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Europas Wirtschaft – Risse im Fundament?


Foto: picture alliance / dpaEine vertiefte Wirtschafts- und Währungsunion soll die EU-Kommission unter Präsident Jean-Claude Juncker entwickeln. Zerreißt sonst Europas Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Norden und Süden? Foto: Der Rat der Europäischen Union


Wie standfest ist Europa noch als Wirtschaftsgemeinschaft? Das beschäftigt Politiker, Experten und Publikum beim kommenden Europäischen Abend in Berlin. Hier auf Publixphere können Sie vorab Ihre Gedanken und Fragen zum Thema einbringen – die dann vor Ort präsentiert werden.

Ein Beitrag von Europäischer Abend

Beim Europäische Abend im dbb-Forum in Berlin treffen sich traditionell EU-Akteure- und -Interessierte aus Politik, Wirtschaft, Verbänden, Medien und Gesellschaft. Veranstalter sind: die Europa-Union Deutschland, der dbb beamtenbund und tarifunion, das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement sowie die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Am 16. März ist es wieder so weit. Unser Thema: Europas Wirtschaft – Risse im Fundament?

Hintergrund:

Seit 2008 steht Europas Wirtschaft stark unter Beschuss. Ganzen Staaten droht der Bankrott, die Arbeitslosenzahlen steigen auf ungekannte Höchststände, stark betroffen ist die Jugend Europas. Die Union droht zwischen Norden und Süden zu zerreißen. Die finanz- und wirtschaftspolitischen Versäumnisse bei der Einführung der gemeinsamen Währung führen zu immer neuen Verwerfungen. Spätestens seit den Wahlen in Griechenland ist die Frage der Standfestigkeit Europas als Wirtschaftsgemeinschaft wieder hochaktuell.

Podium

Hierzu werden sprechen und diskutieren:

  • EU-Kommissar Günther Oettinger

  • Matthias Machnig, (Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium)

  • Marion von Haaren (Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio)

  • Andreas Kluth (The Economist)

  • Richard Kühnel, Vertreter der Europäischen Kommission

  • Linn Selle (Preisträgerin „Frau Europas 2014“)

  • Ulrich Silberbach (stellvertretender dbb Bundesvorsitzender)

  • Klaus Dauderstädt, dbb Bundesvorsitzender und Vize-Präsident der Europäischen Union der Unabhängigen Gewerkschaften CESI

Moderation: Annette Rollmann, freie Journalistin

Online-Diskussion

Vorab wollen wir hier auf Publixphere von Ihnen wissen:

Wie bewerten Sie Europas wirtschaftliche Lage? Wie groß sind die Risse im Fundament der Wirtschaftsgemeinschaft? Welche Reformen und Rezepte helfen?

Hinweis: Das Publixphere-Team wird am 16. März ab 17.30 Uhr mit einem Stand vor Ort sein, um die Gedanken und Fragen aus diesem Forum vorzustellen.

Lesetipp: Zwischenbericht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zur Wirtschafts- und Währungsunion (12. Februar 2015)

Veranstaltungstipp: Europas Wirtschaft - Risse im Fundament?



Kommentare

  • Ulrike Guérot European Democracy Lab ist dafür
    +7

    Wie groß die Risse im Fundament sind - und ob man sie sieht- hängt nicht unwesentlich auch davon ab, aus welchem Winkel man darauf schaut. Und nur wirtschaftliche Risse unter die Lupe zu nehmen, wenn es um Europa's Fundament geht, beschränkt den Blick möglicherweise so sehr, dass wesentliches ungesehen bleibt.

    Wirtschaft und Demokratie nur zusammen

    Daher würde ich die die Debatte gern um einen weiteren Begriff erweitern: Demokratie. Denn wenn wir uns in Europa fragen, wer oder was wir sind und vor allem, wie wir "uns" ausgestalten wollen, dann sind Wirtschaft und Demokratie, Markt und Staat zusammenzudenken. Im Grunde war das schon damals beim Maastrichter Vertrag („ever closer union“) 1992 das Ziel; nämlich die Schaffung einer Fiskal- und Sozialunion mit wirklichem EU-Budget, es wurde indes nie gemacht. Das ist im Grunde genau der strittige Punkt der aktuellen Diskussion über Griechenland und das „bail-out“ , wobei in der öffentlichen Diskussion oft übersehen wird, dass es eigentlich um eine systemische Krise geht, die alle Euroländer betrifft.

    Welche Reformen und Rezepte also?

    Kultur und Volkswirtschaft

    Wenn man sich die europäische Wirtschaftspolitik anschaut, kann man feststellen, dass, entgegen der vielfach diskutierten Zahlenspiele um Rettungsfonds und Griechenlandhilfen, einer Volkswirtschaft eine Kultur zu Grunde liegt (und nicht nur eine makro-ökönomische Bilanzierung). Mittelstand, duales Ausbildungssystem, Gewerkschaften, Steuersystem, Exporte etc, das sind vor allem sozio-kulturelle Pfadabhängigkeiten und über deren Kompatibilität - und mögliche Kompromisse - in Euroland müssen wir uns jetzt verständigen, wenn es uns mit dem Euro und damit dem Erhalt eines auf der Weltbühne starken und geeinten Europa ernst ist.

    Schnittmengen, keine Einheitslösung

    Dabei kann es nicht darum gehen, den anderen Eurostaaten das sozio-kulturelle Modell Deutschlands aufzudrücken: Europa finden hiesse hier, Schnittmengen auszuloten. Dabei könnte z.B. feststellen, dass die politische Idee der Republik die tragende Idee der europäischen Geistesgeschichte ist - vielleicht könnte man sich das für die kulturelle Schnittmenge eines neugedachten demokratischen Systems in Europa zu eigen machen.

    Res Publica Europea

    Wir haben im Lab diese Diskussion unter das Motto res public europae („öffentliches Gut Europa“) gestellt: was ist das öffentliche Gut Europas und wie organisieren wir unser aller Teilnahme an den aggregierten Gewinnen, z.B. an dem aggregierten Gewinn des Euro (bisher seit Einführung 2002 ca. 300 Mrd Euro, die nur sehr ungleich innerhalb der Eurozone verteilt wurden). Welche strategischen Güter wollen wir in Europa und welche wollen wir schützen? Welchen contrat social für Europa, welches Gesellschaftsmodell, welches Verhältnis zwischen Markt und Staat für die Eurozone? Das sind jetzt die Fragen, die post-Eurokrise auf den Tisch müssen. Wenn wir Antworten finden, hätten wir ein Stückchen Europa mehr gefunden…..im Sinne der politischen und sozialen Gleichheit aller Bewohner von Euroland: es geht jetzt in Europa nicht mehr darum, Staaten zu integrieren, sondern Bürger zu einen.

    • res publica europea! +1

    • Absage an Vertragsänderung

      Ulrike Guérot European Democracy Lab und PDU ,

      Kurze Meldung vom Europäischen Abend. Sowohl EU-Digitalkommissar Günther Oettinger als auch Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) erteilen Änderungen des EU-Vertrags - und damit tiefergehenden Reformen und Integrationsschritten - eine Absage.

      Oettinger: "Wir müssen mit dem Vertrag zurechtkommen". Oettinger fordert mehr Europäisierung bei Energie und Digitales (Datenschutz).

    • Sehr geehrte Ulrike Guérot European Democracy Lab ,

      Sie machen den entscheidenden Punkt:

      "wobei in der öffentlichen Diskussion oft übersehen wird, dass es eigentlich um eine systemische Krise geht, die alle Euroländer betrifft."

      Und auch vom "aggregierten Gewinn des Euro" her zu denken ist ein Riesenfortschritt. Schon diese systematische Sicht, diese Draufschau auf die Eurozone verweigern viele deutsche Politiker. Nach dem Motto: jeder macht seine Hausaufgaben und gut ist.

      Trotzdem: wie kommen wir zu einem Pespektivwechsel in Ihrem Sinne? Ganz bestimmt nicht, indem wir alle paar Monate um Finanzhilfen feilschen, in Konfliktlinien zwischen Nationen (Berlin vs. Athen) und ökonomischen Denkschulen (Sparen vs. Geld drüber schütten).

      Leider leider spielt auch die neue griechische Regierung national, nicht europäisch, mit dem Gerede von Schlacht und Krieg.

  • Die Risse in der EU sind tief und kaum noch zu schließen. Dass dies so ist, führe ich auf ein eklatantes Versagen der politischen Eliten zurück! Jüngstes Beispiel Bundeswirtschaftsminister Gabriel in Davos, wo sein Wahlvolk als „Reich und hysterisch“ abqualifizierte und nachschob, dass er diese (Fehl)Einschätzung nicht in der Presse widergegeben sehen wolle. Dazu ein feixendes Podium, das ihm zusicherte, man sei hier ganz unter sich. Bei so viel Arroganz krieg‘ ich „Schnappatmung“. Das entsprechende youtube-video und sein Inhalt hat uns die vierte Gewalt in diesem Staat mal wieder unterschlagen. Zunehmend müssen Satiresendungen wie die Heute-Show und die Anstalt diese Aufgabe wahrnehmen. Beide haben das Video in der letzten Woche in ihre aktuelle Sendung eingebaut.

    • Hallo nemo , das Video lässt tief blicken, aber nicht in die Abgründe der gesamten politischen Elite, sondern in den Charakter des Sigmar Gabriel, der "unter sich" mit den Wirtschaftseliten auf die hysterischen und reichen Deutschen schimpfen zu müssen glaubt. Um sich anzubiedern. Um kein Sozialdemokrat mehr zu sein, sondern um - auf englisch weltmännisch parlierend und den großen Macker markierend - dazuzugehören zum Club der Superreichen und Wirtschaftslenker. Wie macht man das? Indem man die blöden hysterischen Bürger verächtlich macht. Die habens ja nicht begriffen.

      Bei all meiner Kritik (siehe oben): im Vergleich zu Gabriel haben Tsipras und Varoufakis richtig Format. Auch Angela Merkel würde sowas niemals sagen! Sie ist einfach tausendmal unabhängiger von der Gunst ihres Gegenübers. Sie ist einfach souveräner, sie ist COOLER als Wendehals Siggi. Und dann merkt er, dass er damit seinem anderen Publikum - uns - nicht gefallen könnte, und wills nich in der Zeitung lesen. Liebe SPD, sucht euch jetzt schon einen anderen Kandidaten für die nächste Bundestagswahl, erspart euch und uns das Gabriel-Debakel.

      • Kann man ernsthaft, wenn man Gabriel als Wendehals bezeichnet, bei Tsipras und Varoufakis von Format sprechen? Ich denke einiges spricht dagegen, vor allem wenn man auf europäischer Ebene Zugeständnisse macht und diese dann kurz darauf in einem Radio-Interview, gelinde gesagt, entkräftet.

  • Wie bewerten Sie Europas wirtschaftliche Lage?
    Die wirtschaftliche Lage alleine zu betrachten ist nicht hilfreich oder wollen Sie das chinesische Gesellschaftsmodell nur anhand des BIP-Wachstums bewerten? Orban, Umgang mit Minderheiten (Roma), Flüchtlingstragödien im Mittelmeer?

    Wie groß sind die Risse im Fundament der Wirtschaftsgemeinschaft?
    Die Risse in der Wirtschaftsgemeinschaft sind bei weitem nicht so groß wie die Risse in der Wertegemeinschaft. Ohne Wertegemeinschaft allerdings keine Wirtschaftsgemeinschaft.

    Welche Reformen und Rezepte helfen?
    Das würde ich gerne debattieren! Vorschlag: Fangen wir in Deutschland damit an, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Nachdem wir sie ja nicht wie Frankreich oder Italien haben, muss ja irgendwer dagegen sein und mit dem würde ich gerne debattieren.

    • Hallo MisterEde ,

      kurze Meldung vom Europäischen Abend. EU-Digitalkommissar Günther Oettinger:

      "Europa ist eine Friedens- und Wertegemeinschaft, bitte messt sie nicht in Euro und Cent."

      "Wir haben nicht nur die S-Klasse zu exportieren, sondern auch unsere Werte, für die wir lange gekämpft haben" (Beispiel: Werte-"Export" nach Nordafrika)

      Wirtschaftsstaatssekretär Machnig (SPD) forderte die Finanztransaktionssteuer ein.

  • Bericht vom Europäischen Abend

    Ganz kurz: es folgt noch eine Zusammenfassung, die diese Vorab-Diskussion mit den Ereignissen des Europäischen Abends am Montag zusammenführt. Bis dahin schon mal als Lesestoff der Bericht, den das dbb-Team zum Abend verfasst hat: 22. Europäischer Abend: Europas Wirtschaft – Risse im Fundament? (17. März 2015)

    Grüße! Alex

    P.S: Eure Zitate hier aus dem Forum wurden während des Abends fleißig gelesen und diskutiert

  • Udo Bullmann MdEP, SPD
    +2

    Der Investitionsfonds kann ein entscheidender Schritt Richtung Arbeit und Wachstum in Europa werden. Auf eine solche Initiative haben wir lange gewartet. Wir wollen sie zum Erfolg führen, dazu sind aber handwerkliche Verbesserungen erforderlich.

  • Die wirtschaftliche Misere der Eurozone ist mehr als nur ein ökonomisches Problem. Sie stellt Europa und das Model friedlicher Kooperation, wie es nun schon immerhin 70 Jahre existiert, vor eine Zerreissprobe. Wenn wir jetzt nicht handeln, droht der Kontinent erneut zu fragmentieren. Die Logik der staatlichen Souveränität ist dabei für alle Europäer zu einem existentiellen Problem geworden. Es droht die Rückkehr in (neo)realistische Zustände in denen die europäischen Staaten die Gewinne ihrer Nachbar als eigene Verluste verbuchen.

    Dabei steht die Eurozone als Ganzes genommen, etwa im Vergleich mit den USA (nur ca. 20 Millionen Einwohner mehr) gar nicht so schlecht da. Vergleichbares BIP, deutlich geringere Staatsverschuldung, viel besserer Außenhandelsbilanz, und wenn man die Exzesse am oberen Ende der amerikanischen Wirtschaftsordnung ausser Acht lässt, kommen wir auch auf ein ähnliches pro-Kopf-Einkommen.

    Unser Problem ist am Ende kein wirtschaftliches, sonder ein politisches. Die gleiche Unfähigkeit, die es uns unmöglich macht souveräne Flüchtlingspolitik zu betreiben und das Massensterben im Mittelmeer zu beenden, die gleiche Kopflosigkeit die es Putin ermöglicht seine Expansionsbestrebungen an unseren Ostgrenzen zu verwirklichen, behindert uns auch auf unserem Weg hin zu einer wirklich funktionierenden Wirtschaftsunion.

    Natürlich braucht Südeuropa Investitionen. Genauso klar ist aber, dass die "Nordstaaten" nicht einfach Geld nach Lissabon, Madrid und Athen überweisen können in dem Vertrauen, dass das schon irgendwie seinem Zweck zugeführt werden wird. In gewisser Hinsicht brauchen wir mehr statt weniger Troika und mehr Eingriff in die staatliche Souveränität. ABER die europäischen Institutionen müssen dann auch demokratisch legitimiert sein. Griechen, Spanier, Italiener und Deutsche müssen in Wahlen gemeinsam darüber bestimmen welche Programme genau umgesetzt werden, wo es tatsächlich Sinn macht zu sparen und in welchen Bereichen eher investiert werden sollte. Das geht nur über ein gemeinsames europäisches Budget, eine wirklich handlungsfähiges Parlament und eine gemeinsame Exekutive.

  • Burkhard Balz MdEP, CDU
    +2

    Wir brauchen mehr Investitionen in der EU. Allen voran schauen private Investoren auf ein stabiles Wirtschaftsumfeld – dazu gehören Faktoren wie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Verschuldungsquoten und Defizitzahlen. Investitionen und eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik sind zwei Seiten einer Medaille. Hier muss sich Europa weiter anstrengen. Wir müssen nicht nur in Projekte, sondern auch weiter in unsere Reformanstrengungen und in unsere Wettbewerbsfähigkeit investieren.

    • Hallo Burkhard Balz MdEP, CDU ,

      wenn Reformanstrengungen Sozialkürzungen und Lohnzurückhaltungen bedeuten, dann glaube ich, sollten Sie einfach die letzten paar Jahre Revue passieren lassen und sich anschauen, welche Folgen es hatte. Wenn Reformanstrengungen hingegen bedeutet, z.B. eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für Unternehmen zu finden und wenigstens Mindeststeuersätze einzuführen, muss ich Sie fragen, warum Italien (2013) und Frankreich (2012) eine Finanztransaktionssteuer eingeführt haben, die unionsgeführte Bundesregierung hingegen noch nicht oder wie es um die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne steht.

      Bei den Investitionen gebe ich Ihnen recht, wobei ich mich dann frage, wieso die Bundesregierung mit der Unterstützung von Junckers Investitionsplan so knausrig ist. Allerdings muss ich zugeben, dass ich bei dem Investitionspaket sowieso befürchte, dass es, so wie es gestrickt ist, seine Ziele verfehlen wird.

      Beste Grüße Mister Ede

      • 'Junckers' Investitions-Plan

        kurze Medlung vom Europäischen Salon. Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) sagte: "Ich würde mir in Deutschland mehr Begeisterung für den Juncker-Plan wünschen." Zugleich nannte er den deutschen Beitrag "bescheiden" - mit Verweis auf den Koalitionspartner CDU/CSU.

  • Fabio De Masi MdEP, DIE LINKE
    +1

    Investitionsprogramm von mindestens 500 Milliarden Euro jährlich

    Die Wirtschafts- und Finanzkrise wurde zur Staatsschuldenkrise erklärt. Zocker-Banken und private Gläubiger wurden frei gekauft. Die Euro-Politik ist jedoch vollständig gescheitert: Die Eurozone hat nahezu sieben Jahre Depression hinter sich und steuert auf ein verlorenes Jahrzehnt zu. Die Kürzungspolitik hat das Wachstum und Investitionen erstickt, die Schuldenquoten sind gestiegen statt zu sinken, Millionen vor allem junge Menschen wurden in die Arbeitslosigkeit geschickt.

    Statt Junckers Privatisierungsplänen braucht die EU dringend ein öffentliches Investitionsprogramm von mindestens 500 Mrd. Euro jährlich über 10 Jahre. Das hätte hohe Selbstfinanzierungseffekte und könnte zudem durch die Austrocknung von Steueroasen sowie Anleihen der Europäischem Investitionsbank (EIB) finanziert werden, ohne die öffentlichen Haushalte zu belasten. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte die Anleihen garantieren. Der wirtschaftliche Impuls würde auch wieder private Investitionen beleben, die in einem Umfeld von sinkenden Löhnen, Renten und Staatsausgaben ausbleiben.

  • Digitales und Energie

    Kurze Meldung vom Europäischen Abend. Sowohl EU-Digitalkommissar Günther Oettinger als auch Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) setzen auf den Digital- und den Energiesektor, um Europas Wirtschaft zu stärken.

  • Ist das vielleicht ein Riss, wie er gemeint ist?

    Die Euro-16, also die 13 Euro-Staaten, die seit 2007 oder früher Mitglied der Eurozone sind, sowie Malta, Zypern (beide 2008) und Slowakei (2009), musste 2013 im Durchschnitt rund 4,4% Zinsen für ihre vorhandene Verschuldung zahlen. Dabei hielten sich die Abweichungen der einzelnen Länder 2007 mit Ausnahme von Malta und Zypern, die noch nicht Euro-Mitglied waren, sowie Slowenien, das erst 2007 der Eurozone beitrat, und Luxemburg, das auch damals schon größere Zinsvorteile genoss, in Grenzen (Abweichung vom Durchschnittszins kleiner 12,5 %).

    Seit Beginn der Eurokrise gab es jedoch eine kräftige Auseinanderentwicklung des Zinses, so dass heute zahlreiche Länder Zinsvorteile (Zinssatz mindestens 12,5% niedriger als der Durchschnitt) oder Zinsnachteile (Zinssatz mindestens 12,5% höher als der Durchschnitt) haben. Griechenland und Zypern profitieren allerdings auch von europäischen Finanzhilfen.

    Hier die Auflistung der Vor- und Nachteile in Prozent und Euro: (Durchschnittszins Euro-16: 2007 4,4% und 2013 3,0%)

    Abweichung vom Durchschnittszins in der Euro-16 2007 und 2013

    Der Beitrag baut auf meiner Darstellung der Zinsunterschiede und der Zinslastverteilung in der Eurozone auf.

  • Wirtschaftspolitische Koordinierung reicht nicht

    Dr. Matthias Kullas, Fachbereichsleiter Wirtschafts- und Fiskalpolitik am Centrum für Europäische Politik (CEP) kommentiert die Fragen des Europäischen Abends:

    Die gegenwärtige Krise zeigt die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Euro-Staaten deutlich: Einige Euro-Staaten setzen auf den Markt als zentralen Koordinationsmechanismus andere auf den Staat.

    Der Versuch, die unterschiedlichen fiskal- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Euro-Staaten durch wirtschaftspolitische Koordinierung oder Regeln zu überbrücken, ist zum Scheitern verurteilt. Die wirtschaftspolitische Koordinierung wird nur faule Kompromisse hervorbringen.

    Notwendig ist die Einführung einer Staateninsolvenzordnung, da dann jedes Land seine eigene Vorstellung von Fiskal- und Wirtschaftspolitik verwirklichen kann, hierfür aber auch die Konsequenzen tragen muss.

    • Richtig ist, dass es unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, wie die EU aussehen sollte, ob sie ein gemeinsames Projekt oder nur ein großer Markt ist. Völlig falsch ist, dass die Trennlinie der unterschiedlichen Vorstellungen an den Ländergrenzen verläuft und das ist schon eine fatal falsche Betrachtung, die das Denken in nationalen Egoismen und nicht im europäischen Ganzen befördert.

      Außerdem ist die die Aussage, eine wirtschaftspolitische Koordination sei „zum Scheitern verurteilt“, schlichtweg hanebüchen. Natürlich ist es schwer, die Vorstellungen unter einen Hut zu bringen, aber z.B. eine gemeinsame Steuergrundlage und Mindeststeuersätze sind ja auch bei konservativeren Parteien mittlerweile mehrheitsfähig. Schritt für Schritt kann mehr Integration gelingen und nachdem ich fest davon überzeugt bin, dass eine geeinte EU deutliche Vorteile gegenüber einem zerfledderten Europa bietet, sollte man sich die Mühe auch machen, diesen Weg zu gehen.

    • Irre ich mich oder nähern wir uns dem Punkt, an dem wir sagen: 'Das war's. Es klappt so nicht. Grexit.'?

      • Grexit und "Staatsschauspieler"

        Hallo Rakaba ,

        EU-Digitalkommissar Günther Oettinger zu Griechenland: "Griechenland gehört zum Kern Europas. Mit dem Grexit spielt man nicht."

        Zugleich nannte er die Akteure in Griechenland - offenbar meinte er Premier Tsipras und Finanzminister Varoufakis - "Staatsschauspieler". Manche Pressearbeit sei "unerträglich".

        Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig (SPD) konterte, Griechenland habe eine gewählt griechische Regierung. Von "Staatsschauspielern" wolle er nicht sprechen.

  • Ich denke man kann nicht von Rissen im Fundament sprechen. Die dem Vertrag von Maastricht zu Grunde liegenden Regelungen sind möglicherweise zu hoch gesteckt (siehe durchschnittliches Staatsdefizit in der Eurozone in Krisenzeiten weit über dem vereinbarten Limit) , aber als Zielvorgabe sicher nicht falsch. Oft ist von Deutschlands zu hohem Außenhandelsüberschuss die Rede. Bei Ausgeglichenem Staatshaushalt wird eine Obergrenze von 6% über drei Jahre veranschlagt, für Deutschland werden 6,5% für 2015 prognostiziert. Gibt es Möglichkeiten genau zu analysieren, ob dieser Überschuss wirklich schädlich für andere Länder der Eurozone ist? Scheinbar gibt es da ja sehr verschiedene Meinungen. Und ab wann kann eine Nichtbegrenzung des Aussenhandelsüberschusses Sanktioniert werden? Oder wurde diese Obergrenze im Maastrichter Vertrag festgelegt, aber nicht mit Strafmaßnahmen bedacht?

    • Aha ist dafür
      +1

      Ein dauerhafter Überschuss gegenüber anderen Euroländern kann nicht sanktioniert werden. Dabei wäre es durchaus sinnvoll darüber nachzudenken, ob ab einem gewissen Überschuss Ivestitionen erforderlich gemacht werden oder eine Erhöhung des Mindestlohns und dergleichen angemahnt werden können sollte. Denn die Benachteiligung der anderen Länder kann nur dadurch ausgeglichen werden, dass die Binnennachfrage des Überschusslandes angehoben wird und dadurch Richtung Gleichgewicht gearbeitet wird. Denn da die Eingriffsmöglichkeit der Währungsabwertung entfallen ist, bleibt nurmehr die 'interne Anpassung' zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sowie zum Abbau der Defizite. Die sozialen Folgen sind offensichtlich. Ganz abgesehen davon, würde es auch dem sozialen Gefüge in Deutschland gut bekommen, wenn endlich mal etwas 'downtrickelt', die Infrastruktur nicht verrottet und damit Kosten zu einem Riesenberg aufgeschoben werden - eine schwäbische Hausfrau würde das übrigens nie zulassen - und ein Ärztemangel dadurch bekämpft wird, dass die Studienplatzzahl erhöht wird. Das alles sind Investitionen, die die Nachfrage erhöhen und damit gleichsam das Importvolumen erhöhen.

  • Risse im Fundament? Da muss man schon etwas Schmunzeln. Sind es nicht eher riesige Loecher? Gibt es uerberhaupt ein gescheites Fundament fuer die Eurozone?

    Aber Spass beiseite. Ich habe grade Besuch aus China. Heute morgen fragte er mich, wo denn die ganzen Menschen auf der Strasse sind. Wo sind die vielen vielen Tausend, die zur Arbeit draengen? Zu ihrem 12 Stunden Tag Schufterei?

    Europa ist schon seltsam entspannter Ort im Vergleich zu Asien, wo die Menschen im kollektiven Arbeits-, Aufstiegs- und Konsumrausch sind. Kann das gut gehen? Ist unser Wohlstand nicht einfach ein Ueberrest vergangener Tage?

  • Zum Thema Risse im Fundament: Ich finde es höchst aufschlussreich, wie sich aktuell 18 Eurostaaten geschlossen gegen die griechischen Maximal-Forderungen wenden.

    Es ist doch ein Mythos, dass Berlin als Geisterfahrer gegen den Rest der (ökonomisch vernüftigen) Welt mit dem Kopf durch die Wand will. Ich finde die ganze Debatte schräg. Es geht nicht um Sparen ja oder nein. Es geht um Wirtschaftsstrukturen, die es allen Ländern erlauben, im Euroraum zu wachsen und zu gedeihen. So lange diese Strukturen nicht da sind, hilft kein Geld der Welt nachhaltig. Wirklich schade finde ich es, dass es nicht gelungen ist, partnerschaftlich mit den Griechen ein Reformprogramm zu entwickeln, dass sie selbst mittragen. Der Euro war ein historischer Fehler wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Jetzt kann Europa historisch glänzen, indem es partnerschaftlich die Eurozone so neu gestaltet, dass sie funktioniert.

    Wenn ich die griechische Verhandlungsführung sehe, kann ich die Merkel-Schäuble-Position immer besser verstehen. Sie sitzen da mit Leuten, die das ganze Erpressungspotenzial des Euros zu nutzen bereit sind. EZB-Geld für alle. Unbegrenzt. Die Syriza-Position soll die große Demokratie sein. Die Position von 18 demokratisch gewählten Regierungen soll dagegen deutscher Staatsterror gegen Griechen sein. Das ist doch völlig schräg.

    • Hallo Rakaba, Du hast vollkommen recht wenn Du schreibst: “Es geht um Wirtschaftsstrukturen, die es allen Ländern erlauben, im Euroraum zu wachsen und zu gedeihen.“

      Warum dies aber in der Eurozone nicht funktioniert, macht Prof. Dr. Heiner Flassbeck, von 1998 bis 1999 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und von Januar 2003 bis Ende 2012 Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung , in dem diesem youtube-Video klar. Es reicht wenn Du dir die ersten 15 Min. anschaust.

      Es gehört zum kleinen 1 x 1 der Makroökonomie, dass in einem einheitlichen Währungsraum entweder die Entwicklung der Lohnstückkosten (Lohnzuwächse minus Produktivität) einigermaßen gleich sein oder die Differenz in der (volks)wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit innerhalb dieses Währungsraumes anderweitig (z.B. ähnlich dem Länderfinanzausgleich in der BRD) ausgeglichen werden müssen.

      Eines geht aber auf keinen Fall, nämlich sich wie Deutschland zwischen 1999 und 2008 durch eine Senkung (relativ zu den andern Mitgliedern der Eurozone) der Lohnstückkosten einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, um dann, wenn die Risse im Fundament die Stabilität des ganzen Konstrukts EU/ EURO gefährden, auf die Südeuropäer sowie Frankreich und Italien zu zeigen und „haltet den Dieb“ zu rufen.

      Insofern stimme ich dem Rest Deiner Argumentation ausdrücklich nicht zu!

      • Hallo nemo und MisterEde , wie soll euer Ansatz funktionieren? In Italien ist die Produktivität seit 15 Jahren stagniert. Würde sich irgendwas daran ändern, wären die Lohnstückkosten in Deutschland höher? Würde Geld Italien helfen, wettbewerbsfähig zu werden? Hilft es Italien, wennn Deutschland weniger wettbewerbsfähig ist? Im direkten Vergleich vielleicht, aber global gesehen mal überhaupt nicht. Keine Industrie in Deutschland, keine Industrie in Italien, dafür Industrie in China: Ist das der geniale Plan?

        Das war jetzt etwas polemisch.

        • Hallo Rakaba,

          „Würde sich irgendwas daran ändern, wären die Lohnstückkosten in Deutschland höher?“
          Ja natürlich. Italien wäre dann gegenüber Deutschland wettbewerbsfähiger, während in Deutschland die Binnennachfrage steigen würde. Der Unterschied zu sinkenden Löhnen in Italien ist also der, dass nicht die Binnennachfrage in Italien wegbricht, sondern in Deutschland steigt.

          „Würde Geld Italien helfen, wettbewerbsfähig zu werden?“
          Nein, Geld alleine hilft Italien nicht wettbewerbsfähiger zu werden. Dennoch könnten Transferzahlungen die Folgen vorhandener Unterschiede bei der Wettbewerbsfähigkeit ausgleichen. Sinnvoll wäre das aus meiner Sicht aber nur, wenn es gleichzeitig auch Mechanismen gibt, die auch darauf hinwirken, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit annähert.

          „Hilft es Italien, wenn Deutschland weniger wettbewerbsfähig ist?“
          In diesem Fall ist rein logisch Italien automatisch wettbewerbsfähiger. Allerdings ist damit nichts darüber ausgesagt, ob dies mit sinkenden Lohnstückkosten in Italien oder steigenden Lohnstückkosten in Deutschland erreicht wurde.

          „global gesehen mal überhaupt nicht.“
          Global gesehen sind wir eine Währungsunion! Seit Sommer 2014 hat der Euro gegenüber der chinesischen Währung um rund 20% nachgegeben.

          „Keine Industrie in Deutschland, keine Industrie in Italien, dafür Industrie in China: Ist das der geniale Plan?“
          Nein! Wie beschrieben geht es darum, dass gegenüber anderen Währungsräumen mit geldpolitischen Maßnahmen (Auf- und Abwertungen) reagiert werden kann, dies aber in einer Währungsunion so nicht möglich ist.

          • Hallo MisterEde, zu Ihrem 4. Punkt: Warum sollte der Verfall gegenüber der chinesischen Währung ein Grund anzunehmen sein, dass die Eurozone nicht als Währungsunion gesehen wird? Z.B. Skepsis gegenüber der Rettungspolitik und darauf reagierende Verlagerung von Investitionen nach China?

            • Ups, sorry! Das war dann ein "k" zu viel.

              Ich wollte darauf verweisen, dass durch Währungsveränderungen Preisveränderungen ausgeglichen werden können. Wenn in Deutschland die Lohnstückkosten steigen, dafür aber der Euro schwächer wird, bleiben die Lohnstückkosten aus dem Nicht-Euro-Ausland betrachtet gleichteuer.

      • Hallo nemo,

        gut erklärt. Und genau da setzt einer der Denkfehler der Austeritätspolitik an, weil man Lohnstückkosten eben nicht einfach mal so senken kann. Natürlich können die Lohnstückkosten bezogen auf ein einzelnes Produkt oder die Lohnkosten bezogen auf ein Unternehmen gesenkt werden, aber volkswirtschaftlich bedeutet das, entweder sinken die Löhne oder es wird Arbeitskraft frei gesetzt. Und wenn man das nicht ausgleicht, dann bricht die Nachfrage weg und juhe, man hat eine Rezessionsspirale.

        Dass Griechenland 2009 pleite war, haben wahrscheinlich mehr die Griechischen Regierungen der Vergangenheit als die Bankenkrise verursacht. Dass danach eine riesige Rezessionsspirale einsetzte ist allerdings zu einem großen Teil auch die Verantwortung der einseitigen Austeritätspolitik.

        Hallo Rakaba,

        tja, so eine Linksaußen-Regierung ist halt unangenehmer als die bisherigen Schoßhündchen. Aber wenn Sie finden, dass der Kurs von Merkel und Schäuble erfolgreich ist, machen wir halt weiter. Vielleicht hören Sie den Schuss, wenn in Spanien Podemos und in Frankreich Le Pen gewonnen haben – wobei es dann wahrscheinlich zu spät ist.

        Verantwortung: „Was hast Du getan, um zu verhindern, dass Europa zerstört wird?“

        • Hallo MisterEde , ich glaube, die Kompromissbreitschaft auf Seiten aller Eurostaaten ausser Griechenland ist da. 'Geld gegen Steuergerechtigkeit' ist aktuell ein Brüsseler Angebot. Investitionen sind auch drin.

          Und hier mein Zugeständnis:

          Europas Linke hat völlig Recht, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen, diese Eurozone endlich komplett neu zu bauen, das ist überfällig, auch wenn ich. ihre EZB-Ideen ziemlich Banane finde. Aber da helfen keine Athener Alleingänge, da muss man gemeinsam europäisch durch, so elend langsam dieser Prozess auch läuft. Dasselbe gilt für Merkel und Schäuble natürlich auch.

          Ach so, und wann werden Podemus und Le Pen noch stärker? Wenn sich Syriza durchsetzt? Oder wenn nicht? Es gibt leichtere Prognose-Aufgaben.