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Reul (CDU): Die Troika hat gute Arbeit geleistet


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Als Spanien Mitte 2012 ökonomisch ins Straucheln geriet, ging auch der DAX in Frankfurt auf Talfahrt. Auch die Troika hat die Eurozone seitdem gestärkt, meint Herbert Reul, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Foto: picture alliance / dpa.


Ein Beitrag von Herbert Reul Im Auftrag der Euroländer hat die Troika in den vergangenen Monaten und Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Die durch die Staatsschuldenkrise nötig gewordenen Rettungsaktionen sind angesichts ihres Umfangs und der Dringlichkeit ihrer Umsetzung natürlich nicht vollkommen ohne Makel - aber das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Hilfskredite haben zusammen mit den Reformauflagen Staatspleiten verhindert. Es ist gefährlich die Arbeit der Troika jetzt an den Pranger zu stellen und schlecht zu machen. Reformen kosten Mühen und brauchen Zeit. Die Anstrengungen der krisengeschüttelten Länder sind noch nicht beendet und müssen weitergeführt werden, um zu nachhaltigem Erfolg zu führen.

Zweifel an der Legitimation der Troika zu schüren ist unredlich. Denn nicht die Troika ist schuld an der hohen Staatsverschuldung und den wirtschaftliche Problemen, sondern die nationalen Regierungen der betroffenen Länder. Die Reformmaßnahmen wurden in den jeweiligen nationalen Parlamenten diskutiert und beschlossen. Die Troika muss die Reformanstrengungen der Krisenländer weiterhin zielführend begleiten, damit Schuldenberge abgebaut und Wettbewerbsfähigkeit der Länder und damit der gesamten Eurozone gestärkt wird.

Meine Webseite: www.herbert-reul.de


Kommentare

  • Lieber Herr Reul,

    Warum ist eine Meinung, die der Ihren widerspricht gefährlich? Besteht die eigentliche Gefahr nicht darin, immer auf ein "weiter so" zu bestehen, selbst wenn alle Daten Ihrer Version der Geschichte widersprechen?

    "Die Troika hat gute Arbeit geleistet":

    Industrieproduktion:

    Bild Entwicklung der Industrieproduktion der Euro-Zone

    Jugendarbeitslosigkeit:

    Bild Jugendarbeitslosigkeit

    Inflation:

    Bild Inflation

    2008 vs. 1929

    Bild 2008 vs. 1929

    Fakt ist, die Troika hat keine gute Arbeit geleistet, die Ökonomen des IMF haben das auch zugegeben.

    "Die Südländer waren selber schuld"

    Fakt ist auch, dass die Verschuldung der "Krisenstaaten"relativ zum BIP (ausser in Griechenland) nicht durch Missmanagement entstanden ist, sondern durch die Übernahme von Verbindlichkeiten global agierender Banken. Zugegeben, manche Staaten, z.B. Irland, waren an ihrer Situation nicht ganz unschuldig, da sie grosse player mit großzügigen Angeboten auf die Insel lockten.

    Trotzdem: Hätten wir Europäer (wie es z.B, die Amerikaner mit TARP gemacht haben) "unseren" Bankensektor als das verstanden, was er defacto ist - nämlich ein grenzübergreifendes Konstrukt - und ihn dementsprechend gemeinsam gerettet, dann hätte es erst gar keine "Staatsschuldenkrise" gegeben.

    "Schuldenberge abbauen"

    Unter gewissen Vorraussetzungen, kann man sicherlich durch sparen Schulden abbauen. Aber leider funktioniert eine Volkswirtschaft nicht immer wie die Kasse einer schwäbischen Hausfrau.

    Weniger Staatsausgaben können so zu Einahmenverlusten führen, die unterm Strich höher ausfallen als die Einsparungen. Komisch, ist aber so.

    z.B. Portugal:

    • 2010: Staatsausgaben: 88,5 Mrd Euro; Staatsschulden: 161 Mrd Euro
    • 2011: Staatsausgaben: 84,37 Mrd Euro; Staatsschulden: 184 Mrd Euro
    • 2012: Staatsausgaben: 75, 48 Mrd Euro; Staatsschulden: 203,4 Mrd Euro
    • 2013: Staatsausgaben: 79,01 Mrd Euro Staatsschulden: 200,98 Mrd Euro

    Reformen.

    Einfach mit dem Rotstift durch das Budget zu gehen und das dann Reform zu nennen ist Quatsch.

    Es macht z.B. keinen Sinn, in Spanien bei der Bildung zu sparen, in der Hoffnung dann käme schon das Vertrauen der Investoren zurück. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass innerhalb der Eurozone die Divergenzen nicht zu groß werden und gleichzeitig sicherstellen, dass Europa als Ganzes im globalen Wettbewerb bestehen kann.

    Das beinhaltet auch Reformen! Denn natürlich haben viele Länder in Europa massiven Aufholbedarf und auch die Lohnentwicklung ist dort in Boomzeiten ausser Kontrolle geraten. Aber die Angleichung muss von beiden Seiten kommen (in Deutschland bedeutet das z.B wie jüngst erst Herr Weidmann betont hat, dass wir Lohnerhöhungen brauchen)

    Ausserdem brauchen die ökonomisch schwächeren Länder Hilfe bei der Durchführung echter Reformen, z.B. beim Eintreiben von Steuern, beim Aufbau von Katasterämtern, bei der Reform ihrer Arbeitsmärkte - die häufig hoch qualifizierte jüngere Arbeitnehmer benachteiligen, und ja, auch bei der vorsichtigen Privatisierung von Staatsunternehmen und dem Abbau von Beamtenstellen. Aber das geht nicht von heute auf morgen und muss gleichzeitig von Investitionen begleitet werden.

    All das lässt sich nur durch massive Eingriffe in die staatliche Souveränität aller Staaten der Eurozone bewerkstelligen. Am Anfang steht also eine grundlegende Reform unseres politischen Systems, die in eine echte politische Union münden muss.


    Bild Entwicklung der Industrieproduktion der Euro-Zone: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/wp-content/uploads/2013/08/Entwicklung-der-Industrieproduktion-der-Euro-Zone-pink-und-der-EU-27-schwarz.jpg

    Bild Jugendarbeitslosigkeit: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/wp-content/uploads/2013/11/jugend-arbeitslosigkeit-eurozone.png

    Bild Inflation: http://www.thefinancialexpress-bd.com/assets/images/news_images/2014/08/14/eurozone-inflation-rates-apr2014_50425.jpg

    Bild 2008 vs. 1929: http://graphics8.nytimes.com/images/2013/11/14/opinion/111413krugman1/111413krugman1-blog480.png

    • Hallo PDU,

      wenn ich in die Frage an Herrn Reul einhaken darf, dann würde ich sagen, es ist gefährlich, die Troika zum Sündenbock zu machen, weil dies ausblendet, dass die von konservativer und neoliberaler Ideologie geprägte Rettungspolitik keine Entscheidung jenes Gremiums war, sondern die Entscheidung der politischen Verantwortungsträger, vor allem der Regierungschefs.

      Zur Finanzmarktkrise von/vor 2009:

      Ich stimme dem Beitrag in diesem Punkt absolut zu. Die Bankenkrise hat in vielen Staaten erst die Staatsschuldenkrise ausgelöst. Dass dennoch in diesem Bereich so wenig bis nichts passiert ist, hängt aus meiner Sicht mit widerstreitenden Interessen nationaler Finanzlobbyisten (jeder will sein Geschäft ausgeklammert wissen) und einer sehr marktgläubigen politischen Führungselite in Europa zusammen.

      Finanzmarktsteuer [Gibt’s nicht] Europäische Bankenaufsicht [Vielleicht irgendwann] Strengere Eigenkapitalvorschriften [Vielleicht irgendwann] Verringerung der Verknüpfung zwischen „Lizenz-Banken“ und grauem Kapitalmarkt [Gibt’s nicht] Abwicklungsmechanismen für Banken [Vielleicht irgendwann] Europäische Bankenversicherung (von Finanzinstituten getragener Abwicklungsfonds) [Vielleicht irgendwann]

      • Hallo PDU, ich moechte noch einmal anders an die Sache herangehen. Es geht in Europa schlicht auch darum, welches Geschaeftsmodell wir eigentlich haben. Wer mal ein wenig rumfaehrt in Italien, Frankreich, Griechenland kommt schnell auf die Frage: warum sind wir Europaer eigentlich noch reicher als Menschen in Afrika und Asien? Viele alte Industrien sind untergegangen, ausgelagert, oder durch digitale Disruption obsolet. Ein Weiter So scheint mir - Krise/Troika hin oder her - ausgeschlossen. Die Wertschoepfung ist eine andere, die Nachfrage waechst nicht mehr in den Himmel, neue Beduerfnisse (und sie bedienende Produkte) sind auch nicht in Sicht. Auch eine politische Union aendert daran nichts. Ich denke, diesen grossen Kontext sollten wir beruecksichtigen, bevor wir auf die Old-School Troika eindreschen.

        • Hallo GeertV

          Ein interessanter Gedanke, den ich aufgreifen will, auch wenn es damit etwas vom Ursprungs-Thema weggeht.

          Allgemein: Arbeitslosigkeit ist aus meiner Sicht die Folge einer Verteilungsfrage. Werden Güter innerhalb einer Volkswirtschaft anders verteilt lässt sich jederzeit Vollbeschäftigung erreichen. Allerdings sagt dies dann noch nichts darüber aus, wie sich dadurch der Gesamtwohlstand in einer Volkswirtschaft entwickelt (Bsp. DDR).

          Deutschland: In Deutschland wäre meines Erachtens unter den aktuellen Bedingungen eine Reduktion der Arbeitslosigkeit relativ leicht machbar, wie auch in jedem anderen Sozialstaat, der Arbeitslosengeld und damit ja schon eine Transferleistung zahlt und der trotzdem einen einigermaßen ausgeglichen Staatshaushalt (Bund, Länder, Sozialversicherungen) hat. Legt man für jeden Arbeitslosen zu Hartz IV, Wohngeld usw., was ja eh gezahlt wird, monatlich noch 400 Euro obendrauf, sind das im Jahr knapp 5.000 Euro Mehrbelastung. Bei 3 Millionen Arbeitslosen wären das insgesamt jährlich 15 Milliarden Euro, die notwendigen wären, um zumindest eine halbe Stelle zu schaffen. So viel kosten jetzt auch locker die Rentenpläne, weshalb die Frage nach der Finanzierung gerade in Deutschland zurzeit im Grunde nur eine Verteilungsfrage zwischen einzelnen Gruppen ist.

          Das Problem in Deutschland ist dabei, 77 Millionen Menschen zu sagen, dass sie mehr Steuern zahlen sollen oder weniger Rente oder Kindergeld bekommen (Rentner und Eltern sind auch große Gruppen), ist recht unangenehm und dafür gäbe es nur 3 Millionen Wählerstimmen. Außerdem wird die Demografie das Problem zumindest zum Teil lösen, dort wo nicht die Qualifikation der Arbeitnehmer im Weg steht.

          Spanien: In Sozialstaaten, in denen es eh schon wenig zu verteilen gibt, ist das mit der Rückführung der Arbeitslosigkeit deutlich schwieriger. Würde man so verfahren, wie eben für Deutschland beschrieben, würde z.B. in Spanien entweder der Staatshaushalt explodieren oder aber das Steuerniveau für die bislang arbeitende Bevölkerung würde dermaßen ansteigen oder z.B. das Rentenniveau für Rentner so stark sinken, dass es am Ende die dortigen Gesellschaften sprengt. Auch jemand der 100.000 Euro verdient, sagt bei einer Steuer- und Abgabenlast von 70% nicht „Super ich habe noch 30.000“, sondern versucht vielleicht lieber irgendwo anders in der Welt zu arbeiten – und sei es in Deutschland.

          Entwicklungsländer: Ganz groß wird die Frage nach dem Wachstum und der Arbeitskraft vor allem, wenn man ganz Abseits der hiesigen Diskussion, auf die Entwicklungsländer und das Wachstum der Weltbevölkerung schaut. Insgesamt gibt es eine gewisse Menge an Rohstoffen die wir ausbeuten könne, Fläche die wir bebauen können und so weiter. Wollen wir nicht die letzten Naturflächen zerstören, sind die Grenzen des möglichen ziemlich erreicht. Zwar kann die Produktivität gesteigert werden, die Produktivitätssteigerung reicht aber gerade mal, um mit dem Wachstum der Weltbevölkerung mitzuhalten. Will man westlichen Wohlstand für alle Menschen erreichen, müsste entweder das Produktivitätswachstum gigantisch sein oder der Westen muss etwas abgeben. Auch auf globaler Ebene bleibt dies damit am Ende hauptsächlich eine Verteilungsfrage.

          P.S. Arbeitsplätze sind kein Problem: In Pflege, Bildung oder Kultur kann man theoretisch unbegrenzt Menschen beschäftigen. Im Zweifel hätte man halt 2 Pfleger für einen Kranken oder Filme, die sich nur ein paar Leute anschauen.

        • Hallo GertV,

          Wer ein bisschen in Afrika oder Asien rumfährt begreift relativ schnell warum Europa nach wie vor deutlich reicher ist. Der Vorsprung in Kapital, Ausbildung, Infrastruktur, Rechtssicherheit, Transparenz, Anti-Trust und Anti-Korruption, Produktivität, Innovation,..... ist immer noch massiv.

          Mann kann natürlich davon ausgehen, dass unser "Geschäftsmodell" sowieso bald an seine Grenzen stoßen wird (denke du meinst in etwa das und das)

          Ist eine berechtigte Sorge, bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht mit den akuten Problemen die wir jetzt in der Eurozone haben auseinandersetzten müssen. Einfach nur auf die "Troika eindreschen" und es dann dabei zu belassen ist keineswegs unsere Intention

          Ob und wie eine vollständige politische Union der Euroländer nicht möglicherweise doch besser auf die Herausforderungen der Globalisierung und die systhemischen Probleme, die du angedeutet hast, reagieren kann, hat mit der Troika zunächst nicht so viel zu tun und ist daher eine Diskussion für einen anderen Tag.

          • Danke fuer die schnelle Antwort. Ich meine, Frau Merkel und auch Bruesseler Stimmen stimmen ein, geht es um die Wettbewerbsfaehigkeit der Eurozone im Ganzen in Konkurrenz zu den anderen Erdteilen/Wirtschaftsmaechten ueber einen langen Zeitraum (21. Jahrhundert). Hier scheint man zu dem Schluss gekommen zu sein, dass die Staatsquote runterzufahren ist, auch beim Sozialstaat, dass Europa "ueber seine Verhaeltnisse lebt", wie es so schoen typisch deutsch heisst. Darueber laesst sich bestimmt trefflich streiten. So ganz abwegig finde ich diese Merkelsche Gedankenwelt aber nicht.

            • Das mit der Wettbewerbsfähigkeit ist so eine Sache:

              • Irgendjemand muss ja schlussendlich all die Produkte, die man dann Dank der (hauptsächlich über die Lohnstückkosten) erreichten Produktivitätssteigerung exportieren kann auch abnehmen. Wir können schliesslich nicht alle Export-Weltmeister sein.

              • Die Eurozone steht im internationalen Vergleich sowohl bei Staatsschulden (92,6%) als auch bei der Handelsbilanz) eigentlich ganz gut da. Würde also nicht sagen, dass wir massiv über unsere Verhältnisse Leben. Auch im historischen Vergleich sind unsere Schuldenquoten nicht soooo aussergewöhnlich. Finde diese Graphik immer wieder interessant:

              Bild US Debt to GDP

              Die USA waren zu Beginn der größten Boomphase ihrer Geschichte deutlich höher verschuldet als wir es jetzt sind.

              • Glauben wir wirklich, dass Länder wie Brasilien und China langfristig so weiter machen (sprich produzieren) können wie bisher, ohne dass sie von ihren demographischen (Asien) und politischen (Lateinamerika) Problemen eingeholt werden? Die Angst vor den gefährlichen Konkurrenten ging in den 80ern schon einmal um. Die Gefahr kam damals aus Japan, und wie das gelaufen ist wissen wir ja. Natürlich bedeutet das nicht, dass wir einfach so weiter machen könen. Es steht ausser Frage, dass die Staatsquote z.B. in Griechenland vorsichtig zurückgefahren werden muss und dass in einigen Ländern die Löhne zu hoch sind. Da muss man ran. Aber vor allem damit die "Peripherie" innerhalb der €-Zone gegenüber Deutschland und den Niederlanden bestehen kann. Nicht so sehr wegen der Chinesen.

              • Was Sozialleistungen angeht: Hier geht es nicht um die Frage ob wir uns das leisten können (können wir) sondern ob wir uns das leisten wollen. In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Sind die USA mit ihrem deutlich weitmaschigerem Sicherheitsnetz wirklich ein attraktives Model für uns?

              Bild US Debt to GDP: http://www.economicshelp.org/wp-content/uploads/blog-uploads/2011/08/us-debt1900-2015.jpg)

      • Hallo MrEde,

        Ein wichtiger Punkt. Auch wenn Herr Reul das so wahrscheinlich nicht unterschreiben würde...

        Zitat von Rakaba aus dieser Diskussion:

        "Die Troika hat so ihre Vorteile, auch für die Regierungen in den Krisenländern. Die deutsche Regierung kann dem Hass auf den Gläubiger entgegnen: die Troika (der IWF) wars. Die griechische Regierung kann ihren Wählern sagen: Was sollen wir machen? Die Troika regiert! "

        Dieser Mechanismus, der es den Staats- und Regierungschefs ermöglicht, sich hinter der Troika zu verstecken, hat zu einer Entdemokratisierung und Entparlamentarisierung der Politik in der Eurozone geführt (gilt übrigens auch für Geberländer wie Deutschland, wo den Abgeordneten die "Rettungspakete" auch nur zum Abnicken vorgelegt wurden)

        Die Existenz der Troika liesse sich aber evtl. noch rechtfertigen, wenn die angestrebten "Reformen" erfolgreich gewesen wären. So wie es jetzt gelaufen ist, mangelt es aber nicht nur an demokratischem Input, sondern auch an Output-Legitimität.

        • Hallo PDU,

          Sie haben sicher recht, dass die Troika auch gerne von den nationalen Regierungen als Ausrede missbraucht wird. Ich finde das nicht gut, allerdings finde ich es auch nicht wirklich verwerflich, sondern kann das irgendwie nachvollziehen, dass Politiker das einfach nutzen, weil es ein leichter Weg ist, um die eigene Verantwortung von sich zu weisen. Das gehört wohl zum heutigen politischen Geschäft. Allerdings würde ich von den Medien in den jeweiligen Ländern erwarten, dass sie das für die Bürger entschlüsseln – explizit auch in Deutschland.

    • Hallo PDU, ich würde hier gern noch auf eine andere Bedrohung hinweisen, die der Demokratie weltweit und natürlich auch allen Ländern der EU und insbesondere dem Euroraum droht, wenn wir unser Wirtschaftssystem weiter an den Maximen eines Friedrich von Hayek oder Milton Friedman orientieren.

      Wolfgang Streeck, Direktor am Max-Planck-Institut für Sozialforschung hat darauf in zwei Arbeiten erst kürzlich wieder hingewiesen. Streeck schreibt “Indem die Legitimationsprobleme des demokratischen Kapitalismus gegenüber dem Kapital zu Akkumulationsproblemen wurden, verlangten sie als Bedingung ihrer Lösung nach einer immer weitergehenden Befreiung der kapitalistischen Ökonomie von demokratischer Intervention. Damit verlagerte sich der Ort der Sicherung einer Massenbasis für den modernen Kapitalismus von der Politik zum Markt [...] bei fortschreitender Immunisierung der Wirtschaft gegenüber der Demokratie als Massendemokratie“. (Gekaufte Zeit: die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, 2013, Seite 27). Er führt dies auch in einem ganz aktuellen Beitrag zur New Left Review aus. Diesen Text als PDF gibt’s hier. Das klingt alles ein wenig akademisch, die Folgen aber haben MisterEDE und GeertV in diesem Thread bereits umrissen.

      In dem o.a. Sinn ist auch die von der EU-Kommission beauftragte Troika tätig. Ihr habt einige Folgen dieser Politik aufgelistet und grafisch dargestellt und argumentiert danach aber sehr widersprüchlich.

      Für die Kommission und „ihre“ Troika sind die aufgelisteten Punkte entgegen anderer Beteuerungen eher positive Nachrichten bzw. hinnehmbare Kollateralschäden mit der Hoffnung, eine neue Wachstumsphase würde diese Probleme erledigen. Reformen sind in diesem Zusammenhang immer und ausschließlich Maßnahmen, die um mit Wolfgang Streeck zu argumentieren, Hindernisse für eine weitere ungefährdete Kapitalakkumulation zu beseitigen. Sie zielt damit u.a. weitestgehend auf eine Beseitigung des hart erkämpften und bei seiner Gestaltung durch Parlamentsbeschlüsse demokratisch legitimierten Sozialstaates europäischer Prägung. Immer weitere Bereiche dieses Sozialstaats werden privatisiert, um Unternehmen und Kapital neue Geschäftsfelder zu öffnen und so ein erhofftes Wachstum zu generieren. Eine ähnliche Entwicklung droht uns übrigens bei TTIP, wo entgegen den Versicherungen von Sigmar Gabriel auch die „staatliche Daseinsfürsorge“ zur Verhandlungsmasse gehört!

      In eurem Beitrag führt ihr auch Jens Weidmann als Kronzeugen für deutliche Lohnzuwächse an. Er tut dies natürlich nicht, weil er am Wohl der Arbeitnehmer in Deutschland interessiert ist, sondern weil die Binnennachfrage (Investitionen und Konsum) weiter schwach ist und die Gefahr einer Deflation nach japanischem Vorbild droht. Weidmann ist zudem jemand, der genau auf der Linie neoliberaler Wirtschaftstheorie liegt und mehrfach dafür eingetreten ist neoliberale Reformen in der EU auch gegen die nationalen, demokratisch legitimierten Parlamente durchzusetzen.

      Nachtrag Heute, 14:00 h (GMT +1) Als Quellenhinweis zweier Grafiken taucht bei euch der Hinweis auf die Deutschen-Wirtschafts-Nachrichten auf. Dazu sollte man wissen, dass sich diese Plattform in ihrem Impressum explizit zur sogenannten Österreichischen Schule bekennt, d.h. zu Theoretikern des unreglementierten freien Marktes wie Ludwig von Mises und eben auch Friedrich von Hayek.

      • Hallo Nemo,

        Vielleicht mal ein positiver Aspekt. Wenn man die Gefahr sieht, kann man auch was dagegen unternehmen. Die Konzentration von Kapital in Unternehmen (Fusionen, Marktzuwächse) kann durch Kartell- und Wettbewerbsbehörden effektiv entgegen gewirkt werden (so man es denn will). Und die private Kapitalakkumulation endet naturgegeben mit dem Tod. Eine Reform der Erbschaftssteuer wäre möglich und auch durch höhere Spitzensteuern oder Kapitalertragssteuern kann eine Minderung der Kapitalkonzentration zu Lebzeiten erreicht werden.

        Ich denke, wenn man sich die nordischen Staaten anschaut, dann zeigt sich, dass Gesellschaften mit höherer Staatsquote und weniger Spreizung zwischen Arm und Reich funktionieren und keine Phantasie, sondern eine Realität sind. Eine Realität, die ich mir eben durchaus auch in anderen Teilen der Welt wünschen würde.

  • Die Frage nach der Legitimation der Troika halte ich für zulässig, auch wenn ich, wie Sie, die Legitimation für gegeben sehe. Allerdings ist meines Erachtens dafür die Kompetenz-Weite der nationalen Regierungen innerhalb der EU das Problem. Das heißt, auch wenn ich die Legitimation der Troika als gegeben sehe, würde ich mir eine andere Form der Legitimation wünschen, z.B. durch eine Anbindung der Troika an das Europaparlament. Unter anderem daher auch mein Vorschlag die EU-Kommission, als Teil der Troika, näher an das Europaparlament anzubinden.

    Bsp.: Merkel ist demokratisch legitimiert, dennoch könnte man sich für eine Direktwahl des Kanzlers, also einfach eine andere Form der Legitimation, aussprechen.

    Bei der Bewertung der umgesetzten Rettungspolitik, durch Troika, EU-Kommission, EZB oder nationalen Regierungen bin ich deutlich näher bei Bullmann oder De Masi.

    Bsp.: Will man nach Berlin und wird man nach einem schweren Unfall dann per Rettungshubschrauber nach Berlin geflogen, hat man sein Ziel erreicht. Erfolgreich war die Reise aber nur bedingt. Das Ziel Geldwertstabilität wurde erreicht und das Zerbrechen der Euro-Zone verhindert, dafür liegen aber die Wirtschaften einiger Krisenstaaten auf der Intensivstation.

    Die Rettungspolitik hat das ein oder andere Ziel erreicht, z.B. die Überwindung der Liquiditätskrise. Bankruns oder politische Verwerfungen (Euro-Austritte) wurden in den ersten 2 Jahren der Krise wirksam verhindert, das war wichtig. Die einseitige Ausrichtung der Rettungspolitik hat aber auch einen erheblichen Schaden versursacht, der sich durch hohe Arbeitslosigkeit, sozialen Verwerfungen und knapp 12% Faschisten im Europaparlament ausdrückt.

    • Yep, MisterEde so ist es. Stimme völlig mit dir überein. Die EU des "freien Marktes" beschädigt die EU der Bürger

  • Liebe Community, eine vorläufige Zusammenfassung vom #pxp_thema des Monats August: Troika findet ihr hier.

  • Hallo Herr Reul, toll dass Sie als Vertreter von CDU/CSU hier Flagge zeigen. Ich will auch nicht ausschließen, dass was Wahres dran ist, vielleicht sehen wir ja noch den großen Erfolg der Troika-Reformen.

    Meine Nachfragen, die ich an Sie hätte, zeigen schon das ganze Problem mit der Troika. Denn ich weiß gar nicht, ob Sie im EP zuständig sind und die Antwort kennen. Was mich interessiert:

    • wer analysierte den Reformbedarf der Programm-Länder?

    • wer erarbeitete die konkreten Maßnahmen nach welchem 'So-geht-Wirtschaft'-Handbuch? (Arbeitsmarkt, Stellenabbau etc.)

    • welche Checks and Balances gab es? Saßen Vertreter aller ökomischen Denkschulen und politischen Lager mit am Tisch?

    Ich will das mal ganz genau wissen, und nicht mit "die Eurogruppe und die betroffenen Staaten" oder "Experten" abgespeist werden. Auch die Antwort vom PDU ("Herr Schäuble und seine Finanzminister-Kollegen unter dem Bann der Chicago-Boys") reicht mir nicht. Gibt es hier Sitzungsunterlagen? Die könnte man ja alle offenlegen, jetzt, wo der Drops gelutscht ist, um es mal salopp zu formulieren. Es ist ja wirklich ein epochales Reform-Projekt.

  • Danke Herr Reul! Die Troika ist Teil der Lösung, nicht des Problems. Das kann hier ja nicht oft genug gesagt werden!