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Berlins Griechenland-Politik: Richtig oder fatal?


Foto: Rat der EUEurogipfel: Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: Der Rat der EU.

Griechenland soll neue Kredithilfen erhalten. Die Gläubiger - allen voran Deutschland - haben sich mit ihren Bedingungen weitgehend durchgesetzt. Doch bei vielen Beobachtern bleibt ein fahler Beigeschmack. Wie zufrieden seid ihr mit Berlins Griechenland-Politik?

Ein Beitrag von Redaktion

Die Euroländer haben Griechenland den Weg zu neuen Kredithilfen geebnet (hier geht es zum Beschlusstext). Der Finanzbedarf beläuft sich auf geschätzte 82 bis 86 Millarden Euro in den kommenden drei Jahren. Offen bleibt, ob das griechische Parlament und die Parlamente der Geberländer die Beschlüsse absegnen. In Griechenland droht eine Spaltung der Regierungspartei Syriza.

Die Gläubigerstaaten machen Athen - teils neue - Auflagen, darunter: eine Mehrwertsteuererhöhung, eine Rentenreform, ein Treuhandfonds unter europäischer Aufsicht (der Privatisierungen abwickeln soll), Liberalisierungen der Wirtschaft, Reformen des Arbeitsmarkts, der Justiz und der griechischen Statistikbehörde.

Vertreter der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des IWF (auch als Troika bekannt) sollen ihre Arbeit in Athen wieder aufnehmen. Die griechische Regierung soll alle relevanten Gesetzesvorhaben vorab mit den drei Institutionen abstimmen. Athen hat sich vergeblich gegen die Beteiligung des IWF und die Kontrollen durch die Troika gewehrt.

Setzt Griechenland die Reformen um, kann es laut Beschluss auf einen Tilgungsaufschub und längere Laufzeiten der alten Kredite hoffen. Einen nominalen Schuldenschnitt schließt das Papier aus. Vom Tisch ist ein zeitweiser Euro-Austritt, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorübergehend ins Spiel gebracht hatte.

Diskussion: Wie bewertet ihr Berlins Griechenland-Politik?

Insbesondere die deutsche Verhandlungstaktik wird äußerst kontrovers diskutiert. Hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die griechische Regierung mit einem "Katalog der Grausamkeiten" maximal gedemütigt und Europa gespalten? Möchte Schäuble Griechenland aus der Währungsgemeinschaft werfen, um andere Euro-Staaten gefügig zu machen - so wie der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis mutmaßt? Oder hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Ende alles richtig gemacht?

Zur deutschen Position möchten wir euer Meinungsbild einholen:

Fühlt ihr euch von der Bundesregierung gut vertreten? Haltet ihr die neuen Kredithilfen für richtig? Wünscht ihr euch andere Bedingungen? Seht ihr eine deutsche Dominanz in der Eurozone - und falls ja, wie hilfreich ist sie aktuell?


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Kommentare

  • DAS KALTE HERZ*

    Sorry Leute, aber ich sehe nur Verlierer. 200 Jahre nach Waterloo ein Schlachtfeld bis an den Rand gefüllt mit politischen Leichen.

    Griechenland & das Griechische Volk: Griechenland gerät mit der Annahme der Forderungen seiner Gläubiger quasi unter Besatzungsrecht und verliert einen Teil seiner völkerrechtlichen Souveränität. Was hier politisch passiert, welche Gesetze beschlossen oder sogar zurückgenommen werden, bestimmen in Zukunft Eurogruppe (Sparen) und NATO (nicht sparen bei der Verteidigung, i.e. Bestellungen bei deutschen Rüstungskonzernen). Keines der Probleme Griechenlands wird auch nur annähernd gelöst, nur wieder falsche Hoffnung geweckt und Zeit gekauft. Es gehört gar nicht so viel ökonomischer Sachverstand stand dazu die nächsten Monate zu beschreiben. Die massiven Steuererhöhungen verbunden mit den Rentenkürzungen und weiteren Entlassungen im öffentlichen Dienst wird das BIP um weitere 5 bis 6% schrumpfen lassen. Als Folge steigt die Schuldenquote weiter und die angepeilten Primärüberschüsse 2015 bis 2017 werden sich als Illusion erweisen. Dann folgen - so ist es jetzt in Brüssel vereinbart worden - automatisch weitere Sanktionen, d.h. weitere Einsparungen und Kürzungen. Eine Elendsspirale ohne Ende. Aber vielleicht ist das ja das Szenario, das die Eurogruppe will.Nach Grexit, Grexit auf Zeit nun doch irgendwann der von Griechenland endlich selbst erklärte Staatsbankrott. Für die Eurogruppe die zwar teurere aber gesichtswahrende Version.

    Die Europäische Zentralbank: Sie wird weiter gezwungen offen EU-Recht zu brechen und die insolventen griechischen Banken über ELA solange am Leben zu erhalten bis sich die europäische Konkurrenz dann beim Verkauf der zuvor rekapitalisierten Banken zugreift. EZB-Chef Drahgi musste sich in diesem Zusammenhang in Brüssel, wie die Financial Times berichtete, am Sonntag von Schäuble zusammenfalten lassen, als er Einwände vorbrachte. Draghi ist jetzt ein demontierter Euro- und Währungshüter. Die vielzitierten Märkte werden das zu werten wissen. Was sein „ … whatever it takes!“ jetzt noch wert ist wird man sehen.

    Deutschland: Deutschland ist auf der Beliebtheitsskala im Ausland seit diesem Wochenende wieder beim Jahr 1939 angekommen. Der deutsche Finanzminister gibt den Gott des Gemetzels und die Herrscherin kommt so imperial daher wie einst Wilhelm II. So sieht es zumindest das Ausland. Schäuble war sogar so instinktlos den 50 Milliarden-Fond mit dem griechischen Tafelsilber, den es jetzt geben wird, direkt bei der deutschen KfW ansiedeln zu wollen, wo er selbst Chairman oft The Board ist. Der Hegemon in Europa hat sich selbst enttarnt, so könnte man sagen und so sieht es auch das Ausland. Wer seit Samstag in den Blogs und Foren des Auslands unterwegs war, den vielen hunderttausend Tweets im Hashtag #ThisIsACoup gefolgt ist, wer die New York Times oder die Washington Post gelesen hat oder sich die Titelseiten vom Guardian und der Liberation von Montagmorgen angeschaut hat, weiß wovon ich spreche. Hier sind in Europa Illusionsblasen geplatzt und ist in der Tat Vertrauen verloren gegangen, auf unglaubliche und irreparable Weise. Zudem hat sie die Akzeptanz der Europäischen Idee in Deutschland nachhaltig beschädigt. Wer in diesen letzten Tag in den Foren von SPON, ZEIT oder SÜDDEUTSCHER ZEITUNG unterwegs war fühlte sich auf eine PEGIDA-Versammlung versetzt. Und diese Foren waren noch die harmlosesten.

    Die deutschen Medien: Sie haben, blind der Regierungslinie folgend, die Chance verpasst einmal beispielhaft ihre Unabhängigkeit und ihren Wert für dieses Gesellschaft zu beweisen und nicht Deutschland & die Griechen, sondern Europa & die Griechen zum Thema zu machen. Wer sich am Wochenende wie ich ein breites und unabhängiges Bild von den Verhandlungen in Brüssel machen wollte, war auf ausländische Medien angewiesen. Meine Großeltern mussten seinerzeit auch schon auf BBC London zurückgreifen um das ganze Bild zu bekommen.

    Die SPD: Sie hat ihr europapolitisches Reputation verspielt. Ein Vorsitzender, der über alles und schließlich doch gar nichts informiert ist und eine Partei, die den grazilen Pirouetten ihres schwergewichtigen Vorsitzenden auf dem europapolitischen Glatteis mit angehaltenem Atem folgt. Wohl ahnend, dass in der nächsten Kurve der Sturz droht.

    Die Demokratie in Europa: Wieder einmal war der europäische Souverän, zumindest wenn man davon ausgeht, dass er nicht Angela Merkel heißt, nicht gefragt. Oder hat irgendjemand etwas vom/ aus dem europäischen Parlament in dieser Sache gehört? Parlamentspräsident Martin Schulz durfte (nur ausnahmsweise und dank freundlicher Zustimmung der Eurogruppe) dann auch bei den Verhandlungen nur am Katzentisch Platz nehmen.

    Europa: Das Europa, das sich seinen Bürgern nach diesem Gipfel zeigt, hat eine andere Qualität. Cem Özdemir hat darauf gestern zu recht hingewiesen. Das Europa der Werte, der Solidarität, das große Friedensprojekt Europa ist nun endgültig hinter das Europa der großen Geldkreisläufe, des (neoliberalen) Marktes und der nationalen Einzelinteressen zurück getreten. Was sich bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen schon andeutete ist nun Gewissheit geworden. Der Erhalt des EURO und des gemeinsamen Währungsraumes ist die einzig sinnstiftende Idee der Europäischen Union geworden.

    Dies ist zugleich vielleicht auch der einzig positive Aspekt in diesem Drama. Er bietet die Chance Europa neu zu denken. Ohne den historischen wie emotionalen Hintergrund zweier entsetzlicher Kriege, die bei der Gründung der EWG noch ein so überragende Rolle gespielt haben. Ohne Ideologie und falsche Illusionen. Für mich heißt das, den Resetknopf drücken für ein Europa, das möglicherweise erheblich kleiner sein wird und ein Europa, das den Sprengsatz EURO dauerhaft entschärft. Entweder indem es akzeptiert, das eine Währungsunion immer auch eine Transferunion ist oder indem es dieses Projekt beendet.

    *Es lohnt sich Wilhelm Hauffs gleichnamiges Märchen noch einmal im Lichte der Ereignisse der letzten Tage zu lesen. Sehr empfohlen!

    • Die Griechenlandkrise hat für mich auch eine positive Seite. Solche brachialen Diktate hat es vom IWF in Entwicklungsländern hundertfach gegeben. Auch bei der EU-Erweiterung hat man hinter den Kulissen mit Zuckerbrot (EU-Beitritt und Hilfen) und Peitsche viele Länder auf neoliberale Linie gebracht. Seit Tsipras wird aber das ganze nicht mehr hinter geschlossenen Türen vollzogen. Die Griechen haben sie brutalen Methoden ins Rampenlicht gezogen. Merkel und Gabriel mußten ihre Maske fallenlassen. Viele südliche Länder konnten gegenüber ihren Wählern diese Politik nicht mehr verteidigen. Italien hat gegen die deutsche Position Partei bezogen. Nachdem Deutschland durch die NSA Affäre unschuld verloren hat, steht die Bundesregierung wieder in der Kritik.

      • Hallo janStephan, der Euro ist auf Konvergenz gebaut, er funktioniert nur mit der Maßgabe dass alle so halbwegs wachsen und sich nicht überschulden. Das wussten alle, die sich darauf einließen. Auch der EU-Beitritt ist eine freiwillige Angelegenheit. Nur zur Einordnung, Demokratie und so.

    • Merkel ist europaweit beliebt (was Linke nicht wahrhaben wollen)

      Hallo nemo, klare Analyse! Aber ich habe natürlich Einwände.

      • das deutsche Image ist meines Erachtens in bestimmten Kreisen ramponiert, bei den Bloggern, Linken, Progressiven, den Leuten mit einem Twitter-Account. Was Du aber glaube ich unterschätzt: der Normal-Bürger, auch in Frankreich, auch in Italien und Spanien und erst Recht im Norden und Osten bewundert Frau Merkel und applaudiert - auch ihrer Härte. Oder anders: Deine Spiegel Online Pegidas (ich teile diese Beleidgung nicht in Bausch und Bogen) gibt es überall

      • auch missachtest Du die Vorgeschichte. Die Unfähigkeit der griechischen Regierungen, das Land zu reformieren und zu investieren, statt zu konsumieren. Da sitzen auch stallinistisch anmutende Betonköpfe bei Syriza. Es war auch ein sehr hohes Risiko für die Solidarität in Europa diesen Leuten entgegen zu kommen, die den Staatsdienst als optimale Wirtschafts- und Daseinsform betrachten, ohne ein Finanzierungskonzept hierfür vorzulegen. Insofern sehe ich die deutsche Härte auch eher als Knalleffekt. Die Hoffnung ist, dass die griechische Regierung aufwacht und merkt, sie muss etwas tun, statt nur von Schuldenschnitten und EU-Geldern zu träumen - die ja, seien wir ehrlich so oder so kommen und fließen

      • für die normalen Griechen tut es mir sehr leid. Ich wünschte, sie würden eine neue Partei gründen und den Resetknopf in Griechenland drücken.

      • bei der Transferunion bin ich bei dir. Bitte fragt endlich das Volk danach. 6 Monate Debatte, europaweit, dann Euro-Volksentscheid. Klappt sie nicht, Rückkehr zu den nationalen Währungen, auch gut.

      • die SPD: ja, ganz düster. Komplett konzeptlos.

      • Hallo Rakaba, ich freue mich, dass wir in einigen zentralen Punkten einig sind, z.B. beim EURO! Was die schweigende Mehrheit in Europa von Merkel & Schäuble hält, so kann ich das natürlich nicht beurteilen. Was die schweigende Mehrheit außerhalb Deutschlands von der EU hält auch nicht. Es ist halt immer – und vielleicht geht das auch gar nicht anders – ein Projekt der Eliten gewesen. Das schreibe ich jetzt ohne falsche Ansprüche geltend machen zu wollen.

  • Ich komme zu dem Schluss, dass der Zuchtmeister der Austerität und Dompteur der Krisenstaaten, Wolfgang Schäuble, Europa gefährdet. Er sollte so anständig sein wie Varoufakis und dem gemeinsamen europäischen Projekt nicht mehr im Weg stehen.

    Schäuble gefährdet die Zukunft Europas

    • Hallo MisterEde, sehr guter Beitrag auf Deinem Blog. Gehört eigentlich auch in voller Länge hier hin. 100% Zustimmung.

      • Hallo nemo,

        ehrlich gesagt, fand ich Ihren Beitrag bzw. Ihre Einschätzung zum Thema deutlich besser, weil umfassender und differenzierter. Sie haben ja z.B. auch das Verhalten der anderen Regierungsparteien betrachtet und nicht nur das des Finanzministers.

  • Ganz ehrlich: es kann doch so nicht funktionieren. Es kann nicht. Es kann nicht. Es geht doch gar nicht darum, ob Griechenland den verkaufsoffenenen Sonntag einführt oder einen Hafen privatisiert. Das sind doch alles nur Details. Es wäre darum gegangen, dass sich Griechenland seine Reformen der kommenden Jahre stolz und selbstbeswusst selbst auf die Fahnen schreibt. Ownership! Wie soll dieser geprügelte Hund Tsirpas anstellen? Wie? Er hat gar nichts bekommen. Nicht mal irgendwas Symbolisches. Nichts. Das war brutal und dumm, was Schäuble und Merkel da veranstaltet haben.

    • Hallo Kippenberg, Du bist ein Komiker. Nichts bekommen ausser 80 Millarden Euro!

      Aber lassen wir mal die Polemik. Die Analyse ist doch mittlerweile Konsens: - der Euro ist in dieser Form nicht fertig - Griechenland in dieses Gebilde aufzunehmen war noch einmal extra-fahrlässig. Geschenkt. Alle Bemühungen und Gedanken müssen sich doch jetzt auf die Zukunft richten. Da frage ich mich, warum die Politik so zögerlich ist, eine echte, breite Euroreform-Debatte zu führen, die zum Beispiel Herr Renzi fordert. Vorschläge gibt es zuhauf, in jede erdenkliche Richtung - von der europäisch legitimierten Transferunion bis zum harten, rein national ausgerichtetem Staatsinsolvenz-Regime. Es wird Zeit gekauft und noch mehr Zeit und noch mehr. Aber wofür? Warum verplempern wir diese sehr sehr teure Zeit? Sie kostet Millarden pro Woche.

      Für mich gibt es zwei Erklärungen: - die Regierungen warten auf eine günstige Konstellation, in der ein neuer Eurostaat zu machen ist (zum Beispiel lieber ohne Griechenland und wenn UK nicht mehr als Bremsklotz dazwischen funkt) - oder das persönliche Interesse der Akteure (Merkels, Schäubles usw.) ist nicht stark genug, um diesen Wandel mit all seinen politischen Risiken den Menschen zuzumuten. Ihr Versagen würde nur Historikern und auch nur einigen auffallen, in Hundert Jahren, sie schaffen es, mit dem bisherigen Kleinklein beliebt zu bleiben, wiedergewählt zu werden oder einen passablen Abgang hinzulegen. - hat noch jemand Erklärungen?

    • "Er hat gar nichts bekommen. Nicht mal irgendwas Symbolisches. Nichts."

      Doch, er hat Zeit und damit Spielraum bekommen. Allerdings wenn er ansonsten alleine gelassen wird, z.B. beim Kampf gegen die Kapitalfluch, hilft das nicht viel.

    • Griechenland erhält doch schon wieder fast nix. 90 Milliarden ELA-Hilfen bisher. Und jetzt das Paket, 25 Milliarden zur Bankenrekapitalisierung vielleicht 40, 50 Milliarden um die nächsten zwei Jahre die griechischen Kredite bei den Banken zu bedienen und dann bleiben noch ein paar Milliarden für echte Investitions- und Überbrückungshilfen übrig.

      Und ist es logisch, dass die Renten gekürzt und die MwSt. erhöht werden müssen, wenn die griechischen Banken seit einem halben und in den nächsten zwei Jahren über 150 Milliarden bekommen?

  • Ich möchte einmal die Inhalte des Deals von letzter Nacht bzw. den Dualismus "Austeritätspolitik vs. Keynesianismus" für einen Moment außen vor lassen…

    Im Wesentlichen geht es seit mittlerweile 5 Jahren darum, das Begriffspaar "Solidarität gegen Reformen" in ein für alle Seiten gesichtswahrendes Verhältnis zu bringen. Mit Reformen meine ich nicht die Frage, ob zwischen Schwarzem Meer und Kreta 21.754 oder 22.973 Beamte ihren Job verlieren. Ob die Mehrwertsteuer um 1 oder 3 Prozentpunkte angehoben werden soll und ob Swimmingpools weiterhin von der Steuer absetzbar sind. Mit Reformen meine ich die Implementierung politischer Institutionen und einer politischen Kultur, in der Posten nach Fähigkeiten und nicht nach Verwandtschaftsgrad vergeben werden. Mit Reformen meine ich die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit in der Wirtschaft, die ein Investitionsklima erzeugt, in dem die griechische Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangen kann (soweit diese je vorhanden war)…

    Die lauten Forderungen, die Schatulle aufzumachen und ein Wachstumsprogramm zu finanzieren, laufen nämlich ins Leere, solange diese (für die etlichen besitzstandswahrend denkenden Lobbygruppen in Athen in Griechenland schmerzhaften) Schritte nicht unternommen wurden…

    Für mich ist es klar wie Kloßbrühe, dass die Kacke erst richtig (also so richtig) am Dampfen sein muss, bevor bei den Profiteuren des jahrzehntelangen Selbstbedienungsladens "Griechischer Staat" ein Umdenken einsetzt. Dafür war es von Gläubigerseite notwendig, bis zuletzt Härte zu zeigen. Das wäre ohne Wolfgang&Mutti wohl kaum denkbar gewesen. Von daher war und ist dem System Europa die temporäre (verantwortungsbewusst gelebte) Hegemonie des mit Abstand stärksten Mitglieds durchaus dienlich. Das wird übrigens in aller Welt so gesehen, nur in Deutschland nicht….

    • Lieber Juker, und Du denkst, mit deutscher Prinzipchen-Reiterei gewinnst Du die Herzen der Griechinnen und Griechen und sie denken 'stimmt, bauen wir unseren Staat und unsere Gesellschaft um?' Ich muss in diesen Tagen immer wieder an den Versailler Vertrag denken. Wie er zum kollektiven deutschen Knechtschafts-Mythos wurde, der sich im kollektiven Wahnsinn des NS-Staats entlud. Die Psychologie unserer gemeinsamen europäischen Krise hat offenbar niemand im Sinn. Juristen und Ökonomen sitzen dort und verstehen die Welt nicht. Es ist einfach nur traurig.

    • Genau für die von Ihnen geforderten Reformen, welche die Vorgängerregierungen nicht angepackt haben, ist Syriza angetreten. Priorität musste und muss es zunächst aber sein, den Staatsbankrott abzuwenden. Das scheint nun möglich und dann können auch die Reformen umgesetzt werden, die sie anmahnen.

    • Ooooooooh, endlich einmal eine Stimme von Fomalhaut (Alpha Piscis Austrini), 25 Lichtjahre von uns entfernt. Lieber Juker, wenn Du da ein Netz hast, aktivieren mal deinen Twitter-Account und sieh dir die Tweets unter #ThisIsACoup an. Damit relativiert sich der letzte Satz deines Beitrages.

  • Ich habe mich jetzt mal in zwei Artikeln mit der Vereinbarung beschäftigt, einmal mit der Vereinbarung von Primärüberschüssen und einmal mit den Schulden.

    Im Ergebnis halte ich das aktuelle Paket für unausgereift bzw. unvollständig. Eine gute Vereinbarung hätte vielleicht einen Zielwert für den Primärüberschuss von 1,5 oder 2% im Jahr 2018 angepeilt und eine schnelle Schuldenumstrukturierung vorgesehen, um die durchschnittliche Verzinsung zwischen 1 und 1,75% zu drücken. Dann würde sich die Schuldenquote automatisch absenken, wenn das Land neben 1,5 - 2% Inflation auch wieder ein kleines reales Wachstum hat. Langfristig wäre das für alle Seiten hilfreicher, als wieder in 2 Jahren feststellen zu müssen, oh, der Primärsaldo wird nicht eingehalten, oh, Griechenland kann doch noch nicht an die Finanzmärkte zurück. Dann kommen wieder irgendwelche Grexit-Gedanken und die Konjunktur ist wieder im Eimer.

    • Ergänzend habe ich einen Schuldenrechner für Griechenland gebastelt. Die Nutzer können durch „Plus“ und „Minus“ einstellen, wie hoch 2015 BIP und Schulden sein sollen und welche Primärüberschüsse, Zinssätze, Wachstum und Inflation für die Folgejahre erwartet wird. Wie sich die Finanzsituation für Griechenland entwickelt wird dann in einer Tabelle angezeigt.

      Kleiner Schuldenrechner für Griechenland (www.mister-ede.de)

  • Einordnung:
    Eigentlich handelt es sich schon wieder weniger um eine Rettung Griechenlands als eine Rettung des Euro in Griechenland bzw. eine Rettung des griechischen Banken- und Finanzsystems. Während Griechenland im letzten halben Jahr über 7,2 Mrd. hart verhandeln musste, die es dann nicht mal bekam, flossen 90 Milliarden über sogenannte ELA-Hilfen zur Stützung an private griechische Geldinstitute. Das neue Maßnahmenpaket sieht weitere 25 Milliarden für die Banken vor. Wenn man dazu noch bedenkt, dass der überwiegende Teil der neuen Kredite zur Ablösung alter Kredite verwendet wird, dann erhält Griechenland vielleicht noch 10 Milliarden, während gleichzeitig wieder weit über 100 Milliarden an die Banken flossen und fließen.

    Höhe / Ausgestaltung:
    Positiv am Paket ist, dass es von der Höhe her ausreichen könnte, um tatsächlich mal für 24 Monate Ruhe zu bekommen, damit Wirtschaft und Tourismus nicht weiter beeinträchtigt werden. Immerhin werden ja die Kredite dann bedient und das Land rutscht nicht in den Zahlungsausfall. Das hilft dann natürlich auch den privaten Banken, die dann nicht pleitegehen. Daneben habe ich das Gefühl, dass diesmal zumindest ein wenig auf Investitionshilfen gesetzt wird, was dem Land glaube ich wirklich gut tun würde.

    Bedingungen:
    Privatisierungen sind schwer zu beurteilen, weil es auf den Einzelfall ankommt. 25 – 50 Milliarden zu erzielen erscheint mir unwahrscheinlich. Eigentlich sollte eher auf Investitionsverpflichtungen, Arbeitsplatzsicherung oder Sozialklauseln gesetzt werden, als auf einen hohen Kaufpreis. Eine gewisse Privatisierung kann aber schon sehr sinnvoll sein – nur zum Vergleich, der Hamburger Hafen und der Frankfurter Flughafen sind beide auch börsennotiert. Zum Rentensystem ist zusagen, dass das Renteneintrittsalter schon auf einem verträglichen Niveau liegen muss, damit Einzahlungen und spätere Rentenleistung auch in einem gewissen Verhältnis zueinander stehen. Rentenkürzungen im Sinne einer Absenkung des Rentenniveaus bei niedrigen Renten oder Verzicht auf kleine Steigerungen dieser Renten wären hingegen eine Fortsetzung der nutzlosen Austerität, welche die schlechte Wirtschaftslage nur weiter verschlechtert. Ob der IWF mit dabei ist, haben die Geldgeber zu entscheiden und nicht Griechenland. Ich würde der Eurozone allerdings raten, ihre Probleme selbst zu lösen. Es wirkt nämlich seltsam, wenn wir auf dem Niveau zentralafrikanischer Staaten agieren und beim IWF betteln. Sofern die MwSt. auf einigen Inseln angehoben wird, ist das meines Erachtens in Ordnung und Ausnahmen soll es ja geben. So ganz habe ich aber noch nicht überblickt, ob der Tourismus im Sinne von Hotelsteuern stärker belastet wird. Das würde ich ökonomisch für kontraproduktiv halten. Wenn man Touristen im Land hat, dann geben diese ja auch anderweitig ihr Geld aus, weshalb ich nicht unbedingt auf abschreckend hohe Hotelsteuern setzen würde.

    Deutscher Verhandlungsstil:
    Katastrophal! Als Finanzminister eines Volkes, das eine gewisse Tradition darin hat, zu versuchen Europa zu unterjochen, sollte man zurückhaltender sein. Ich denke, das aggressive Verhandlungs-Verhalten (die Euro-Gruppe mit der Grexit-Drohung zu überrumpeln) wird uns noch auf die Füße fallen. Sollten die Bedingungen in Griechenland nicht akzeptiert werden oder Syriza zerbrechen, könnte dies sogar zu Unruhen führen. „Das ist ein Staatsstreich“ würde dann Realität und Schäuble wäre als jener deutsche Finanzminister, der die Menschen in Europa und Griechenland aufhetzte, der Auslöser gewesen.

    Kapitalverkehrssteuer:
    Würde man sich zusätzlich auf dieses Instrument verständigen, wäre der Kompromiss gänzlich anders zu bewerten. Hierdurch würden in den nächsten 3 Jahren Steuereinnahmen in der Größenordnung von 15 Milliarden Euro erzielt, die für die notwendigen Investitionsmaßnahmen und zur Verbesserung der sozialen Lage aufgewendet werden könnten. Gleichzeitig würde es die griechische Wirtschaft beleben, so dass dann auch eine Nachfrage nach Investitionshilfen entsteht. Außerdem könnte der Liquiditätsabfluss ins Ausland gebremst werden, so dass die Nothilfen für griechische Banken nicht weiter ansteigen.