Letzte Sendung Günther Jauch: Wohin steuert der Polit-Talk?
Der eine geht, die andere kommt...doch wird sich etwas ändern? Foto: picture alliance / ZB / dpa
Günther Jauch räumt seinen Stuhl. Anne Will übernimmt seinen Polit-Talk am Sonntagabend in der ARD. Für den Medienlinguist Sascha Michel Universität Koblenz-Landau ist nun der richtige Moment gekommen, das Format aufzubrechen. Sonst verliere es schnell seine Legitimation auf Seiten des Zuschauers...
Ein Beitrag von Sascha Michel Universität Koblenz-Landau , Medienlinguist und Experte für Kommunikation in Polit-Talkshows
Die letzte Sendung GÜNTHER JAUCH wird am 30. November 2015 in der ARD ausgestrahlt, bevor Anne Will zum neuen Jahr den Sendeplatz übernimmt. Ich sehe in der Rochade innerhalb der ARD eine Chance für das Format. Der Sonntagabend, direkt nach dem Tatort, stellt traditionell einen prominenten Sendeplatz für den Polit-Talk dar, der mittlerweile durch verschiedene Sendungen wie die von Sabine Christiansen, Anne Will und Günther Jauch besetzt wurde. Günther Jauch hat es zuletzt allerdings versäumt, das Format weiterzuentwickeln, dem Polit-Talk eine eigene Prägung zu verleihen oder sich eine Nische zu schaffen.
Untersuchungen zeigen, dass die Inszenierung in Polit-Talkshows zunehmend auf unterschiedlichen multimodalen und multimedialen Ebenen verläuft, häufig auch sehr subtil. Die Zuschauer dagegen, die davon betroffen sind, werden trotz der direkten Teilhabemöglichkeit durch Soziale Medien lediglich selektiv und symptomatisch berücksichtigt. Der Polit-Talk in seiner traditionellen Form ist ein Auslaufmodell. Zuschauer beteiligen sich zeitgleich immer mehr über Twitter und Facebook an Fernsehdiskussionen, liefern eigene Deutungen, Argumente, widersprechen offen – auch satirisch – oder steuern ganz persönliche Erlebnisse hinzu.
Polit-Talkshows müssen diese Form(en) der Zuschauerbeteiligung, Social TV genannt, strukturell sinnvoller und tendenziell simultan sowie ungefiltert integrieren, um aus inszenierter authentische Partizipation werden zu lassen. Für die Sendung Anne Will bedeutet das: Auch Anne Will wird ihr bisheriges Konzept, mit dem sie in der Vergangenheit nur mäßig Erfolg hatte und das schließlich zum Verlust des beliebten Sendeplatzes geführt hat, weiterentwickeln müssen. Eine allzu starre Choreographie und Kontrollierbarkeit des Ablaufs sollte zumindest bei der Frage der Zuschauerbeteiligung aufgebrochen werden. Ein Format, das Tradition nicht mit Innovation verknüpft, verliert ansonsten schnell seine Legitimation auf Seiten des Zuschauers.
Katta
Ich möchte eine Zuschauer-Beteiligung, die Zuschauer wirklich ernst nimmt. Ich finde es ganz schrecklich, wie bei Hart aber Fair Zuschauer-Meinungen präsentiert werden. Wie die letzten, gefühlsduseligen Blödiane und Vollidoten kommen die besorgten Bürger daher. Außerdem sucht die Redaktion die Meinungen gezielt aus um Öl ins Feuer zu gießen, gerade neulich in der Flüchtlingsdebatte. Da wird eine Volksangst simuliert.
Gut fände ich Zuschauer schon bei der Themenwahl einzubeziehen. Per Online-Voting. Außerdem fehlt mir ständig die Pluralität. Es sind immer diesselben Nasen, die ihr Talkshow-Dasein professionalisiert und sich slebst zur Meinungsmarke gemacht haben. Mir fehlen die Querköpfe, die ungewöhnlichen Menschen, die Nachdenklichen und Unentschiedenen. Ein Helmut Schmidt hätte heute mit seiner sehr langsamen Art zu Reden nicht die geringste Chance, sich in der Talkshow-Welt hochzuarbeiten.