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Activate Europe - Online only?


Foto: Mirko LuxFinden junge EuropäerInnen zusammen? Foto: Mirko Lux (hier geht's zum ganzen Album)

Das digitale Europa bietet der Zivilgesellschaft große Chancen, sich transnational zu engagieren und zu vernetzen. In Berlin tauschten sich junge europäische Initiativen über ihre Ideen aus, aber auch über Herausforderungen – von der Sprachenvielfalt bis zur Finanzierung. Die erste Road Works Session des European Democracy Lab im Überblick...


Ein Beitrag von Redaktion (english version)

Bürgerfern, bürokratisch, undemokratisch – EU-Politik hat oft ein schlechtes Image. Schon die EU-Flagge lässt viele jüngere Menschen an ein technokratisches ‘Brüssel’ denken, an ‘alte Männer’ in Anzügen, an komplizierte Textwüsten, schier endlose Verhandlungen und kaum lesbare Richtlinien, an ein Heer der Lobbyisten. Weit verbreitet ist das Gefühl, persönlich nichts mit EU-Politik zu tun zu haben, geschweige denn auf die europäische Demokratie Einfluss nehmen zu können.

Was manchmal übersehen wird: es gibt in Ansätzen ein ‘Europa der BürgerInnen’, das sich über nationale Grenzen hinweg einbringt, engagiert und vernetzt. Nur haben es die vielen (jungen) Initiativen der europäischen Zivilgesellschaft oft nicht leicht, mit ihren Erfahrungen, Ideen und Anliegen in den oft national geprägten Diskursen gehört zu werden. Das European Democracy Lab hat deshalb die Road Works Sessions ins Leben gerufen. Die Idee: europäische Initiativen tauschen sich über ihre Missionen und Probleme aus. So können sie voneinander lernen, Kräfte bündeln, sich unterstützen.

Beim ersten Treffen in Berlin ging es um die Frage “Activate Europe. Online only?”. Publixphere moderierte als Kooperationspartner den Abend mit rund 50 jungen EuropäerInnen. Vertreten waren elf verschiedene Muttersprachen - von Finnisch bis Griechisch. Eine erste Erkenntnis: wir haben als junge Generation neue Möglichkeiten. Zum einen können wir uns auf Englisch miteinander verständigen – unsere Eltern können dies mehrheitlich nicht, wie eine spontane Umfrage unter den TeilnehmerInnen ergab. Zum anderen gibt uns die Digitalisierung zahlreiche Tools an die Hand, und wir nutzen diese bereits erfolgreich, um uns grenzüberschreitend zu vernetzen und einzumischen.

Unsere gemeinsamen Herausforderungen diskutierten wir rund 30 Minuten in gemischten Kleingruppen - anhand einzelner Projekte. Hier ein Überblick.

Who, If Not Us? Welche Online-Tools brauchen wir?

Mit “Who, If Not Us?” gehen AutorInnen aus elf europäischen Ländern einen ungewöhnlichen Weg. Ihr gemeinsam verfasstes Essay zeigt anhand persönlicher Erfahrungen Wege für junge Menschen auf, Ängste zu überwinden und als EuropäerIn aktiv zu werden. Das Besondere: ‘Who, If Not Us?’ ist bislang bewusst nur als Printversion verfügbar und nicht in digitaler Form. Allerdings steht es den LeserInnen frei, ihre Kontaktdaten im eigenen Exemplar zu notieren und es an andere weiterzureichen (‘Read and pass it on!). So kann theoretisch jedes Exemplar seine Reise durch Europa antreten und Menschen miteinander verbinden.

Doch bräuchte das transnationale Projekt neben einer Facebook-Seite noch begleitende Online-Tools? Das fragten die Initiatoren Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer (Herr & Speer).

Erkenntnisse der Runde:

  • der leicht romantische Offline-Ansatz hat in Zeiten der digitalen Überforderung seinen besonderen Charme. Trotzdem könnten Online-Tools hilfreich sein, wenn sich die LeserInnen vernetzen wollen. Diskutiert wurde unter anderem die Gründung einer geschlossenen Facebook-Gruppe mit Passwort (Bsp: wie lautet das erste Wort auf Seite 43?) und eines Online-Feedback-Kanals, um eigene Erfahrungen zu teilen. Dahinter steht auch die Frage: “Jetzt bin ich dank dieses Essays als EuropäerIn persönlich empowert - und nun?”

  • generell lässt sich aus der Runde die Frage mitnehmen, wie wir auch online und europäisch Zugehörigkeit, Gemeinschaft und persönliche Beziehungen stiften können – statt in einem Meer von Inhalten unterzugehen.

OneEurope: Euro-Bubble vs. Mainstream?

Schon längst ist es möglich, europäische Politik auch europäisch zu verfolgen. Beispielsweise hat sich seit 2011 mit OneEurope ein europäisches nicht-kommerzielles Bürgermedium entwickelt - ehrenamtlich getragen von rund 200 AutorInnen und zahlreichen RedakteurInnen. Sie schreiben auf Englisch aus Italien, Deutschland, Griechenland...

Mit Artikeln, Infografiken und Videos in englischer Sprache erreicht OneEurope schon beachtliche 50.000 Menschen im Monat. Doch wie ist ein noch größeres Publikum für den europäischen Blick zu gewinnen? Das fragte OneEurope-Mitbegründer Cherian Grundmann. Wie gelingt echte Breitenwirkung – über die europäisch interessierten Kreise hinaus?

Erkenntnisse der Runde:

  • die Webseite von OneEurope ist visuell und inhaltlich schon gut aufgestellt. Speziell Grafiken sagen oft mehr als tausend Worte. Was noch fehlt ist eine Strategie, die verschiedenen Einzelinteressen des Publikums themenbezogen anzusprechen. Für die zielgruppenspezifische Kommunikation würden sich auch E-Mailverteiler und Social Media anbieten

  • lange diskutiert wurde die Wirkung der Webseite auf erstmalige BesucherInnen. Der Name OneEurope könnte eine “europhile” oder EU-begeisterte Einstellung der MacherInnen vermuten lassen. Cherian Grundmann betonte jedoch, dass europäische Themen hier kritisch betrachtet und debattiert werden. Könnte OneEurope diese Offenheit auch für EU-Skepsis und EU-Kritik noch deutlicher machen, könnte die Seite wohl auch ein breiteres Publikum ansprechen.

  • generell ist das Image europäischer Initiativen zu reflektieren. Werden sie als verlängerter Arm der EU-Institutionen wahrgenommen oder schaffen sie es, ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu vermitteln?

Civocracy – Wie finanzieren wir Projekte?

Zivilgesellschaftliche Initiativen kosten viel Zeit, Arbeit und Ressourcen. Vieles steht und fällt mit der Finanzierung (Personal, Räume, Infrastruktur). Das noch junge Projekt Civocracy bietet eine Online-Plattform für den politischen Diskurs und das bürgerschaftliche Engagement von Communities. Bewusst hat das Civocracy-Team sich dafür entschieden, sich als Sozialunternehmen zu finanzieren – beispielsweise über Beratungs- und Moderationsleistungen. In der Runde diskutierte Mitbegründer Benjamin Snow über Finanzierungsmodelle:

Erkenntnisse der Runde:

  • Benjamin Snow zufolge ist die Zahl an Projektförderungen in den letzten Jahren gestiegen. Zugleich konkurrieren aber mehr Projekte um Förderbudgets. Doch die positive Erkenntnis bleibt: Es gibt gute Chance für innovative Projekte, finanziert zu werden. Das Problem: die Förderungen von Stiftungen und ähnlichen Organisationen sind meist temporär, so dass sich die Frage nach einer nachhaltigen Projektfinanzierung immer wieder stellt.

  • Ein Businessmodell ist nicht für jedes Projekt der beste Weg. Um langfristig nachhaltig zu arbeiten, hat sich Civocracy allerdings dafür entschieden.

  • Generell sollte Initiativen bewusst sein: die Suche nach Förderungen und Finanzquellen muss professionell betrieben werden. Sie lässt sich nicht einfach so nebenbei abwickeln, auch wenn einem die eigentliche Mission natürlich immer wichtiger erscheint.

#newEurope – wie überwinden wir Sprachbarrieren?

Lassen sich die EuropäerInnen über Grenzen hinweg für konkrete politische Forderungen mobilisieren? Vor dieser Herausforderungen stehen viele zivilgesellschaftliche Initiativen. Victora Kupsch (European Democracy Lab) und vier weiteren InitiatorInnen versuchen es aktuell mit dem Aufruf “Europa: Eine neue Version ist verfügbar” (#newEurope), der online gezeichnet werden kann (und auch auf Publixphere zur Diskussion steht). Sie fordern darin unter anderem transnationale Wahlen und ein transnationales Sozialhilfesystem. Generell geht es ihnen um ein “Europa der BürgerInnen”. Der Aufruf liegt derzeit in 12 Sprechen vor. Zugleich fragen sich die InitiatorInnen, ob das aufwendige Übersetzen Sinn macht. Oder können wir mittlerweile die nationalen Öffentlichkeiten Europas auch mit englischen Texten erreichen?

Erkenntnisse der Runde:

  • diskutiert wurde grundsätzlich die Frage, ob die europäische Sprachenvielfalt nicht auch zu einer gewissen Einfalt führt - in dem Moment, in dem wir die Diskurse der anderen schlicht nicht verstehen.
  • sollten wir also noch viel mehr auf Englisch setzen, um uns transnational zu vernetzen und zu verständigen? Hier kommt schnell der Vorwurf: Diskurse auf Englisch schließen viele Menschen aus, beispielsweise ältere Menschen und bildungsferne Schichten. Die Runde empfand Englisch allerdings im Sinne eine “common sense language” als hilfreich, und nicht als elitär, wenn gleichzeitig die “eigene Sprache” beibehalten wird.
  • bei europäischen Initiativen kommt es auch nicht nur auf die Sprache an, sondern auch auf gute Partner in den nationalen Öffentlichkeiten.

Wie geht es weiter?

Schon unsere erste Session hat gezeigt: oft stehen wir als europäische Zivilgesellschaft vor ähnlichen Herausforderungen – und an Ideen mangelt es nicht. Die nächste Session findet am 10. Dezember statt. Diesmal im Fokus: die Verbindung zwischen Polit-Aktivisimus und Kunst (im besonderen zwischen Polit-Aktivisimus und Theater). Mit uns sprechen werden Tobias Schuster (Leitender Dramatug - Schauspielhaus Wien), Tomas Schweigen (Regisseur: “Punk und Politik” - Schauspielhaus Wien) und Ludwig Haugk (Leitender Dramaturg - Maxim Gorki Theater).

Das European Democracy Lab und Publixphere halten euch auf dem Laufenden. Wer sich künftig (europäisch) vernetzen will, kann sich gern an uns wenden und wir teilen mit euch unsere bisherigen Kontakte:

  • European Democracy Lab: edl_communications(at)eusg.de
  • Publixphere: community(at)publixphere.de

Neben den im Text genannten Organisationen waren VertreterInnen folgender Initiativen bei der 1. Road Works Session dabei:


Links rund ums Thema:


Kommentare

  • Oh wie schön! Ihr jungen EuropäerInnen! Weitermachen!