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BND darf nicht die deutsche NSA werden!


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Ein Beitrag von Marco Vietinghoff

Das geplante BND-Projekt zur "Echtzeitanalyse von Streaming-Daten" ist ein besorgniserregender Angriff auf die Bürgerrechte im Netz.

Angesichts der mangelhaften Datenschutzstandards in Sozialen Medien wie Facebook fühlen sich Nutzer ohnehin schon nicht vollständig sicher. Wenn jetzt auch noch der BND rund um die Uhr über unser Online-Verhalten wacht, schwächt das die Privatheit im Netz erneut in erschreckendem Ausmaß. Die Pläne des Bundesnachrichtendienstes nehmen sich die Aktivitäten der US-amerikanischen NSA zu Vorbild. Und allein das sollte nach den Enthüllungen über deren Spionagemethoden schon skeptisch stimmen.

Die schwarz-rote Koalition muss nun zeigen wie viel ihr die Privatsphäre im Internet wirklich wert ist. Union und SPD sind in der Regel sehr groß darin, mit Lippenbekenntnissen zur Wichtigkeit von Datenschutz vorzupreschen. Doch wer hinter die schöne, bürgerrechtsaffine Fassade der großen Koalition blickt, findet zu häufig ein anderes Bild vor. Kaum hatten sich CDU und CSU wieder in eine Koalition mit der pflegeleichten SPD begeben, stand die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wieder auf der Agenda. Seit der Europäische Gerichtshof den Plänen ein vorläufiges Ende gesetzt hat machten sich die Fachleute der Regierung auf die Suche nach offenen Hintertürchen für eine konformere Regelung. Das Auseinanderklaffen von Worten und Taten in Sachen Bürgerrechte zeigte sich deutlich auch am Umgang der Bundesregierung mit der NSA-Affäre. Zeigten sich die Koalitionspolitiker anfangs noch höchst empört über die Aktivitäten des US-Geheimdienstes, blieben konkrete Reaktionen bislang aus. Die Mission, ein No-Spy-Abkommen mit den Vereinigten Staaten auszuhandeln, endete mit einer zügigen Kapitulation vor der Uneinsichtigkeit der US-Regierung. Um den Schein zu wahren kündigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier einen Cyber-Dialog an, eine pure Worthülse, die sich als wirkungslose Mogelpackung entpuppen wird. Es passt genau in dieses Bild, dass die Bundesregierung wegen der Handy-Bespitzelung der Kanzlerin einerseits mit erzürnten Worten gegen die NSA schießt und sich anderseits nun an deren Methoden orientiert.

Entlarvend ist dabei die Begründung, die von Seiten des Bundesnachrichtendienstes angeführt wird: Man müsse mit der amerikanischen NSA und der britischen GCHQ gleichziehen und dürfe nicht hinter kleinere Geheimdienste zurückfallen. Belastbare Argumente für die Echtzeitanalyse der sozialen Medien ist der BND jedoch bislang schuldig geblieben. Es wird lediglich darauf verwiesen, man könne sich mit der Methode ein besseres Bild über die Lage im Ausland verschaffen. Welche Resultate sich der deutsche Auslandsgeheimdienst dabei konkret verspricht, bleibt unklar. Damit entsteht der Eindruck, dass es hier vor allem um die Aufrüstung mit technischem Spielzeug geht – finanziert mit 300 Millionen Euro Steuermitteln.

Es ist allerdings äußerst fraglich, ob eine kostspielige, möglichst allumfassende Ausstattung und weitreichende Überwachungsmöglichkeiten überhaupt in einem allgemeinen Zusammenhang mit einem erfolgreichen Geheimdienst stehen. Vernünftigerweise bräuchte man einen Geheimdienst, der bei Bedarf effektiv und vor allem gezielt Informationen beschafft. Die massenhafte Auswertung des Verhaltens sämtlicher Social Media Nutzer fällt gewiss nicht unter diese Funktion.

Wenn es um Datenschutz geht hat die Große Koalition kaum noch Glaubwürdigkeit zu verspielen. Es wäre an der Zeit, von der Scheinheiligkeit abzukehren und ein wirkliches Umdenken zu dokumentieren. Die sogenannte "Echtzeitanalyse von Streaming-Daten" muss deshalb im Sinne der Bürgerechte im Netz gestoppt werden. Der Bundestag muss dem BND daher die Mittel für dieses Projekt verweigern.


Ein kurzer Hinweis der Redaktion: Weitere Informationen zum geplanten BND-Programm für soziale Netzwerke finden sich in der Süddeutschen Zeitung (30. Mai 2014): "Auslandsgeheimdienst - BND will soziale Netzwerke live ausforschen"

Am 29. Oktober 2014 diskutieren wir unser #pxp_thema "Überwachte Welt" im Rahmen eines Community-Abends (Informationen zum Termin) sowie Ende November in einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Berlin (Näheres in Kürze).


Kommentare

  • SaskiaEsken MdB, SPD
    +3

    Ich stimme mit den kritischen Einschätzungen zur Arbeit anderer und unserer eigenen Dienste durchaus überein. Ich habe dazu im netzpolitischen Blog der SPD-Bundestagsfraktion geschrieben: „Gleichzeitig fordern die deutschen Nachrichtendienste – gleichsam so, als habe es die Diskussion um die Aktivitäten der Geheimdienste nie gegeben -, dass es ein „Ausforschen auf Augenhöhe“ geben müsse, um im Wettbewerb und Wettrüsten mit den Amerikanern und Briten im Geheimnis-Austausch mithalten zu können. Die Enthüllungen des letzten Jahres dürfen aber gerade nicht dazu führen, dass es nun zu einem Wettrüsten kommt. Wir können nicht auf der einen Seite die Praxis der amerikanischen und britischen Nachrichtendienste und die flächendeckende Ausspähung als maßlos und grundrechtswidrig kritisieren und zum Gegenstand eines Untersuchungsausschuss machen, gleichzeitig aber einfordern, dass unsere Dienste das gleiche Instrumentarium bekommen sollen.“

    Schon die heute bekannten Überwachungspraktiken unseres Auslandsgeheimdienstes sind mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen, darüber sind sich Rechtswissenschaftler einig. Ähnlich hat sich der Vorsitzende der G10-Kommission des Bundestags, Gerhard Huber, vor einigen Tagen in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung geäußert. Das darf aber nicht heißen, dass die Verfassung angepasst werden muss – die Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit unserer Nachrichtendienste müssen so definiert sein, dass die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt sind.

    Der Bundestag hat sich mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre ein Gremium gegeben, das mit einem gemeinsam mit allen Fraktion abgestimmten, breit angelegten Untersuchungsauftrag Fragen beantworten, aber auch Empfehlungen an den Gesetzgeber Bundestag erarbeiten wird. Er hat mit dem Ausschuss Digitale Agenda ein Gremium konstituiert, das sich die Fortführung der Arbeit der Internet-Enquetekommission ebenso vorgenommen hat wie die Begleitung der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Der Vorwurf, Regierung und Parlament seien untätig, geht deshalb nach meiner Auffassung an der Sache vorbei.

    • Liebe Frau Esken,

      Mich freut ihre Position zu dem Thema. Dennoch: Zwei Ausschüsse und eine Enquetekommission sind noch lange nichts, wofür man sich großartig abfeiern könnte. Mir ist klar, dass es Zeit braucht bis diese Gremien konkrete Vorschläge präsentieren. Doch am Ende muss etwas Handfestes dabei herumkommen. Wenn Gremien letztlich nur einberufen werden, um den Schein der Tätigkeit zu waren, dann können wir auch gleich darauf verzichten. Wie ich ja anhand einiger Beispiele erläutert habe hat die Große Koalition in der jüngeren Vergangenheit beim Thema Bürgerrechte schon häufiger ihre Unglaubwürdigkeit beziehungsweise Unentschlossenheit unter Beweis gestellt. Daher kommt bei mir durch die bloße Existenz von Gremien noch lange keine Begeisterung auf.

      Übrigens, die Jungen Liberalen haben auch ganz ohne die Gründung neues Kommissionen o.ä. einige konkrete Vorschläge erarbeitet:

      JuLi-Beschluss: Geheimdienst-Affäre aufklären - Überwachung begrenzen

    • Liebe Frau Esken, zunächst einmal finde ich es toll, dass sich ein Mitglied des Deutschen Bundestages hier einbringt! Nur so bringen wir den großen gesellschaftlichen Diskurs über Chancen und Gefahren des WWW auf den Weg und den brauchen wir wirklich dringend. „So spread the word“ und werben Sie in Ihrer und bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen um aktive Beteiligung an der Diskussion. Inhaltlich ist Ihr Beitrag aber völlig widersprüchlich. Ich teile ausdrücklich Ihre und die Zweifel einiger Mitglieder G 10 Kommission zur verfassungsmäßigkeit der Arbeit des BND. Aber wo setzt sich diese Erkenntnis in politisches Handeln um? Und was ist mit der Tatsache dass etwa BND und NSA sich so eng austauschen, dass die NSA dem BND seine Erkenntnisse aus der Schnüffelei in der BRD zu Verfügung stellt und ungekehrt? Der BND kann so alle verfassungsmäßigen Grenzen kinderleicht umgehen. Was mich noch mehr irritiert: BND und BfV vertreten inzwischen 1:1 die Positionen und Einschätzungen der NSA. Deutlich wurde das gestern bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2014. Die Herren de Maisière und Maaßen wirkten als läsen sie aus Lageeinschätzungen des NSA vor. Und gaben das anschließend auch noch zu indem sie auf die überragende Bedeutung der NSA auch für die Gefahreneinschätzung durch die bundesdeutschen Dienste hinwiesen. Wer sich die Mühe macht die PDF Dokumente von Edward Snowden zu lesen, die SPON gestern ins Netzt gestellt hat, kann das leicht nachvollziehen. Sehen Sie diesen Widerspruch nicht? Zum einen lautstark kritisieren, wenn die NSA bei uns jeden und jedermann beschnüffelt und zum anderen gleichzeitig bei BND und Bundesregierung gierig auf die so gewonnen Erkenntnisse der NSA zu warten. Ich teile auch nicht Ihre Auffassung, dass die Bundesregierung mit diesem Konflikten und politischen Herausforderungen offen und aktiv umgeht. Die G 10 Kommission ist qua Gesetz so gestaltet, dass nichts wirklich Wichtiges herausdringt. Zudem haben weder die alte Enquetekommission zum Internet noch der neue Ausschuss Digitale Agenda bisher durch bemerkenswerte Beiträge zur dieser Diskussion geglänzt. Und der Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre wird von der, von Ihnen mitgetragenden Bundesregierung in seiner Arbeit torpediert wo immer es nur geht. Er droht zu einer völlig nutzlosen Alibi-Veranstaltung zu werden.

      • Burkhard Lischka MdB, SPD
        +3

        Grundsätzlich möchte ich meiner Kollegin Saskia Esken zustimmen: Die jüngsten Enthüllungen über die massenhafte Ausspähung von Bürgerinnen und Bürgern durch die NSA sollten sicherlich nicht zur Konsequenz haben, dass sich der BND nun bemüßigt sieht, hier künftig „auf Augenhöhe“ zu agieren. In diesem Sinne verfolgt der NSA-Untersuchungsausschuss, dem ich als stellvertretendes Mitglied angehöre, auch nicht nur das Ziel, die Praktiken der NSA zu beleuchten. Vielmehr ergibt sich aus dem Untersuchungsauftrag, dass zudem vor allem die Rolle deutscher Nachrichtendienste unter die Lupe genommen werden soll.

        In Bezug auf eine effizientere parlamentarische Kontrolle möchte ich als SPD-Obmann im Parlamentarischen Kontrollgremium Folgendes feststellen: Aus meiner Sicht bedarf es derzeit keiner gesetzlichen Änderungen. Vielmehr müssen wir die bereits bestehenden gesetzlichen Grundlagen besser in ihrem vollen Umfang nutzen, um die Kontrolle zu intensivieren. Dazu haben wir bspw. u.a. beschlossen, ein eigenständiges Referat mit mehr Personal einzurichten, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unterstützung der Abgeordneten z.B. direkt und ohne „Vorwarnung“ die Nachrichtendienste zu Kontrollzwecken aufsuchen können, um bestimmte Vorgänge zu prüfen und Einsicht in Akten und Dokumente zu nehmen. Um hier ein strukturiertes Vorgehen zu gewährleisten, haben wir einen Arbeitsplan erarbeitet, der für die nächsten zwei Jahre konkrete Themenfelder zur Bearbeitung vorsieht. Ziel ist es, selber zu agieren, anstatt, wie bisher häufig geschehen, z.B. auf etwaige Presseveröffentlichungen zu reagieren.

        Ich denke, dass die von uns angestoßenen Reformen – von denen ich hier nur ein paar wenige genannt habe – in die richtige Richtung zielen und zu einer Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle beitragen werden. Inwiefern dennoch gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehen könnte, muss nach einer geeigneten Zeitspanne geprüft werden.

        • Lieber Burkhard Lischka, ich freue mich, dass zumindest im sozialdemokratischen Teil der Koalition das Problembewusstsein wächst. Es muss aber noch mehr passieren. Zumal diese Thematik auch eine wirtschaftspolitische Dimension hat. Es geht um eine Branche mit hohem Wachstumspotential und gut bezahlten Jobs. Ihre Kollege Gerold Reichenbach, wie Sie SPD-MdB hat darauf ja an anderer Stelle auf PUBLIXPHERE hingewiesen. Ich möchte hier aus einer ganz aktuellen Pressemitteilung des BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft) von heute (28.07.2014) bezüglich der Digitalen Agenda zitieren: „Nur programmatisch und wenig konkret sind die Aussagen zur digitalen Sicherheit. Hier wird von der „Förderung vertrauenswürdiger IT-Sicherheitstechnologie“ und der „verbesserten Ausstattung und Zusammenarbeit der zuständigen Behörden“ gesprochen, die zusammengenommen die Interessen der Bürger und der Wirtschaft schützen sollen. Wie man die Übergriffe der Geheimdienste auf kritische Infrastrukturen, Unternehmen und Bürger in Zukunft wirksam verhindern will, bleibt aber offen. Eine Verbindung etwa mit dem Cyber-Dialog zwischen Deutschland und den USA wäre hier nicht nur naheliegend, sondern zwingend, um verloren gegangenes Vertrauen in die Infrastruktur der Digitalisierung wieder aufzubauen.“

  • nemo ist dafür
    +2

    Wie schön und angenehm, Marco, dass sich das Umfeld der FDP wieder auf liberale Werte konzentriert. Das hatten wir lange nicht mehr. Du hast in allen Punkten recht. Es wäre insbesondere schön, wenn wir zu diesem Punkt eine Bundestagsdebatte bekämen, in der alle Farbe bekennen müssten. Bisher läuft die Finanzierung aber ebenso intransparent wie die Kontrolle der Geheimdienste. Das Budget des BND wird bisher von einem sogenannten Vertrauensgremium bewilligt, das mit Bundestagsabgeordneten nach dem jeweiligen Parlamentsproporz besetzt ist. Und dieses Gremium hat bereits die ersten 6 Millionen für eine Machbarkeitsstudie bewilligt. Es wird höchste Zeit, dass sich hier der Widerstand regt. Wie Du richtig schreibst hat der BND nicht in sozialen Netzwerken herumzuschnüffeln, nicht im Inland und auch nicht anderswo.

    • lieber nemo, du meinst, der bnd sollte genauso rechenschaftspflicht über seine ausgaben leisten wie ministerien zum beispiel?! das finde ich gut! gibt es dafür einen politisch gangbaren weg?

      • Hallo Paul. Ja ich glaube der BND sollte seinen Haushalt öffentlich machen oder zumindest dem gesamten Parlament im Rahmen der Haushaltsberatungen seine Arbeitsschwerpunkte nennen und wieviel Geld er für diese Schwerpunkte ausgibt. Letzteres wäre ein erster kleiner Schritt weg von der Kungelei in Ausschüssen und Gremien hin zu mehr Transparenz.

  • Hallo Marco,

    speziell bei diesem Programm geht es meines Wissens um "offen" verfügbare Daten in den sozialen Netzwerken, also beispielsweise Twitter. Und eigentlich spricht auch nichts dagegen, diese auszuwerten. Das wär vergleichbar damit, einfach mal die Zeitungen eines Landes durchzulesen, um zu schauen wie es so tickt. Was ich aber unheimlich finde, ist, das wir diese Vermessung der Welt noch gar nicht überblicken können. Wir wissen noch gar nicht, wie viel Macht in Big Data steckt, wie die Analyse dazu dienen kann, die öffentliche Meinung zu beeinflussen (ohne das wir es überhaupt merken). Und hier muss es endlich eine Diskussion geben, über die Rolle des Staates und der Konzerne (Google, Facebook, Twitter). Sonst leben wir bald in der Matrix und Drohnen erledigen den Rest.

    • Lieber Emil, sicher hast Du Recht, aber das enthebt uns nicht der Pflicht auch vor der eigenen Haustür zu kehren. Sonst riskieren wir, dass die Anderen postwendend mit dem Finger auf uns zeigen! Die BRD leistet sich mit BND, Verfassungsschutz, MAD, 16 Landesämter für Verfassungsschutz insgesamt abenteuerliche 19 (!) Geheimdienste, plus das nachrichtendienstlich tätige IKTZ der Bundespolizei sowie das BSI, dazu kommen das BKA und 16 Landeskriminalämter. Alle sind irgendwo im Netz unterwegs um Nachrichten „abzuschöpfen“. Das alles ist völlig intransparent und kaum noch kontrollierbar. Es muss endlich Schluss sein mit unbegrenzten Sammelwut der deutschen Behörden. Sonst haben wir in absehbarer Zeit einen Algorithmus mit dem bei entsprechender Hard- und Softwareausstattung präventiv gehandelt werden kann. Sprich, wenn das Programm aus den über Dich gesammelten Daten, den Bewegungsprofilen, die Dein Smartphone hinterläßt etc. eine Gefährdung des Allgemeinwohls herausließt, dann landest Du erst einmal in staatlicher Obhut. Der viel zu früh verstorbene Herausgeber der FAZ Frank Schirrmacher hat darauf in den letzten Jahren immer wieder eindringlich hingewiesen. Diese Debatte brauchen wir!

  • Hallo Marco Vietinghoff, dieses einzelne Programm ist das eine. Aber wie steht ihr Julis zu einer grundsätzlichen Reform der Geheimdienste, wie sie beispielsweise die Digitale Gesellschaft fordert

    Seit ihr dabei beim "Demokratischen Systemupdate"?

    • Marco Vietinghoff (Junge Liberale) Mitglied JuLis ist dafür
      +2

      Lieber GeertV,

      Was ihr konkret mit dem „Demokratischen Systemupdate“ meint erschließt sich mir aus dem Link zwar nicht, aber die die ausgeführten Positionen decken sich mit unseren. Welche konkreten Vorschläge wir zur Reform der Geheimdienste haben, ist hier zusammengefasst.

    • An alle. Ich möchte allen Teilnehmern an diesem Thread diesen o.a. Link von GeertV empfehlen. Dahinter verbirgt sich eine blitzgescheite Kurzananalyse der gegenwärtigen Situation.

  • Lieber Marco, das sehe ich ähnlich! Wie aber machen wir den BND endlich transparenter und in gewisser Weise rechenschaftspflichtig? - Müssten wir nicht fordern dem Parlament mehr Zugriffs- und Kontrollrechte einzugestehen?! Was fordert die FDP konkret?

    • Marco Vietinghoff (Junge Liberale) Mitglied JuLis ist dafür
      +4

      Liebe Anne-Marie,

      Zur Stärkung der Kontrolle des Parlaments fordern die Jungen Liberalen diese konkreten Maßnahmen:

      • Die personelle und finanzielle Ausstattung der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist zu verbessern. Das PKGr soll eine eigene Geschäftsstelle mit Mitarbeitern erhalten. Die Geheimhaltungspflicht der Abgeordneten gegenüber ihren Mitarbeitern und den zuständigen Mitgliedern der G10-Kommission, des Gremiums nach Art. 13 Abs. 6 GG und des Haushaltsausschusses wird abgeschafft.

      • Entsprechend der Regelung in Art. 45a GG für den Verteidigungsausschuss muss das Parlamentarische Kontrollgremium mit einigen Rechten eines Untersuchungsausschusses ausgestattet werden. Diese Rechte müssen durch ein Viertel der Mitglieder des Gremiums geltend gemacht werden können.

      • In Ausnahmefällen kann das PGKr mit 2/3-Mehrheit der Mitglieder die Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen beschließen.

      • Das Parlamentarische Kontrollgremium erhält ein Klagerecht gegenüber den Geheimdiensten.

      • Des Weiteren sollen Mitarbeiter der Geheimdienste sich direkt an die Mitglieder der zuständigen parlamentarischen Gremien wenden können, ohne ihre Vorgesetzten hierüber informieren zu müssen.

      • Sobald das Ausmaß der Überwachung deutscher Staatsbürger aufgeklärt ist, muss die Aufgabenverteilung zwischen Parlamentarischem Kontrollgremium und G10-Kommission überdacht werden. Soweit es zu einer heimlichen Überwachung deutscher Staatsbürger gekommen ist, bedarf es einer Kooperation beider Gremien, um dem Datenschutzinteresse der Betroffenen gerecht zu werden.

      • Auf europäischer Ebene muss die Geheimdienst-Kontrolle durch das Europäische Parlament intensiviert werden. Zudem muss ein fester Austausch-Rahmen für die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollgremien in den Mitgliedsstaaten geschaffen werden.

      • Lieber Marco, all deine Vorschläge klingen überzeugend, fragt sich bloß warum die BundesbürgerInnen noch immer glauben, dass eine liberale Partei innerhalb der Parteienlandschaft der BRD überflüssig ist?! Mir scheint als seid ihr nicht recht in der Lage dieses liberale Ideal des (positiven) Schutzes der Privatsphäre wieder als deutliches Alleinstellungsmerkmal zu präsentieren. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger habe ich für eine der wenigen zurechnungsfähigen MinisterInnen der letzten Regierungskoalition gehalten, die, wenngleich streitbar, sehr wohl abgewogen hat zwischen dem ewigen Dilemma Freiheit (als klassisch liberales Paradigma) und dem der Sicherheit, die zunehmend konservativ, gar reaktionär geprägt scheint. Schon lange halte ich überdies die Dabtte um Datenschutz und Privacy für die ideale Debatte anhand derer sich eine (junge) FDP neu profilieren könnte?!

        • Liam Fitzgerald Project for Democratic Union
          +3

          Hier anschließend ist die Grundfrage für jeden Geheimdienst doch, wo er sich im Spannungsfeld zwischen (kollektiver) Sicherheit einerseits und individueller Freiheit andererseits positionieren sollte. In einem europäischen Rahmen scheint letztere Kategorie die ausschlaggebende. Gleichzeitig ist die individuelle Sicherheit als Komponente kollektiver doch auch ein liberales Paradigma - als Sicherheit des Eigentums an der eigenen Person? Wie dieses sehr schwierige Spannungsfeld zu aufzulösen ist, ist eine schwere Frage, doch mit real steigenden Gefahren für die kollektive Sicherheit, die wiederum die individuelle Freiheit bedroht, muss diese Lösung in einem viel umfassenderen Rahmen zu suchen sein als lediglich in der Regelung von Geheimdienstbefugnissen. Der gesamte Bereich der Aussen- und Sicherheitspolitik gehört dazu. Nicht zuletzt sollte bedacht werden, dass ein gemeinsamer europäischer Sicherheitsdienst vielleicht deutlich besser in der Lage wäre, Sicherheitsinteressen zu schützen als viele einzelne nationalstaatliche Dienste. Nicht zuletzt könnte ein solcher effektiver europäischer Dienst, der natürlich einer strikten parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen wäre, den US-Diensten vielleicht auch die Angst vor einem unsicheren - weil nicht ausreichend durch Geheimdienste geschützten - Europa nehmen und so dazu beitragen, das Ausspähen durch einen vermeintlichen demokratischen Freund zu verringern. Ein wichtiger Unterschied zwischen US-Geheimdienstarbeit hierzulande und der eigener Institutionen liegt letztendlich auch darin, dass die Geheimdienste Europas den jeweiligen Staatsbürgern letztverantwortlich sind und in diesem Sinne auch legitimiert. Die Arbeit der US-Dienste in Europa ist auf keinen Fall legitim.

          • Lieber Liam, du sprichst also von einem gemeinsamen europäischen Geheimdienst?! - dem vorgeordnet aber müsste echte gemeinsame europäische Politik sein, was?! und was machen wir mit jenen 'Un-Demokratien' innerhalb der EU, die ihre Geheimdienste weit bewusster auf ihre BürgerInnen ansetzen als die BRD? oder gucke ich da schief?

            • Liam Fitzgerald Project for Democratic Union
              +2

              Ja, das ist richtig. Voraussetzung ist natürlich eine europäische politische Union. Ein dann theoretisch einzurichtender europäischer Geheimdienst muss im Rahmen eines europäischen Verfassungsdokuments dem Parlament verpflichtet sein. Idealerweise wären die BürgerInnen schon von vornherein an der Verfassungsgebung beteiligt, einmal über die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung, und dann über die Abstimmung über das entstandene Dokument. Zweifel würden natürlich auch dann bleiben, inwiefern ein solcher Dienst kontrollierbar ist. Da muss viel Detailarbeit noch folgen. Mein Anliegen war, die Diskussion in den größeren Rahmen einzuordnen, in den sie letztlich gehört.

              • das klingt spannend, seid ihr in der Lage das mal passend zu platzieren? - oder sollten wir dazu gar eine Europäische Bürgerinitiative fahren?

                • Liam Fitzgerald Project for Democratic Union
                  +2

                  Wir arbeiten daran, sind aber noch in einem sehr frühen Stadium. Ohne die begründeten und fundierten Studien, die unser normatives Ziel erläutern, ist es noch nicht zielführend, den großen Schritt zu wagen - jedenfalls sehe ich das so.

                  • ist es möglich sich an eurem Brainstorming zu beteiligen?

                    • Liam Fitzgerald Project for Democratic Union
                      +2

                      Ja, habe dazu eine Nachricht geschrieben. Freue mich auf Input!