt wird, die ausführlich berichten ohne zu wissen, was dahinter steckt.

Wo bleibt bei dem Sankstionsbedürfnis der Gesellschaft noch die Unschuldsvermutung?

Und alle machen mit: Die eigene Partei, die mit dem Ausschluss droht (obwohl sie immer noch einen Sarrazin in ihren Reihen duldet); die Staatsanwaltschaft in Hannover (die auch schon Wulf vor Gericht gebracht hat aufgrund einer obskuren Indizienkette) und selbstverständlich die Medien, die immer gerne draufhauen, wenn es um 'Kinderschänder' geht.

Und das, obwohl es schon mehr als ein Zufall zu sein scheint, dass der 'Inquisitor' des NSU-Untersuchungsausschusses nun genau von denjenigen, denen er Versagen vorwarf nun öffentlich versucht wird hinzurichten. Den Geheimdiensten...

Das fühlt sich wie ein Lynchmob an. Und genau diese (mediale und juristische) Vorverurteilung sollte verboten sein!


Kommentare

  • Ja, da kann ich nur zustimmen und mich auch nur drüber aufregen...Hier gibt es einen gutes Interview, in dem das "Medienspektakel" um Edathy und Wulff usw. von einem Rechtsphilosophen nochmals analysiert wird. Ich wünsche mir einfach mehr handfesten, gut recherchierten Journalismus, der mit klaren Fakten arbeitet und Prozesse mit prominenten Persönlichkeiten nicht nur dazu nutzt, ein mediales Spektakel zu veranstalten - wahrscheinlich um Klick- und Verkaufszahlen zu steigern... auch wenn ich jegliche Verwicklungen von Personen mit dem Thema Kinderpornografie natürlich in keinster Weise toleriere - was sagt sowas nur über unsere Gesellschaft aus?! Peinlich!

  • Mich ärgern Vorverurteilungen auch. Vor allem bei Wulff hätte ich mir mal eine Entschuldigung von zum Beispiel der Bild-Zeitung gewünscht, wo ein Kampagnen-Journalist wie Nikolaus Blome Wulff sehr früh "abschoss" und dagegen Guttenberg ewig lange retten wollte, sogar mit höchst rätselhaften Leserumfragen ("Ja, wir stehen zu Guttenberg!""). Auch ein Jörg Kachelmann tut mir inzwischen leid, jetzt blogt er höhnische Beschimpfungen gegen die ARD und das Medien-Establishment, aber wird er jemals rehabilitiert? Er kommt mir wie ein gebrochener Mann vor. Und selbst wenn er eine Art Geheim-Harem organisiert haben sollte, wie Bunte und Co das monatelang ausbreiteten - geht uns das irgendwas an?

    Also worauf könnte sich die Gesellschaft einigen? Jemand ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist? Da wirds schon schwer. Könnte Edathy im Amt bleiben, obwohl er bei einer widerlichen Firma Kinderfotos gekauft hat? Oder hätte er schon das als Mensch und Politiker einfach nicht tun dürfen, allein schon um dieses Pornonetzwek nicht finanziell zu unterstützen? Muss er ein Bekenntnis ablegen, ob er pädophil ist oder nicht? Was passiert, wenn er sagt, er ist pädophil, lebt das aber nicht zum Schaden von Kindern aus? Würde die Gesellschaft so jemanden als Politiker dulden? Ich weiß es nicht, und um diese krassen Fragen drücken sich die meisten Debatten wohl nicht ohne Grund. da geht es dann lieber ums Strafrecht.

    Also ich verstehe den Einwand, glaube aber Rücktritte unterliegen nicht nur der Logik des Strafgesetzbuches, sondern immer auch der gesellschaftlichen Moral und der politischen Stimmung. Ich fände es zunächst einmal gut, auch moralisch und politisch die Unschuldvermutung als festen Grundsatz so gut es geht zu leben, und einseitigen, vorschnellen und auch ökonomisch motivierten Medienkampagnen eine klare Absage zu erteilen. Das löst aber noch lange nicht das Dilemma, manchmal irgendwo zwischen "Hatz" und berechtigen moralischen Fragen zu balancieren.

    Gut fände ich auch eine Kultur der Rehabilitierung. Menschen, die zu Unrecht medial oder vor Gericht "verfolgt" wurden, haben das gute Recht auf Rückkehr und manchmal auch auf eine Entschuldigung.

    • Oh ja, Rabaka. Erst recht, nachdem nun heute Christian Wulf freigesprochen wurde. Wer entschuldigt sich jetzt nun bei ihm? Die Gesellschaft?

      Die Medien betreiben momentan zwar mancherorts Medienschelte und vielleicht hört man bei dem ein oder anderen Kommentar eine kleine Entschuldigung heraus, aber das ist ja noch keine Rehabilitierung, oder?