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MisterEde: "Dem (echten) Feminismus geht es nicht um Gleichstellung"


Foto: Elephant Gun Studios (CC BY-NC 2.0Foto: Elephant Gun Studios (CC BY-NC 2.0)

Wer sollte sich für wen einsetzen? Frauen für Frauen? Alle für alle? MisterEde kritisiert feministische "Ungleichbehandlung". Zu Recht?


Ein Beitrag von MisterEde

Ginge es dem Feminismus tatsächlich um die gesetzliche Gleichstellung von Mann und Frau, bräuchte es keine Debatte und der Feminismus könnte der Vergangenheit angehören, weil diese gleichen Rechte längst existieren und was es bereits gibt, braucht man nicht mehr einfordern. Das zeigt aus meiner Sicht aber, dass es dem Feminismus heute gerade nicht mehr um gleiche Rechte für Mann und Frau geht, sondern um eine gesetzlich geregelte Ungleichbehandlung zu Gunsten der Frauen und zu Lasten der Männer.

Wo mir diese Ungleichbehandlung, zwar nicht rechtlich, aber gesellschaftlichen sehr deutlich wurde, war bei der Diskussion zum PXP-Thema „Gewalt im Internet“. Ein Thema, das alle Internetnutzer trifft und das völlig problemlos ohne das Abstellen auf ein Geschlecht behandelt werden könnte. Dennoch schaffte es am Themen-Abend eine Teilnehmerin der Diskussionsrunde mehrfach zu betonen, dass es in der Veranstaltung speziell um die Gewalt im Internet gegenüber Frauen geht, was im Umkehrschluss ja zwingend bedeutet, dass es nicht so wichtig erscheint über Gewalt im Internet gegenüber Männern zu sprechen.

Drehen wir diesen Gedanken doch einfach mal kurz herum, um zu zeigen, wie abstrus eine solche Einstellung ist. Denn umgekehrt muss doch dann ein Mann sagen, Gewalt im Internet gegen Frauen ist nicht mein Problem. Oder, warum sollte es Männer stören, wenn eine Frau vergewaltigt wird? Es ist doch nicht das Problem der Männer. Gewalt in der Ehe? Ja schlimm, wenn Männer verprügelt werden, aber wenn die Ehefrauen geschlagen werden, kann es Männern doch egal sein.

Meine Frage nach dieser plakativen Umdrehung: Merkt Ihr Feministinnen eigentlich noch irgendwas? Ist es wirklich zu vernachlässigen, wenn anstelle einer Frau ein Schwuler oder Ausländer im Netz zum Opfer von Attacken wird? Ist es von Feministinnen zu viel verlangt, dass sie männlichen Gewaltopfern nicht Desinteresse entgegen schleudern? Ist es wirklich zu viel verlangt, dass auch Feministinnen ein gewisses Maß an Empathie aufbringen?

Würde es den Feministinnen also wirklich um Gleichstellung gehen, dann würde z.B. auch Gewalt gegen Männer von ihnen anerkannt und thematisiert werden und eben nicht nur Gewalt gegen Frauen. Die einseitige Fokussierung auf Gewalt im Netz gegen Frauen, belegt damit aber sehr schön, wie fern der echte Feminismus von dem ist, was unser Grundgesetz in Art. 3 fordert.

Anmerkung: Wahrscheinlich treffe ich mit meinen Artikeln mehr „Feministinnen“ als mir lieb ist, weil sich aus meiner Sicht viele „Gleichstellungsaktivistinnen“ fälschlich als Feministinnen bezeichnen. Was ich mit Feminismus meine, ist der echte Feminismus, unter dem zum Teil sogar Frauen leiden, wenn z.B. einer Muslima, die selbstbestimmt ein Kopftuch trägt, gesagt wird, sie sei fremdgesteuert oder unterdrückt oder sie würde „die Flagge des islamischen Kreuzzugs tragen.“ Na, erratet ihr wer letzteres gesagt hat, oder muss ich Frau Schwarzer als Quelle noch erwähnen?


Weitere Diskussionen zu Feminismus und Gleichstellung:


Kommentare

  • Hallo MisterEde,

    ich habe die Debatte um Aggressionen ím Netz hier auch verfolgt.

    Noch einmal: die Beschäftigung mit struktureller Gewalt gegen Frauen, mit dem erklärten Ziel, Frauen vom Diskurs auszuschließen, bedeutet doch nicht, andere Gewalt zu verharmlosen oder zu akzeptieren. Ich weiß überhaupt nicht, wie Du darauf kommst.

    Würdest Du bestreiten, dass es in der Gesellschaft immer noch tradierte Rollenbilder gibt, die auf Ungleichheit hinaus wollen?

    Ich kann Dir nur insofern folgen, als es schön wäre, nicht in die Falle derjenigen zu tappen, die ganze Geschlechter mit Attributen und Wertungen versehen, die der Realität nicht stand halten, die einfach zu komplex ist, wenn es um Induviduen geht. Aber zu dieser Loslösung müssen erst noch kommen. Auch wenn wir schon enorm weit sind, betrachtet man Jahrtausende der Unterdrückung der Frau. Und es ist doch immer noch nicht vorbei. Schau mal Fernsehen. Ein Bericht aus dem Irak. Männer am Kabinettstisch. Männer an den Waffen. Männer auf der Straße. Als gäbe es im Irak nur Männer. Die Frauen sind verschwunden.

    • Hallo Emil,

      "Würdest Du bestreiten, dass es in der Gesellschaft immer noch tradierte Rollenbilder gibt, die auf Ungleichheit hinaus wollen?"

      Nein, ganz im Gegenteil!

      Anfang des letzten Jahres kritisierte ich genau das an der Gleichstellungspolitik: "Und gerade in diesem Zusammenhang wirkt es paradox, wenn mit dem Ziel der Gleichstellung explizit für Frauen Vorträge zum Thema „Beruf und Familie“ angeboten werden. Ob damit dann tatsächlich die Gleichstellung gefördert oder doch nur das konservative Rollenbild aufrechterhalten wird, ist aus meiner Sicht fraglich." Warum wir eine neue Gleichstellungspolitik brauchen

      • Hallo MisterEde,

        Gleichstellungspolitik und Feminismus schließen sich nicht aus. Wenn Du Gewalt gegen Frauen im Netz betrachten willst, dann kannst Du das zum Beispiel in Schilderungen wie diesen hier:

        Vienella: Zu Vergewaltigungsdrohungen in nur wenigen Schritten

        Das ist Gewalt gegen Frauen, weil sie Frauen sind. Ein Problematik, die eine gesonderte Reflexion doch völlig rechtfertigt. Wenn Du spezifisch gegen Männer gerichtete Gewalt im Netz kennst, wäre es genauso plausibel, das zu porblematisieren.

        Sich mit dieser spezifischen Gewalt gegen Frauen zu beschäftigen, heißt doch nicht, die Gewalt gegen andere Personen zu befürworten. Jemand, der sich gegen Gewalt in Schulen engagiert, ist doch nicht für Gewalt im Altersheim.

        Irgendwie kommen wir an diesem Punkt nicht weiter.

        • Hallo Emil,

          von „Befürwortung“ von Gewalt habe ich aber auch nicht gesprochen. Was ich in diesem Beitrag beklage, ist schlicht die Gleichgültigkeit und das Wegsehen von Feministinnen, wenn Männer benachteiligt werden. Und genau das lässt sich für mich nicht mit Gleichstellung vereinbaren.

          „Sich mit dieser spezifischen Gewalt gegen Frauen zu beschäftigen“

          Ich frage mal so: Warum bietet die Heinrich-Böll-Stiftung eine Debatte zum Thema Gewalt im Netz gegen Frauen an, aber keine Debatte Gewalt im Netz gegen Männer oder gegen Ausländer, Muslime, Schwule, Behinderte oder eben einfach ganz allgemein Gewalt im Netz? Es gibt zig Möglichkeiten sich mit spezifischer Gewalt im Netz auseinanderzusetzen und doch findet eine solche Debatte eben nur mit Bezug auf Frauen statt. Dies wirkt, zumindest auf mich, ziemlich einseitig.

  • Folgendes Zitat von Rafael Seligmann vom 02.03.2015 aus einer Diskussion zum Thema Gewalt gegen oder Diskriminierung von Religionsgruppen (Phoenix, Unter den Linden), mit dem er beispielhaft darstellt, wie er sich eine Reaktion auf Diskriminierung oder Gewalt vorstellt, finde ich auch für diese Debatte passend:

    „Darum geht’s, dass man nicht nur sagt, Ok, ich hab was dagegen dass eine Frau vergewaltigt wird, und geht weiter. Sondern dass man versucht, dem anderen beizustehen. Das ist ein Unterschied zwischen Billigen und Missbilligen und aktiv für den anderen, für den nächsten Menschen eintreten.“

    Und dass dies ganz allgemein gilt und nicht nur bei Minderheiten, will ich mit einem simplen Beispiel belegen: Das Apartheidsregime in Südafrika war nicht weniger schrecklich, nur weil die diskriminierte schwarze Bevölkerung die Mehrheit im Land stellte.

  • Stellt man sich unser Grundgesetz wie einen Suppenteller vor, der bis an den Rand mit einer Suppe aus persönlichen Schutzrechten gefüllt ist, dann wird deutlich, wie die Suppe auf einer Seite immer überlaufen muss, wenn man versucht eine andere Seite höher zu stellen.

      • Hallo anne-marie,

        wie stehen Sie zum Vorschlag, die Benachteiligung von Jungs in der Schule zu beenden? Lassen Sie sich hierfür auch begeistern?

        https://publixphere.net/i/publixphere-de/proposal/1862-Leichterer_Zugang_zu_Gymnasien_und_Unive.html