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Wann streiten wir uns endlich über EU-Politik?


Foto: York BerlinErinnert ihr euch noch, wie die Menschen an jeder Straßenecke darüber diskutierten, welche Landwirtschaftspolitik die EU einschlagen sollte? Oder wie wir alle stritten, ob die EU-Kommission geeignete Energie-Label für Staubsauger vorgeschlagen hat? Nein? Eben. Foto: (Auschnitt): York Berlin CC BY-ND 2.0


Update: Die Ergebnisse dieser Diskussion und einer Session zur EU-Streitkultur auf der Europawerkstatt findet ihr hier zusammengefasst: Wie wir uns endlich um unsere EU-Politik streiten (Sie können natürlich ergänzt und weiter diskutiert werden)

Ein Diskussionsanstoß von Alexander Wragge, Redaktion

Wann streiten BürgerInnen breit um ihre EU-Gesetzgebung? Seien wir einmal ehrlich: gar nicht. Oder dann, wenn es für eine wirksame Debatte viel zu spät ist, weil die politischen Entscheidungen längst gefallen sind (Stichwort Staubsauger). Am Ende erschöpft sich die europäische Streitkultur - wenn überhaupt - im vielfach eingeübten "Brüssel"-Bashing. Die politischen Verantwortlichkeiten und Einzel-Entscheidungen hat mal wieder niemand rechtzeitig mitbekommen (ausser den Lobbyisten und EU-Profis natürlich). Sie scheinen plötzlich verschwunden im Nebel eines oft jahrelangen Gesetzgebungsprozesses, in vielen tausend Änderungsanträgen, irgendwo in den komplizierten Tiefen des 'Mehrebenensystems'.

Und dann droht alle fünf Jahre auch noch der traditionelle Gipfel dieser latent 'blutleeren' Demokratie: dem Europawahlkampf "fehlt" es doch tatsächlich an Themen - so als hätte es die nicht gerade ohnmächtige EU-Politikmaschine überhaupt nie gegeben. Und bei der Bundestagswahl spielt EU-Politik en détail sowieso keine Rolle.

Ich will von euch wissen, ob es auch radikal anders geht. Wie gelingt eine europäische, politische Streit- und Debattenkultur aller EU-BürgerInnen, die uns rechtzeitig und folgenreich für unsere EU-Demokratie brennen lässt?

Eine entsprechende Session bei der JEF-Europawerkstatt möchte ich hier mit einer allgemeinen, offenen Diskussion zur EU-Streit- und Debattenkultur vorbereiten - und bin sehr gespannt auf eure Sicht.

Einzelaspekte können sein:

  • teilt ihr meine zugespitzte 'Analyse'? Fehlt euch EU-Streit- und Debattenkultur überhaupt oder geht es auch ohne?

  • liegt der Fehler im EU-System? (zu verwirrend, zu prozesshaft, zu konsensorientiert, zu elitär, zu....)

  • sind "die" Medien schuld?

  • gibt es vielleicht gute Gründe, nicht allzu breit und maximal-kontrovers über EU-Gesetzgebung zu streiten?

  • gibt es Gegenbeispiele? Ist die TTIP-Debatte für euch wünschenswert 'gelebte' EU-Demokratie?

  • hängen der Mangel an systeminterner Kontroverse und die EU-Fundamentalkritik (AfD, UKIP, etc.) miteinander zusammen?

  • alles was euch einfällt...

.................

UPDATE: Lesestoff

Liebes Forum, hier noch einige meines Erachtens lesenswerte Texte rund um's Thema (Ergänzungsvorschläge sind jederzeit willkommen):


Kommentare

  • BURNOUT

    Hallo Alexander, darf ich (Jahrgang 1953) hier auch mitdiskutieren, obwohl es bei der Europawerkstatt ja eigentlich um junge Europäer geht? Ich tue es trotzdem mal!

    Was deine Hauptfrage betrifft, weiß ich auch keine konkrete Antwort und was das Brennen für Europa angeht, konstatiere ich wie du eher ein allgemeines Burnout. Soweit so schlecht.

    Allerdings haben wir zumindest hier auf publixphere häufig über Europafragen diskutiert. Ich selbst habe mich z.B. über die Maut aufgeregt. Andere Themen kamen eher an Rande vor. Mit der Folge, dass CETA und damit auch TTIP realpolitisch eigentlich „gelaufen“ sind. (Übrigens kommt dabei ACTA auch durch die Hintertür wieder zurück.)

    Zwei weitere Gründe, die ich allerdings ausmachen kann sind a) die Komplexität der meisten Themen, weil es in der EU primär immer um wirtschaftliche Zusammenhänge (Binnenmarkt) geht und b) dass Europapolitik noch immer in erster Linie die Summe der nationalen Politiken der Mitgliedsstaaten ist. So entstehen quasi nationale Diskurse, die nur bedingt auf Europa verweisen. Und wo sie dies tun, z.B. bei der wirtschaftlichen Situation in Süd-und Osteuropa, sind die Menschen mit dem Überleben beschäftigt, nicht mit dem Diskutieren.

    Wir bewegen uns aber alle leider auch in einer Art diskursiven Blase, aus der der kaum etwas in den erweiterten politischen Raum gelangt. Jakob Augstein (Spiegel, Freitag) hat in seinem Buch Sabotage (Hanser, 2013) für Deutschland etwas verdruckst die Rückkehr der Körperlichkeit in die politische Auseinandersetzung gefordert und schreibt dazu: „ … ohne Mut zur Radikalität wird das schwer.“ (o.a., S.288) Gemeint ist hier natürlich so etwas wie der Druck der Straße, die Manifestationen und nachdrückliche Demonstration politischen Willens und politischer Forderungen in den Zentren und auf den Plätzen unserer Städte und Metropolen. Eine Aktionsform und ein Recht, das nicht umsonst in unserem GG einen solch hohen Stellenwert genießt.

    Ich komme damit auf meine rhetorische Eingangsfrage zurück und damit schließt sich der Kreis. Wer seine politische Sozialisation Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre erlebt hat, weiß um die Bedeutung solcher politischer Aktionen! Ein Grund für die Nichtexistenz einer erfolgreichen oder wenigstens folgenreichen europäischen politischen Streit- und Debattenkultur ist m.E. dass wir insbesondere in der BRD stets brav auf die Reaktion der Politiker auf unsere Kritik, Vorschläge Anregungen warten, anstatt selbst den Worten Taten (s.o.) folgen zu lassen.

    Diesen öffentlichen politischen Raum haben wir in Deutschland beklagenswerter Weise Rechtsradikale, Islamisten, Antisemiten, Hooligans und Anti-Europäern überlassen !

    • Lieber nemo,

      ich stimme Dir voll zu. Was das "Brennen für Europa" angeht - ein" allgemeines Burnout" aus den Gründen, die Du nennst.

      Gern hätte ich über zwei Themen diskutiert:

      Eine EU ohne Außengrenzen - als Vorbild der Mauerfall vor 25 Jahren? Ein realistisches Ziel der EU-Außenpolitik zur Lösung der Flüchtlingsproblematik?

      EU-Osterweiterung - was ist wünschenswert und realistisch?

      Anders als Du, nemo, finde ich eine Debattenkultur in sich schon nützlich. Denn es gibt ja keine schnellen Antworten, für die man auf der Straße demonstrieren könnte. Die Nachdenklichen sind immer im Nachteil gegenüber denen, die schon wissen, wo`s langgehen sollte (und das sind meistens Radikale). Was also ist zu tun? Resigniert sich nicht mehr am öffentlichen Diskurs beteiligen?

      Ich weiß keine Antwort.

      • Liebe Doro,

        da du die Idee "EU ohne Außengrenzen – als Vorbild der Mauerfall vor 25 Jahren" eingebracht hast, möchten wir dich auf folgende Aktion des Kunst-Kollektives Zentrum für politische Schönheit hinweisen, die am 7.11. stattfinden wird und genau diese Idee in einer Aktion durchspielt: "Erster europäischer Mauerfall".

        • Liebes Community Management,

          danke für den Link. Ich habe ihn mir durchgelesen. Künstler - die 5. Macht im Staat, wie sie sich selber nennen, eine interessante Idee - sollen und müssen kreative Ideen, ja Utopien entwickeln. Utopien bringen Leben in die Gesellschaft. Zeigen auf, wie sie sein könnte.

          Dennoch gefällt mir an der Aktion nicht das Moralin. Warum die Gedenkfeiern "25 Jahre Mauerfall" als schwülstig, rückwärtsgewandt schlecht reden, weil sie nicht in einem Atemzug in die Forderung münden, die Außengrenzen der EU fallen zu lassen?

          Der Mauerfall kann ein Denkanstoß sein. 1:1 umsetzen für die EU in ihrem Verhältnis zu den vielen vielen Ländern in dieser Welt, die aus unterschiedlichen Gründen Flüchtlinge verursachen, lässt sich das Beispiel "Mauerfall" sicher nicht. Aber sensibel machen, Flüchtlinge aufnehmen, so viel man kann, aber nicht "grenzenlos", denke ich.

          Grundsätzlich: Aus einem Glücksgefühl heraus über die eigene gut gelaufene Geschichte entsteht eher Hilfsbereitschaft als aus einem gequälten Gewissen des bloßen "Du musst". Das wäre so, als dürften Menschen bei uns nicht mehr oder weniger kostspielig Hochzeit feiern, so lange es noch so viel Elend gibt in der Welt.

          Also kurz gesagt: mir gefällt das Moralin der Aktion nicht und das Schlechtreden der Feiern anlässlich "25 Jahre Mauerfall".

      • Also Doro, ich wüsste schon ein paar Themen für die es sich lohnen würde massenhaft auf die Straße zu gehen. Dazu gehören u.a. CETA und TTIP, weil sie uns die letzte Möglichkeit nehmen Politik & gesellschaftliche Veränderung auch sozial zu gestalten und natürlich die menschenverachtende Asylpolitik der EU.

        Zu deinen konkreten Diskussionsvorschlägen:

        EU ohne Außengrenzen & 25 Jahre Mauerfall. Dies wäre ein in Akt von zutiefst humaner Symbolik. Eine EU ohne Außengrenzen fände ich großartig und sei es nur als mittelfristige Utopie! Menschlich wie auch als Christ. Dies würde aber eine massive Bereitschaft zum Teilen voraussetzen. Für Christen ist das eine akzeptierte Weise des Zusammenlebens. Europa ist aber entgegen alleranderslautender Beteuerungen kein Kontinent mehr, der sich an christlichen Werten & Normen orientiert. Und was die EU auch immer will, eines bestimmt nicht: Teilen! Stattdessen stellte sie im April vergangenen Jahres ein Grenzschutzkonzept vor, das sie zynisch Smart Border nannte, die diskriminierende elektronische Überwachung von Einreise, Aufenthalt und pünktlicher Wiederausreise von nicht-EU-Bürgern. Wer weiß, vielleicht kommt ja auch bald die elektronische Fußfessel für EU-Besucher aus bestimmten Ländern. Von den Änderungen bei Frontex und dem Ende der Search & Rescue Mission der italienischen Marine im Mittelmeer mal ganz abgesehen.

        Osterweiterung. Die war machtpolitisch gewollt und in einigen Bereichen ökonomisch total sinnlos, der EU-Apparat dabei völlig überfordert. Zweistellige Milliardenbeträge sind folgenlos in korrupten Strukturen versickert.

        Was ist wenn Großbritannien sich auf seine jahrhundertelang bewährten alten Stärke der Selbstbehauptung besinnen sollte und es ab 2017 wieder allein versucht, während wir uns in Richtung Moskau bewegen mit der Ukraine, allen Balkanstaaten und wer weiß vielleicht auch einmal Weißrussland, Moldavien und Georgien in der EU? Dann kann die EU-Apparat von Brüssel nach Bukarest umziehen. Rebecca Harms kann dann Kommissionspräsidentin werden und wir Westeuropäer müssen uns endgültig an eine Art von Randexistenz gewöhnen.

        Ohne umfassende Strukturreformen der EU war die bisherige Osterweiterung schon Wahnsinn, jeder weitere Schritt ist Selbstmord. Punkt.

        • Entschuldige, nemo, ich lese erst jetzt Deine Antwort auf meine konkreten Diskussionsanstöße für eine Debatte, die in der EU geführt werden müsste.

          Viel Stoff zum Nachdenken und vielleicht zum "auf die Straße gehen"!

          Wir entfernen uns von Alexander Wragges Klage, dass die EU uns so fern geworden sei und keine Streitkultur mehr provoziert.

          Konkrete Fragen an die EU sind Zündstoff!

          In diesem Zusammenhang finde ich MisterEdes Postulat sehr wichtig: Stärkung des EU-Parlaments, Bündelung von Parteipositionen. Dass man sich als EU-BürgerIn verorten kann.

    • Lieber nemo, danke für die Einschätzung. Die Frage der Körperlichkeit und der Postdemokratie ist sehr grundsätzlich. Ich möchte etwas kleiner anfangen, wenn es um Wege aus der "diskursiven Blase" geht.

      Nehmen wir das kleine, vielleicht kleinliche Beispiel Energielabel für Haushaltsgeräte (A+++, A++ und A+ usw.). Es gibt gewiss gute Gründe, sie kompliziert zu finden. Wie wäre es mit A, B, C? Oder noch einfacher: grün, organge, rot? Egal, es geht mir nicht um das Energielabel selbst, sondern um die Demokratie-Praxis. Als Gegner dieses Labels sollte ich:

      1. mich wirksam darüber aufregen (können), bevor dieses EU-Label beschlossen ist
      2. sehen (können), wer dieses Label eigentlich so kompliziert haben will (die EU-Kommission? die Bundesregierung? Die Grünen? Die CDU? Die Staubsauger-Industrie?)

      Nur so kann ich dann gegebenenfalls jemanden anderes wählen - bei der Bundestagswahl, bei der Europawahl - weil mir die Sache mit dem Label so elementar wichtig ist, oder weil sie als eine von sehr vielen Punkten in meine Wahlentscheidung einfließt.

      Aber so einfach läuft die breite EU-Debatte bisher nicht. Es gibt zum Beispiel keine Hart-aber-Fair-Sendung in der ARD, bei der sich diejenigen rechtfertigen, die ein kompliziertes, ein einfaches oder gar kein Energie-Label fordern, bevor die Entscheidung gefallen ist. Stattdessen gibt es dann (mit mehrjähriger Verspätung) die "Bürokratie-Monster-Brüssel?"-Sendung, und alle regen sich plötzlich über dieses dumme Label auf. Und alle und niemand sind verantwortlich.

      Beim Detail-Problem Energielabel mag das noch nicht weiter dramatisch sein. Bei der EU-Flüchtlings-, Finanzmarkt oder -Agrarpolitik dann aber schon.

      Ich glaube, dass es anders ginge. Aber dazu vielleicht später. Vielleicht sind auch schon diese kleinen Erwartungen an die demokratische Praxis im "Staubsauger-Streit" zu hoch?

      Alex

  • Politische Debatten Für mich steht außer Frage, dass sich ein demokratisches System über den Mechanismus der Mehrheitssuche definiert und eine Mehrheit ist in demokratischen Systemen nicht durch Zwang sondern Überzeugungsarbeit zu finden. Eine lebhafte Debatte ist dafür zwingend erforderlich und es gibt auch keinen Grund in einem demokratischen Europa darauf zu verzichten.

    Zwei übergeordnete Rahmen: Politikverdrossenheit: Ich denke man muss konstatieren, dass insgesamt das Interesse an politischer Debatte in Deutschland schwindet. Das heißt von mangelnder Debatte ist nicht nur die EU betroffen, sondern genauso Bund, Länder oder auch Kommunen.

    Finanzkrise: Eines der wenigen positiven Punkte der Finanzkrise ist aus meiner Sicht, dass durch sie die EU-Debatte weit präsenter ist.

    Bewertung: Ich kann das leider nicht aufschlüsseln, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich die EU-Debatte heute als weniger präsent empfinde als vor 8 Jahren. Bzw. ich vermag nicht zu beurteilen, ob wir wieder auf dem Weg zu mehr europäischer Debatte sind oder ob mein Eindruck einer lebhafteren EU-Debatte eher von der europäischen Finanzkrise hervorgerufen wird.

    Das System: Zu viele Positionen und Einzelinteressen: Das System macht eine europäische Debatte allerdings auch nicht leichter. Statt klar unterschiedlichen Positionen von 5 oder 6 Parteien, gibt es in der EU 28 Positionen von Regierungen und nochmal einige verschiedene Parteipositionen im EU-Parlament, wobei ich nicht aus der Zahl von 150 Parteien den Schluss ziehen würde, dass es 150 verschiedene Parteipositionen gibt. Viele davon überschneiden sich weitestgehend oder ein Kompromiss wird innerhalb von Fraktionen ausgearbeitet. Daneben gibt es in der EU aber auch noch das Problem (das ist ähnlich wie beim Bundesrat) dass die Länderinteressen sich zum Teil entgegenstehen und dann auch oft nicht klar benannt werden. Im Bundesrat, z.B. beim Asylkompromiss, haben wir ja auch das Phänomen, dass die öffentliche Debatte meistens erst nach Entscheidungen entbrennt. Vermutlich ist das Gegeneinander von Interessen ein Grund hierfür, da es für einen Verhandlungserfolg einer Landesregierung abträglich wäre, vorher die eigenen Interessen detailliert zu erläutern. Das ist im Bundestag natürlich anders, da sich zwar die politische Vorstellung, was Deutschland voranbringt, unterscheidet, aber das Interesse ist eben immer Deutschland voranzubringen. Auf der EU-Ebene unterscheiden sich also neben vielleicht 40 verschiedenen politischen Positionen auch noch 28 Interessen, so dass sehr viel über „Deals“ läuft, die sich dann nicht mehr aus einer thematischen Abwägung ergeben.

    Bsp.: Komm wir machen das so, die Finanztransaktionssteuer gilt in deinem Land nur, wenn du es willst, dafür hilf mir bitte diese blöden Abgasgrenzwerte bei den Autos zu verhindern. Wäre doch auch für Euch gut, eure Automobilindustrie ist doch auch gerade nicht so am Laufen.

    Gedanke zu einer Systemänderung: Ich vermute, wenn man mehr Transparenz will, dann wird es nur gehen, wenn die Entscheidungsgewalt stärker ins Parlament verlagert wird. In diesem gilt dann ähnlich dem Bundestag, dass sich zwar noch die Positionen unterscheiden, aber das Interesse zumindest ein gemeinsames ist. Evtl. käme es dann ja auch zu einer stärkeren Bündelung von Parteipositionen, da diese dann in EU-Debatten präsenter wären.

    www.mister-ede.de - Die Machtverschiebung von Parlamenten zu Regierungen in der EU

    Medien: Fehlende europäische Öffentlichkeit: Vor zwei Jahren mahnte Gauck an, dass es an einer gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit mangelt. Seine Rede fand ich damals ziemlich gut, weil er den Finger in die Wunde legte. Zwar machen es die unterschiedlichen Sprachen nicht leichter, aber ich denke vor allem mangelt es hier auch an einem Engagement für eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit.

    Gedanke eines europäischen Medienangebots: Was es bislang gibt, sind zwar Versuche, Debatten aus anderen EU-Ländern widerzuspiegeln (Europamagazin), jedoch gibt es nach meinem Wissen kein echtes europäisches Medienangebot, zumindest keines was präsent ist. Ich meine also ein europäisches Magazin, welches selbst Themen bearbeitet, auch versucht Themen zu setzen und sich von der Ausrichtung auf die EU fokussiert, vor allem aber auch in allen Sprachen der EU erscheint und in jedem Land erhältlich ist.

    Ich denke, es gibt wirklich genügend Themen, die uns in der ganzen EU etwas angehen und da wäre es schon die Aufgabe „der Medien“ diese Themen auch zu bearbeiten. Hier ein paar Themenbeispiele: www.mister-ede.de - Ein Überblick über die Herausforderungen der Europäischen Union

    Allerdings will ich jetzt nicht sagen, dass alle Medien ihrer Aufgabe nicht nachkommen. Man muss da schon einen Unterschied zwischen Sat1 und der ARD machen oder zwischen BamS und der Zeit. Allerdings auch in den „Qualitätsmedien“ wird mir zu selten der Blick auf globale und europäische Themen oder auch Zusammenhänge gerichtet.

    • Ich versuche das mal zu ergänzen,

      Politikverdrossenheit: Du hast schon recht, dass Politikverdrossenheit ein Problem darstellt. Aber jeder Mensch hat Probleme, die einen betreffen. Über diese Themen wird diskutiert. Egal ob politikverdrossen oder nicht. Für die meisten Menschen ist Europa zu fern, zu abstrakt, um es in eine Diskussion einzubauen.

      Finanzkrise: Die EU mag präsenter sein, aber eine konstruktive Diskussion hat die Finanzkrise nicht wirklich gefördert. Sie wird eigentlich nur als Vorwand genutzt, um über "Brüssel" herzuziehen. Durch die konstant schlechten Nachrichten wurde auch das Bild der EU geprägt. Gefühlt ist sind nur die Vorurteile, die vorher am Stammtisch gefangen waren ("Teuro") in das Licht getreten, um dort die selben Parolen zu verbreiten, ohne dass eine wirkliche Diskussion stattfindet.

      Das System: die Fraktionen im EP haben eine Diskussionskultur gefördert. Jedoch haben diese auch intern ein Problem. Die Parteien innerhalb der Fraktionen denken sich oft selbst nicht europäisch. Wir hatten zu der Europawahl auch Kommunalwahl. Die Parteien haben lieber Kommunalwahlkampf als Europawahlkampf gemacht. Gleichzeitig konnten mir auch einige der Politiker nicht sagen, wer der europäische Spitzenkandidat von deren Partei war. (Ich schaue gerade ganz böse Richtung FDP) Das die Entscheidungen der Regierungen oft auch wenig transparent ist, hilft auch nicht.

      Medien: Das einzige Medium, was im Ansatz auch europäisch ist und mir gerade einfällt, ist Euronews. Das gibt es zumindest in allen europäischen Sprachen und versucht Nachrichten immer aus einer europäischen Perspektive zu zeigen. Aber der Sender ist in einer Nische versteckt. Große deutsche Formate haben eigentlich immer auch einen deutschen Fokus. Das ist für mich das Problem. Und wenn es mal Nachrichten über die EU gibt, dann sind diese eher schlecht konnotiert.

      • Hallo Seelenoede, danke für Deine Ergänzung. Ich glaube Dein Punkt der Betroffenheit ist ein entscheidender. Meine These: sie ist ständig da, wird dem Einzelnen aber nicht bewusst. Ein Beispiel: Bei der EU-Datenschutzgrundverordnung geht es um jeden von uns ganz persönlich, bis in unser E-Mailfach hinein sozusagen. Welcher Datenschutz gilt für Unternehmen, selbst wenn die Daten außerhalb der EU liegen? Welche Profilbildung ist erlaubt? Usw. Trotz dieser elementaren Betroffenheit (hier ist "Brüssel" alles andere als fern, sondern ganz nah dran) ist es für einen 'normalen' Menschen unfassbar schwer, die aktuellen Verhandlungen über diese Jahrhundertreform auch nur oberflächlich zu bewerten, geschweige denn parteipolitisch zu verorten.

        Ganz ehrlich, obwohl ich hierzu schon viel recherchiert habe (und wer hat schon Zeit für sowas?), ich könnte Dir im Detail nicht sagen, warum die entscheidenden EU-Staaten hierzu noch keine Position gefunden haben bzw. welche sie eigentlich haben und warum, und weshalb sie den Vorschlag des Parlaments nicht einfach durchwinken.

        Postdemokratie und Elitenprojekt

        Auch wenn es mir widerstrebt, weil ich fest glaube, dass es auch einfacher und anders ginge, muss ich in vielen Fällen dem EU-Blogger Jon Worth Recht geben, wenn er der EU postdemokratische Züge zuschreibt: "Bürger können zwar für die eine oder die andere Partei stimmen, sie können dann aber die Konsequenzen dieser Wahl nicht sehen."

        Jon Worth sagt auch, die EU ist wie jedes politische System ein Elitenprojekt. Das stimmt sicher, trotzdem entbindet das nicht davon, die Schwelle zur Beteiligung immer wieder zu senken. Auch ohne Abi muss es möglich sein, EU-Gesetzgebung zu begreifen (was heute oft trotz Hochschulabschluss nicht möglich ist - siehe Datenschutz). Ich finde, an diesem Anspruch sollte man festhalten, anstatt sich - wie manche EU-Beamte das manchmal resigniert tun - in dieser "Ihr habt doch alle keine Ahnung"-Haltung abzuschotten.

        Einfache Sprache?

        Neben der Mediendebatte fände ich an dieser Stelle auch die Sprachdebatte für auflebenswert, wobei ich jetzt das Bürokrateneuropäisch meine. Es ist schon schwer, Richtlinien und Verordnungen zu lesen und zu verstehen. Unmöglich ist es oft, die Tricks darin zu erkennen (Ausnahmen, Auslassungen etc.). Wo bleibt die einfache Sprache?

        • Hey,

          ich muss zugeben, dass ich bis jetzt noch keine Verordnungen gelesen habe. Dies habe ich nun (mehr oder weniger) nachgeholt. Ich muss sagen, dass mir bei den Websites zu den Gesetzen die europäische Variante besser gefällt als die deutsche Variante. Ich habe zwar jetzt nur grob ein paar Sachen überflogen, aber auch vom Aufbau und der Verständlichkeit gefallen mir die europ. Verordnungen besser als die deutschen. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück. Zum Vergleich, was ich gelesen bzw. überflogen habe: europ. Verordnung zum Schutz von Tieren zum Zeitpkt. d. Tötung EU Amtsblatt vom 11.11.14 D: Änderung Medizin-Gebührenverordnung D: Änderung Spielordnung

          Aber insgesamt hast du schon recht. Insgesamt ist Recht zu schwer zu verstehen. Die ganzen Verweise und Sprünge, sowie die extralangen Überschriften erschweren Eindeutig die Lesbarkeit einer Verordnung. Jedoch denke ich nicht, dass eine einfachere Sprache in der Gesetzordnung eine bessere Diskussion bieten kann. Der Mensch ist viel zu faul sich so was durchzulesen und am Ende bleibt nur eine Minderheit übrig, die sich besser informieren wollen.

          • Auch wieder wahr! Aber es gibt Gegenbeispiele. Es war in Deutschland möglich über das Betreuungsgeld oder den Mindestlohn zu diskutieren. Warum nicht auch über den europäischen Tierschutz oder die Lebensmittel-Ampel? Vielleicht muss auch nicht jeder alle Verordnungen lesen und verstehen, aber Journalisten sollten es tun können, um das Wesen einer Regelung und seine Alternativen zu erfassen. Nur so können sie beides wiederum in einer einfachen Sprache vermitteln und eine informierte Partizipation der Bürger ermöglichen.

        • Hallo Redaktion,

          Elitenproblematik sehe ich auch. Ebenso sehe ich auch die Problematik mit Bürokratensprache, allerdings ist das meines Erachtens nicht unbedingt nur auf die EU-Ebene begrenzt. Selbiges gilt auch für komplexe Gesetze. Es gibt z.B. nicht so viele Leute in Deutschland, die den Länderfinanzausgleich verstehen.

      • Hallo Seelenoede

        danke für all deine Ergänzung. Stimmt, Euronews kenne ich von früher, wusste gar nicht, dass es das noch gibt.

        "Jeder Mensch hat Probleme", das stimmt, aber auch nicht jedes Problem, z.B. familiäre Probleme, Probleme mit Kollegen oder gesundheitliche Probleme sind gleich politische Probleme. Die Frage ist auch, ob z.B. jemand, der finanzielle Probleme hat, die dahinterliegenden gesellschaftlichen Probleme erkennt oder vielleicht auch einfach die Schuld bei sich sucht. Insofern würde ich sagen, persönliche Probleme können zu politischen Fragen und Debatten führen, müssen es aber nicht.

        • Hi,

          generell lässt sich jedes Problem auf ein politisches Problem herunterbrechen bzw. sind wir auch immer betroffen. Das fängt bei Fragen zum Datenschutz an, geht über Gleichstellungsfragen und hört bei Verordnungen zum Verbraucherschutz auf.

          Klar muss man nicht nicht jedes Problem politisch angehen. Aber besonders persönliche Probleme können politische Brisanz haben. Hätte derjenige mit den finanziellen Problemen evtl. keine Probleme, falls der Staat eine andere soziale Gesetzgebung hätte.

          Grundsätzlich hat es sich gezeigt, dass der Staat alles kontrollieren kann, wenn er denn möchte, deswegen kann man auch jedes Problem politisch sehen (muss es aber nicht immer :) )

    • Lieber MisterEde,

      danke für Deine Analyse. Ich werde viel davon zur Europawerkstatt mitnehmen. Ganz kurz zu Deinen Punkten:

      • Das System : Zweifellos ist die von Dir geschilderte Vielzahl der Akteure und Ebenen für die klare, pointierte Debatte nicht förderlich. Trotzdem kann es meines Erachtens (mit ein paar Neuerungen) gelingen, zumindest die konkrete EU-Politik derjenigen VertretInnen kritisch zu verfolgen, die wir wählen können, also unserer nationalen Abgeordneten (Länderparlamente, Bundestag / Bundesregierung / EU-Parlament)

      • Natürlich würden wir dann auch an ein paar Grenzen stoßen. Etwa wenn es heißt: 'tja, das ist aber an Frankreich oder Großbritannien gescheitert', oder 'das wollte Bulgarien aber so', oder 'das wusstet ihr nicht, aber hinter dieser Entscheidung verbirgt sich dieser Deal.'

      • Die Gefahr wäre bei voller Transparenz ständig Streit zwischen EU-Bevölkerungen anzuzetteln. Die Konflikte zwischen den Nationen hält das bisherige System sehr gut unter dem Deckel - und sei es nur, indem Ratssitzungen nicht öffentlich sind. So gut, dass konkrete nationale Verwantwortlichkeit oft bis zur Unkenntlichkeit im großen "EU-Topf" verschwindet, der dann aber eben in der Fundamental-Kritik steht.

      • Ich will wie Du letztlich auch gar keine nationale, sondern eine europäische Debatte. Also etwa an den Konfliktlinien Linke vs. Konservative, Arbeitgeber vs. Arbeitnehmer, grün vs. fossil, liberal vs. regulatorisch, usw, in der sich die EU-Bürger nicht über ihre Nationalität verorten, sondern über ihre persönlichen, politischen Interressen. Das ginge natürlich mit einer echten EU-Regierung und einem starken EU-Parlament sehr gut. Und ich kann die Träume in dieser Richtung völlig verstehen. Andererseits haben wir diese Art EU-Demokratie noch überhaupt nicht eingeübt oder breit verinnerlicht - wird das noch was oder können wir da lange warten?

      • Medien: Ich weiß gar nicht, ob wir ein europäisches Medium wirklich brauchen. Abgesehen davon, dass viele entsprechende Versuche gescheitert sind oder ein Nischendasein fristen - es wäre doch schon viel erreicht, wenn EU-Politik so formatiert ist, dass sie rechtzeitig medienwirksam und "diskutabel" wird. Dass wir also europaweit vor EU-Entscheidungen diskutieren, etwa in Talkshows und nicht danach. Dass scheitert meines Erachtens daran, dass viele Redaktionen (natürlich nicht alle) EU-Politik immer noch nicht als als die knallharte Innenpolitik begreifen, die sie ist, sondern als irgendetwas apolitisches, bürokratisch-technokratisches, kompliziert-langweiliges Externes. Die EU ist auch schlicht eine Überforderung und macht unendlich viel (Erklärungs)-Arbeit. Und das ließe sich aber auch ohne europäisches Medium ändern, indem die nationalen Medien grundsätzlich anfangen, real-europäisch zu ticken. Die Lösung wäre also für mich metaphorisch eine besseres Heute-Journal und nicht noch ein Europamagazin ganz hinten auf Arte irgendwo, das sowieso niemand anschaut (Um mal auf unsere Medienkritik-Debatte zu verweisen).

      Fazit:

      • es geht mir auch gar nicht so sehr um das Ausmaß der Thematisierung, seit der Finanzkrise sind "Euro" und "EU" überall, es geht mir um die Qualität, die Sichtweise - wie denken wir diese EU, unsere Demokratie?

      Grüße! Alex

      • wir denken sie nicht als unsere, das ist vermutlich die ganz basale begründung für desinteresse und gleichgültigkeit. wenn wir jetzt beginnen, den ganz kleinsten zu zeigen, was europa bedeutet, wird diese union für sie einen ganz neuen wert besitzen. ich habe im übrigen nie verstanden, warum uns ständig verschwiegen wird, dass das deutschland, das wir kennen ohne die union nicht ein annähernd ähnliches wäre - wirtschaftlich, finanziell, politisch, ideologisch. es ist praktisch nicht möglich deutschland ohne europa zu denken - diese annahme vielleicht ist der grundstein für echte europäische diskurse ...

      • Hallo Alex,

        1.) Ich will nicht Widersprechen, da man das Handeln unserer EU-Abgeordneten sicher hierzulande stärker in den Blick nehmen könnte. Ich will aber ergänzen, dass so aus meiner Sicht im Wesentlichen nur weiter der deutsche Blick auf Europa gestärkt wird, aber kein europäischer Blick entwickelt werden kann. Ich glaube, um die EU und die Vorgänge dort zu erklären, braucht man einfach das Ganze, also auch die anderen 27 EU-Mitglieder. Die Entwicklung der EU-Flüchtlingspolitik oder die Debatte um die Finanztransaktionssteuer lassen sich einfach nicht ohne die Interessen einzelner nationaler Gruppen (ob nun Parteien oder z.B. Wirtschaftsverbänden) erklären.

        2.) Genau das ist aber das Problem. Wenn man nicht erklären kann, wie Entscheidungen zustande kommen, dann hat man eben auch keine europäische, politische Streit- und Debattenkultur aller EU-BürgerInnen, die uns rechtzeitig und folgenreich für unsere EU-Demokratie brennen lässt.

        3.) Ich denke aber nicht, dass z.B. die Darstellung unterschiedlicher Interessen mehr Konfrontation zwischen den EU-Mitgliedern oder Bevölkerungen verursacht.

        4.) Mir ging es in diesem Falle um die Reduktion der Komplexität, die aus 28 unterschiedlichen Interessen resultiert. Vielleicht gibt es schlicht eine Grenze für Menge und Komplexität, die für Menschen in irgendeiner Form „verarbeitbar“ ist. Man kann sich in 5 Minuten die wichtigsten Wirtschaftszahlen zu einem Land anschauen und zumindest einen kleinen Überblick erhalten, aber bei 28 Ländern ist das halt schon ein wenig schwieriger. Dazu kommt dann noch die sprachliche Hürde. Mir fällt es z.B. deutlich leichter einer Debatte auf Deutsch zu folgen als auf Englisch. Ganz zu schweigen z.B. wenn es um einzelne nationale Gesetze geht. Ich kann halt das ungarische Mediengesetz einfach nicht lesen. Das aber ist alles kein Problem der Bürger alleine. Genauso geht es doch auch Journalisten oder Bürgerinitiativen und auch Politikern. Und das kommt eben zu dem grundsätzlichen Problem der unterschiedlichen Interesen (Bundesländer) dazu. Bei der Energiewende kann sich halt jeder ohne Probleme so ein paar Seehofer-Statements anhören und selbst wenn jetzt Interessenskollisionen zwischen den Bundesländern nicht für jeden gleich nachvollziehbar sind, können zumindest Journalisten das deutlich leichter recherchieren und aufbereiten.

        5.) Ich weiß also nicht, ob man dieses strukturelle Problem (unterschiedliche Sprache / Kulturen / Rechtssysteme) so einfach z.B. der Redaktion einer kleineren Tageszeitung anlasten kann, die dann erst „zu spät“ informiert und zwar zu einem Zeitpunkt an dem die Komplexität durch die Einigung auf einen konkreten Vorschlag abgenommen hat. Was ich mit meiner Darstellung der Ursachen, die im System begründet liegen, sagen will: Eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit wird uns Aufgrund der Struktur der EU nicht einfach in den Schoß fallen. Wenn wir wollen, dass Griechen, Letten und Deutsche zumindest partiell eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit haben, dann muss man das gezielt angehen. Der Eurovision Songcontest ist zum Beispiel so ein Ansatz um eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen.

        • Hallo MisterEde, danke für die Beispiele und Ergänzungen. Ein Beispiel für die Konflikte, die ich meine: Ich finde in unserer Troika-Debatte auf Publixphere wird schön deutlich, dass der Euro-Rettungskurs ein hochpolitischer Prozess ist, über den sich trefflich streiten lässt. In der breiten Öffentlichkeit erscheint dieser dann aber als etwas 'apolitisches', 'alternativloses' ohne konkrete Verantwortlichkeit. Die Menschen demonstrieren gegen die "die" Troika, anstatt konkrete Wege zu finden, die Ausrichtung dieser Politik zu verändern.

          Der Vorteil dieser Konstruktion liegt natürlich darin, dass es nicht ständig zum offenen Duell zwischen den Nationen kommt, etwa zwischen den 'Geberländern' und den 'Nehmerländern', wenn man sie so bezeichnen möchte.

          Woran eine echte europäische Arena scheitert hat Manuel Müller noch mal gut skizziert, indem er ganz aktuell die Schwäche der europäischen Parteien darstellt:

          Der (europäische) Föderalist: Verdrossenheit oder Europäisierung: Zur Zukunft der Parteiendemokratie

          Noch mal Medien

          Ich lasse mich da gern von Dir überzeugen. Dennoch: ein paneuropäisches Medium muss nicht einfach nur existieren, es muss auch konsumiert werden. Und hierfür muss die Debatte so formatiert sein, dass ihre 'eigene' Gesetzgebung die Menschen bewegt - Kontraste, Personalisierung, klares Timing ('Showdown'), klare Verantwortlichkeit, einfache Sprache. Wir haben dieses Problem natürlich auch in Deutschland. Manchmal kommt es mir vor, als würden Politik-Redaktionen über alles noch so Nebensächliche berichten (Lästereien, Mini-Machtkämpfe, Entgleisungen) nur bloß nicht über ein einziges konkretes Gesetz oder auch nur eine Plenardebatte.

          • Nach der Debatte hier, habe ich mir mal überlegt, wie ein gesamteuropäisches Medienangebot aussehen könnte. Hier der Link zu diesem vorweihnachtlichen Wunschzettel:

            www.mister-ede.de - Gedanken zu einem gesamteuropäischen Medienangebot

            • Hallo MisterEde, danke für Deinen weihnachtlichen Wunschzettel! Du kannst ihn auch gern auf Publixphere posten, unter Europawerkstatt oder Medienkritik. Kommendes Jahr würde ich dann mal ein paar Reaktionen anfragen - von den öffentlichen Rechtlichen u.a.. Geplant ist außerdem ein Überblick über die bisherigen EU-Quellen (auch Medien), ebenfalls 2015. Liebe Grüße! Alex

              • Gedanken zu einem gesamteuropäischen Medienangebot:

                Innerhalb der Europäischen Union ergeben sich immer wieder Probleme durch eine in viele einzelne Öffentlichkeiten zersplitterte europäische Gesamtöffentlichkeit. Themen, wie z.B. die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa oder die hohe Abhängigkeit von russischem Gas im Osten der Union, beschäftigen oftmals nur die Bevölkerung in den jeweils betroffenen Regionen, selbst wenn sich hinter solchen Themen gesamteuropäische Herausforderungen verstecken. So kann allerdings keine gemeinsame europäische Perspektive entstehen, die zur Beantwortung gesamteuropäischer Fragen eigentlich notwendig wäre. Um dieser Zersplitterung zu begegnen und die Entwicklung eines europäischen Blickes zu forcieren, bzw. eine gesamteuropäische Öffentlichkeit zu schaffen, wäre meines Erachtens ein gemeinsames europäisches Medienangebot sehr hilfreich. Unabhängig von Fragen der Machbarkeit oder der Wirtschaftlichkeit habe ich daher mal meinen Gedanken freien Lauf gelassen und im Folgenden beschrieben, wie ein solches gesamteuropäisches Medienangebot aussehen könnte.

                Form: Aus meiner Sicht müsste es sich um ein Angebot handeln, das in allen Ländern die gleichen Inhalte anbietet, allerdings in den jeweiligen Amtssprachen der EU und gerne auch in noch mehr Sprachen, egal ob nun japanisch oder katalanisch. Entsprechend müsste ein solches Medienangebot auch eine europäische multinationale Redaktion haben und für die journalistische Qualität wären auch eigene Korrespondenten rund um den Globus und in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sinnvoll. Daneben sollten regelmäßig hochrangige Gesprächspartner das Angebot bereichern, z.B. im politischen Bereich EU-Kommissare, Europa-Abgeordnete oder Vertreter von EZB, UN, Greenpeace oder ähnlichem. Das Angebot müsste zeitgerecht und zukunftsorientiert sein, also z.B. als zentralen Anlaufpunkt eine eigene Netzplattform bieten und stets auch auf dem neuesten Stand der Technik sein, z.B. wenn es um die professionelle Produktion von Audio oder Videobeiträgen geht. Vorstellbar wäre für mich daher auch ein Medienmix, der aus Print-, Radio-, Fernseh- und Netzangeboten besteht. Ein wöchentlich gedrucktes Magazin in Landessprache und mit Lokalteil (aus dem jeweiligen Mitgliedsstaat) könnte dabei den Printbereich abdecken und die Onlineplattform könnte vergleichbar zu heutigen Portalen, z.B. von Zeitungen oder Fernsehsendern, aufgebaut sein. Ergänzt würde dies dann durch eigene Audio- oder Video-Produktionen, die von ondemand Unterhaltungsangeboten über Reportagen bis hin zu Live-Events, Nachrichtensendungen und Lokalnachrichten (Nachrichten aus dem jeweiligen EU-Land) reichen können, die dann zu festen Zeiten über das Netz ausgestrahlt werden. Dabei könnte z.B. die Hauptnachrichtensendung im Original je nach Moderatoren-Team in wechselnden Sprachen produziert und zusätzlich in alle anderen angebotenen Sprachen übersetzt werden. Die Lokalnachrichten könnten hingegen in der jeweiligen Landessprache hergestellt werden und aus dieser Version heraus verdolmetscht werden. Auch eine Verbreitung des Angebots als Netz-Radio wäre denkbar und theoretisch könnten z.B. Reportagen oder Nachrichtensendungen auch in ein Fernsehprogramm, z.B. 3Sat, eingebunden werden.

                Inhalt: Neben diversen Unterhaltungsangeboten, von einer europäischen Kochshow über Quizshows bis hin zu Filmen oder in einem gewissen Rahmen Boulevard, Klatsch und Tratsch, braucht ein solches Angebot natürlich eine starke Informationsorientierung. Neben Berichten zu aktuellen Ereignissen, von schweren Unglücken oder Katastrophen über Straftaten oder Wirtschaftskriminalität bis hin zu Kuriosem und Erfolgsgeschichten, sollten hier die großen Themen der Zeit aus einer gesamteuropäischen Sicht bearbeitet werden, so dass sich langsam eine echte gemeinsame europäische Öffentlichkeit entwickeln kann. Als Beispiel habe ich hier ein paar europäische und globale Themen aufgelistet, die z.B. in verschiedenen Rubriken eines wöchentlichen Printmagazins bearbeitet werden könnten.

                Rubrik „Weltgeschehen“: Hier könnte der Blick auf die Welt eben nicht aus der jeweils nationalen Sicht, sondern aus der europäischen Sicht angeboten werden. Was ist z.B. Ebola oder welche Regionen sind davon betroffen? ISIS, Klimawandel oder Snowden wären weitere mögliche Themen und viel Aktuelles aus aller Welt, aus Brasilien, China, USA oder Japan, könnten diese Rubrik ergänzen.

                Rubrik „EU in der Welt“: Hier könnte erläutert werden, wie sich die EU auf der globalen Bühne verhält. Was macht die EU wegen und gegen Ebola, was hat sie versäumt und was sollte sie machen? Weitere Themen könnten TTIP, CETA, EPA, Klimakonferenzen, Ukraine oder die Russland-Politik der EU sein. Was kann die EU gegen ISIS unternehmen? Wie ist die Beziehung EU und NATO? Welche Flüchtlingspolitik betreibt die EU und was passiert an den Außengrenzen?

                Rubrik „In der EU“: In dieser Rubrik könnten entsprechend innereuropäische Themen behandelt werden. Welche Maßnahmen hat die EU getroffen, um in Europa auf Ebola vorbereitet zu sein? Was ist mit der Finanzkrise, wie kommt das Satellitenprogramm Galileo voran, wie gehen wir in der EU mit Flüchtlingen um oder was für Konsequenzen ergeben sich aus LuxLeaks oder dem Zinsmanipulationsskandal? Die Datenschutzgrundverordnung oder die EU-Haushaltsplanung könnten weitere Themen sein, genauso wie aktuelle Gesetzgebungsverfahren oder politische Initiativen.

                Rubrik „In den Mitgliedsländern“: Hier könnte dann der Blick in die einzelnen Regionen gerichtet werden. Wahlen, große Gesetzesvorhaben und weitere aktuelle Themen der verschiedenen EU-Länder könnten bearbeitet werden. Wie hat Spanien auf die Ebola-Erkrankung einer Krankenschwester reagiert? Wie ist der Stand bei der deutschen Maut-Debatte? Welche Veränderungen bringt der Regierungswechsel in Rumänien?

                Rubrik „Lokalnachrichten“: Diese Rubrik könnte Nachrichten aus dem jeweiligen Mitgliedsland bündeln, also z.B. hierzulande Meldungen und Geschichten aus Deutschland. So würde der Nachrichtenblick abgerundet, auch wenn es sich bei einem solchen „Lokalteil“ dann nicht mehr um einen gesamteuropäischen Blick handelt.

                P.S. Euronews ist was das anbieten der gleichen Beiträge in ganz Europa und die Übersetzung in Landessprache angeht ein gutes Vorbild. Aber auch die EU-Angebote, zum Beispiel zu Plenarsitzungen, bei denen man dann zwischen Übersetzung und Originalsprache "Switchen" kann, sind in meine Gedanken mit eingeflossen.

          • Hallo Redaktion,

            ich trenne mal zwei Punkte:

            1.) Die Frage nach einer Debatte über europäische Themen (in Deutschland)

            2.) Die Frage nach einer gesamteuropäischen Öffentlichkeit

            Zu 1.)

            Was die Beschreibung der aktuellen Defizite anbelangt stimme ich voll zu. Bei der Beschreibung der Ursachen denke ich ergänzen sich die unterschiedlichen Beiträge, da dieser „Debattenstau“ sicher nicht von einer einzelnen Ursache hervorgerufen wird. Pauls Hinweis, dass die positiven Dinge an der EU zu wenig verdeutlicht werden, halte ich ebenso für relevant, wie auch Deinen Hinweis auf eine mangelnde oder zu späte Beschäftigung deutscher Medien mit europäischen Themen, den Hinweis auf eine gewisse Elitenproblematik oder meine Anmerkung zu Komplexität, Sprache und fehlender „gemeinsamer“ Öffentlichkeit.

            Zu 2.)

            Ich glaube hier reden wir etwas aneinander vorbei. Mein Gedanke ist, dass eine „gemeinsame europäische Öffentlichkeit“ helfen würde, einen gesamteuropäischen Blick zu entwickeln. Ferner denke ich, dass ein „europäisches Medienangebot“ am geeignetsten ist, um die Entwicklung einer solchen gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit zu fördern. Das sagt aber umgekehrt nichts darüber aus, ob ein solches Medienangebot nun wirtschaftlich zu betreiben ist oder nicht.

            Insofern stimme ich Dir zu, „ein paneuropäisches Medium muss nicht einfach nur existieren, es muss auch konsumiert werden“, aber ich bin eben der Meinung, dass daraus nur folgt, dass ein europäisches Medienangebot so attraktiv sein muss, dass es eben auch konsumiert wird. Aufgrund der Strukturen (unterschiedliche Sprachen) dürfte dies aber keine allzu leichte Aufgabe sein. Dennoch glaube ich, ein solches Medienangebot würde helfen, Abseits der Frage, wie sehr über europäische Themen debattiert wird, einfach auch einen gesamteuropäischen Blick zu entwickeln.

            • Danke für den Hinweis! Es sind tatsächlich zwei Stränge in dieser Diskussion - mit gewissen Wechselwirkungen. Es würde auf jeden Fall Sinn machen, beides mal gesondert und vertiefend zu betrachten.