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Flachsbarth (CDU): Christlich motivierte Politik – Ein Auslaufmodell?


FotoWorauf hat dieses Buch eine Antwort? Im Bild: Eine Gutenberg-Bibel (15. Jahrhundert). Foto: Patrik Tschudin (CC BY 2.0)

"Unser Staat ist weltanschaulich neutral. Dass dies keine strikte Privatisierung der Religion bedeutet wie etwa in Frankreich, ist eine besondere Chance für unser Land." Die CDU-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin Maria Flachbarth erklärt, warum sie sich als christliche Politikerin versteht.


Ein Beitrag von Dr. Maria Flachsbarth MdB, CDU

Was haben Religion und Staat heutzutage überhaupt miteinander zu tun? Sie sind doch in unserer säkularisierten Gesellschaft ausdrücklich getrennt... Fragt womöglich eine christliche Abgeordnete vor der Abstimmung im Bundestag ihren Bischof, wie sie votieren soll?!

Natürlich nicht! Und wenn ich zu Themen wie Organspende oder Rüstungsexporten in der Bibel nachschlagen würde, fände ich dort kaum konkrete hilfreiche Antworten. Was ich aber dort finde, sind Sätze wie dieser: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ (1 Petr 3,15) Mein Glaube stärkt ganz grundlegend meine Hoffnung. Für mich als Politikerin ist mein Glauben nicht konkrete Handlungsanweisung in bestimmten Situationen – mein Glaube ist für mich das Fundament, auf dem ich stehe, und die Leitschnur, an der ich mein Handeln ausrichte, auch mein politisches Handeln. Christlich motivierte Politik ist für mich eindeutig kein Auslaufmodell!

Denn um Handeln geht es in der Politik, darum, immer wieder – und nicht selten unter Zeit- und Erwartungsdruck – konkrete Entscheidungen zu treffen und einen bestimmten Weg einzuschlagen. Besonders wenn es um Fragen geht, die Anfang oder Ende des menschlichen Lebens betreffen, ist mir mein Glaube Richtschnur. Aktuell debattieren wir im Bundestag und in der Gesellschaft über menschenwürdiges Sterben und Formen der Begleitung. Ich bin als Christin überzeugt: Eine humane Gesellschaft muss Menschen, die Angst haben vor Einsamkeit, Schmerzen oder Übertherapien echte Hilfe anbieten – v.a. gute Hospiz- und Palliativversorgung, zudem Instrumente wie die Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, die selbstbestimmtes Sterben ermöglichen. Jede Form der Sterbebegleitung muss eine lebensbejahende Begleitung sein! Beihilfe zum Suizid aber verhilft zum Tod, nicht zum Leben. Konkret setze ich mich für darum ein Verbot der organisierten Suizidbeihilfe ein.

Trotz notwendiger konkreter Entscheidungen kann sich politisches Handeln zugleich nicht nur am Hier und Jetzt orientieren. Es muss fragen, was dem Gemeinwohl auch auf lange Sicht zuträglich ist. Es braucht glaubwürdige moralische Ziele wie Gerechtigkeit oder Bewahrung der Schöpfung. Werte wie diese werden nicht zuletzt in den Religionen überliefert.

Respekt, Gerechtigkeit, Treue

Es geht mir dabei keineswegs darum, eine Art christlichen Gottesstaat vorzuschlagen. Im Gegenteil: Nach christlicher Überzeugung ist jeder Mensch – nicht nur jede/r Christ/in – von Gott als freies Wesen geschaffen. Diese Freiheit jedes Menschen schließt auch die Religionsfreiheit ein. Mit gutem Grund ist die Religionsfreiheit, d.h. sich für oder auch gegen die Zugehörigkeit zu einer Religion zu entscheiden, nach NS-Terror und Shoa für die Bundesrepublik zum Grundrecht erklärt worden (Art. 4 GG): Unser Staat ist weltanschaulich neutral. Dass dies keine strikte Privatisierung der Religion bedeutet wie etwa in Frankreich, ist eine besondere Chance für unser Land. Die wohlwollende, fördernde Neutralität gegenüber den Religionen ermöglicht nämlich – im Rahmen der für alle geltenden Gesetze – religiöses Leben in aller Öffentlichkeit, in der Mitte unserer Gesellschaft - also auch die Entfaltung und Pflege der Werte, die mit den Religionen insbesondere verbunden sind: z.B. Respekt vor allen Menschen, Gerechtigkeit oder Treue.

Auch wenn bei uns christliche Vereine und Parteien eine besonders lange Tradition haben – heutzutage finden Angehörige der verschiedenen Religionen in ihrem Glauben ein Fundament für gesellschaftliches Engagement. Über 50 Mio. Christen leben in Deutschland, etwa 4 Mio. Muslime, rund 200.000 Juden, zudem Angehörige anderer Religionen – da in einer Demokratie die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, spielen individuelle religiöse Bekenntnisse auch politisch eine Rolle. Meine Aufgabe als christliche Politikerin sehe ich darin, christliche Werte in den gesellschaftlichen Dialog einzubringen, d.h. Glaubensüberzeugungen in Argumente zu übersetzten, die allen verständlich sind. Christlich motivierte Politik ist gerade in unserer pluralen Gesellschaft kein Auslaufmodell!

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Kommentare

  • Hallo Frau Dr. Flachsbarth, Danke für diesen Beitrag!

    Zwei Fragen zu der christlich-motivierten Politik: 1) Was halten Sie von der Debatte über den Gottesbezug in der Landesverfassung Schleswig-Holstein? Hat es ehrliche rechtliche Relevanz, oder ist es nur eine Diskussion, die aus der heutigen politischen Konstellation im Bundesland kommt?

    2) Finden Sie nicht, dass die Dominanz der christlich-motivierten Politik in Deutschland derzeit eine Vernachlässigung der Interessen muslimischer Bürger darstellt?

    • Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,

      ich möchte noch eine Frage hinzufügen:

      3) Wie halten Sie es mit den Rechten von Atheisten? Ich beziehe mich hier nicht nur auf die Subvention von Religion mit Steuergeldern sondern explizit auch auf den Einfluss der Kirchen in den Beiräten der Rundfunkanstalten, dem kein Vertreter einer atheistischen Organisation gegenübergestellt wird.

      Mit besten Grüßen,

      economics101

      • Die Religionsfreiheit, die das Grundgesetz garantiert, umfasst gleichermaßen eine positive Dimension, d.h. die Freiheit, eine Religion zu wählen, wie auch eine negative Dimension, d.h. die Freiheit, keiner Religion anzugehören. Dass aktuell Vertreter/innen der christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinden Rundfunkräten angehören, ist der bisherigen historischen Entwicklung geschuldet. Es liegt im Aufgabenbereich der Landesgesetzgeber, zu überprüfen, ob angesichts von aktuell 25 Mio. Katholiken, 24,5 Mio. Protestanten, 8,5 Mio. Menschen, die ausdrücklich angeben, keiner Religion anzugehören (Statistisches Bundesamt 2013), und geschätzten 4 Mio. Muslimen die geltenden Gesetze zu ändern sind.

        • Sehr geehrte Frau Dr. Flachsbarth,

          ich sehe dies auch als Aufgabe der Politik. Mir war allerdings nicht bewusst, dass hier die Länder zuständig sind. Vielen Dank für die Information!

    • Vielen Dank für Ihre Nachfragen, auf die ich gerne antworten möchte. Zu 1) Ich befürworte einen Gottesbezug in einer Verfassung wie er im Grundgesetz formuliert ist: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ hat das deutsche Volk sich 1949 sein Grundgesetz gegeben, vertreten durch die Abgeordneten im Parlamentarischen Rat. Der Gesetzgeber, letztlich der Staat insgesamt, stellt sich und seine Gesetze damit unter ein höheres Recht. Er erhebt für sich selbst keinen Absolutheitsanspruch, sondern erkennt vielmehr jeden Menschen als Geschöpf Gottes mit besonderem Wert an. Der Gottesbezug im GG oder auch z.B. in der niedersächsischen Landesverfassung hat dabei keinen unmittelbaren Einfluss auf einzelne konkrete Gesetze. Rechtlich relevant ist die Frage dennoch, weil sich darin eine Grundhaltung ausdrückt: Nicht die Gesetze sind das Maß aller Dinge, sondern das Wohl der Menschen. Zu 2) Die Sorge, die Sie formulieren, ist verständlich. Die starke Präsenz christlich motivierter Politik liegt ganz klar in der historischen Entwicklung begründet. Und es gibt zahlreiche Entwicklungen hin zu mehr religiöser Vielfalt im gesellschaftlichen Leben. In den letzten Jahren wurden z.B. mit Unterstützung der Bundesregierung an vier Universitäten Zentren für islamische Theologie errichtet, an denen Lehrer/innen für islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden. Gerade christliche Politiker/innen fördern die Entfaltung andere Religio-nen: Zum Beispiel hat Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU) 2009 als damalige Generalsekretärin des katholischen „Cusanuswerkes“ den Aufbau des „Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerkes“ für jüdische Studierende sehr unterstützt. Mir ist als christlicher Politikerin außerordentlich wichtig, dass das Grundrecht der Religionsfreiheit in unserem Land für alle Religionen gleichermaßen gilt - stets im Rahmen der für alle geltenden Gesetze.

  • An Ihrem Statement, liebe Frau Flachsbarth ist nichts zu kritisieren, denn in der Tat ist christlich motivierte Politik kein Auslaufmodell, wie Sie richtig schreiben!

    Sie müssen allerdings damit leben, dass Christen wir ich die Botschaft der Bibel völlig anders verstehen als Sie. Insofern wirkt der unausweichliche Monopolanspruch, den Sie mit dem „C“ in im Namen Ihrer Partei erheben, auf manche Mitchristen etwas befremdlich. Meine politische Sozialisation hat mich aber gelehrt, solche Bennenungen nicht allzu ernst zu nehmen. Schließlich ist die AfD auch keine Alternative und die SPD nicht sozialdemokratisch.

    Wenn Sie und Ihre Partei das „C“ wirklich ernst nehmen würden müssten Sie z.B. eine völlig andere Sozial-, Renten- und Migrationspolitik betreiben. Vor allem aber müssten Sie sich entschließen das 8. Gebot wieder ernst zu nehmen, was Ihrer Parteivorsitzenden ganz offensichtlich Schwierigkeiten bereitet.

    In diesem Sinne: auf zu einer wirklich christlich motivierten Politik! Ich bin dabei.

    • Vielen Dank für Ihre Anmerkungen. In einem Punkt möchte ich gerne Missverständnissen vorbeugen: Das C im Parteinamen bedeutet weder einen Monopol- noch einen alleinigen Wahrheitsanspruch. Dezidiert christliche Politiker gehören auch anderen Parteien an und sind keineswegs auf die Unionsparteien festgelegt. Ebenso ist völlig klar, dass auch bei christlicher Motivation Positionen in Sozial-, Renten- und Migrationspolitik unterschiedlich ausfallen können.