+4

Prowestlich und antirussisch? ARD und ZDF wehren sich...


Nato-Manöver, Foto: picture alliance / dpa

Berichten ARD und ZDF genügend über die Interessenpolitik des Westens? Im Bild: Ein Nato-Seemanöver im Schwarzen Meer vor Odessa (8. September 2014). Foto: picture alliance / dpa.


Ein Diskussionsanstoß der Redaktion

Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender widersprechen auf Publixphere dem Vorwurf, in der Ukraine-Krise schablonenhaft und einseitig zu berichten. Die ARD sieht auch kein Ressourcenproblem bei den Korrespondenten. Das ZDF beklagt Gerüchte und Halbwahrheiten im Internet. Die Publixphere-Redaktion hat die wichtigsten Aussagen zusammengefasst und fragt: Was ist eure Meinung?


Links:


Seit Beginn der Ukraine-Krise stehen die öffentlich-rechtlichen Medien immer wieder in der Kritik, einseitig prowestlich und antirussisch zu berichten. Das ARD-Magazin ZAPP dokumentierte bereits im April eine entsprechende Protestwelle, speziell via Facebook. Auch Experten und Medienmacher bemängeln Schwarz-Weißmalerei im journalistischen Umgang mit den Konfliktparteien.

Im Rahmen unseres Schwerpunkts "Medienkritik" (#pxp_thema September) haben wir ARD und ZDF nach ihrer Sicht gefragt. Beide Sender wehren sich gegen die Vorwürfe. „Wir glauben, dass das Freund-Feind-Schema keine Kategorie ist mit der unsere Berichterstattung adäquat beschrieben werden kann“, erklärt Tibet Sinha, stellvertretender Auslandschef des WDR-Fernsehens, das innerhalb der ARD für die Ukraine zuständig ist (Vollständige Stellungnahme für Publixphere).

Wer kommt zu Wort?

Als Beleg für eine ausgewogene Berichterstattung listet der WDR zahlreiche ARD-Sendungen auf. So habe besonders das Politik-Magazin „Monitor“ kritisch über die neue Führung in der Ukraine berichtet. Auch die "strategischen Überlegungen der NATO" waren laut Sinha bereits in einem frühen Stadium der Ukraine-Krise Thema. So habe die Washingtoner ARD-Studioleiterin Tina Hassel bereits im März ausführlich und kritisch das Thema Nato-Osterweiterung behandelt und die Unsicherheiten angesprochen, die damit in Russland verbunden seien.

Auch das ZDF weist den Vorwurf der Einseitigkeit zurück. Sprecher Thomas Hagedorn erklärt gegenüber Publixphere (Vollständige Stellungnahme): „In der Berichterstattung des ZDF kommen sowohl Vertreter der pro-ukrainischen als auch der pro-russischen Seite zu Wort.“

"Halbwahrheiten" und Propaganda

Zugleich verweisen ARD und ZDF auf besondere Herausforderungen. In der digitalen Welt hätten sich die Grundlagen der Krisenberichterstattung massiv verändert, so ZDF-Sprecher Hagedorn. „Im Internet sind eine Vielzahl an Informationen, Gerüchten und Halbwahrheiten im Umlauf.“ Das bedinge neue Standards der Quellenprüfung. Auch seien Kriegszeiten „bekanntlich Phasen mit widersprüchlichen Informationen und Propaganda“. Sinha schildert, wie die ARD selbst in die Propaganda-Maschinerie hinein geriet. So habe das russsische Fernsehen den ARD-Beitrag „Todesschüsse in Kiew“ (Magazin Monitor, April 2014) mit "entstelltem, zum Teil veränderten Kommentar in einer gekürzten Fassung zur Hauptsendezeit" gezeigt. "Dieser Beitrag führte zu einem Proteststurm der ukrainischen Seite", so Sinha.

Schwierige Quellenlage

Dem WDR zufolge beziehen ARD-Korrespondenten Informationen zwar auch aus „von allen Seiten“ progandistisch gesteuerten Quellen, aber „vor allem aus Gesprächen mit Experten, handelnden Politikern, Augenzeugen“. ZDF-Sprecher Hagedorn erklärt: „Die Berichterstattung des ZDF basiert auf dem Einsatz eigener Reporter und Teams in den entsprechenden Regionen“.

Kritiker monieren allerdings fehlende Vor-Ort-Recherche durch die öffentlich-rechtlichen Sender. Der Sozialwissenschaftler Stefan Korinth vermisst bei den Auslandsstudios von ARD und ZDF die nötigen Ressourcen. Für Ostmitteleuropa sei jeweils das Studio in Warschau zuständig, für die „riesige Landmasse“ östlich davon bis zum Pazifik das Studio Moskau. „Es ist genau diese mediale Geringschätzung der ganzen Region, die fehlendem Wissen und allzu einfachen Interpretationsmustern den Boden bereitet“, kommentiert Korinth (März 2014).

"Manpower in der Ukraine"

Die zuständige WDR-Programmgruppe "Europa und Ausland" weist das zurück. „Die ARD hat kein Ressourcen-Problem in der Osteuropa-Berichterstattung“, heißt es in ihrer Stellungnahme. „Im Gegenteil – kaum ein internationaler Sender hat über einen so langen Zeitraum (Dezember 2013 – heute) mit soviel Manpower aus der Ukraine berichtet.“ So habe die ARD neben drei ständigen Korrespondenten in Moskau auch eine Vielzahl erfahrener Sonderreporter in der Ukraine eingesetzt. Auch verteidigt der WDR die Entscheidung, bei der Eskalation des Konflikts auf dem Maidan-Platz in Kiew am 18. Februar 2014 keine Sondersendung „Brennpunkt“ gebracht zu haben. Die zuständige Korrespondentin Golineh Atai sei noch nicht vor Ort gewesen.

Ein wenig Kritik lässt der WDR gelten. „Grundsätzlich gilt aus unserer Sicht aber auch, dass es natürlich begründete Kritik an unserer Berichterstattung gibt“, heißt es in der Stellungnahme. Gerade die Gewichtung zwischen den revolutionären Vorgängen auf dem Maidan und der Stimmung im Osten des Landes in der frühen Phase der Krise habe man selbst kritisch diskutiert. „Vielleicht haben wir die Spaltung des Landes nicht immer deutlich genug gemacht.“ Dennoch bleibe in der Gesamtschau ein durchaus differenziertes Bild der Berichterstattung im Ersten.

Produktionsrealität

Prinzipiell wirbt der WDR um mehr Verständnis für den Fernsehjournalismus. „Leider bewerten viel Kritiker die aktuelle Berichterstattung in der Tagesschau und den Tagesthemen ausschließlich 'ex post' und legen somit Maßstäbe an die Analyse in unseren Beiträgen und Live-Schalten an, die der Produktionsrealität nicht gerecht werden.“ Auch würden oftmals die Grenzen „in keiner Weise beachtet", die der aktuellen Fernsehberichterstattung gerade in Kurzbeiträgen gesetzt seien.

Update: Scharfe Kritik vom ARD-Programmbeirat

Der Programmbeirat der ARD teilt über weite Strecken die Publikumskritik an der Ukraine-Berichterstattung. Das geht aus einem internen Resümee hervor, das Telepolis veröffentlicht. ARD-Chefredakteur Thomas Baumann wehrt sich: “Den Vorwurf einer einseitigen und tendenziösen Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt weise ich energisch zurück."

Der neunköpfige Programmbeirat soll die Interessen der Zuschauer gegenüber den Programmverantwortlichen vertreten. Seine Sitzungen sind nicht öffentlich. Die Mitglieder sind Rundfunkräte aus den neun Landesrundfunkanstalten der ARD.

Diskussion

Wir wollen von euch wissen, wie ihr die Reaktion von ARD und ZDF auf den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung bewertet. Sind die Argumente überzeugend?

Hinweis: Dieser Text steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung Lizenz 2.0


Kommentare

  • Ganz so einfach ist es nicht!

    Das ist eine tolle Liste an Belegen, die die ARD (der WDR?) da bringt. Aber zweifellos können doch die Öffentlich-Rechtlichen viel mehr tun, um aufzuklären! Statt den ewigen Talks mit den immer gleichen Russland-Verstehern (Talk Talk Talk), könnten ARD und ZDF vor Ort die zentralen Fragen klären. Sind russische Soldaten in der Ukraine ja oder nein? Wie "russisch" bze. "Kiew-kritisch" sind Ost-Ukrainer? Wie geht die ukrainische Armee vor? Welche Rolle spielen dabei Europas Rechtsextreme? Was ist mit den wirtschaftlichen Interessen (Industrie und Rohstoffe in der Ost-Ukraine)? Welche Propaganda betreibt Kiew? Warum muss das EU-Assozierungsabkommen ein militärisches Kapitel haben? Wer regiert eigentlich in Russland (nur Putin oder auch noch andere Menschen?) Und so weiter und so fort. Das sind schwierige, bestimmt auch teure Recherchen. Aber dieses ewige Ge-Talke als Feigenblatt (seht her: wir laden doch alle ein!) für mangelnde Aufklärungsarbeit ist doch nicht die Lösung. Auch die Nato-kritischen Kommentare hielten sich doch in den ÖR bis vor Kurzem arg in Grenzen.

    • Hallo Emil, du schreibst: „Aber dieses ewige Ge-Talke als Feigenblatt (seht her: wir laden doch alle ein!) für mangelnde Aufklärungsarbeit ist doch nicht die Lösung.“ Wie das bei der ARD läuft habe ich schon im Thread „AFD“ kommentiert. Das alles ist wie du richtig bemerkst wenig zufriedenstellend.

      • Ja es gibt ganz furchtbare ARD-Sendungen. Aber auch immer wieder sehr gute. So ist die Welt? Toll wäre natürlich, wenn die Sender die Krisen nutzen und noch mal in sich gehen Sie könnten vielleicht eine Task-Force Krisenberichterstattung gründen - Leitfrage: Wo, wie und wann erklären wir einen Konflikt? Auch "Brennpunkte" sind ja jetzt nicht das Maß aller Dinge.

  • Wer wie die ARD in der Hauptnachrichtensendung (Caren Miosga in den Tagesthemen) die Köpfe des russischen Präsidenten und des Außenministers auf ein Schild montiert mit dem Text "Wir müssen leider draußen bleiben", hat jegliche Legitimation verloren, von Journalismus auch nur zu reden. Nicht einmal die Nazis hatten (zumindest in Friedenszeiten) ausländische Staatschefs in der Presse als Hunde porträtiert.

    Man nicht deutlicher hinausschreien: Wir sind NATO! (in Konjektur: US-Dackel)

    Naja, damals saß der weiße Führer im Braunen Haus, heute sitzt der braune Führer im Weißen Haus. Aber Hauptsache, man kann einem Führer hinterherdackeln.

    Quelle zur Nachrichtensendung: http://propagandaschau.wordpress.com/2014/03/24/die-tagesthemen-sind-auf-den-hund-gekommen/ (Die Sendung ist in der ARD-Mediathek wohl nicht mehr abrufbar, ich hatte mich persönlich davon überzeugt, dass der Screenshot keine nachträgliche Manipulation darstellt, sondern exakt so gesendet wurde.)

    • Lieber toxicbuddha,

      Publixphere ist ein öffentlicher Raum, um gemeinsam Politik zu diskutieren - gerne auch polemisch und scharf, solange niemand persönlich angegriffen wird (siehe hierzu auch unsere Netiquette). Nun wird sich US-Präsident Barack Obama sicher nicht persönlich über Deinen Kommentar beschweren. Dennoch könnte er sich zu Recht beleidigend fühlen, weil Du ihn zum einen mit Hitler vergleichst, zum anderen auf seine Hautfarbe verweist. Zugunsten einer kritischen aber konstruktiven Diskussionskultur wäre es schön, wenn Du Deine Sicht ohne potentiell beleidigende Vergleiche deutlich machen würdest.

      Viele Grüße Eva (Community Management)

  • Es fängt doch schon bei den Wörtern an! Prorussisch und proukrainisch. Das ist unterkomplex. Eine Beleidigung für die Vielfalt des menschlichen Denkens!

  • Liebes Forum,

    eine Zusammenfassung von unserem #pxp_thema zu Medienkritik steht nun hier online.

  • Ein Nachtrag zu dieser Diskussion: Die Publikumskonferenz hat hier nebenan ihre gesammelten Beschwerden an der Ukraine-Berichterstattung von ARD und ZDF zur Diskussion gestellt:

    Druck von unten - Lehren aus dem Ukraine-Debakel von ARD und ZDF (14. Oktober 2014)

  • Das vielleicht noch:

    "Tendenziös", "mangelhaft" und "einseitig."

    Der Programmbeirat teilt über weite Strecken die Publikumskritik an der Berichterstattung! Intendant Tom Buhrow reagierte darauf extrem aufgebracht und unsachlich... http://bit.ly/XJptR2

    • Hallo meykosoft , danke für den Hinweis. Wir haben ein Update oben hinzugefügt.

      Noch ein Hinweis: Verlinkungen kannst Du mit eckigen und runden Klammern formatieren - siehe Formatierungshilfen.

  • Kürzlich tauchte in einem Gespräch die Frage auf, ob die Befürchtung zutrifft, dass diese Massen, der in den Foren widersprechenden Leser bzw. Bürger, die "Mainstream-Journalisten" eventuell immer noch ein wenig weiter zusammenrücken lassen würden. Und dieser Druck sie letztendlich dazu verleiten könnten, aus Besorgtheit oder fehlgeleiteter Rechthaberei, nicht nur (wie seinerzeit mit begeisterter "Aufdeck- und Kampfesfreude") einen Bundespräsidenten zu stürzen, sondern diesmal im Eifer einen Propagandakrieg anzuzetteln, der möglicherweise eskaliert und dann letztendlich mit echten Waffen zu Ende gebracht werden muss.

    Eine derartige Kongestion wurde mehrfach prognostiziert. Ohne den Beteiligten Medien dabei Böswilligkeit unterstellen zu wollen.

    • ich befürchte, daß das, was man unter "nashibots" versteht, noch nicht bei jedem angekommen ist, weil alle auf CHQ und NSA starren und dabei übersehen, daß nicht erst seit diesem jahr in unseren foren ein cyberkrieg geführt wird.

      dazu habe ich im frühjahr mal eine kleine linkliste zusammengestellt

      http://www.heise.de/newsticker/foren/S-Re-In-der-Schweiz/forum-281146/msg-25354616/read/

      parallel zu ein paar blogposts ua. diesem

      http://hinterwaldwelt.blogspot.com/2014/05/die-schafe-auf-der-weide.html

      auf meinem "hausblog". das stichwort "nashibots" listet eine ganze reihe solcher posts auf.

      ich kann, nachdem denn das thema endlich bei den medien ankam, ganz gut verstehen, daß die sich da mittlerweile nicht mehr ganz so naiv verhalten wie die leute beim NDR, die das gekreische ja noch für bare münze hielten.

      ein besuch in einer diskussion bei "telepolis" zu einem artikel über die ukraine kann da durchaus erhellend sein - dort wird kaum moderiert und deshalb toben sich dort auch die putin trolle ungeniert aus.

      länder wie gerade finland können ein lied von dieser art cyberkrieg, der die öffentliche meinung beeinflussen soll, singen

      http://yle.fi/uutiset/cyber_security_pro_finland_under_hybrid_warfare_attack/7470050

      wäre ich ÖR, ich würde mir nicht nur die IP's genau ansehen und lieber foren sperren, statt mich diesem müll auch noch auszusetzen.

      daß sich der gedanke, daß ggfl. unser öffentliches gespräch seit jahren manipuliert wird und wir zt. mit computergenerierten bots geredet haben, noch nicht in seiner ganzen schockierenden breite durchgesetzt hat, finde ich bizarr, aber wir haben ja sicher wichtigere themen ...

      für mich jedenfalls sind öffentliche diskussionen schon lange komplett entwertet: sobald der erste seine kruden eurasischen verschwörungstheorien ausbreitet, ist das was folgt, sinn- und wertlos.

      • Hallo hinterwaldWelt,

        danke für die vielen Hinweise! Die Redaktion wird sie bei der nächsten Überarbeitung unseres Hintergrund-Artikels zur Medienkritik und bei unseren Anfragen an Experten und Politiker berücksichtigen, wir sagen Dir dann Bescheid. Grüße, Eva.

  • Die Berichterstattung der ARD zum Ukraine-Konflikt finde ich erst mal in Ordnung. Diese ist recht ausführlich und beleuchtet in den unterschiedlichen Beiträgen auch die verschiedenen Positionen aus meiner Sicht ausgewogen.

    Zu Beginn des Konflikts sah ich allerdings bei der Bewertung und Einordung einige Schwierigkeiten. Die Positionen der Janukowytsch-Gegner wurden fast kritiklos übernommen, selbst wenn sich dahinter in manchen Fällen schlicht eine anti-russische Strömung verbarg. Der innerukrainische Zwiespalt wurde mehr oder weniger unterschlagen und auch die Folgen des Umsturzes für die russisch-ukrainischen Beziehung wurden falsch bewertet. Kurz nachdem ich schrieb, „je weniger sich die Ukraine im Sinne Moskaus entwickelt, desto größer könnte der Druck aus Russland werden, dass sich nach dem Vorbild der Krim dann auch andere Landesteile abspalten“, unterzeichnete die neue Kiewer Führung die EU-Assoziation. Während in den Medien über das Abkommen noch gejubelt wurde, gingen im Osten allmählich die Kämpfe los.

  • Hallo Publixphere,

    ich kann die Positionen von ARD und ZDF verstehen. Es ist gewiss nicht einfach bei all der Popaganda. Anderseits bestreitet wohl auch kaum jemand, dass die Oeffentlich-Rechtlichen auch kritische Berichte zur ukrainischen Politik oder zur NATO senden. Das Problem scheint mir eher das generelle Mindset zu sein. Westliche Medien werden immer etwas mehr Empathie fier die 'eigene' Seite aufbringen. Das zeigt sich auch in der ganzen Sprache und der Aufmachung von Talkshows etc.. Ich wuesste auch nicht, wie sich das aendern soll. Koennte man voellig kalt und "neutral" auf den Konflikt blicken, genauso hart gegen Kiew und NATO sein wie gegen Russland? Vergessen sollte man nicht, dass es Deutschland noch recht gut hat, mit seinen Medien.

  • hinterwald ist dagegen
    0

    ich tue mir mit der ersten hälfte der frage schwer, weil, naja, ich dachte immer "wir" wären "der westen" und finde es ein bißchen bizarr, daß der eine oder andere so argumentiert, als gehöre er nicht zum "westen" und ich mich fragen muss "zu was denn bitte dann?"

    dies gesagt - bedauere ich natürlich im grunde jeden, der seine zeit an fernsehnachrichten verschleudert und finde, man sollte seine zeit lieber mit was nahrhaftem wie zb. dem deutschlandfunk verbringen und lieber zwischen 18:00 und 19:00 einfach zuhören.

    auch dies gesagt - hänge ich mal einen link an zu einer blogpost, die die frage aufwirft, was eigentlich "unseren" (westlichen) journalismus schwächt - nicht etwa die bereitschaft zu manipulieren oder zu beeinflussen, sondern vielmehr die verpflichtung zu akkurater und sauberer arbeit.

    http://euan-macdonald.blogspot.ca/2014/09/how-russia-defeated-western-journalism.html

    und nun allgemein: also ich kann nicht erkennen, daß nato-panzer durch die ostukraine fahren, befürchte aber, daß das russische sind. auch sehe ich mehrere brüche des "common sense" der nachkriegsordnung, also dem lösen von konflikten auf nichtmilitärische art und finde mich da ganz allgemein von unseren bundespräsidenten auf der westerplatte gehaltenen rede repräsentiert.

    ich verstehe ja, daß der eine oder andere gerne in putin einen friedensengel sehen möchte und nun ganz entsetzt ist, ihn so dargestellt zu sehen wie er sich nun mal aufführt, nämlich als größten faktor für unsicherheit und unfriede. ich kann auch verstehen, daß menshen hier eine art ideologischer blindheit entwickelt haben, die in ihnen das bedürfnis aufkommen läßt, nicht mehr teil des "westens" zu sein und nun dem hiesigen tv vorwerfen, nicht ihren wünschen entsprechend zu berichten.

    ich finde es also ganz okay, daß unsere medien weiter "prowestlich" berichten und den ziemlich verwirrten, die jeden mist glauben, wenn er denn von einer seite mit .ru stammt (wie bizarr diese meldungen zum teil auch sein mögen) aber allem misstrauen, was "westlichen" standards akkurater berichterstattung entspricht.

    wir leben ja in einem freien land, jeder hat das recht auf maximale dummheit. aber, heisst das, daß die intelligenten dann auch den verstand an der kasse abgeben müssen???

    nope. und deshalb wäre es mir lieb, wenn die medien, die ich zu allem überfluss auch noch bezahle, weiter haargenau so berichten, wie sie es gerade tun.

    wenn herr alexandr dugin & seine gefolgschaft hier - von querfrontlern wie elsäßer & co auf den thron gesetzt - das sagen haben, können sie das gerne so halten, wie sie das möchte, aber bis dahin sollte ja noch ein bißchen hin sein.

    nur weil die nashitrolls laut heulen und unsere foren mit ihrer propaganda verunreinigen (bitte mal telepolis-kommentare zu einem entsprechenden artikel lesen), heisst das ja noch lange nicht, daß sie eine wie auch immer gearteten mehrheit gehören.

    in diesem sinne: ruhig weiter "prowestlich". ich kann den unterschied zwischen "antirussisch" und "putinkritisch" noch erkennen ;-)

    ganz allgemein: es ist natürlich der größtmögliche unfug, zu glauben, daß die "regentin" morgens bei den medien anruft und die linie durchgibt. da arbeiten sehr unterschiedliche menschen und die kennen den namen snowden auch und wüssten, was sie dann zu tun hätten ;-)

    • Hallo hinterwald, noch einmal ein paar Differenzierungen zu meiner Medienkritik. Zum einen geht es um die Kommentare, also die redaktionellen Meinungsäußerungen in den Öffentlich-Rechtlichen.

      Hier gibt es eine Lesart des Konflikts: Russland bricht Recht und hat zu akzeptieren, wenn die Ukraine Einflusszone der Nato, der EU, auch der USA sein möchte (und so wird im Subtext angenommen - möcht das auch mehrheitlich). Genauso lautete erst am Samstag ein Kommentar im Deutschlandfunk. Diese Meinung kann man haben, natürlich. Einseitig und geschichtsvergessen ist sie trotzdem. Eben weil der "Westen" sich um Recht sonst nicht sonderlich schert, russische Einflusssphären in Mexiko oder Kanada nie akzeptieren würde. Formal ist es auch illegal, in Syrien oder in Pakistan oder in Gaza ohne jedes Mandat Menschen "zu jagen und zu töten", auch wenn uns das völlig gerecht erscheint. Ich habe nichts gegen Hardliner-Kommentare in den Öffentlich-Rechtlichen, solange eine gewisse Ausgewogenheit gewährleistet ist. Aber der harte Blick auf Rechtsverstöße und Interessenpolitik des Westens scheint mir einfach unterrepräsentiert.

      Trennen möchte ich die Kommentare und die vielen latent kommentierenden Schlagzeilen, Titel ect. von der eigentlichen journalistischen Arbeit. Also von der Faktenrecherche, die jedem eine eigene Meinungsbildung erlaubt. Im Netz kursiert zum Beispiel das Gerücht, Präsident Poroschenko kam zu seinen 1,7 Milliarden Dollar nicht nur auf legale Weise. Kann man das mal ausrecherchieren? Und wie groß ist sein Rückhalt in einem Land, das beim letzten Mal noch mit mit 48,8 Prozent Janukowitsch wählte? Es geht mir hier nicht um "prorussischen" Journalismus, sondern schlicht um nach allen Seiten kritischen Journalismus. Schluss mit den blinden Flecken.

      Und zu guter Letzt können doch die Verrückten nicht der Grund sein, darauf zu verzichten. Wo kämen wir dahin?

      • sorry, letztes mal konnte ich noch mit meinem google-account hier rein, ich bin aber weiterhin "hinterwald" ...

        okay: ich "weise mich" vielleicht zuerst einmal "aus" - ich betreibe seit 7 jahren diese seite

        http://www.tv3.de/medienverlag/news-aus-radio-und-presse.html

        auf der ich sozusagen dokumentiere, was ich selbst so am tag höre, und denke, ich bin ein ganz klitzekleines bißchen "kompetent", das einzuschätzen, was das wortradio so tut.

        menschen, die nur ab und an mal was im radio gehört oder im tv gesehen haben (ich mache dort auch das tv-programm), hören oder sehen ja mal was und ziehen vorschnelle rückschlüsse in unkenntnis des spektrums, das die ÖR sender (auch in ihren kommentaren) so anbieten. da arbeiten menschen unterschiedlichster politischer provinienz ... in der öffentlichen diskussion geht das schnell unter und dann heisst es ganz pauschal "die medien". das ist natürlich unfug, das gibt es so nicht und rührt aus der ungeduld, auch die eigene meinung repräsentiert zu sehen, und der unkenntnis des spektrums.

        dies gesagt ...

        [..] Hier gibt es eine Lesart des Konflikts:

        [..] Russland bricht Recht und hat zu

        [..] akzeptieren, wenn die Ukraine

        [..] Einflusszone der Nato, der EU,

        [..] auch der USA sein möchte

        ich denke, daß dieses argument - und daran leidet die diskussion allgemein - nur einen teil des spektrums dessen abdeckt worüber wir reden und vor allem, es auf den von mir durchaus verstandenen und akzeptierten vorwurf an den westen, sich in die "einflussphäre" russlands eingemischt zu haben, so verengt, daß wir vor lauter bäumen den wald nicht mehr sehen: in einem zeitalter globaler kooperation kann es sich kein land, auch nicht der westen, noch erlauben, in konzepten des 19. jahrhunderts zu denken oder gar zu argumentieren.

        es gibt eine schöne stelle in einem kommentar einer österreichischen zeitung:

        zitat:

        “Ich gehe davon aus, dass man hier als Glückskind, also als Mensch, der in Europa geboren wurde, einiges an Bildung erhalten hat. Desto verwunderlicher, dass der Bruch von vier Grundlagenverträgen dem Applaus für Russland keinen Abbruch tut:

        1. KSZE-Schlussakte 1975

        2. Charta von Paris 1990

        3. Budapester Memorandum 1994

        4. Nato-Russland-Grundakte 1997

        Alle vier von Russland gebrochen. Wie, meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, dass Politik funktioniert?

        1. Nach dem Recht des Stärkeren?
        2. Nach “es war einmal und man muss dahin zurück”?
        3. Nach ihrem “Geschmack”?
        4. Nach “rassischen” Gesichtspunkten?

        Sie halten Verträge für überholt? Dann schreiben Sie doch, was denn die beste weitschauende Variante wäre.”

        zitat ende

        das ist gegenwart. einflussphäre ist vergangenheit. unsere medien, die eben in begriffen der gegenwart zu denken pflegen, sehen sich mit argumentationsschlaufen konfrontiert, die vergangenheit sind ... und wenn man sich erst einmal auf dieses denken eingelassen hat, ist man schon auf dem leim. ich werde mich also auf diese ebene sicher nicht einlassen.

        ich hatte ja diesen blogeintrag verlinkt und damit die - imho - zentrale schwachstelle aufgezeigt: unsere medien fühlen sich der überprüfbarkeit ihrer beiträge verpflichtet - die "gegenseite" kann alles erzählen, was sie will, es geht nicht mehr darum, ob das stimmt, es geht nur darum, ob es geglaubt wird.

        natürlich sehen die kommentare die dinge in der angesprochenen "lesart" - wie könnten sie auch anders? und, wichtiger noch, ich höre natürlich auch kommentare im dlf zb., die klar die westliche haltung als zu verengt und einseitig schildern. oder ich höre reportagen, wie die von florian kellermann

        http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2014/05/10/drk_20140510_0712_6003bcb9.mp3

        die mir jenseits von großem politischem getöse und schwarz/weiss die komplexität des geschehens verdeutlichen.

        in der summe: vieles, was geredet wird, ist eher der unkenntnis dessen, was man wissen könnte, geschuldet. jeder zieht sich das heraus, was seine position "belegt" oder "beweist".

        es wäre schön, wenn alle versuchen würden, zu verstehen statt zu beweisen und vor allem akzeptieren, daß man mehrere "lesarten" nebeneinander ertragen können muss - auch die, die einem persönlich nicht schmecken.

        ich finde, hier machen die ÖR unterhalb der sichtbaren schwelle eines kommentars in den tagesthemen/heutejournal.einen verdammt guten job und sollten sich bloss nicht kirre machen lassen, weil jetzt bezahlte einflussagenten (die übrigens gerade finnland zersetzen) die foren vollplärren.

        darauf zu verweisen, daß "auch der westen!" fehler macht, hebt ja die aggressive und vor allem auf militärischer ebene ausgetragenen vorstöße putins nicht ungeschehen.

        so zu argumentieren nennt man btw. "whataboutism" ;-)

        • Hallo hinterwaldWelt ,

          danke für Deine Replik. Ich glaube wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Was meine mangelnde Radio-Kenntnis angeht - da hast du einen Punkt, ich höre so wenig. Ich war am Samstag nur verblüfft von der Selbstsicherheit des Deutschlandfunk-Kommentators, was die Geltung des Völkerrechts angeht: Die Zerrüttung desselben in den verangenen Jahrzehnten (Irak, Drohnenkrieg etc.) schien ihm völlig entgangen zu sein. Und ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn das Recht wieder zum Maßstab wird: die Rechtsverstöße Russlands genauso wie die Rechtsverstöße des vom Westen gestützten Staatschefs Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten (zum Beispiel). Genauso wie Du finde ich das Recht des Stärkeren nicht erstrebenswert. Verlogen finde ich es vom Westen, sich auf Völkerrecht zu berufen, wenn es einem grade passt, und sich (kommentarlos) wegzugucken, wenn der Protest gegen Verstöße nicht den eigenen Interessen dient. Da muss man sich schon entscheiden. Beides geht nicht. Da lasse ich auch gerne Deinen whataboutism-Vorwurf über mich ergehen.

          Abgesehen davon ist mir die Kommentar-Kultur in den Öffentlich-Rechtlichen auch nicht so wahnsinnig wichtig. Wichtiger scheint mir der nach allen Seiten kritische Recherche-Journalismus. Da lasse ich mich von Dir gerne eines besseren belehren, was das Öffentlich-Rechtliche Radio angeht. Begeistert war ich zum Beispiel am Wochenende von einem Feauture über die Garnison-Kirchein Potsdam. Von dem Streit um ihren Wiederaufbau und von ihrer unheilvollen Geschichte wusste ich noch gar nichts. Das war tief recherchierte Aufklärung im Besten Sinne.

          • Ich glaube wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt.

            ja, das sehe ich durchaus auch so.

            ich denke, woran die diskussion im wesentlichen krankt ist die reduzierung des gegenüber auf ein pro oder contra.

            das ist in meinem fall sehr schwer, denn ich halte das abharken einer tötungsliste via drohnen für glatten mord und einen völkerrechtsbruch sondergleichen, habe vor dem krieg in libyen abgeraten, weil die folgen abzusehen waren und war putin regelrecht dankbar, daß er den westen von einem abenteuer in syrien abhielt.

            "whataboutism" funktioniert bei mir also nicht, ich will, daß alle - verdammtnochmal - wieder auf den boden des rechts kommen und ich will auch - was jeder "putinist" will - daß der westen mal mit seiner scheinheiligen besserwisserei aufhört.

            aber, mal ehrlich, ich habe mir (und ich bin kurz vor den 60, habe also die nachrüstung erlebt) noch nie solche sorgen um die zukunft meiner kinder gemacht wie jetzt gerade. und da ja die panzer, die rollen, russische sind, mache ich für die wiedereinführung des militärischen eben uneingeschränkt putin verantwortlich. folgerichtig finde ich auch, daß die kommentare nicht "antirussisch" sind, sondern eben das, was ausgesprochen werden muss, aussprechen.

            ansonsten will ich dich nicht belehren, ich habe ein klitzekleines bißchen meine kompetenz (ich höre, seit ich programmiere, also seit 30 jahren wortradio) heraushängen lassen. das fernsehen, bzw. dessen berichterstattung und noch schlimmer die der leid-medien, finde ich unterirdisch, aber ... naja ... vorher habe ich geschichte studiert und kenne mich ein bißchen aus mit dem, was im letzten jahrhundert passierte ... weshalb mich

            http://cdn-storage.br.de/iLCpbHJGNL9zu6i6NL97bmWH_-bG/_-dS/5Arp9-F6/140901_0905_radioWissen_Deutschlands-Weg-in-den-Zweiten-Weltkrieg--.mp3

            diese kleine zusammenfassung dann doch sehr stark an das spiel, was gerade gespielt wird und mich an die lehren, die wir aus diesen dingen gezogen haben, erinnerte.

            wenn wir aufhören, dieses "ja aber die anderen ..." spiel zu spielen und auf das gucken, was wirklich ist, sehe ich eben gerade, wer was spielt und deshalb habe ich auch so eine klare haltung dazu ... und nicht etwa deshalb, weil ich als weisser westler gerne die welt an meinem wesen genesen lassen will.

            beide seite müssen deeskalieren, so einfach ist das, und putin sollte, im sinne eines miteinander (er hat ja das bündnis mit uns gekündigt) von seinem novorossia baum herunterkommen.

            am ende, das sollte klar sein, egal wie es läuft, werden ihn die geister fressen, die er aus der flasche gelassen hat. dugin findet, er sei ein feiges würstchen und setzt mehr auf die haudraufs eines schlage a la girkin/strelkow ... und da letzterer lebt und nicht im strassengraben mit einer kugel im genick liegt, befürchte ich, daß wir wohl putin da mal sehen werden

            und uns am ende nach ihm zurücksehnen werden ...