Brauchen wir aufgrund fortschreitender Migration ein neues Verständnis von Staatsbürgerschaft?
Wer sind wir? Staatsbürger? EU-Bürger? Weltbürger? Im Bild: die Deutsche Botschaft in Prag. Foto: picture alliance
Ein Beitrag des Europäischen Salons
Wir wollen uns dem Thema „Entgrenzung des Staates und Gewährleistung der Menschenrechte? Perspektiven der europäischen Migrationspolitik“ redaktionsseitig wie folgt nähern.
Ausgangspunkt für die Vorstellung der Entgrenzung eines Staates soll das Staatsvolk sein. Nach der bekannten Drei-Elemente-Lehre des Staatsrechtlers Georg Jellinek besteht ein Staat im Sinne des Völkerrechts aus den drei konstitutiven Elementen Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt. Traditionellerweise geht das Völkerrecht davon aus, dass es Teil der staatlichen Souveränität ist, über die Vergabe der eigenen Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Davon zu unterscheiden ist der Begriff der Staatsbürgerschaft, welcher materielle Rechtspositionen des Einzelnen bestimmt.
Der Europäische Salon stellt im Hinblick auf die europäische Migrationspolitik folgende Fragen zur Diskussion:
- Welche Merkmale definieren für Euch/Sie den Begriff des Staatsbürgers?
- Welche Auswirkungen hat Migration auf das klassische Verständnis staatsbürgerlicher Rechte und müssen diese in Zukunft partiell auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt werden? Bürgerstatus ohne Staatsangehörigkeit?
- Kann die EU-Unionsbürgerschaft Vorbild für eine Form von globaler Weltbürgerschaft sein?
Doro
An den "Europäischen Salon":
Ich finde Ihre Fragestellung sehr interessant. Allerdings ist mir der Unterschied, den Sie machen zwischen "Staatsangehörigkeit" und "Staatsbürgerschaft" noch nicht ganz klar. Ob Sie das noch näher erläutern können?
Grundsätzlich geht mir die These durch den Kopf, die unser Bundespräsident Gauck aufgestellt hat: "Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz". Wie ist das bei den vielen Deutschen mit ausländischem Hintergrund, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben? Gehört Auschwitz nun auch zu ihrer Identität? Oder sind sie die besseren Deutschen, weil später Dazugekommenen?
Umgekehrt: wie ist es mit den jungen Deutschen mit deutschem Hintergrund der 3. Generation oder sogar schon der 4. Generation? Lastet nur auf ihnen eine Art Erbschuld?
Es ist meine Frage, ob mit der Staatsangehörigkeit bzw. Staatsbürgerschaft auch die (manchmal unselige) Geschichte eines Staates angenommen werden muss, oder ob neue Staatsangehörige ein neues Kapitel frei von Schuld und Vergangenheit aufschlagen können und insofern bevorzugt sind. Ja, und auch gerade deshalb gebraucht werden?