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Sollten Nichtchristen Mitglieder in christlichen Verbänden sein dürfen?


picture allianceSchützenausmarsch auf dem Schützenfest in Hannover. Foto: Picture Alliance


Ein Beitrag von Doro

Auslöser für meinen Diskussionsanstoß ist der Fall des "33-jährigen türkisch-stämmigen Muslim Mithat Gedik, der in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Er wurde jüngst zum Schützenkönig im westfälischen Werl-Sönnern gekürt. Nach dem Willen des BHDS (Bund Historischer Deutscher Schützenbruderschaften) soll der Mann den Titel wieder abgeben, weil die Schützenbruderschaft in Werl laut ihrer Satzung eine "Vereinigung von christlichen Menschen" sei (zitiert aus TAGESSPIEGEL vom 5.8.14, S. 1).

Engstirnig? Provinziell? Islamfeindlich?

Es betrifft unser Vereins- bzw. Verbandsrecht. Dürfen Verbände oder Vereine konfessionell oder religionszugehörig ausgrenzen? Müssen Vereine und Verbände im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes z.B. offen sein für einen Moslem als Vorsitzenden eines evangelischen Gemeindekirchenrats oder als Vorsitzenden eines katholischen Gemeinderats? Oder umgekehrt: müßte ein DITIB-Landesverband einen Christen als Vorsitzenden akzeptieren? Es geht nicht darum, dass Andersgläubige nicht Gäste sein dürften. Alle christlichen Kirchen und muslimischen Religionsgemeinschaften praktizieren bei uns die Gastfreundschaft, Begegnungen, Tage der Offenen Tür etc. Es geht um die Mitgliedschaft und um Funktionen im Verband.

Oder verstoßen Kirchen und Religionsgemeinschaften mit ihrem Recht" sui generis" generell gegen unser Grundgesetz?


Kommentare

  • Hallo Doro,

    interessante Frage. Nach kurzem Nachdenken liegt für mich die Antwort schon in der Verschiedenheit Deiner Beispiele.

    Beim Schützenverein sehe ich nicht ein, inwiefern das Christlich-Sein Kern der Vereinstätigkeit / des Vereinszwecks sein soll, bei den christlichen Kirchen / Glaubensgemeinschaften natürlich schon. Natürlich gehört es zum Profil eine/r GKR-Vositzenden, Christ/in zu sein, schließlich geht es ja um das Sprechen/Entscheiden für eine christliche Glaubensgemeinschaft.

    Grauzonen entstehen durch die vielen irdischen Tätigkeiten, die Kirchen traditionell ausüben, als ganz normale Arbeitgeber sozusagen (Kitas, Krankenhäuser, Pflegeheime...). Ich finde, hier darf andersgläubigen (etwa muslimischen) Arbeitnehmern der Arbeitsplatz nicht per se verwehrt werden, wenn sie die Kultur des Unternehmens grundsätzlich mittragen. Aber da wird es schon schwierig, kann etwa das gemeinsame Singen christlicher Lieder und das Beten zur "Unternehmenskultur" gehören? Und darf der Chef eines katholischen Hospitals Hindu sein?

    Auch beim "Kerngeschäft" der Kirchen (Gemeindearbeit) finde ich übrigens maximale Offenheit schön, auch gegenüber Atheisten, Muslimen, und allen, die sich einbringen wollen. Und entschuldige die vielen Metaphern aus dem Wirtschaftsleben!

    • Wenn der BHDS gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstößt, müßte er seine Zulassung entzogen bekommen?

      Aber dann dürfte es möglicherweise andere christliche Vereinigungen wie den CVJM, die Christlichen Pfadfinder und christliche Studentenverbindungen auch nicht geben, es sei denn sie sind schon offen für nichtchristliche Mitglieder, was ich nicht weiß.

      • Das müsste man mal recherchieren, aber ich glaube die Anti-Diskriminierungs-Richtlinie der EU betrifft vor allem die Arbeitswelt und den Umgang mit Behörden etc, nicht Vereine.

        Aber ich finde, man kann es auch ohne Recht und Gesetz betrachten. Der CVJM, die christlichen Pfadfinder und Studenten können doch offen sein für Nicht-Christen. Was spricht von ihrer Seite dagegen? Als Nicht-Christ würde ich mir zugleich überlegen, ob ich da rein will, wenn das Christliche stark gelebt wird. Macht das Sinn? Ich würde jetzt auch nicht drauf kommen, einem muslimischen Kultur-Verein beizutreten (was vielleicht sogar schade ist)

        • Ich lese gerade auf der Startseite von Deutschlandradio (7.8.):

          "Mithat Gedik darf König bleiben

          Schützenkönig ja, ausnahmsweise. Bezirkskönigsschießen nein: Im Streit um den muslimischen Schützenkönig aus Werl hat sich der Dachverband der katholischen Schützenbrüder zu einer Ausnahmeregelung durchgerungen..."

          Anders als Sie, Klaus, würde mich schon die juristische Seite interessieren. Was, wenn christliche Vereinigungen oder muslimische Vereine nicht offen sind? Können Sie im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes gezwungen werden?

          Immerhin hat die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Christine Lüders vorgestern noch die Haltung des Dachverbandes des BHDS intolerant und diskriminierend genannt.

          Das Einlenken des BHDS zu einer Ausnahmeregelung ist m.E. der Tatsache geschuldet, dass er keinen Ärger wollte. Schade eigentlich. Ich hätte es interessanter gefunden, wenn der BHDS eine mögliche Klage hätte auf sich zukommen lassen und deutsche Gerichte (Bundesverfassungsgericht?) ein Grundsatzurteil hätten fällen müssen.

    • Ich wollte gerade schreiben, dass ein Schützenverein keine Religionsgemeinschaft ist, aber Sie führen das ja schon aus.

      • MisterEde, keine Religionsgemeinschaft, aber in diesem Fall ein konfessionell (nämlich katholisch) festgeschriebener Verein.

        • Worum es mir bei meinem Diskussionsanstoss grundsätzlich geht:

          Müssen wir in Deutschland unsere eigenen Identitäten, wie sie sich bisher z.B. in Vereinen und Verbänden und Institutionen manifestiert haben, bis zur Unkenntlichkeit zurücknehmen, nur um nicht Gefahr zu laufen, der Diskriminierung Andersgläubiger - und es geht dabei im Wesentlichen um unsere muslimischen Mitbürger/innen - verdächtigt werden zu können?

          Eine eigene Identität zu haben und zu leben, bedeutet nicht, intolerant zu sein. Im Gegenteil. Damit gelingt es einem besser, mit Andersdenkenden und Andersgläubigen echte, gute Gespräche zu führen, als wenn man selbst wie ein Halm im Wind eigentlich nichts zu sagen hat.

          • Für Vereine gilt die Privatautonomie. Vereinsangelegenheiten erledigen die Mitglieder. Für mich persönlich ist daher keine weitere Debatte notwendig, da ich selbst kein Mitglied in jener Schützenbruderschaft bin.

            Dennoch will ich versuchen, deine Frage zu beantworten. Vereine können ihre Mitglieder selbst heraussuchen, kein Verein kann zur Aufnahme eines Mitglieds gezwungen werden. Ein Verein kann theoretisch nur schöne, reiche, christliche Frauen aufnehmen, das ist zulässig im Rahmen der Privatautonomie.

            • Hallo MisterEde,

              das wird hier schon zu einer Privat-Diskussion zwischen Ihnen und mir. Aber sei`s drum.

              Ich sehe es auch so wie Sie. Vereine bestimmen selbst darüber, wer Mitglied bei Ihnen sein kann und wer Gast.

              Ich bin auch kein Mitglied in besagter Schützenbruderschaft, kenne überhaupt keine Schützenvereine, aber ich finde es symptomatisch für unsere Gesellschaft, dass Meinungsmacher, die diesen besagten Schützenverein auch nicht kennen ihre ganze Häme über diesen Verein ergießen, weil er katholisch ist. Ihm Verfassungswidrigkeit vorwerfen. Ich wäre sehr an einem Grundsatzurteil interessiert gewesen.

              Es ist in unserer säkularisierten Gesellschaft, die ich grundsätzlich bejahe, aber in ihrer Verächtlichmachung christlicher Traditionen verneine, geradezu zu einem Stigma geworden, wenn Menschen sich zu ihrem christlichen Glauben bekennen.

              Es ist chic, christlichen Traditionen nicht nur abzusagen, sondern sie mit Klischees zu belegen - wie Sie das tun mit den "schönen, reichen christlichen Frauen". Wissen Sie eigentlich, welche Institutionen in unserem Staat armen, randständigen Menschen wirklich eine Heimat auf Augenhöhe geben? -

              • Hallo Doro, du schreibst es sei: " geradezu zu einem Stigma geworden, wenn Menschen sich zu ihrem christlichen Glauben bekennen. Das ist so! Bekenne ich mich als gläubiger Christ, ernte ich oft fassungsloses Erstaunen. Würde ich dagegen in lockerer Runde erkären mit meiner Frau regelmäßig in einen sogenannten Swingerclub zu gehen, kämen die interessierten Fragen. Wo ist denn hier einer, wie läuft das da denn so, wie fühlt ihr euch dabei? Wetten! Probiert mal beide Versionen aus, ihr werdet erstaunt sein.

              • Hallo Doro,

                Das war eigentlich nur eine Tatsachenfeststellung, um die Frage zu beantworten, wie das in Deutschland geregelt ist. Insofern braucht es aber zumindest kein Grundsatzurteil ;D.

                Geht es um deine Haltung, dann muss ich feststellen, dass ich diese nicht teile, sondern ablehne.

                Ich trete für Selbstbestimmung ein und befürworte daher weitgehende Freiheiten in allen Lebensbereichen. Das reicht von der Familienpolitik (keine Bevorzugung oder Benachteiligung eines Einkommensmodells) über religiöse Freiheiten (Freiheit Burka zu tragen, Beschneidung auch bei Säuglingen) bis ins erzieherischer (Ablehnung von verpflichtenden Ganztagsschulen aufgrund eines zu großen Eingriffs in die Selbstbestimmungsrechte von Jugendlichen). Aus demselben Grund begrüße ich auch die Möglichkeit von Vereinen sich frei zu organisieren.

                Was ich aber ablehne, ist deine Haltung, auf der einen Seite Freiheiten für christliche Vereine einzufordern, gleichzeitig aber in der Diskussion um die Burka solche Freiheiten für muslimische Religionsangehörige per se abzulehnen. Wir hatten die Diskussion ja bereits. Meine Fürsprache für das Selbstorganisationsrecht von Vereinen im oberen Absatz resultiert aber aus derselben Überzeugung wie meine Fürsprache für das Recht eine Burka zu tragen. Wir sind damit meilenweit voneinander entfernt.

                Ich würde mich freuen, wenn ich Dich zumindest dazu anregen kann, mal zu überlegen, inwieweit man die Wünsche nach eigenen Freiheiten (Selbstorganisation der Vereine, Ausleben christlicher Traditionen) mit den Wünschen anderer nach ähnlichen Freiheiten (Burka, Beschneidung) zusammenbringt. Leben und leben lassen ist doch eigentlich ein guter Leitspruch.

                • Lieber MisterEde,

                  die Burka bedeutet Ganzkörperschleier mit oder sogar ohne Sehschlitz, also Vermummung.

                  Die Vermummung ist bei uns bei Demonstrationen verboten. Nun wäre es doch absurd, die Vermummung muslimischer Frauen bei uns in der Öffentlichkeit zu erlauben, aber bei Demonstrationen zu verbieten. Wenn diese Frauen sich an Demonstrationen beteiligen wollten, müßten sie folgerichtig ihren Vollschleier ablegen. Wir geraten in Aporien.

                  Außerdem, stellen Sie sich vermummte Burka-Frauen als Lehrerinnen, Richterinnen, Ärztinnen oder Krankenschwestern oder in irgendeinem anderen Beruf vor! Sie meinen wahrscheinlich, privatim müßte das Burka-Tragen erlaubt sein. Da stimme ich Ihnen zu. Wenn die betreffenden Musliminnen meinen, in den häuslichen vier Wänden die Burka tragen zu müssen, dann sollen sie es tun.

                  Unter "Burka-Verbot in Frankreich" wurde das Thema hier schon interessant andiskutiert...

                • Im Prinzip MisterEDE stimme ich dir zu. Allerdings schreibst du: "Was ich aber ablehne, ist deine Haltung, auf der einen Seite Freiheiten für christliche Vereine einzufordern, gleichzeitig aber in der Diskussion um die Burka solche Freiheiten für muslimische Religionsangehörige per se abzulehnen. Ich wüsste jetzt nicht wo Doro so etwas gefordert hat.

                  • Hallo Nemo,

                    offensichtlich will Doro, dass der Schützenverein geschlossen christlich sein kann. Daher ja ihr Wunsch nach einem Grundsatzurteil oder die Frage ob solche Traditionen bzw. die christliche Identität solcher Vereine bis ins „unkenntliche“ verbogen werden sollte.

                    Auf der anderen Seite fordert Doro aber ein Burka-Verbot, das Menschen einer anderen Religion genau das aufzwingt, nämlich ihre Identität bis ins unkenntliche zu verbiegen. Ich bin gegen diese Form der Rosinenpickerei. Selbstbestimmung ist ein Recht für jeden.

                    Im Übrigen bezogen sich meine Kommentare auf die Originalfassungen von Doros Beiträgen und nicht auf die inhaltlich gekürzten Bearbeitungen. Dies bitte ich Dich zu berücksichtigen.

                    • Alles klar! Danke.

                    • Nein, MisterEde, da haben Sie mich falsch verstanden. Ich will nicht, dass christliche Vereine "geschlossen" christlich sein müssen. Im Gegenteil. Gemeinsame Veranstaltungen, Begegnungen, Freizeiten mit Andersgläubigen sind echt gut. In meiner ev. Kirchengemeinde sind sie gang und gäbe.

                      Um auf den kath. Schützenverein zurückzukommen: er war ja offenbar offen für alle, als sich alle am Tontaubenschießen beteiligen konnten. Er hätte vielleicht nicht das Amt des für den Verein repräsentativen Schützenkönigs an den Gewinner dieses sportlichen Ereignisses knüpfen sollen. Aber ihm deswegen Diskriminierung und Verfassungswidrigkeit vorzuwerfen, geht m.E. in die falsche Richtung.

                      Ich finde es nicht gut, wenn unsere Medien so schnell mit solch schwerem Geschütz auffahren und das insbesondere auch gern tun, wenn es um die christliche Identität geht. Damit bin ich bei nemos Beitrag (weiter oben).

                      • Du schreibst: Ich will nicht, dass christliche Vereine "geschlossen" christlich sein müssen.

                        Und ich schrieb: offensichtlich will Doro, dass der Schützenverein geschlossen christlich sein kann.

                        Können oder dürfen ist ja nicht müssen !!! Das ist ein wesentlicher Unterschied.

                        Wenn Du jetzt Deine Meinung insoweit änderst, dass christliche Vereine auch nicht in sich geschlossen sein dürfen, dann tu das. Aber dann wundert mich Deine Debattenbeitrag schon und ich frage mich was wir überhaupt debattieren, wenn Du dann doch der Auffassung wärst, dass ein christlicher Schützenverein einen Muslim zwingend mitmachen lassen muss.

                        • Noch einmal MisterEde,

                          dieser unsägliche Schützenverein! Ich träume schon von ihm.

                          Er ist für mich nur der Auslöser für die interessante Frage, ob ein christlicher Verein bei aller Offenheit für Andere dicht machen kann, darf , wenn es um die Besetzung von Ämtern, Leitungsfunktionen in seinem Verein geht. Oder ob das diskriminierend, verfassungswidrig ist. Ein Grundsatzurteil hätte ich insofern gut gefunden, als, wenn es zugunsten der Vereinsregelung ausgefallen wäre, die Diskriminierungsvorwürfe keinen Bestand mehr gehabt hätten. Wenn negativ, müßte man das ganze Vereinsrecht erneuern.

                          Meine Stoßrichtung sind die Medien, die bei uns so vorschnell urteilen und den Stab brechen.

                          Zum Thema "Medien" gibt es ja hier auf publixphere eine neue interessante Diskussion.

                • Interessanter Disput Doro, MisterEde.

                  Ich kann grundsätzlich beide Haltungen verstehen, bin aber eher bei dir MisterEde wenn es um Vereinigungs- und Verhaltensfreiheiten innerhalb der Privatsphäre geht. Dennoch, nicht nur die feministisch-emanzipatorische Theorie weist fortwährend darauf hin, dass innerhalb dieser 'geschützten' Privatheit liberaler Demokratien vor allem (vermeintliche) Minderheiten wie Glaubensgemeinschaften, Frauen ect. marginalisiert werden. Es bedarf doch möglicherweise einiger positiver Rechte & Freiheiten dem entgegen zu wirken. Die familiare Privatsphäre war allzu lange Zeit eine vom Staat völlig befreite Sphäre - und Vereine gründen sich doch vor allem vor diesem traditionellen Hintergrund. Nun, Dinge ändern sich. Hält man am Anti-Diskriminierungsgrundsatz fest dürfte es keine kulturellen, religiösen, ethnischen ect. Ausschlussysteme aus bestehenden Vereinigungen geben. Ich habe selbst im CVJM mit Jugendlichen Seite an Seite gearbeitet, die nicht getauft waren (mlgw. mag dies als Ausnahme gelten, es funktionierte prima!). Gerade Schützenvereine, die noch immer aus unerkannbaren Gründen unter den schützenden (:D) Fittichen christlicher Parteien stehen sollten sich nach allen Seiten öffnen um nicht mit ihrem letzten 100-Jährigen weißen Vorzeigemessdiener zu sterben (das selbe gilt meiner Meinung nach übrigens ebenso für Verbindungen und derlei mehr traditioneller Gruppen). In Anbetracht der Tatsache, dass wir qua Verfassung in einem säkularen Staat leben (lassen wir die Kirchensteuer und alle Kritik mal außen vor) sollte jede/r überall arbeiten dürfen. Leistungsgesellschaft bestimmt sich schließlich über das Prinzip der Qualifikation (zumindest will man uns das und die vielen Vorteile daran immer glauben machen). Wo wir wieder beim Thema sind: schießt so gut ihr könnt, arbeitet wie die Bienen und glaubt doch woran ihr wollt!