Frankreich - und noch ein Versuch
Folgt Frankreichs Präsident François Hollande (l) der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (r) in Punkto Wirtschafts- und Finanzpolitik? Zuhause bringt ihm das viel Äger, beobachtet "Untermieter". Foto: Der Rat der Europäischen Union.
Ein Beitrag von Untermieter
La rentrée - das magische Wort für die alljährliche Rückkehr der Franzosen aus der (schulischen und politischen) Sommerpause in den Alltagsrhythmus - wurde in diesem Jahr mit einem gescheiterten "Putschversuch" und einer anschließenden Regierungsumbildung eingeläutet. Einmal zu viel hat Frankreichs Industrieminister und Deutschland-Disser Arnaud Montebourg gegen die von Berlin diktierte Austeritätspolitik gewettert, die die Eurozone in den Abgrund führe, und von der eigenen Regierungen einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel und mehr Widerspruch gegenüber Berlin eingefordert. Es folgte ein schneller Rausschmiss, dem sich zwei weitere linke Regierungsmitglieder freiwillig anschlossen. Nun also steht Valls II, die zweite Regierung unter Premier Manuel Valls, zugleich die vierte Regierung des glücklosen Präsidenten François Hollande. SZ-Redakteur und Frankreich-Kenner Stefan Ulrich bringt die Lage auf den Punkt:
"Was auch immer François Hollande anfasst, scheint ihm zu misslingen. Die Wirtschaft? Stagniert. Die Arbeitslosigkeit? Steigt. Seine Regierung? Ist gerade zurückgetreten. Zum zweiten Mal in diesem Jahr. Das Vertrauen der Bürger? Welches Vertrauen? Zur Mitte seiner Amtszeit als Präsident steht Hollande mit leeren Händen da. Viele Franzosen stöhnen über ihn. Die radikale Rechte und die radikale Linke sammeln die Enttäuschten ein und hetzen gegen Deutschland. Die EU-Partner sorgen sich um Frankreich. Hollande wird zum Sinnbild des schwächlichen Politikers, dem Misserfolg wie Teer an den Füßen klebt."
Grob vereinfachend gesprochen, sind große Teilen der französischen Gesellschaft traditionell staatsfreundlich und marktkritisch, globalisierungsfeindlich und europaskeptisch. Kann der Staat das regeln? Der Staat soll das regeln. Warum muss auf Teufel komm raus gespart werden, wenn man doch mit ein bisschen mehr Inflation die Staatsschulden wegdrucken kann? Wer wirtschaftlich erfolgreich und/oder wohlhabend ist, ist suspekt. Hart erkämpfte Privilegien werden hart verteidigt – in den Unternehmen, auf der Straße, an den Wahlurnen.
Vielleicht ist die Ernennung von Emmanuel Macron – der umstrittene Hoffnungsträger im Team Valls II – zum neuen Wirtschaftsminister diesmal mehr als ein symbolischer Schwenk hin zu einem echten Reformwillen des französischen Präsidenten und seiner (neuen) Mannschaft. Doch während Präsident Hollande und seine (ehemals) linke Regierung noch immer auf der Suche nach einem (richtigen?) Kurs ist, warten viele Franzosen mit gemischten Gefühlen auf die "rentrée" eines anderen, derzeit zwangsbeurlaubten, Politikers. Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hatte vor der Sommerpause angekündigt, er werde sich zur rentrée erklären, ob er ein politisches Comeback und somit seine Präsidentschaftskandidatur für 2017 anstrebt.
David Krappitz Mitglied JEB
Die französische Situation wird mittlerweile von vielen Seiten sehr fatalistisch eingestuft: Wenn Hollande nicht endlich Geld in die Hand nimmt und sich aus den Klauen der deutschen Austerität befreit, wird aus der nächsten Präsidentschaftswahl (auch nur noch drei Jahre hin) auf einmal Marine Le Pen als Präsidenten hervorgehen. Das - zugegeben - wäre für das gesamte europäische Projekt ein Disaster!
Ja, es droht der Austritt der Briten und ja, im Parlament sind die Skeptiker stark vertreten. Aber einen Mitgliedstaat in der Bedeutung Frankreichs auf nationalistischen Abwegen (und dem vertraglich zugesicherten Recht auf Austritt), das hat es noch nicht gegeben und das ist auf Teufel komm raus zu vermeiden.
Die Frage ist, WIE man das vermeiden kann. Scheint ja recht leicht zu sein: Lockern wir endlich das Brüsseler Spardiktat iHv 3 % Neuverschuldung pro Jahr und lassen Frankreich endlich seine seit Jahrzehnten erfolgreiche Staatswirtschaft betreiben - Montebourg wäre dafür der passende Mann!!
Moment, haben wir nicht vor wenigen Jahren den zuvor so gebeutelten Stabi-Pakt endlich gestärkt, indem das Sanktionsverfahren von dem System "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" befreit wurde? Und ist es nicht auch im Interesse weniger marktgläubiger Menschen, die staatlichen Finanzen unabhängiger vom Finanzmarkt zu machen? Zusätzliche Verschuldung zur Ankurbelung der Wirtschaft scheint da erstmal wie ein Schritt in die falsche Richtung.
Ja, es kann Geld fließen. Eine weitere Verschuldung der Staaten sollte dabei aber vermieden werden. Was es braucht, ist ein Finanztopf der Eurozone, mit dem asymmetrische Schocks durch Investitionen in Infrastruktur und Bildung aufgefangen werden können. Diese Investitionen können zur Bedingung die Durchführung von Strukturreformen zur (ja, böses Wort!) Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit haben. Ein entsprechender Vorschlag wurde (ja, böse Akteurin!) von der Bundeskanzlerin Ende letzten Jahres gemacht, wurde jedoch auf dem Europäischen Rat zurückgewiesen.
Soll die bessere Alternative die kurzfristige Kunjunktur auf Pump sein? Ich würde für langfristigere Ansätze plädieren: Ja, mit einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit (insb. in Frankreich) und ja, mit der Unterstützung solcher Reformen durch ein Eurozonen-Budget für langfristige Investitionen.
Und für eine langfristige Vision der Eurozone, die nicht nur eine eigene Fiskalkapazität umfasst, sondern genauso die Errichtung weiterer automatischer Stabilisatoren wie die Einführung einer europäischen Arbeitslosenversicherung und der Harmonisierung konjunkturrelevanter Steuersätze.