+5

Herr Juncker, wie werden Sie nun angesprochen?


CC BY 2.0 by European People's PartyFoto & Teaser: CC BY 2.0 by European People's Party


Ein Diskussionsanstoß der Redaktion

Was bedeutet die Nominierung Junckers durch die EU-Kommission? Ist Europa wirklich demokratischer geworden? Und wann, Herr Juncker, erklären Sie uns Ihre Agenda?

26:2 Stimmen. Nur Großbritanien und Ungarn stimmten am 27. Juni gegen eine Nominierung Junckers als Komissionspräsident. Die Wahl durch das EU-Parlament wird er ohnehin für sich entscheiden. Nach dem Gipfel brüskiert der britische Premier Cameron sich jedoch weiter dagegen. Welche Konsequenzen muss er nun ziehen?

Außerdem: Das von den Regierungschefs vorgegebene Arbeitsprogramm für den zukünftigen Komissionspräsidenten ist umfassend, lässt ihm aber durchaus Handlungsräume.

Was wird also nun mit Europa, mit Datenschutz, Energiewende und Föderalismus?

Was meint ihr? Wie sollte es nach Junckers Amtsantritt weitergehen?


Kommentare

  • Wahrscheinlich wird sich mit Juncker als Kommissionspräsident erstmal nicht viel ändern. Das ist zunächst auch gar nicht so wichtig. Bei der Frage, ob Die Staats - und Regierungschefs Jucker bestätigen, ging es weniger um die Outputlegitimität der Kommission als um Inputlegitimät und die Stellung des europäischen Parlamentes. Es wurde ein Präzendenzfall geschaffen. Das war wichtig. Um aber Europa wieder auf Kurs zu bekommen werden viel weitreichendere Reformen nötig sein. Zumindest die Eurozone muss sich zu einer vollständigen demokratischen Union zusammenschliessen. Natürlich ist zu hoffen, dass Juncker seine neue Rolle bis es soweit ist offensiv interpretiert und sein Handeln auch öffentlich von der Legitimation durch das Parlament ableitet. Mangelnde Resscourcen und das fehlende öffentliche Profil schrenken seinen Handlungsspielraum aber extrem ein. Wir sollten nicht zu viel von ihm erwarten. Dass das Parlament seinen Kandidaten durchsetzen konnte war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Weitere müssen folgen.

    • Ich sehe es auch so, es ist nur ein erster Schritt. Ich weiss auch gar nicht, ob jetzt das Fundament für gewählte Kommissionspräsidenten schon fest genug ist, das zeigt sich vielleicht bei den nächsten Europawahlen 2019. Haben die Europäer dann in Gänze realisiert, dass sie den Präsidenten wählen können? Wird Juncker dann an seinen Wahlversprechen gemessen (an die ich mich schon nicht mehr erinnern kann)? Dürfen die Kandidaten dann ihr "Regierungsprogramm" selbst festlegen? Also diese EU-Demokratie sieht noch reichlich fragmentarisch und zusammengeschustert aus.

    • Ihr würdet also einen Austritt der Briten gleichsam akzeptieren? - Föderalisierung der Eurozone schließlich käme doch gleich damit die Dänen und GB faktisch außen vor zu lassen?! Ich fände eine vereinigtes Europa ohne die Insel tatsächlich...schwierig, denken wir doch an eine gemeinsame Geschichtsschreibung, Außenpolitik, Finanzmärkte ect. - viel wichtiger aber heute: die Wiederwahl von Martin Schulz zum Präsidenten des Europaparlamentes - von dem hört man ja immerhin auch was und er ist unser Mann, wenn es um mehr Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz geht, oder?!

      • Hi Paul,

        Natürlich hätten wir die Briten lieber dabei! Allerdings ist davon auszugehen, dass eine föderale Lösung Vielen auf der Insel zu weit gehen würde. Wir haben daher in unserem Statement of Principles auch die Möglichkeit einbezogen, dass GB nicht voll mitziehen kann:

        • "Our expectation is that all current and aspirant members of the Eurozone will wish to join the Democratic Union. In the event of Great Britain declining to join the new Union as a full member, the closest possible economic, political, and military links should be maintained with London in a new European Confederation."

        Münchaus Argument, dass die Briten den Einigungsprozess bremsen, spielt dabei auch eine Rolle. Wenn Europa erst einmal seine neue Form gefunden hat, können die Briten ja immer noch entscheiden, ob sie nicht doch lieber dabei sein wollen. Bis dahin sollte man sich mit gegenseitigem Respekt behandeln und die Bedenken der Briten ernst nehmen, nicht aber notwendige weitere Schritte aus Rücksicht auf London verschleppen.

        Was Schulz angeht: Juncker wäre jetzt wohl nicht Kommissionspräsident, wenn Schulz nicht den Artikel 17 des Lissabon-Vertrags (zur Beteiligung des EP bei der Wahl des Kommissionspräsidenten) so offensiv interpretiert hätte. Das ist ein grosses Verdienst des Parlamentspräsidenten und Kandidaten Schulz!

        • Man könnte auch etwas spöttisch sagen, Schulz und das EP setzen EU-Demokratie durch, ohne dass sie von den Bürgern darum gebeten werden. Die haben diesen Systemwechsel nämlich großteils gar nicht groß verinnerlicht (die Presse zu 90 Prozent auch nicht). Aber das EP kann auch ohne Bürger / breite Debatte seine Kreise weiter ziehen, das kennen Schulz und Co. nicht anders.

          • Das stimmt natürlich. Die "schleichende Demokratisierung" ging an den Bürgern weitgehend vorbei. Und das ist auch verständlich. Denn weder kann Juncker sein "Kabinett" (die nach National-Proporz von den Regierungschefs ausgeklüngelten Kommisare) bestimmen, noch sein eigenes Programm auflegen. Zumindest diesmal war noch nicht wirklich nachvollziehbar, wenn oder was man da genau wählt. Da sollte es auch nicht wundern, wenn die Wahlbeteiligung erst mal niedrig bleibt. Trotzdem ist die verfahrenstechnische Neuerung wichtig! Erstens weil der Präsident der Kommission jetzt dem Parlament verpflichtet ist, das ihn ins Amt erhoben hat. Und zweitens weil jetzt keiner mehr sagen kann: "Die in Brüssel hat doch keiner gewählt!" Unzufriedenheit mit der Politik der Kommission drückt sich fortan an der Urne aus und das erhöht den Druck auf Juncker und seine Nachfolger, echte Kontrolle über das politische Handeln der Europäischen Bürokratie zu erlangen. Durchaus vorstellbar, dass es für die Staats-und Regierungschefs jetzt schwerer werden wird, auf dem Umweg über Brüssel unpopuläre Gesetzte durchzudrücken nur um sich dann hinter "Richtlinien" zu verstecken. Die "weiten Kreise" der europäischen Schattenregierung würden somit enger. Dann wäre wohl ein Konflikt zwischen Brüssel und den nationalen Regierungen vorprogrammiert. Öffentliche Aufmerksamkeit garantiert.

  • Liebe Diskussionsteilnehmer!

    Folgende neue Diskussion zum Nominierungsprozess der Spitzenkandidaten könnte euch ebenfalls interessieren: Europäische Spitzenkandidaten upgraden: Lehren aus der #GreenPrimary.

    Der Leiter des Europawahlkampfs 2014 der Europäischen Grünen Partei erläutert auf Publixphere die Aktion #GreenPrimary - die europaweite Online-Abstimmung zu den Spitzenkandidaten der Europäischen Grünen für die Europawahl 2014. Er sagt:

    Zweifelsohne war der Spitzenkandidatenprozess der Europawahl behaftet von Defiziten und Cameron merkt zurecht an, dass Juncker auf keinem Wahlzettel stand und von keinem Bürger direkt gewählt wurde. Die Schlussfolgerung hieraus muss allerdings sein, die Nominierung der Spitzenkandidaten demokratischer, öffentlicher und transparenter zu organisieren.

    Seht ihr das auch so? Dann diskutiert hier mit!

  • zunächst mal würde ich gerne, dass herr juncker aus der versenkung auftaucht und für echte europäische demokratie eintritt. zwar konservativ, doch mit linker neigung ist er nebst all seiner kontakte nicht die schlechteste wahl. aber wieso wird ihm überhaupt ein programm vorgeschrieben???