Soll der Feminismus Geschichte sein? Foto: Jay Morrison (CC BY-NC-SA 2.0)
Diskriminiert ein "radikaler" Feminismus Männer und Frauen? Braucht Gleichstellung eine neue Form des Aktivismus? Diese Fragen wirft MisterEde auf...
Ein Beitrag von MisterEde
Wer sich in Deutschland für Gleichstellung einsetzt, stellt schnell fest, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Je nachdem welche Gruppe benachteiligt wird, ist Gleichstellung mal gut und mal schlecht. Wer sich als Frauenrechtler oder Frauenrechtlerin gegen die Benachteiligung von Frauen einsetzt, wird zur moralischen Instanz, während jene, die sich gegen die Benachteiligung von Männern einsetzen, als rückwärtsgewand und frauenfeindlich gelten. Hierfür ist aus meiner Sicht vor allem der Feminismus verantwortlich, der, das muss man ihm zugestehen, in der Bundesrepublik bis weit in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Berechtigung hatte. Das Problem allerdings war, dass dieser bisweilen recht radikale Feminismus auch nicht verschwand, nachdem Frauen gesetzlich gleichgestellt waren.
Wer in den 90er Jahren, angesprochen hat, dass es z.B. im Sorgerecht auch zu Benachteiligungen von Männer kommt, wurde von jenen Feministinnen, die sich doch eigentlich mal die Gleichstellung auf die Fahne geschrieben haben, wie jemand behandelt, der Frauen zurück an den Herd schicken will. Zwar ist diese Einstellung heute nicht mehr ganz so weit verbreitet, aber noch immer kann sich derjenige, oder auch diejenigen, der sich für die Belange von Männern einsetzt, eine ganze Menge gerade von Feministinnen anhören. Dies durfte zum Beispiel Bundesfamilienministerin Schwesig erleben, die scharf kritisiert wurde, weil sie es wagte, neben Frauen auch benachteiligte Männer in den Blick zu nehmen. (taz-Artikel zum Plan von Schwesig zur Reduktion von Benachteiligungen von Männern (26.02.2015))
Aber nicht nur Männer, sondern sogar Frauen werden mittlerweile zum Opfer dieses Feminismus, der Hausfrauen mal eben ihr Leben vorwirft, Muslimas das Kopftuch verbieten will und bei einem zu großen Ausschnitt einer Frau erklärt, sie würde sich selbst zu einem Sexobjekt abwerten. Wenn es aber soweit ist, dass selbst Frauen durch Feminismus diskriminiert werden, weil ihnen durch Feministinnen das Recht auf die eigene, freie und selbstbestimmte Entscheidung abgesprochen wird, dann ist deutlich, dass es sich bei diesem Feminismus um einen durchgebrannten Gaul handelt.
Mit dieser abstrusen Form des Feminismus muss daher endlich Schluss sein!
Jeder Mensch hat einen Anspruch auf den Schutz seiner Individualität und den Schutz vor Benachteiligungen. Statt eines einseitigen und intoleranten Feminismus brauchen wir daher eine echte Gleichstellung, bei der zum einen geschlechtsabhängige Benachteiligungen aller Menschen anerkannt werden und bei der zum anderem jeder und jedem selbst die Entscheidung darüber überlassen wird, nach welchen individuellen, persönlichen Vorstellungen er oder sie leben will. Gerade von jungen Feministinnen, die aus meiner Sicht viel eher Gleichstellungsaktivistinnen sind, würde ich mir daher wünschen, dass diese sich klar von dem radikalen Feminismus distanzieren, der besonders bei den Feministinnen im fortgeschritten Alter, also jenen Überbleibseln aus einer längst vergangen Zeit, noch immer vorhanden ist.
Was wir brauchen ist Gleichstellungsaktivismus!
Zwar sind heute in Deutschland vor dem Gesetz Frauen und Männer gleichberechtigt, dennoch gibt es noch zahlreiche Benachteiligungen, die es zu beseitigen gilt. Allerdings kann, anders als vor 40 Jahren, mittlerweile eine Gleichstellung eben nicht mehr einfach durch das Aufheben diskriminierender Gesetze erreicht werden. Was meines Erachtens daher notwendig ist, um Gleichstellung in Deutschland weiter voranzutreiben, ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir in Zukunft strukturelle Benachteiligungen beseitigen, ohne dabei das Recht auf Selbstbestimmung zu sehr zu verletzen und ohne neue und unverhältnismäßige Diskriminierungen für das jeweils andere Geschlecht zu verursachen.
Aus meiner Sicht brauchen wir deshalb einen Gleichstellungsaktivismus, der sich, anders als der Feminismus, nicht in der einseitigen Betrachtung der Benachteiligungen eines Geschlechts erschöpft, sondern stets eine ganzheitliche Betrachtung vornimmt. Dies erscheint mir vor allem deshalb so notwendig, weil meines Erachtens nur eine solche ganzheitliche Sichtweise erlaubt, zwischen verschiedenen Seiten abzuwägen und die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Gegenmaßnahmen (z.B. beim Kopftuchverbot oder bei Fragen von Quoten) zu beantworten.
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