+3

Wunsch oder bald Wirklichkeit: Der 6-Stunden-Tag


unsplashNine to Three anstelle von Nine to Five – sieht so die neue Arbeitswelt aus? Foto: unsplash.com

Der 6-Stunden-Tag wurde in Schweden bereits mit Erfolg getestet. Aber wäre dieses Arbeitszeiten-Modell auch in Deutschland denkbar? Das fragt ClaraMey...


Ein Beitrag von ClaraMey

Von 9 bis 15 Uhr arbeiten, eine 30- statt eine 40-Stunden Woche haben, wäre das nicht der Wahnsinn? Gerade geht´s wieder durch´s Netz: Die Idee der 6-Stunden Woche. Der Auslöser der Diskussion kommt aus Schweden, wo bereits seit einigen Jahren, in unterschiedlichen Betrieben, mit diesem Modell experimentiert wird. Mit sehr überraschendem Ergebnis, wie ich finde (und wie u.a. der Guardian berichtet).

Solch eine Arbeitszeitverkürzung bringe scheinbar nur Vorteile mit sich: Effizientere Arbeiter (die sich u. a. weniger Facebook und mehr ihrer „wirklichen“ Arbeit widmen), weniger gesundheitliche Probleme (z.B. weniger Herzinfarkte), weniger Krankmeldungen allgemein und ein erhöhter Happiness-Faktor, sprich glücklichere und motiviertere Arbeitnehmer. Sogar der Profit sei bei manchen Unternehmen um 25% gestiegen. Und das bei selbem Gehalt! Toll!

Beeindruckend ebenso, dass dieses Experiment auch im Pflegebereich durchgeführt wurde. Da, wo es (zumindest in Deutschland) immer sehr lange Schichten und unbequeme Arbeitszeiten gibt und ein stetiger Mangel an Personal herrscht.

Ist unser 8-Stunden-Tag bescheuert?

Bei so viel Positivem fragt man sich natürlich schon, ob wir hierzulande nicht eigentlich bescheuert sind, unsere 8 Stunden abzusitzen, wenn wir dasselbe auch in weniger Zeit schaffen könnten. Und dabei sogar zwei Stunden Lebenszeit pro Tag sparen könnten ( das klingt für mich übrigens effizient)! In Deutschland wird ja momentan, vor allem auch im Rahmen der Digitalisierung, viel über den Wandel der Arbeit diskutiert. Forderungen nach flachen Hierarchien, flexiblen Arbeitszeiten und -Orten, projektbasierten Arbeitsfeldern, multidisziplinären Teams oder etwa einer neuen Arbeitskultur werden laut und in einigen Betrieben schon ausprobiert.

Aber den radikalen Schritt, sich vom altbewährten 8-Stunden-Tag zu lösen, den wagen die Wenigsten. Denn vielleicht ist es so, dass in einem Wirtschaftssystem, in dem Gewinnmaximierung Prämisse ist, die Arbeitszeitmaximierung einfach damit einher geht: Der, der viel arbeitet, hat es geschafft, ist wer, ist wichtig. Ein hoher Stressfaktor und wenig Freizeit zeichnen sie aus, die beruflich Erfolgreichen. Effizienz durch weniger Arbeit – das macht nach dieser Logik doch gar keinen Sinn.

Best Practise?

Aber falsch gedacht – wenn man den innovativen Schweden und ihren Untersuchungsergebnissen glauben mag. Und das tue ich, denn wenn ich mal genau darüber nachdenke, dann stärkt eine gute Work-Life-Balance auch meine intrinsische Motivation. Dann gehe ich gerne zu Arbeit, bin schneller und schaffe mehr. Ich bin weniger gestresst, schlafe besser und bin einfach glücklicher. Höchste Zeit also, diese Debatte auch nochmals bei uns aufzugreifen.

Wie sieht´s da aus auf politischer Ebene? Manuela Schwesig fällt mir ein, die die 32-Stunden Woche für Eltern mit kleinen Kindern vorschlug. Ansonsten gibt es einige Unternehmen, die eine 4-Tage Woche eingeführt haben.

Existieren noch andere Modelle in der Debatte? Wie sehen die politischen Positionen dazu aus? Kann das wirklich Realität werden? Oder brauchen wir erst einen Wandel der Arbeitskultur? Und müssten dann nicht zu allererst unsere Politiker mit gutem Beispiel vorangehen?


Links

Gutes Leben und Gerechtigkeit in einer Postwachstumsgesellschaft

Die Gesellschaft des Teilens


Kommentare

  • Gegenfrage: Gibt es den klassischen 8-Stunden-Tag heute überhaupt noch?. Oder führen nicht die steigende Flexibilität – die man sowohl positiv als auch negativ sehen kann – und mehr Projektarbeit nicht eh schon zu einer Ausdifferenzierung der Arbeitswelten?

    Der 6-Stunden-Tag ist da eine weitere Idee. Ich kann die Argumente dafür sehr gut verstehen. Zudem zeigen Studien ja auch, dass so genannte Teilzeit-Mitarbeiter effizienter und fokussierter arbeiten. Spricht im Grunde also alles dafür.

    Aber ich sehe trotzdem nicht, dass es in den nächsten Jahren flächendeckend den 6-Stunden-Tag geben wird. Zum einen hat ja schon heute jeder ein Recht auf Teilzeit, wer also weniger arbeiten will, kann das auch heute schon in Absprache mit dem Arbeitgeber tun und müsste nicht unbedingt auf eine gesetzliche Regelung warten. Trotzdem wird in der Regel die Arbeitszeit erst reduziert, wenn es darum geht, Familie und Berufsleben unter einen Hut zu bekommen, die wenigsten reduzieren „einfach nur so“ oder weil sie mehr Zeit für ein Ehrenamt oder Hobbies o.a. haben möchten. Das liegt vermutlich daran, dass wir eine Arbeitsgesellschaft sind, uns vornehmlich über den Job definieren. Solange also kein breites gesellschaftliches Umdenken erfolgt, und dazu würde für mich auch eine Loslösung von Begriffen wie Voll- und Teilzeit und eine Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes gelten, wird sich in der Breite auch kein 6-Stunden-Tag durchsetzen.

  • IAB-Experte: Generelle Reduktion nicht absehbar

    Liebe ClaraMey, liebes Forum,

    wir haben einmal rumgefragt. Prof. Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter „Prognosen und Strukturanalysen“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzt die Frage nach dem 6-Stunden-Arbeitstag in Deutschland folgendermaßen ein:

    „Der Stundenumfang in Vollzeitjobs ist seit langem stabil. Eine generelle Reduktion auf sechs Stunden pro Tag ist nicht absehbar, zumal der demographische Wandel die Arbeitskräfte in Deutschland verknappen wird. Allerdings nimmt der Teilzeitanteil zu, und damit die Zahl der insgesamt pro Kopf geleisteten Stunden ab.

    In der Diskussion befinden sich aber Modelle der Arbeitszeitflexibilisierung und -reduktion gerade für Eltern. Im Gegensatz zu der vor einigen Jahrzehnten noch weit verbreiteten Situation in Westdeutschland sind Frauen heute meist erwerbstätig. Allerdings herrscht das Zuverdienermodell vor, bei dem der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau nur insoweit, wie es Kindererziehung und andere Aufgaben erlauben. Eine flexible Absenkung der Arbeitszeit kann hier helfen, das familiäre Leben und eine vollwertige berufliche Karriere miteinander zu verbinden.

    Gerade für kleinere Betriebe können sich allerdings praktische Schwierigkeiten ergeben, die wegfallende Leistung zu ersetzen. Auf der anderen Seite können sich Betriebe mit flexiblen Arbeitszeitangeboten einen Vorteil im Wettbewerb um gefragte Fachkräfte schaffen.“

    Beste Grüße, Alex (Redaktion)

  • Ich arbeite viel zu gern, sorry, 6 Stunden sind nicht genug :)

    • Da hast du Glück mit deinem Job! Bei Manchen ist der Beruf ja wirklich die Berufung (wie man so schön sagt), bzw. verschwimmen Arbeit, Hobbys, persönlich Interessen, Freizeit komplett. Aber das ist sicher nicht der Normalfall. Und wenn man sich das Beispiel der Pflegekraft mal herausnimmt – ein körperlich und sicher auch psychisch sehr anstrengender Job, in dem die Arbeitszeiten klar nach Schichten reguliert sind (und man nicht, wie in manch anderen Berufen, einfach länger macht, weil man will oder muss), dann finde ich den 6-Stunden Tag schon sehr vielversprechend. Ebenso Büro-Jobs, wo viel abgearbeitet und organisiert werden muss. Aber vielleicht brauchen wir ersteinmal eine Debatte zur Bedeutung von Arbeit an sich..hier fände ich es auch spannend, Arbeit für die Gesellschaft mitzudenken - z.B. ehrenamtliches Engagement oder Pflege von kranken oder älteren Angehörigen...