Muss Alpha-Kevin auf die Couch?
Proteste gegen die Aufnahme von Flüchtlingen im sächsischen Freital (26. Juni 2015). Foto: picture alliance / AP Photo
Statt dem "üblichen Naserümpfen über Ossis und die Dümmsten der Dummen" wünscht sich BastianB eine tiefere Analyse dessen, was bei Fremdenfeinden in Deutschland falsch läuft.
Ein Beitrag von BastianB
Ist Fremdenhass ein Bildungs- und Psychoproblem? Reiner Minderwertigkeitskomplex? Beinahe albern klassisch, wie ihm Lehrbuch: Menschen - selbst sehr verunsichert - suchen sich andere Menschen, denen sie sich überlegen fühlen können (also in der Illusion)? Jemand zum nach unten Treten? Nichts als eine narzistische Kränkung - konsensfähig im Tal der Ahnungslosen und Minderbemittelten? Eine insofern typisch deutsche Kultur, weil sie sich aus den Vernichtungs- und Überlegenheits-Phantasien der unendlich gekränkten, komplexbehafteten Kleinbürger-Nazis bedienen kann?
Ist es so, was dann? Braucht "Alpha-Kevin" Aufwertung und Selbstbestätigung, satt Häme und Verachtung der Bildungs-Elite? Muss eine sächsische Stadt wie Freital (Motto: 'Kein Ort zum Flüchten') mal kollektiv auf die Couch? Und/oder muss sich die Landes- und Bundes-Bildungspolitik selbst mal eine glatte 6 ins Zeugnis schreiben, in Anbetracht der Ereignisse - vielleicht auch mal einen Rücktritt erwägen?
Wo liegt der richtige Grat zwischen Verachtung und Verständnis für diese Leute - auf dem gelaufen sich wirklich etwas ändert?
Ich fänd's schön, wenn am Ende dieser bundesdeutschen Horrorwochen mal mehr bleibt als das übliche Nazis vs. Antifa, das übliche Naserümpfen über Ossis und die Dümmsten der Dummen. Ein wenig mehr Tiefe, hinein in das, was strukturell schief läuft, in den Köpfen und Seelen.
Klaas Andreas ist dafür
Als Tatjana Festerling (Pegida-Kandidatin, Anm. d. R.) bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden die Stimmen von knapp 21.000 Bürgern der Stadt Dresden erhielt, verspürte man einen kurzen Schockmoment. Lang und breit hieß es, dass nicht die Dresdner in der Masse auf die Straße gehen würden, sondern Zugereiste, die extra an die Elbe gekommen waren, um es dem politischen Establishment mal so richtig zu zeigen. Zwei Dinge sind dabei bemerkenswert:
(a) Offenkunding geht nur ein Bruchteil derer, die Pegida-Inhalte teilen spazieren. Die sogenannte Dunkelziffer an Pegida-Sympathisanten ist dementsprechend erschreckend hoch.
(b) Plumper Rassismus, Ängste, Fremdenfeindlichkeit und allen voran tiefgreifender Politikverdruss sind so weit in die Gesellschaft vorgerückt, dass wir ihn nicht mehr nach dem Motto "Intoleranz den Intoleranten" ignorieren können.
Niemand - auch die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung nicht - hat einen Masterplan, wie man mit dem massentauglichen Wirrwarr aus kruden Verschwörungstheorien, (berechtigter) Kritik an Verwaltung und Politik, difusen Ängsten und blanker Xenophobie umgehen soll. Wichtig erscheint mir jedoch, dass wir damit umgehen müssen. Sollten wir das verweigern, radikalisiert sich der Teil der Gesellschaft, der ohnehin schon kein Vertrauen mehr in Demokratie, Pluralismus und Menschenrechten hat.
Der Text von Bastian hat also dahingehend Recht, dass wir als Gesellschaft uns tiefergehend mit uns selbst auseinandersetzen müssen. Wir können und dürfen uns nicht mehr hinter Sätzen wie "das sind Rassisten, mit denen rede ich nicht." verstecken. Wir können es uns, angesichts der letzten Geschehnisse einfach nicht mehr leisten.