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Dann reden wir doch über Kriminalität


Foto: Boris NiehausRund um das Kottbusser Tor in Berlin steigt die Kriminalität. Was ist zu tun? Foto: Boris Niehaus (CC BY-SA 3.0)

Wo bleiben überzeugende Strategien gegen die Kriminalität junger Männer, die offenbar 'Lost in Europe' sind? Das fragt Alex...


Ein Beitrag von Alexander Wragge

Vorweg: Mich nervt, dass die wichtige Debatte über Kriminalität regelmäßig zur Islam-, Werte-, und Kulturkampf-Debatte hochgejazzt wird. Wo liegt der Erkenntniswert, wenn wir glauben, obzessiv den Koran auseinander nehmen zu müssen, obwohl wir eigentlich den Taschendiebstahl und das Antanzen am Kottbusser Tor in Berlin meinen? Straftaten, von denen alle betroffen sind - ob nun Moslem, Christ oder Atheist.

Warum reden wir nicht einfach als postmigrantische Gesellschaft, zum Beispiel als BerlinerInnen und Berliner, gemeinsam darüber, wie die Kriminalität von jungen Männern zu verhindern ist, die offenbar großteils 'Lost in Europe' sind - ohne echten Aufenthaltstitel und meist auch ohne Aussicht darauf (was diese Reportage eindrucksvoll verdeutlicht)?

Welche Strategien sind die richtigen - lokal, national und auf EU-Ebene? Gibt es die vielleicht schon?

Es würde mich freuen, wenn hier im Forum sowohl persönliche Erfahrungen als auch Fachwissen ausgetauscht werden. Ich werde mal schauen, ob ich ExpertInnen und PolitikerInnen dafür gewinnen kann, ihre Antworten zu skizzieren.


Hintergrund

Zur Beschäftigung mit dem Thema möchte ich mehrere Reportagen empfehlen. Man muss etwas Zeit investieren, aber ich glaube, es lohnt sich:


Link


Kommentare

  • Manuel Müller Der (europäische) Föderalist
    +2

    Bei der staatlichen Old-School-Version von PXP, die Bundeszentrale für politische Bildung, gibt es diesen hübschen Text über Ausländerkriminalität. Zentrale Aussage: Für die Strafauffälligkeit wesentlich sind verschiedene soziale Faktoren, "vor allem Geschlecht (mehr Männer unter den Straffälligen), Alter (mehr Junge), Region (mehr Großstadtbewohner) sowie Qualifikation (mehr Ungelernte)". Dass Ausländer häufiger straffällig werden als Nicht-Ausländer, liegt demnach insbesondere daran, dass sie häufiger männlich, jung, urban und ungelernt sind. Vergleicht man hingegen Arbeitnehmer in der gleichen sozialen Lage, stellt man fest, dass Migranten sogar gesetzestreuer sind als Nicht-Migranten.

    Was heißt das für die Strategien im Umgang mit "postmigrantischer" Kriminalität? In erster Linie wohl, dass Migration an sich nicht das Problem ist, sondern nur insofern, als sie zu sozialer Ausgrenzung führt.

    • Hallo Manuel! Danke für die Faktoren! Ich habe mich oben wohl etwas unklar ausgedrückt. Meine Intention war es, die Kriminialitätsdebatte erstmal aus der Islam- und Zuwanderungsdebatte zu lösen. Statt nun in dieser Debatte wieder Ausländer, Menschen mit Migrationshintergrund und Biodeutsche zu trennen, macht es Sinn, erstmal festzuhalten, dass wir eine postmigrantische Gesellschaft sind, die gemeinsam vor einem Problem steht (Kriminalität). Es sollte uns nicht spalten (wie Rechtsradikale das gern hätten), nicht jahrzehntelange Integration, und jahrzehntelanges Zusammenleben und Zusammenwachsen in Frage stellen (wie gesagt, schau "die story").

      Was ich zugleich nach Köln und angesichts der Entwicklungen am Kottbusser Tor und anderswo extrem vermisse, ist die Auseinandersetzung mit Straftätern, die weder rechtlich eine Bleibeperspektive haben, noch abgeschoben werden. Es muss hier irgendeine Strategie geben. Denn die große Gefahr ist ja, dass am Ende die Akzeptanz für Asyl und Migration an sich leiden, dass Menschen in 'Sippenhaft' genommen werden, dass diese Straßenkriminalität auf verschiedenste Weise instumentalisiert wird. Was heißt die Gefahr ist da - so ist ja schon.

      • Manuel Müller Der (europäische) Föderalist
        +1

        Na ja. Wenn du die Kriminalitätsdebatte von der Zuwanderungsdebatte lösen möchtest, warum diese Betonung der "postmigrantischen Gesellschaft"? Für den größten Teil der Kriminalität ist es doch völlig gleichgültig, ob wir postmigrantisch sind oder nicht. Du selbst schreibst aber, dass dich hier jener Teil der Kriminalität interessiert, der "von jungen Männern" begangen wird, die "offenbar großteils 'Lost in Europe' sind" - und damit setzt du selbst den Fokus auf eine bestimmte Tätergruppe, die du über ihren (Ausländer-)Status definierst.

        Im Übrigen: Eine Einwanderungspolitik, die zu einer großen Anzahl hier lebender Menschen ohne Bleibeperspektive führt, ist natürlich schon an sich vermurkst, weil sie mit einer massiven sozialen Ausgrenzung und entsprechend viel Leid für die betreffenden Menschen verbunden ist. Dass einige dieser Ausgegrenzten dann auch noch straffällig werden, macht das Ganze zwar zu einem besseren medialen Aufreger, ist aber in meinen Augen weder überraschend noch entscheidend für den Umgang mit der Situation. So oder so muss das Ziel darin bestehen, die Zahl der sozial Ausgegrenzten zu verringern. Dafür gibt es im Wesentlichen eine "rechte" und eine "linke" Lösung: Entweder man schiebt mehr Menschen ab oder man gibt mehr Menschen eine Chance auf sozialen Aufstieg (was mit dem Aufenthaltstitel beginnt, aber noch lange nicht endet). Aber das ist nun wirklich keine besonders originelle Erkenntnis...

        • Hallo Manuel,

          es ist eine grobe Fehleinschätzung, dass die in Alex Beiträgen beschriebenen Jungs erst hier straffällig wurden. Viele lebten schon in ihren Heimatländern als Straßenkinder von Raub. Ihr Hirn ist in vielen Fällen entsprechend lange in den Genuss von Klebstoffdämpfen gekommen und wird hier nun mit anderen Drogen behandelt. Auch mit dem besten Willen wird man die so Geschädigten nirgendwo integrieren können. Dies ist fraglos eine weitere Zuspitzung eines viel größeren Kriminalitätsproblems, in dem solche Menschen nur die verstörendste Komponente sind.

          Es ist sehr schade, dass diese Debatte soweit ab von Tatsachen geführt wird und nur rechts und links kennt. Auf die gesamte Einwanderungsdebatte bezogen, von der sich die Straftaten eingewanderter Straßengangs natürlich nicht völlig trennen lassen, wird weder die bedingungslose Aufnahme, noch die absolute Abschottung gelingen. Bevor wir aber Analysen und Lösungen für dieses überaus komplexe Thema bearbeiten, sollten wir die dafür nötige Diskussions-Infrastruktur anhand von einfacheren Prolemen entwickeln. Mal sehen ob das gelingt.

        • Ich sehe das in weiten Teilen genauso wie @ManuellMueller und er macht doch das einzige Intelligente, wenn es darum geht, das Thema sachlich zu bearbeiten. Er vergleicht zunächst Gruppen, die sich eben nur durch das Merkmal „Migrant“ und „Einheimischer“ unterscheiden und dann sieht man eben, dass es wenn dann auf die Lebensumstände von Menschen ankommt und nicht darauf, welche Religion oder Herkunft sie haben.

          Die Antwort ist deshalb vereinfacht gesagt, man muss die Lebensumstände von Menschen verbessern. Allerdings bin ich dann schon der Auffassung, dass es nicht gerade zielführend ist, die unterschiedlichen Ausgangslagen auszublenden. Es ist ja weder ein Zufall noch ein Vorwurf, dass viele Migranten nicht gleich in die Oberschicht einwandern.

          1. Migranten haben in aller Regel nicht Deutsch als Muttersprache. Das macht erst mal vieles schwerer und unser System mit langen Wartezeiten bei Sprachkursen ist da auch nicht gerade hilfreich.

          2. Migranten haben oft wenig Ahnung davon, wie unsere Gesellschaft funktioniert – und das ist normal. Ich hätte auch keinen Plan davon, wie die Gepflogenheiten in Afghanistan sind. Das dauert einfach einen Moment, bis man sich zu Recht findet.

          3. Deutschland ist ein Land mit relativ gutem Ausbildungsniveau. Zieht man die Migration aus anderen EU-Ländern ab, dürfte die durchschnittliche Qualifikation der Zuwanderer ein gutes Stück unter der der einheimischen Bevölkerung liegen und gerade Afrika ist jetzt auch nicht gerade für ein besonders gutes Schulsystem bekannt.

          4. Migranten bringen meistens nicht gerade einen Koffer voll Geld, Gold und Edelsteinen mit, sondern müssen oft sogar noch Kredite zurückzahlen, die sie für die Flucht aufgenommen haben, oder Verwandte in der Heimat unterstützen. Selbst wenn eine Familie nach Deutschland kommt und beide nach kurzer Zeit einen anständigen Job finden, bleibt das Geld also meist knapp.

          Das gilt soweit erst mal allgemein, also auch für jene, die sich völlig anerkannt und mit allen Rechten hier in Deutschland aufhalten. Hinzu kommt dann aber, da hat Alexander Wragge absolut recht, noch das spezielle Problem, dass manche Personen ohne Bleiberecht nicht abgeschoben werden können. Und ehrlich gesagt halte ich das schon für einen ziemlich wichtigen Punkt, weil die „Sans Papiers“ in Frankreich oder in ähnlicher Form eben auch Menschen hierzulande ja tatsächlich vorhanden sind.

          Daher bin ich bei Müllers letzter These auch nicht dabei. Ohne Land, das eine Person aufnimmt, gibt es keine Abschiebung und insofern existiert diese Lösung im Moment nicht. Was also bleibt, wäre eine Inhaftierung, aber um das zu wollen, muss man schon mindestens AfD-Rechts sein.
          Allerdings kann es ja auch umgekehrt keine Lösung sein, automatisch eine Bleibeperspektive zu eröffnen, weil man dann bei vielen Personen auch gleich auf die Prüfung verzichten könnte. In diesem Fall kann man den Rechtsstaat aber gleich in die Tonne kloppen, nach dem Motto, wir erlauben Mord, weil wir ihn eh nicht verhindern könne. Und gerade mit Hinblick auf die (schweren) Straftäter unter den nicht Bleibeberechtigten darf unser Staat, der ja die Pflicht hat uns zu schützen, sowieso nicht einfach darauf verzichten, alles zu versuchen, um sie nach verbüßter Haft in ihre Heimat abzuschieben. Insofern halte ich diese Lösung mit der allgemeinen Bleibeperspektive auch nicht für real.

          Am ehesten würde wohl ein UN-Abkommen helfen, welches die Rücknahme von Personen regelt. Oder gibt es sowas nicht bereits? Wenn ja, könnte man die Weigerung mancher Länder zumindest mal sanktionieren – z.B. Entwicklungshilfe einfrieren. Wäre so ein Gedanke.

          • Mittlerweile scheint es zumindest eine Option zu geben. Nachdem Rücknahmeabkommen mit Marokko und Algerien auf dem Weg sind, können demnächst Abschiebungen dorthin stattfinden.

            Ich denke, es ist auch in Ordnung, Personen ohne Bleibeberechtigung in ihre Heimatländer zurückzuführen. Streiten kann, oder vielleicht auch muss, man sich allerdings darüber, ob Deutschland das Bleiberecht bislang zu restriktiv gewährt.

            Das ist ja nur nicht aufgefallen, weil Abschiebungen eben oft nicht möglich waren und in diesen Fällen die Verweigerung des Bleiberechts keine nach außen sichtbaren Konsequenzen hatte.

        • Wir sind uns vollkommen einig Manuel! Du empfindest diese Erkenntnisse als nicht originell, aber klick Dich mal durch die verlinkten Reportagen und den Artikel. Und Du wisst sehen, dass Du schon einen Schritt weiter näher am eigentlichen Problem bist.

  • „Wer sein Gastrecht missbraucht, hat sein Aufenthaltsrecht verspielt.“

    Na, von wem stammt das Zitat? Richtig, Klaus Kinkel (FDP, 17.03.1996). Ging damals um Ausschreitungen kurdischer Demonstranten. (Tagesschau vor 20 Jahren)

  • Henrik ist dafür
    +1

    Hallo Alex,

    vielen Dank, dass du dieses Thema wieder aufgreifst. Die beschriebenen Probleme sind allerdings alles andere als neu. Nur die Dimensionen werden immer größer. Ich möchte dir dazu noch einmal einen Beitrag des Spiegels aus dem Jahr 2010 empfehlen:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-71892545.html

    Eine interessante Parallele zum Artikel des Tagesspiegel ist die Verbindung zu Hintermännern, welche die drogenabhängigen Diebe in ihren BMWs abholen. Es ist zu tiefst beschämend, dass nichts geschehen ist, seit dem die bald sechs Jahre alte, öffentlichkeitswirksame Analyse veröffentlicht wurde. Neben dem Festellen des Versagens aller vier Gewalten, muss man sich auch fragen was in der gesellschaftlichen Debatte im Allgemeinen schief gelaufen ist. Die Politik hat es versäumt die Ursachen anzugehen, die Justiz war überfordert, die Polizisten wurden im Stich gelassen und die Medien haben nicht angemessen über das sich schon lange zusammenbrauende Unheil berichtet. Und wir Bürger verharren in Ohnmacht und geben uns der Lethargie hin.

    Als ich diese Worte das letzte Mal geschrieben habe, kam nur der Vorwurf keine Lösung vorzuschlagen. Daher jetzt nochmal in aller Deutlichkeit:

    Wir müssen dafür sorgen, dass eigentlich selbstverständliche Maßnahmen in der Strafverfolgung durchgesetzt werden.

    Um das zu erreichen, sollten wir uns zuallererst fragen, wie es dazu kommen kann, das es Intensivtäter überhaupt gibt. Mit was für einem kaputten Justizsystem leben wir, wenn es Menschen in diesem Land möglich ist, zehn erhebliche Straftaten in einem Jahr zu begehen? Wie borniert waren Politik und Medien diesen Missstand weitestgehend zu ignorieren? Wie frustrierend muss es für die nun kritisierten Polizisten sein, wenn sie immer wieder die gleichen Täter festnehmen, nur damit diese bald wieder die nächste Straftat begehen?

    Es wäre wünschenswert, wenn es gelänge hier auf Publixphere die Analysen und Lösungen zielgerichteter zu erarbeiten. Aber das erste Experiment soll ja bald fortgesetzt werden ; )

  • Die Richtung die Alexander hier vorgibt ist, meiner Meinung nach, richtig und wichtig. Wir sollten uns von nebensächlichen Dingen wie Religion fernhalten - doch diese Diskussion "postmigrantisch" zu führen halte ich für unmöglich. Denn wie auch schon im Beitrag zu lesen ist handelt es sich bei den "Straftätern" häufig um Menschen ohne Aufenthaltstitel. Mir liegt es fern zu mutmaßen wieso weshalb warum diese Menschen flüchten mussten. Es sollte auch völlig egal sein - denn Grenzen sind ein modernes Konstrukt und illusorisch. Seit der Entstehung des Menschen, ob evolutionär oder durch eine Gottheit, gibt es das Phänomen der Migration. Jeder Mensch sollte ein Recht dazu haben, und jeder der dem Anderen dies zum Vorwurf macht sollte fortan sich der Weltgeschichte bewusst sein und auf seinen Lokalpatriotismus verzichten. Meiner Meinung nach gibt es (ohne die obigen Quellen näher begutachtet zu haben) nur wenige Schritte die nötig sind, um das Problem der ansteigenden Überfälle, Trickdiebstähle usw. einzudämmen. Sie sind keinesfalls klein und unaufwändig und entstammen meiner Wunschvorstellung. Manch eine/r möge sie als utopisch bezeichnen. Wie zuvor angedeutet betrachte ich jeden Menschen auf dieser Welt als Erdenbürger. Wir sehen uns als fortschrittliche Zivilisation an - warum nicht die Staatsbürgerschaft abschaffen und einen flexiblen Arbeitsmarkt erlauben? Zumindest sollten wir den neu eingetroffenen Menschen eine Arbeitserlaubnis aushändigen oder ausreichend Kurse anbieten die ihre Etablierung in unserem Arbeitsmarkt ermöglichen. Kommen wir zu dem, meiner Meinung nach, wichtigsten Punkt: soziale Diskrepanzen auflösen. Nicht umsonst hat Oxfam eine Studie veröffentlicht die besagt, dass 62 Menschen so viel besitzen wie die untere Hälfte der Weltbevölkerung. Ein Fakt der für eine weltweite Revolution sorgen sollte! Doch anstatt dessen geht der deutsche Michel auf AfD Demonstrationen, zündet Flüchtlingsheime an und stößt erneut auf den altbekannten Sündenbock: dem Islam. Um nicht zu sehr abzuschweifen: ich habe den Eindruck, dass die Menschen, die sich durch Diebstahl bereichern, genau diese Diskrepanz erkennen und eigene Maßnahmen ergreifen. Von daher um es provozierend auszudrücken - ein Appell an die Diebe: klaut weiterhin!! wir ertrinken in Waren und Gütern die unserem Arbeitsaufwand maßlos übersteigen. Warum an Luxus festklammern der uns nicht zusteht? Wenn die Umschichtung des Reichtums nicht durch die Regierung eingeleitet wird dann gefälligst durch Selbstjustiz!

    • Hallo Chacooty, ich gebe Dir insofern Recht, als dass die ökonomische Perspektive auf allen Ebenen wichtig ist. Jemand, der keinen Status hat, darf nicht arbeiten, gerät also viel eher in die Versuchung oder in die Notwendigkeit, anders Geld zu verdienen. Deshalb finde ich die Lage von Menschen auch so fatal, die keine Bleibeperspektive haben und durch die EU reisen, von Antrag zu Antrag. Sie werden weder abgeschoben noch integriert. Für mich die schlechteste aller Situationen.

      Auf der anderen Seite ist Diebstahl, vor allem das mehr oder minder gewalttätige Beklauen anderer, nun wirklich keine tolerierbare Option. So ein Straßenraub traumatisiert. Und er vergiftet die Gesellschaft, bedient den Wahn der Rechtsradikalen. Ich bezweifele dass die Politik daraus ableiten wird, gegen die globale Vermögensungleichheit vorzugehen. Obwohl der Gedanke interessant ist. Es ist schon ein wenig so. Nur wenn es der ganzen Welt gut geht, geht es auch uns gut. Wir sitzen in einem Boot. Zur Abschaffung der Grenzen gibt's aktuell dieses Gedankenspiel.

      Was ich erstnal ganz pragmatisch nicht verstehe, ist wenn Behörden diese Fälle und diese Täter einfach ignorieren, weil sie aus dem System gefallen scheinen. Es muss irgendeine Antwort geben, Anlaufstellen, Programme, Sozialarbeit, keine Ahnung was.

    • Hallo Chacooty,

      entschuldige bitte, aber ich halte Deinen Satz "Grenzen sind ein modernes Konstrukt und illusorisch" für Unsinn. Grenzen sind nicht modern. Wenn Du in die Geschichte zurückgehst, so weit sie durch schriftliche Zeugnisse oder durch die Archäologie bekannt ist, gab es schon vor Tausenden von Jahren Reiche mit Grenzen: Sumerer, Hethiter, Ägypter, Babylonier, Assyrer, Neubabylonier, Perser, Philister, Israel (Nordreich und Juda), Römer, Griechen, das römische Reich, germanische Reiche, Frankenreich etc etc...Dass diese Reiche sich ausdehnen wollten und andere unter ihre Herrschaft bringen wollten, steht auf einem andern Blatt. Zunächst einmal stellt ein früher Reich, später Fürstentum oder Königreich, heute Nation einen Ordnungsrahmen her. Ein Ordnungsrahmen, der das menschliche Geschlecht von Menschenaffen bzw. von den ersten Menschen unterscheidet, wo das Prinzip des Familienclans mit einem Patriarchen an der Spitze galt, und der seine Gebiete gegen andere Clans absteckte und verteidigte bzw. andere angriff. Die Nation ist eine Höherentwicklung, die die Egoismen einzelner Familien bzw. Fürsten - wie lange hat es gebraucht, bis Deutschland sich als Nation verstand! - einbindet.

      Willst Du wirklich mit dem Postulat "Wir sind alle Erdenbürger, sonst nichts" zurück zu einem Urzustand? " Zurück zur Natur! Auf die Bäume, ihr Affen"? Willst du zurück zu einem Kampf aller gegen alle, denn das wäre die Konsequenz? Der Tüchtigste überlebt? Wäre das nicht reiner Darwinismus?

      Die Nation ist für mich ein unabdingbarer Ordnungsrahmen. Dass Nationen zusammenarbeiten, auch Souveränitätsrechte zugunsten einer übergeordneten Ordnungsmacht abgeben, und den Frieden miteinander halten, ist wunderbar. Und das ist modern, und man sollte wegen nationaler Interessen nicht dahinter zurückfallen. Aber ein Aufgeben der nationalen Identität zugunsten eines nebulösen Weltbürgertums halte ich für einen Rückfall in die vorgeschichtliche Zeit des Menschen, in der Familien mit ihren egoistischen Interessen sich mit anderen Familien bis aufs Blut bekämpften. Und wo der Grundsatz galt: Der Stärkere, der Tüchtigere siegt.