Dann reden wir doch über Kriminalität
Rund um das Kottbusser Tor in Berlin steigt die Kriminalität. Was ist zu tun? Foto: Boris Niehaus (CC BY-SA 3.0)
Wo bleiben überzeugende Strategien gegen die Kriminalität junger Männer, die offenbar 'Lost in Europe' sind? Das fragt Alex...
Ein Beitrag von Alexander Wragge
Vorweg: Mich nervt, dass die wichtige Debatte über Kriminalität regelmäßig zur Islam-, Werte-, und Kulturkampf-Debatte hochgejazzt wird. Wo liegt der Erkenntniswert, wenn wir glauben, obzessiv den Koran auseinander nehmen zu müssen, obwohl wir eigentlich den Taschendiebstahl und das Antanzen am Kottbusser Tor in Berlin meinen? Straftaten, von denen alle betroffen sind - ob nun Moslem, Christ oder Atheist.
Warum reden wir nicht einfach als postmigrantische Gesellschaft, zum Beispiel als BerlinerInnen und Berliner, gemeinsam darüber, wie die Kriminalität von jungen Männern zu verhindern ist, die offenbar großteils 'Lost in Europe' sind - ohne echten Aufenthaltstitel und meist auch ohne Aussicht darauf (was diese Reportage eindrucksvoll verdeutlicht)?
Welche Strategien sind die richtigen - lokal, national und auf EU-Ebene? Gibt es die vielleicht schon?
Es würde mich freuen, wenn hier im Forum sowohl persönliche Erfahrungen als auch Fachwissen ausgetauscht werden. Ich werde mal schauen, ob ich ExpertInnen und PolitikerInnen dafür gewinnen kann, ihre Antworten zu skizzieren.
Hintergrund
Zur Beschäftigung mit dem Thema möchte ich mehrere Reportagen empfehlen. Man muss etwas Zeit investieren, aber ich glaube, es lohnt sich:
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WDR: Jung, männlich, marokkanisch - Ein Stadtteil unter Verdacht (die story) Die Ereignisse der Silvesternacht haben ihre Spuren hinterlassen: Ansammlungen junger Männer aus Tunesien, Libyen, Algerien und Marokko werden jetzt kritisch beäugt. 3. Februar 2016
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RBB: Wo Kriminelle in der Hauptstadt leichtes Spiel haben (Magazin Kontraste) In Berlin sind unter den Augen der Polizei und des Berliner Senats "rechtsfreie Räume" entstanden. Drogendealer und kriminelle Antänzer beherrschen zahlreiche öffentliche Plätze. Weil sie kaum mit Konsequenzen rechnen müssen, gehen die Kriminellen immer aggressiver vor. 11. Februar 2016
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Tagesspiegel.de: Selbst für Kreuzberg zu krass - Raub und Schläge am Kottbusser Tor in Berlin Seit 30 Jahren gehört das Kottbusser Tor zu den Berliner Problemplätzen. Nun ist es richtig gefährlich geworden. 50 Prozent mehr Überfälle, 100 Prozent mehr Diebstähle. Ex-Hausbesetzer und türkische Gastronomen haben genug. 18. Februar 2016
Manuel Müller Der (europäische) Föderalist
Bei der staatlichen Old-School-Version von PXP, die Bundeszentrale für politische Bildung, gibt es diesen hübschen Text über Ausländerkriminalität. Zentrale Aussage: Für die Strafauffälligkeit wesentlich sind verschiedene soziale Faktoren, "vor allem Geschlecht (mehr Männer unter den Straffälligen), Alter (mehr Junge), Region (mehr Großstadtbewohner) sowie Qualifikation (mehr Ungelernte)". Dass Ausländer häufiger straffällig werden als Nicht-Ausländer, liegt demnach insbesondere daran, dass sie häufiger männlich, jung, urban und ungelernt sind. Vergleicht man hingegen Arbeitnehmer in der gleichen sozialen Lage, stellt man fest, dass Migranten sogar gesetzestreuer sind als Nicht-Migranten.
Was heißt das für die Strategien im Umgang mit "postmigrantischer" Kriminalität? In erster Linie wohl, dass Migration an sich nicht das Problem ist, sondern nur insofern, als sie zu sozialer Ausgrenzung führt.