Europäische Global Player und ihre Lieferketten - freiwillige Kontrolle?!
Europäische Unternehmen sind weltweit tätig und ihre Lieferketten erstrecken sich über eine Vielzahl von Ländern. Insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländer sind begehrte Produktionsorte von Unternehmen, da die Lohnkosten bisher noch weit unter europäischem Durchschnitt liegen. Die Geschäftstätigkeit international agierender Firmen hat einen immer größeren Wirkungskreis und Einfluss auf Arbeits- und Lebensbedingungen in den betreffenden Staaten. Mit dem Trend hin zu einer Globalisierung der Wirtschaft treten daher neue Herausforderungen auf – insbesondere mit Hinblick auf den Menschenrechtsschutz.
Rechtliche Standards? Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
Nach geltendem Recht gehören private Unternehmen nicht zum Kreis der unmittelbar aus dem Völkerrecht verpflichteten Völkerrechtssubjekte und sind somit auch nicht an die Menschenrechte gebunden – wenn auch einige Unternehmen sich freiwillig zur Einhaltung bestimmter Standards verpflichten. Aus diesem Grund hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Jahr 2011 Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Diese sind in drei Säulen unterteilt:
- Erstens die Pflicht des Staates, Menschenrechte zu schützen;
- zweitens die Verantwortung von Unternehmen, die Menschenrechte zu achten;
- drittens der Zugang zu effektiven Rechtsmitteln gegen Menschenrechtsverletzungen.
Die Bundesregierung, wie auch weitere europäische Regierungen, arbeiten zudem aktuell an einem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte. Diese Umsetzung der UN-Leitprinzipien auf nationaler Ebene soll 2016 durch das Bundeskabinett verabschiedet werden.
Welche Verantwortung für Unternehmen?
Zwar tragen Nationalstaaten auch noch im heutigen Völkerrecht die größte Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte. Doch dort kommt es immer wieder zu sogenannten accountability gaps, Regelungslücken im System des Menschenrechtsschutzes.
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Sollten daher auch Unternehmen mehr Verantwortung für ihre globalen Lieferketten übernehmen?
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Und inwieweit ist dies überhaupt möglich?
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Andreas Rühmkorf (Rechtsanwalt, Rechtsanwälte Merkle & Rühmkorf PartG mbB)
In den letzten Jahren gab es wiederholte Berichte über grobe Verstöße gegen Menschenrechte in globalen Lieferketten, z.B. der Rana Plaza Gebäudeeinsturz in Bangladesh oder Sklavenarbeit in der Fischindustrie in Thailand. Diese Menschenrechtsverstöße geschehen in der Regel in anderen Teilen der Welt bei Lieferanten und Sublieferanten von europäischen Unternehmen. Bislang basiert der Menschenrechtsschutz in globalen Lieferketten vor allem auf dem Recht und der Rechtsdurchsetzung in den Ländern, wo die Produktion stattfindet. Allerdings ist aufgrund der sich wiederholenden Berichte über Menschenrechtsverstöße offensichtlich, dass der Schutz dort oftmals nicht ausreichend ist. Viele europäische Unternehmen haben sich im Rahmen eines Corporate Social Responsibility (CSR) Programmes freiwillig verpflichtet, die Einhaltung von CSR-Standards (z.B. Arbeitsstandards) in ihrer Lieferkette zu fördern und sie verpflichten daher in der Regel auch ihre Lieferanten, sich ebenfalls diesen Standards zu unterwerfen. Dieses System der freiwilligen CSR-Förderung basiert auf privaten Initiativen. Allerdings zeigt sich, dass diese freiwilligen Programme alleine offensichtlich nicht ausreichen, um die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten nachhaltig zu verbessern. Vor diesem Hintergrund wird diskutiert, inwiefern die Heimatstaaten europäischer Unternehmen diese Regelungslücken in globalen Lieferketten füllen können. Bereits jetzt interagiert nationales Recht in den Heimatländern von multinationalen Unternehmen auf verschiedene Weise mit CSR-Initiativen in globalen Lieferketten. Es hat ein Trend zur Verrechtlichung von CSR eingesetzt. Beispiele sind die Einbindung von CSR-Verpflichtungen in Zuliefererverträge, die wettbewerbsrechtliche Stellung von CSR Verhaltenskodizes und Berichtspflichten von Unternehmen. Die EU Richtlinie zur Offenlegung nicht-finanzieller Informationen wird diesen Trend weiter fortsetzen. Beispiele aus anderen Ländern finden sich z.B. in Großbritannien, wo in diesem Jahr eine Transparenzpflicht zu Sklaverei in der Lieferkette eingeführt wurde. Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssen ab jetzt berichten, welche Maßnahmen sie unternommen haben, damit keine Sklaverei und kein Menschenhandel in ihrer Lieferkette geschehen oder ob sie keine solche Maßnahmen unternommen haben (section 54, Modern Slavery Act 2015). Ein anderes Beispiel aus Großbritannien ist das Korruptionsstrafrecht (UK Bribery Act), das transnationale Unternehmen potentiell haftbar macht, wenn Korruption in ihrer Lieferkette vorkommt. Allerdings sind Unternehmen nicht haftbar, wenn sie nachweisen können, dass sie ausreichende due-diligence Maßnahmen in ihrer Lieferkette vorgenommen haben, damit keine Korruption in ihrer Lieferkette geschieht. Dieses Zusammenspiel aus staatlichem Recht und privaten Initiativen wird sicher in den nächsten Jahren voranschreiten, solange es weiterhin Berichte über Menschenrechtsverstöße in der globalen Lieferkette gibt. Rechtliche Regeln in den Heimatstaaten transnationaler Unternehmen alleine können diese Verstöße jedoch nicht verhindern. Allerdings können sie auf unterschiedliche Weise zu einer hybriden Förderung von CSR-Standards in globalen Lieferketten beitragen, z.B. durch Berichtspflichten oder auch das Auferlegen von due diligence Maßnahmen. Nationalstaatliches Recht spielt daher eine wichtige – wenn auch nicht die alleinige – Rolle in der Förderung von Arbeiststandards in globalen Lieferketten.