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Plädoyer für die Transatlantische Freihandelszone (TTIP)


Der CDU-Politiker Peter Beyer fordert mehr Sachlichkeit in der TTIP-Debatte. Foto: www.peter-beyer.info

Foto: www.peter-beyer.info

Ein Diskussionsanstoß von Peter Beyer

Hinweis: Das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA (TTIP) bewegt auch auf Publixphere die Gemüter. Die Redaktion hat deshalb Bundestagsabgeordnete nach ihrer Sicht gefragt. Der CDU-Außenpolitiker Peter Beyer (Webseite) stellt seine Argumente für TTIP zur Diskussion. Beyer ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und unter anderem Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Transatlantischen Beziehungen.

"Auf der Internetplattform Campact haben inzwischen fast 500.000 Menschen für den Abbruch der Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP unterschrieben. Im Deutschen Bundestag hat eine Online-Petition mit demselben Begehren innerhalb weniger Wochen die Marke von 50.000 Unterschriften überschritten. TTIP bewegt die Gemüter, und die Debatte wird emotional geführt. Begriffe wie „Hormonfleisch“, „Genmais“ oder „Chlorhühnchen“ werden als Schreckbilder der Handelsliberalisierung bemüht. Mit solchen Bildern werden die Ängste vieler Menschen vor Freihandel, vor globalen und freien Märkten geschürt.

Die Sorgen sind ernst zu nehmen, und hier muss die Aufklärungsarbeit ansetzen. Das Abkommen wird 850 Millionen Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks sowie ein Drittel des Welthandels betreffen. Damit entsteht der größte Wirtschaftraum der Welt. Hinzu kommt, dass TTIP viel umfassender ist als bisherige Freihandelsabkommen. Nicht nur Zölle sollen gesenkt werden, sondern auch sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse. Durch Angleichung und gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher administrativer Vorschriften, Produktstandards und Zulassungsverfahren sollen die Handelskosten und damit auch die Preise für die Produkte und Dienstleistungen sinken.

Exportnation Deutschland profitiert

Genau in dieser Größe und Tiefe liegen die Chancen von TTIP. Alle ökonomischen Kennzahlen sprechen dafür, dass beide Seiten des Atlantiks deutlich von dem Abkommen profitieren werden. Bei einem umfassenden Abkommen würde die Wirtschaftskraft der EU jährlich um 119 Milliarden Euro wachsen. In den USA würde der Zuwachs bei 95 Milliarden Euro liegen. Das reale Einkommen der Menschen würde in Deutschland um rund 5 Prozent und in den USA um 13 Prozent steigen. Kurzum – der Abbau von Handelshemmnissen erhöht den Wohlstand.

Insbesondere die Exportnation Deutschland wird von einer transatlantischen Freihandelszone profitieren. Die USA sind der wichtigste Markt für deutsche Produkte. Durch den verbesserten Marktzugang werden vor allem mittelständische Unternehmen und exportstarke Branchen und damit auch die Arbeitnehmer in Deutschland gewinnen.

Die ökonomischen Vorteile eines transatlantischen Freihandelsabkommens, die sich in Dollar und Euro messen lassen, erzählen aber nur einen Teil der Geschichte. Der andere – und mindestens genauso wichtige – Teil ist die politische Bedeutung dieses Abkommens. Während sich die Debatte um Chlorhühnchen, Genmais und Hormonfleisch dreht, dürfen wir nicht das Große und Ganze aus den Augen verlieren. Das Abkommen wird die transatlantische Zusammenarbeit auf Jahrzehnte prägen. Was die NATO früher im Sicherheitsbereich war, wird die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft in Zukunft im ökonomischen Bereich sein. TTIP wird als vertraglich vereinbarte Klammer fungieren, die dem deutschen Mittelstand zugutekommen und unseren Wohlstand sichern helfen wird. Gerade im Hinblick auf den Vertrauensverlust durch die NSA-Enthüllungen kann TTIP helfen, den transatlantischen Beziehungen neues Leben und eine neue Dynamik zu verleihen. Denn das neue Paradigma der Weltpolitik ist nicht mehr militärische Schlagfähigkeit, sondern ökonomische Wettbewerbsfähigkeit.

Keine unnötigen Ängste schüren

Die Vertiefung des transatlantischen Austauschs kann außerdem als Grundlage für weitere gemeinsame Projekte dienen. Europa und die Vereinigten Staaten haben noch viel miteinander vor. Wir brauchen einander, um globalen Herausforderungen wie internationalem Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Klimawandel oder Unterentwicklung und dadurch bedingte Armut zu begegnen. Machen wir uns nichts vor, keines der internationalen Probleme kann ohne die USA gelöst werden.

TTIP ist DAS Projekt der Zukunft. Wir dürfen diese Chance jetzt nicht vertun. Es dient nicht der Sache, wenn unnötig Ängste geschürt werden. Die EU-Kommission wird nicht müde zu betonen, dass das bestehende hohe europäische Schutzniveau in keinem Bereich zur Disposition steht. Dafür setzt sich auch die Bundesregierung ein. Wir müssen endlich anfangen, sachlich zu diskutieren."


Kommentare

  • Hinweis: Unser Partnerprojekt, der Europäische Salon, widmet sich in seiner kommenden Veranstaltung dem Thema "Auf dem Weg zur transatlantischen Wirtschaftsgemeinschaft mit TTIP". Wir möchten alle Interessierten auf die Podiumsdiskussion am 20. November in Berlin aufmerksam machen und herzlich zu Online-Diskussion des Themas einladen! Ab jetzt kann hier diskutiert werden, alle Beiträge haben die Chance, in die Podiumsdiskussion einzufließen.

  • Liebe Foristen, ein kurzer Hinweis der Redaktion. Die Europaabgeordnete Nadja Hirsch (FDP) stellt nun ihre Position zu TTIP zur Diskussion: "TTIP – Nicht ohne Datenschutzabkommen"

  • economics101 ist dagegen
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    "Das reale Einkommen der Menschen würde in Deutschland um rund 5 Prozent und in den USA um 13 Prozent steigen. "

    Woher kommen diese Zahlen?

    "Nicht nur Zölle sollen gesenkt werden, sondern auch sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse. Durch Angleichung und gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher administrativer Vorschriften, Produktstandards und Zulassungsverfahren sollen die Handelskosten und damit auch die Preise für die Produkte und Dienstleistungen sinken."

    Genau hier liegt das Problem! Hier wird zumindest ein Status Quo zementiert, welcher dann mit Hinweis auf das TTIP nur schwer zu ändern wäre. Im schlimmsten Falle gibt es eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Bevölkerung ist zurecht besorgt, dass hier über die Hintertür sinnvolle Regulierung abgebaut werden soll.

  • Lieber Herr Beyer,

    schön dass sich hier mal ein Befürworter von TTIP aus der Deckung traut. Glaubt man der Bundesregierung und der EU-Kommission, dann ist ja auch gar nichts dran am Horror von den "Chlorhähnchen", dem Hormonfleisch, den Investor-Staat-Klagen. Das Problem liegt im Wort "glauben".

    Wir Bürger müssen Ihnen glauben, dass Sie bei diesen Geheimverhandlungen keinen Murks machen, keine Fehler. Es ist geradezu absurd. Bevor die Grünen es geleakt haben, kannten wir Bürger noch nicht einmal das Mandat, mit dem auch Sie in der deutschen Regierung die EU-Kommission in die Verhandlungen geschickt haben. Wollten Sie dieses Mandat ernsthaft vor den Amerikanern geheimhalten? Nein. Eher scheint es so, als sollte der öffentliche Auftrag der Steuerzahler an ihre Bediensteten bei der Kommission (so kann man dieses Mandat auch mal nennen) vor den Bürgern geheim bleiben.

    Der Witz ist aber nun, das Mandat scheint mir gar nicht so schlimm. Da stehen schon viele wichtige Punkte drin, auch das Standards zu verteidigen sind. Warum also die ganze Heimlichtuerei? Sie wollen einfach von der Demokratie nicht bei ihrer schönen Handelspolitik gestört werden. Und das ist ein Skandal. Timo_Wans hat das hier in der Diskussion "Freihandel über alles" schon aufgegriffen.

    Ebenfalls merkwürdig: Warum macht die Kommission schon jetzt Propaganda für ein Abkommen, von dem sie noch nicht einmal weiß, ob es im Sinne ihrer Auftraggeber (den EU-Bürgern) ausfällt? Nachzulesen ist die "Kommunikationsstrategie" hier. Demokratischerweise müsste man doch erst verhandeln und dann zu den Bürgern sagen - "wir finden dieses oder jenes Ergebnis vertretbar - was denkt ihr?". Stattdessen jetzt schon: "TTIP Hurra Hurra!". Dieses vorhereilende Freihandels-Hurra ungeachtet aller realen Ergebnisse schwächt unsere europäische Position im Verhandlungspoker, nicht die Transparanz.

    Zu guter letzt: die Sache mit dem Investorenschutz. Die Bundesregierung ist ja nun gegen die ominösen Schiedsverfahren, sowas soll es bitte "nur" gegen Dritte-Welt-Länder geben. Können Sie einmal aufklären, wie diese Schnapsidee überhaupt in das Mandat an die Kommission kam? Dieses Mandat hat nicht Washington geschrieben, das waren Sie, also die Bundesregierung und die anderen EU-Regierungen. Wer hat Ihnen diese Idee der Schattenschiedsrichter eingeflüstert, wo doch EU und USA wahrlich genug richtige Gerichte haben, die Streitigkeiten rechtsstaatlich klären können?

    Ich würde Ihnen, der Kanzlerin und Herrn Gabriel gerne vorschlagen, sich einmal hinzusetzen und zu fragen: Handelsabkommen und Demokratie - wie geht das zusammen?