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JIK: Wer soll in Deutschland politisch teilhaben und mitgestalten können?


picture alliance/zbKommunalwahlen in Thüringen. Foto: picture alliance / zb

Die Vergabe von "Wohnbürger_innenschaften" wäre eine Chance, in Deutschland lebenden Nicht-EU-Bürgern die politische Teilhabe in ihrem direkten gesellschaftlichen Umfeld zu ermöglichen, meint die Junge Islam Konferenz. Was spricht für, was gegen diese Maßnahme?


Ein Beitrag von Junge Islam Konferenz

Politische Mitbestimmung für Bürger_innen von Drittstatten durch Einführung der Wohnbürger_innenschaft

In Deutschland leben rund sieben Millionen Nicht-Deutsche, vier Millionen davon sind Staatsangehörige eines so genannten Drittstaats. Obwohl mehr als ein Fünftel dieser Nicht-Deutschen bereits in Deutschland geboren ist, existieren für Bürger_innen aus Nicht-EU-Staaten nur wenige Mechanismen zur politischen Partizipation. Die Einführung und Vergabe der „Wohnbürger_innenschaft“ (urban citizenship, denizenship) könnte aus unserer Sicht eine geeignete Maßnahme sein, um Menschen ein größeres Maß an politischer Teilhabe in ihrem direkten gesellschaftlichen Umfeld zu ermöglichen. Politische Mitbestimmung ist eines der Grundideale der demokratischen Legitimation und insbesondere junge Menschen, so zeigt die Studie Deutschland postmigrantisch II, sprechen Minderheiten in hohem Maße ein Recht auf Teilhabe zu. In einer Gesellschaft, die stark von Migrant_innen geprägt wurde und wird, sollten unseres Erachtens Zusammenhalt, Identifikation und Teilhabe durch die gezielte Einbindung der Wohnbevölkerung – ungeachtet ihrer nationalen Zugehörigkeit – gefördert werden. Sowohl der Europarat als auch die Europäische Kommission schlugen in der Vergangenheit vor, dass Angehörigen von Drittstaaten ebenfalls politische Partizipationsrechte, z.B. in Form des kommunalen Wahlrechts, zugestanden werden.

Es gibt positive Beispiele für Wohnbürger_innenschaft in Europa und weltweit

Und der europäische Vergleich zeigt: In Dänemark, Schweden, Finnland, Irland, den Niederlanden, Luxemburg und Belgien sind Drittstaatler_innen nach einer bestimmten Aufenthaltsdauer, die meist zwischen zwei und fünf Jahren liegt, wahlberechtigt. Eine Studie aus dem Jahr 2003 belegt, dass weltweit 36 Staaten Nicht-Staatsbürger_innen das Wahlrecht zugestehen. Als Zwischenstatus gewährleistet die Wohnbürgerschaft die Mitgliedschaft im kommunalen Gemeinwesen und damit das Wahlrecht bei Kommunalwahlen. Dies ist insbesondere relevant, da zentrale Themen für die Integration von Migrant_innen auf kommunaler Ebene ausgehandelt werden.

Als JIK möchten wir die Debatten und Entwicklungen im Bereich Migration und Teilhabe kritisch begleiten. Besonders Citizens for Europe e.V. und die Bewegung Refugees Welcome haben in diesem Feld bereits entscheidende Inputs geleistet, deren Weiterentwicklung wir befürworten. Wir sind gespannt, uns mit weiteren zentralen Akteuren wie Kommunen und dem Deutschen Städtetag über kommunale Beteiligungsstrukturen auszutauschen und unsere Perspektiven in die Debatte einzubringen.


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Kommentare

  • 59 Prozent der bundesweit Befragten sprechen sich für das kommunale Wahlrecht für Ausländer_innen aus, die dauerhaft in Deutschland bleiben. Diese Möglichkeit zur Mitbestimmung und –gestaltung würde die Identifikation und das Verantwortungsgefühl für die Kommune stärken. Als JIK freuen wir uns über dieses deutliche Zeichen, das eine wichtige Gegenstimme zu den anhaltenden, erschreckenden Gewaltakten darstellt!

    http://www.migazin.de/2015/08/24/umfrage-klare-mehrheit-wahlrecht-auslaender/

    • One (wo)man one vote. Jeder, der hier lebt, sollte eine Stimme haben. Auch Absenkung des Wahlalters wäre zu begrüßen (ist aber ein anderes Thema).

  • Hallo JIK, beim Volksentscheid für das Tempelhofer Feld fand ich es besonders eklatant, dass nur "Pass-Deutsche" mitstimmen durften, nicht mal alle anderen EU-Bürger, geschweige denn Drittstaatler. 487.000 Berliner durften nicht abstimmen! Lokale Entscheidungen sollten auch die lokalen Bürger entscheiden.

    Die Einbeziehung von "Wohnbevölkerung" finde ich sowieso, für alle super wichtig, egal welcher Nationalität. Da bekommen Leute von der Flüchtlings-Zeltstadt vor ihrer Tür zum ersten Mal mit als sie bereits gebaut ist. Da kennen Leute fast niemanden in ihrem eigenen Haus. Da haben Menschen keine Ahnung, was für die Plätze vor ihrer Tür beschlossen wird und von wem. Ich fände es ganz großartig, viel mehr Sinn für diese Mikro-Politik zu schaffen, also wirklich dein Haus, dein Wohnblock. Auch für den Zusammenhalt. Ich habe euren Begriff mal so zweckentfremdet :) Und um auf das Flugfeld zurückzukommen. Es wäre so gemeinschaftsstiftend gewesen, wenn alle Berliner über ihr Flugfeld abgestimmt hätten.

  • Liebe JIK,

    genau das ist die Fähigkeit zum "quer und breit denken", die ich an euch schätze und die so viele "etablierte" Institutionen vermissen lassen…

    Ausländische EU-Bürger dürfen in Deutschland ja bereits an Kommunalwahlen teilnehmen. Warum also nicht auch Nicht-EU-Bürger? Bei Kommunalwahlen geht es ja nicht um EU-Themen sondern vielmehr um Fragen des öffentlichen Lebens auf der kleinstmöglichen föderalen Ebene. Dementsprechend sollten all jene, die Teil der lokalen Öffentlichkeit und somit betroffen sind, das aktive Wahlrecht haben.

    Beim passiven Wahlrecht hätte ich leichte Bauchschmerzen. Ebenso beim Wahlrecht auf Landes- oder gar Bundesebene…. Aber langfristig ist auch dies denkbar

    • Hi Juker, danke für die positive Rückmeldung. Wir denken auch, dass sich in einer globalisierten Einwanderungsgesellschaft die Möglichkeiten zur aktiven Mitgestaltung anpassen müssen und dass (die Akzeptanz von) Identifikation nicht allein an der deutschen Staatsbürgerschaft gemessen werden darf.

    • Juker, warum hast du beim passiven Wahlrecht Bauchschmerzen? Natürlich muss die Person bereits eine längere Zeitspanne, auf jeden Fall einige Jahre, vor Ort leben. Dann spricht meiner Meinung nach nichts dagegen, dass sie wählbar ist (das wird Unionsbürgern ja auch gewährt). Demnach sehe ich auf kommunaler Ebene keinen Grund, einen Unterschied im passiven Wahlrecht zwischen EU- und Nicht-EU-Bürgern zu machen.

      • Moin Carsten,

        die Frage ist eben genau, wie man "längere Zeitspanne" definiert. Politik muss immer allgemeingültige Grenzen ziehen. Der/die eine ist nach 5 Jahren erfolgreich unterwegs und in Deutschland verankert und der/die andere eben nicht…Wenn der zeitliche Bezugsrahmen also rausfällt, bleibt für mich nur die Unterscheidung anhand der EU-Mitgliedschaft oder der Deutschen Staatsbürgerschaft…

        Politik muss leider manchmal "über einen Kamm scheren". Damit wird man zwar nie jedem gerecht, anders lässt sich jedoch ein Gemeinwesen nicht organisieren. Schwammig-subjektive Kategorien wie "gut integriert", "verwurzelt" o.ä. sind mir da zu willkürlich...