BND darf nicht die deutsche NSA werden!
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Ein Beitrag von Marco Vietinghoff
Das geplante BND-Projekt zur "Echtzeitanalyse von Streaming-Daten" ist ein besorgniserregender Angriff auf die Bürgerrechte im Netz.
Angesichts der mangelhaften Datenschutzstandards in Sozialen Medien wie Facebook fühlen sich Nutzer ohnehin schon nicht vollständig sicher. Wenn jetzt auch noch der BND rund um die Uhr über unser Online-Verhalten wacht, schwächt das die Privatheit im Netz erneut in erschreckendem Ausmaß. Die Pläne des Bundesnachrichtendienstes nehmen sich die Aktivitäten der US-amerikanischen NSA zu Vorbild. Und allein das sollte nach den Enthüllungen über deren Spionagemethoden schon skeptisch stimmen.
Die schwarz-rote Koalition muss nun zeigen wie viel ihr die Privatsphäre im Internet wirklich wert ist. Union und SPD sind in der Regel sehr groß darin, mit Lippenbekenntnissen zur Wichtigkeit von Datenschutz vorzupreschen. Doch wer hinter die schöne, bürgerrechtsaffine Fassade der großen Koalition blickt, findet zu häufig ein anderes Bild vor. Kaum hatten sich CDU und CSU wieder in eine Koalition mit der pflegeleichten SPD begeben, stand die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wieder auf der Agenda. Seit der Europäische Gerichtshof den Plänen ein vorläufiges Ende gesetzt hat machten sich die Fachleute der Regierung auf die Suche nach offenen Hintertürchen für eine konformere Regelung. Das Auseinanderklaffen von Worten und Taten in Sachen Bürgerrechte zeigte sich deutlich auch am Umgang der Bundesregierung mit der NSA-Affäre. Zeigten sich die Koalitionspolitiker anfangs noch höchst empört über die Aktivitäten des US-Geheimdienstes, blieben konkrete Reaktionen bislang aus. Die Mission, ein No-Spy-Abkommen mit den Vereinigten Staaten auszuhandeln, endete mit einer zügigen Kapitulation vor der Uneinsichtigkeit der US-Regierung. Um den Schein zu wahren kündigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier einen Cyber-Dialog an, eine pure Worthülse, die sich als wirkungslose Mogelpackung entpuppen wird. Es passt genau in dieses Bild, dass die Bundesregierung wegen der Handy-Bespitzelung der Kanzlerin einerseits mit erzürnten Worten gegen die NSA schießt und sich anderseits nun an deren Methoden orientiert.
Entlarvend ist dabei die Begründung, die von Seiten des Bundesnachrichtendienstes angeführt wird: Man müsse mit der amerikanischen NSA und der britischen GCHQ gleichziehen und dürfe nicht hinter kleinere Geheimdienste zurückfallen. Belastbare Argumente für die Echtzeitanalyse der sozialen Medien ist der BND jedoch bislang schuldig geblieben. Es wird lediglich darauf verwiesen, man könne sich mit der Methode ein besseres Bild über die Lage im Ausland verschaffen. Welche Resultate sich der deutsche Auslandsgeheimdienst dabei konkret verspricht, bleibt unklar. Damit entsteht der Eindruck, dass es hier vor allem um die Aufrüstung mit technischem Spielzeug geht – finanziert mit 300 Millionen Euro Steuermitteln.
Es ist allerdings äußerst fraglich, ob eine kostspielige, möglichst allumfassende Ausstattung und weitreichende Überwachungsmöglichkeiten überhaupt in einem allgemeinen Zusammenhang mit einem erfolgreichen Geheimdienst stehen. Vernünftigerweise bräuchte man einen Geheimdienst, der bei Bedarf effektiv und vor allem gezielt Informationen beschafft. Die massenhafte Auswertung des Verhaltens sämtlicher Social Media Nutzer fällt gewiss nicht unter diese Funktion.
Wenn es um Datenschutz geht hat die Große Koalition kaum noch Glaubwürdigkeit zu verspielen. Es wäre an der Zeit, von der Scheinheiligkeit abzukehren und ein wirkliches Umdenken zu dokumentieren. Die sogenannte "Echtzeitanalyse von Streaming-Daten" muss deshalb im Sinne der Bürgerechte im Netz gestoppt werden. Der Bundestag muss dem BND daher die Mittel für dieses Projekt verweigern.
Ein kurzer Hinweis der Redaktion: Weitere Informationen zum geplanten BND-Programm für soziale Netzwerke finden sich in der Süddeutschen Zeitung (30. Mai 2014): "Auslandsgeheimdienst - BND will soziale Netzwerke live ausforschen"
Am 29. Oktober 2014 diskutieren wir unser #pxp_thema "Überwachte Welt" im Rahmen eines Community-Abends (Informationen zum Termin) sowie Ende November in einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin (Näheres in Kürze).
SaskiaEsken MdB, SPD
Ich stimme mit den kritischen Einschätzungen zur Arbeit anderer und unserer eigenen Dienste durchaus überein. Ich habe dazu im netzpolitischen Blog der SPD-Bundestagsfraktion geschrieben: „Gleichzeitig fordern die deutschen Nachrichtendienste – gleichsam so, als habe es die Diskussion um die Aktivitäten der Geheimdienste nie gegeben -, dass es ein „Ausforschen auf Augenhöhe“ geben müsse, um im Wettbewerb und Wettrüsten mit den Amerikanern und Briten im Geheimnis-Austausch mithalten zu können. Die Enthüllungen des letzten Jahres dürfen aber gerade nicht dazu führen, dass es nun zu einem Wettrüsten kommt. Wir können nicht auf der einen Seite die Praxis der amerikanischen und britischen Nachrichtendienste und die flächendeckende Ausspähung als maßlos und grundrechtswidrig kritisieren und zum Gegenstand eines Untersuchungsausschuss machen, gleichzeitig aber einfordern, dass unsere Dienste das gleiche Instrumentarium bekommen sollen.“
Schon die heute bekannten Überwachungspraktiken unseres Auslandsgeheimdienstes sind mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen, darüber sind sich Rechtswissenschaftler einig. Ähnlich hat sich der Vorsitzende der G10-Kommission des Bundestags, Gerhard Huber, vor einigen Tagen in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung geäußert. Das darf aber nicht heißen, dass die Verfassung angepasst werden muss – die Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit unserer Nachrichtendienste müssen so definiert sein, dass die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt sind.
Der Bundestag hat sich mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre ein Gremium gegeben, das mit einem gemeinsam mit allen Fraktion abgestimmten, breit angelegten Untersuchungsauftrag Fragen beantworten, aber auch Empfehlungen an den Gesetzgeber Bundestag erarbeiten wird. Er hat mit dem Ausschuss Digitale Agenda ein Gremium konstituiert, das sich die Fortführung der Arbeit der Internet-Enquetekommission ebenso vorgenommen hat wie die Begleitung der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Der Vorwurf, Regierung und Parlament seien untätig, geht deshalb nach meiner Auffassung an der Sache vorbei.